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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 10.08.1999
Aktenzeichen: 2 WF 144/98
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 114
Leitsatz

Der Beklagten kann ausnahmsweise für ihre Rechtsverteidigung in Form ihrer Stellungnahme zum PKH-Gesuch und zum Antrag des Klägers auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung auch dann Prozeßkostenhilfe bewilligt werden, wenn die Zustellung der Klage wegen Versagung der PKH für den Kläger unterbleibt, sofern sie zu dieser Stellungnahme ausdrücklich aufgefordert wurde.

OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 2. Zivilsenat - Senat für Familiensachen -

2 WF 144/98 15 F 104/98


Karlsruhe, 10. August 1999

Familiensache

wegen Ehegattenunterhalts hier: Prozeßkostenhilfe

Beschluß

Tenor:

Auf die Beschwerde der Beklagten wird der ihr Prozeßkostenhilfe versagende Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Baden-Baden vom 12.11.1998 (15 F 104/98 UE) aufgehoben.

Der Beklagten wird für das Verfahren erster Instanz Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin K bewilligt. Sie hat keine Raten auf die Prozeßkosten zu zahlen.

Gründe:

I.

Die Parteien sind getrenntlebende Eheleute, das Scheidungsverfahren ist bereits anhängig. Am 2.6.1998 haben sie bzgl. des Trennungsunterhalts beim Amtsgerichts - Familiengericht - Baden-Baden einen Vergleich geschlossen, wonach der Kläger 548.- DM monatlich Trennungsunterhalt zu zahlen hat; gleichzeitig wurde vereinbart, daß der Kläger 90 % der Kosten zu tragen hat. Der Kläger begehrt mit seiner am 11.8.1998 eingereichten Klage nebst Prozeßkostenhilfegesuch die Herabsetzung der Unterhaltsverpflichtung, da er die von ihm zu tragenden Kosten des Verfahrens nur durch Kreditaufnahme zahlen könne und die hierfür erforderlichen Rückzahlungsraten seine Leistungsfähigkeit mindern. Gleichzeitg wurde die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung beantragt.

Mit Beschluß des Familiengerichts vom 14.8.1999 wurde der Beklagten Gelegenheit zur Stellungnahme zum Prozeßkostenhilfeantrag sowie zu dem Einstellungsantrag bis zum 31.8.1998 gegeben. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 24.8.1998 eine Stellungnahme abgegeben und gleichzeitig ihrerseits um Prozeßkostenhilfe nachgesucht.

Durch Beschluß des Familiengerichts vom 31.8.1998 wurde dem Kläger die Prozeßkostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussicht versagt und der Einstellungsantrag zurückgewiesen. Nach Einreichung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten und deren Erinnerung an die Entscheidung über ihren Prozeßkostenhilfeantrag hat das Familiengericht durch Beschluß vom 12.11.1998 das Gesuch zurückgewiesen. Das Verfahren habe sich insgesamt noch im Prozeßkostenhilfeprüfungsverfahren befunden. Prozeßkostenhilfe für einzelne Prozeßhandlungen oder Verteidigungsmittel könne nicht gewährt werden. Die Einstellung der Zwangsvollstreckung komme erst in Betracht, wenn eine Klage vorliege.

Hiergegen richtet sich die am 18.11.1998 eingegangene Beschwerde der Beklagten. Da die Beklagte zur Stellungnahme in der Sache selbst - auch zur Einstellung der Zwangsvollstreckung - aufgefordert worden sei, müsse ihr Prozeßkostenhilfe bewilligt werden, zumal eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung auch schon vor Rechtshängigkeit möglich sei.

Das Familiengericht hat der Beschwerde durch Beschluß vom 20.11.1998 nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässig und begründet.

Der Beklagten, die sich in Form ihrer Stellungnahme zum Prozeßkostenhilfegesuch und zum Einstellungsantrag des Klägers zu verteidigen hatte, ist Prozeßkostenhilfe zu bewilligen, § 114 ZPO.

