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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 25.10.2002
Aktenzeichen: 2 UF 98/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 319
Ein Rechtsmittel zur Berichtigung einer fehlerhaften Entscheidung ist jedenfalls dann als zulässig anzusehen, wenn es sich nicht zweifelsfrei um eine offensichtliche Unrichtigkeit handelt, die gem. § 319 ZPO korrigiert werden könnte.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE

2 UF 98/02

Karlsruhe, 25. Oktober 2002

wegen Versorgungsausgleich

Beschluss

Tenor:

1. Auf die Beschwerde der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Sinsheim vom 26.07.2002 (20 F 32/99 [VA]) in Ziffer 1 wie folgt abgeändert:

a) Vom Versicherungskonto Nr. des Antragsgegners J. L. bei der BfA werden Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 319,15 € monatlich, bezogen auf den 31.01.1999, auf das Versicherungskonto Nr. der Antragstellerin D. L.-L. bei der BfA übertragen.

b) Außerdem werden vom Versicherungskonto Nr. des Antragsgegners J. L. bei der BfA weitere Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 9,90 € monatlich, bezogen auf den 31.01.1999, auf das Versicherungskonto Nr. der Antragstellerin D. L.-L. bei der BfA übertragen.

Die genannten Monatsbeträge sind in Entgeltpunkte umzurechnen.

2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin tragen die Parteien je zur Hälfte. Im übrigen werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens gegeneinander aufgehoben.

3. Der Beschwerdewert wird auf 500,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Das Familiengericht hat auf den am 02.02.1999 zugestellten Scheidungsantrag die am 30.07.1976 geschlossene Ehe der am 07.03.1954 geborenen Antragstellerin und des am 06.04.1947 geborenen Antragsgegners durch am selben Tage rechtskräftig gewordenes Urteil vom 23.02.2001 geschieden. Im (abgetrennten) Verfahren wegen Versorgungsausgleichs hat das Familiengericht mit Beschluss vom 26.07.2002 den Versorgungsausgleich in der Weise geregelt, dass es vom Versicherungskonto des Antragsgegners bei der BfA auf das der Antragstellerin beim selben Versicherungsträger Rentenanwartschaften in Höhe von 831,55 € monatlich, bezogen auf den 31.01.1999, übertragen hat.

Grundlage für die Berechnung waren entsprechend den vom Familiengericht jeweils für die maßgebende Ehezeit vom 01.07.1976 bis 31.01.1999 eingeholten Auskünften monatliche Anwartschaften der Antragstellerin in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 525,82 DM (vgl. Auskunft der BfA vom 12.08.1999) sowie eine unverfallbare monatliche Anwartschaft auf Versorgungsrente (vgl. Auskunft der Kirchlichen Zusatzversorgungskasse vom 18.08.2000) in Höhe von monatlich 93,96 DM. Letztere hat das Familiengericht mit Hilfe der Barwertverordnung und der einschlägigen Rechengrößen in einem monatliche dynamische Anwartschaft von 13,96 DM umgerechnet. Der Antragsgegner habe, so heißt es in der Entscheidung des Familiengerichts weiter, in der gesetzlichen Rentenversicherung monatliche Anwartschaften in Höhe von 17.774,23 DM erworben. Nach der vom Familiengericht eingeholten Auskunft der BfA vom 19.05.1999 ergibt sich für den Antragsgegner jedoch eine monatliche Rentenanwartschaft von 1.774,23 DM. Weiter hat das Familiengericht für den Antragsgegner in die Berechnung eine Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung bei der Heidelberger Druckmaschinen AG in Höhe einer Jahresrente von 6.414,96 DM einbezogen. Zu deren Volldynamik und zu weiteren Zweifelsfragen hat das Familiengericht ein Gutachten des Sachverständigen R. G. vom 24.08.2001 eingeholt. Der Sachverständige hat das betriebliche Versorgungsanrecht des Antragsgegners als statisch bewertet und nach Ermittlung eines Ehezeitanteils in Höhe von 2.835,98 DM ein dynamisches Anrecht von 52,67 DM errechnet.

Gegen die am 07.08.2002 zugestellte Entscheidung des Familiengerichts vom 26.07.2002 hat die BfA mit am 27.08.2002 beim OLG eingegangenem Schriftsatz, gleichzeitig mit Begründung versehene, Beschwerde eingelegt.

Sie weist darauf hin, dass das Familiengericht seinen Entscheidungsgründen eine Anwartschaft des Antragsgegners in Höhe von 17.774,23 DM zu Grunde gelegt hat, obwohl dieser ausweislich der dem Familiengericht mitgeteilten Auskunft vom 19.05.1999 eine solche von 1.774,23 DM erworben hat.

Der Antragsgegner hat sich den Ausführungen der Beschwerdeführerin angeschlossen. Die Antragstellerin tritt der Beschwerde nicht entgegen. Sie hält sie jedoch für unzulässig, weil das Familiengericht seinen offensichtlichen Schreibfehler berichtigen könne. Die übrigen Verfahrensbeteiligten haben sich nicht geäußert.

II.

Das Rechtsmittel der durch die angefochtene Entscheidung des Familiengerichts zweifelsfrei beschwerten BfA ist zulässig, insbesondere fehlt ihm nicht das Rechtsschutzbedürfnis, weil der Beschluss des Familiengerichts vom 26.07.2002 - auch - durch den hierfür zuständigen (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 319 Rn. 22) Senat hätte berichtigt werden können.

1. In dem angefochtenen Beschluss kommt ein Schreibfehler vor, der vom Gesetz ausdrücklich als Beispiel einer offenbaren Unrichtigkeit im Sinne des § 319 ZPO genannt ist. Statt des richtigen, von der Beschwerdeführerin in ihrer Auskunft vom 19.05.1999 genannten Betrags der ehezeitbezogenen monatlichen Rentenanwartschaften des Antragsgegners in Höhe von 1.774,23 DM hat das Familiengericht seiner Berechnung einen solchen von 17.774,23 DM zu Grunde gelegt. Dabei handelt es sich offensichtlich um einen Eingabefehler bei dem vom Familiengericht für die Berechnung des Versorgungsausgleich Verwandten familienrechtlichen Computerprogramms. Es unterliegt keinem Zweifel, dass bei der Eingabe des Betrags für die Rentenanwartschaft des Antragsgegners ein Fehler unterlaufen ist, indem die Ziffer 7 "einmal zuviel" getippt wurde. Damit ist der Fall mit dem Eintippen eines falschen Betrags in einen Taschenrechner, also einem typischen Rechenfehler vergleichbar (Zöller/Vollkommer, a. a. O., Rn. 9; OLG Bamberg, FamRZ 1998, 764). Dass diese Unrichtigkeit sich nicht sofort unmittelbar aus dem Beschluss vom 26.07.2002 selbst feststellen lässt, ändert nichts an dieser Beurteilung. Zur Feststellung der Unrichtigkeit kann auch auf weitere, zumindest den Beteiligten zugängliche Informationsquellen abgestellt werden. Als solche sind auch die Verfahrensakten selbst, hier die Mitteilung der BfA vom 19.05.1999 über die erworbenen monatlichen Rentenanwartschaften des Antragsgegners anzusehen (Münchner Kommentar/Musielak, ZPO, 2. Aufl., § 319 Rn. 7). Dass bei Berücksichtigung des richtigen Betrags das umfangreiche Rechenwerk zur Ermittlung des zwischen den Parteien vorzunehmenden Versorgungsausgleichs überprüft werden muss, steht einer Berichtigung ebenfalls nicht entgegen. Es besteht kein Zweifel, dass das Familiengericht, hätte es den Fehler rechtzeitig bemerkt, über den Versorgungsausgleich anders entschieden hätte (vgl. Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 319 Rn. 5).

2. Obwohl der angefochtene Beschluss einer Berichtigung zugänglich wäre, kann jedenfalls in einem Fall der vorliegenden Art das Rechtsschutzbedürfnis für die Beschwerde der BfA nicht verneint werden. Die Frage, ob ein Verfahrensbeteiligter an Stelle eines Antrags auf Berichtigung auch ein Rechtsmittel mit dem Ziel einer entsprechenden Korrektur der fehlerhaften Entscheidung einlegen kann, ist streitig. Nach herrschender Meinung, der sich der Senat anschließt, ist ein Rechtsmittel zur Berichtigung der Unrichtigkeit jedenfalls dann als zulässig anzusehen, wenn es sich nicht zweifelsfrei um eine offensichtliche Unrichtigkeit der fehlerhaften Entscheidung handelt, die gem. § 319 ZPO korrigiert werden könnte. Denn bereits mit der Zustellung der unberichtigten Entscheidung beginnt der Lauf der Rechtsmittelfristen und die Partei bzw. der Verfahrensbeteiligte vermag nicht durchweg mit Sicherheit zu erkennen, ob die Voraussetzungen einer Berichtigung nach § 319 ZPO erfüllt sind (Münchner Kommentar/Musielak, a. a. O., Rn. 18; Musielak/Musielak, ZPO, 3. Aufl., Rn. 18, jeweils zu § 319 und mit weiteren Nachweisen; vgl. auch Zöller/Vollkommer, a. a. O., Rn. 21). Hier war weder aus dem Tenor der Entscheidung des Familiengerichts noch aus den (lediglich in der Wiedergabe des Computerrechenprogramms bestehenden) Gründen ohne weiteres erkennbar, dass die Berechnung auf der Eingabe einer falschen Zahl beruhte. Erst nach Heraussuchen der im angefochtenen Beschluss weder nach Daten, noch nach den Fundstellen in den Akten angegebenen Auskünfte der einzelnen Versorgungsträger kann festgestellt werden, dass der Betrag der Rentenanwartschaften des Antragsgegners bei der gesetzlichen Rentenversicherung vom Familiengericht falsch eingegeben wurde. In einem solchen Fall, in dem die Überprüfung einer Entscheidung durch die dargelegten Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, kann das Rechtsschutzinteresse für ein Rechtsmittel mit dem Ziel der Berichtigung nicht verneint werden.

3. Die Beschwerde führte in der Sache zu der aus dem Entscheidungssatz ersichtlichen Änderung der Entscheidung zum Versorgungsausgleich. Die Antragstellerin hat gem. § 1587 a Abs. 1 Satz 2 BGB Anspruch auf einen Versorgungsausgleich in Höhe des hälftigen Wertunterschiedes der von beiden Parteien in der Ehezeit vom 01.07.1976 bis 31.01.1999 (§ 1587 Abs. 2 BGB) erworbenen Versorgungsanrechte. Dabei sind die auf Grund der vom Familiengericht eingeholten Auskünfte festzustellenden Anwartschaften wie folgt zu berücksichtigen:

a) Bei der Antragstellerin:

a.1) bei der BfA (Auskunft vom 12.08.1999, I VA 57) 525, 82 DM

a.2) bei der Kirchlichen Zusatzversorgungskasse (Auskunft vom 18.08.2000, I VA 119) eine unverfallbare monatliche Anwartschaft in Höhe von 93,96 DM.

Diese hat das Familiengericht rechnerisch richtig, wie die Überprüfung des Senats ergeben hat, mittels der Barwertverordnung und den einschlägigen Rechengrößen in eine dynamische monatliche Anwartschaft von 13,96 DM umgerechnet. Nach der ständigen, mit der der anderen Senate für Familiensachen des OLG Karlsruhe übereinstimmenden (vgl. Beschluss vom 24.08.2000, FamRZ 2001, 1379 LS) und auch vom BGH (Beschluss vom 05.09.2001, FamRZ 2001, 1695 ff.) mit der Maßgabe vertretenen Auffassung, dass deren weitere Anwendung nur noch bis zum Ende des Jahres 2002 zulässig ist, ist der Barwertermittlung weiter die Barwertverordnung zu Grunde zu legen. Ein Fall, in dem der BGH in seiner Entscheidung vom 05.09.2001 die Barwertverordnung unter Umständen schon jetzt nicht mehr für anwendbar hält, liegt hier nicht vor. Weder bezieht hier ein Ehegatte bereits Versorgung, noch steht der Versorgungsfall zumindest für einen der beiden 1954 bzw. 1947 geborenen Parteien alsbald bevor.

Das ergibt für die Antragstellerin folgende Übersicht:

Splittingfähig gem. § 1587 b Abs. 1 BGB: 525,82 DM

Schuldrechtlicher Ausgleich § 2 VAHRG: 13,96 DM

insgesamt: 539,78 DM

b) beim Antragsgegner:

b.1) bei der BfA (Auskunft vom 19.05.1999, I VA 23) 1.774,23 DM

b.2) bei der Heidelberger Druckmaschinen AG (Auskunft vom 24.03.1999, I VA 14) jährlicher Versorgungsbetrag der betrieblichen Altersversorgung 6.414,96 DM.

Da nach § 1587 a Abs. 2 Nr. 3 BGB nur der Ehezeitanteil der Betriebsrente auszugleichen ist, ist dieser nach dem Zeit - Zeit - Verhältnis wie folgt zu errechnen:

Beginn der Betriebszugehörigkeit April 1961

Erreichen der Altersgrenze April 2002

Dauer der Betriebszugehörigkeit 613 Monate

Beginn der Ehezeit Juli 1976

Ende der Ehezeit Januar 1999

Dauer der in die Ehezeit fallenden Betriebszugehörigkeit 271 Monate Verhältnis von dieser zur Gesamtzeit 0,442088 Jahresrente laut Auskunft 6.414,96 DM

Auszugleichender Anteil (Jahresrente x Verhältniswert) 2.835,98 DM

Diesen Betrag hat auch der Sachverständige Glockner in seinem erstinstanzlichen Gutachten vom 24.08.2001 (vgl. dessen Anlage 1).

Der nicht in gleicher oder nahezu gleicher Weise wie der Wert der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Beamtenversorgung steigende Wert ist gem. § 1587 a Abs. 3 Nr. 4 BGB in eine dynamische Rente umzurechnen. Dabei sind die Werte der Tabelle 1 der Barwertverordnung zu verwenden (zur Anwendbarkeit siehe oben), weil die Versorgung für den Fall des Alters und der Invalidität zugesagt ist:

Ehezeitanteil 2.835,98 DM

Alter des Antragsgegners 51

Barwertfaktor (Tabelle 1) 4,20

Barwert (Faktor x Ehezeitanteil) 11.911,12 DM

Rechengröße zur Umrechnung von Barwerten in Entgeltpunkte 0,0000928019

Entgeltpunkte (Barwert x Rechengröße) 1,1053

Aktueller Rentenwert 47,65

Rentenanwartschaft (Entgeltpunkte x aktueller Rentenwert) 52,67 DM

Vgl. zu dieser Berechnung ebenfalls das genannte Gutachten des Sachverständigen Glockner.

Insgesamt ergibt sich für den Antragsgegner folgende Übersicht:

Splittingfähig 1.774,23 DM

Schuldrechtlicher Ausgleich 52,67 DM

Insgesamt 1.826,99 DM

c) Nach § 1587 a Abs. 1 BGB ist der Ehegatte mit den höheren Anrechten ausgleichspflichtig: Das ist der Antragsgegner. Aus seinen gesamten Anwartschaften in Höhe von 1.826,90 DM und denen der Antragstellerin in Höhe von 539,78 DM ergibt sich ein Wertunterschied von 1.287,12 DM. Somit beträgt die Hälfte 643,56 DM. Der Ausgleich erfolgt nach § 1587 b Abs.1 BGB durch Splitting in Höhe von 624,21 DM (319,15 €) und nach § 2 VAHRG in Höhe von 19,36 DM (9,90 €), und zwar durch erweitertes Splitting nach § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG.

4. Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da der Sachverhalt aufgeklärt, den Beteiligten rechtliches Gehör gewährt worden ist und eine Vereinbarung der Parteien nicht zu erwarten ist, vgl. BGH, FamRZ 1983, 267, 268.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91, 100 Abs. 1, 93 a ZPO. Da die Beschwerde der BfA als Drittbeteiligte Erfolg hat, waren deren außergerichtliche Kosten den Parteien je zur Hälfte aufzuerlegen (Senat FamRZ 1995, 361, 363). Für die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens gilt § 8 GKG.

6. Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf § 17 a GKG (Mindestwert).

Es bestand kein Anlass, die weitere Beschwerde zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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