Zwar ist das Verfahren nicht rechtshängig geworden, da dem Kläger weder Prozeßkostenhilfe bewilligt wurde noch dieser einen Prozeßkostenvorschuß gezahlt hat oder er hiervon gemäß § 65 GKG befreit wurde und daher keine Zustellung der Klage erfolgte. Für diesen Fall wird von einem Großteil der Literatur und Rechtsprechung davon ausgegangen, daß dem Beklagten Prozeßkostenhilfe für seine Rechtsverteidigung nicht bewilligt werden kann, da ein Prozeßrechtsverhältnis zwischen den Parteien erst ab Rechtshängigkeit besteht (so etwa Zöller/Philippi, ZPO, 21. Aufl., § 114, Rn. 25; Schoreit/Dehn, Beratungshilfe, Prozeßkostenhilfe, 6. Aufl., § 114, Rn. 3; OLG Karlsruhe FamRZ 1988, 1182, 1183). Ausnahmen hiervon werden nur dann gemacht, wenn das Gericht innerhalb dieses Verfahrens praktisch den Hauptsacheprozeß betreibt (OLG Düsseldorf FamRZ 1996, 416) oder im Prozeßkostenhilfeprüfungsverfahren ein Vergleich geschlossen wird (Zöller/Philippi, aaO., § 118, Rn. 8 m.w.N.). Im übrigen sei die Partei auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Beratungshilfe zu verweisen.

Dieser Ansicht kann zumindest für den hier vorliegenden Fall, in dem die Beklagte zur Stellungnahme zum Prozeßkostenhilfeantrag und zum Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aufgefordert wurde, nicht gefolgt werden. Zum einen spricht die Formulierung des Gesetzes "beabsichtigte Rechtsverfolgung" in § 114 ZPO dafür, daß ggf. auch schon vor Rechtshängigkeit Prozeßkostenhilfe bewilligt werden kann (Johannsen/Thalmann, Eherecht, 3. Aufl., § 114, Rn. 7; letztlich so wohl auch Baumbach/Hartmann, ZPO, 57. Aufl., § 114, Rn. 84 Stichwort "Anhängigkeit"). Zum anderen hat gerade die Beklagte als Unterhaltsgläubigerin ein erhebliches Interesse daran, ihre Stellungnahme zu einer eventuellen Einstellung der Zwangsvollstreckung abzugeben. Wenn dann dem Kläger in der Hauptsache keine Prozeßkostenhilfe bewilligt wird, könnte sie nach vorgenannter Meinung keinen Kostenersatz erlangen, da der Kläger in der Regel mittellos sein wird.

Die Voraussetzungen der Beratungshilfe dürften hier ebenfalls nicht vorliegen, da diese nur außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens gewährt wird, § 1 Abs. 1 Beratungshilfegesetz (BerHG). Inwieweit bereits im Prozeßkostenhilfeprüfungsverfahren von der Anhängigkeit eines Gerichtsverfahrens im Sinne des § 1 Abs. 1 BerHG ausgegangen werden kann, ist streitig (zum Meinungsstand vgl. Schoreit/Dehn, aaO., § 1 BerHG, Rn. 13).

Anhängigkeit im Sinne des Beratungshilfegesetzes kann jedoch nicht anders auszulegen sein als Anhängigkeit im Sinne der Zivilprozeßordnung. Der Rechtsstreit wird mit Einreichung der Klage anhängig (Zöller/Greger, aaO., § 253, Rn. 4); dies gilt grundsätzlich auch für die gleichzeitige Einreichung einer Klage und eines Prozeßkostenhilfegesuchs, es sei denn, der Antragsteller stellt eindeutig klar, er wolle den Antrag nur unter der Bedingung stellen, daß ihm Prozeßkostenhilfe bewilligt wird (BGH Z 4, 328, 333; BGH Z 7, 268, 270; BGH FamRZ 1996, 1142, 1143; Zöller/Philippi, aaO., § 117, Rn. 7; Musielak/Fischer, ZPO, § 117, Rn. 5; Baumbach/Hartmann, aaO, § 117, Rn. 8; Johannsen/Thalmann, aaO, § 117 ZPO, Rn. 28). Dann ist der Antrag zunächst nur als Prozeßkostenhilfeantrag anzusehen.

Der Schriftsatz vom 6.8.1998 ist ausdrücklich mit Abänderungsklage überschrieben, die Parteien sind als Kläger und Beklagte bezeichnet. Auch sonst ist aus dem Schriftsatz nicht erkennbar, daß es sich nur um einen Entwurf handeln soll. Hiermit hat der Kläger bei Einreichung einer unterschriebenen Klageschrift ausreichend klargestellt, daß die Klage unabhängig von der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe eingereicht sein, allerdings nur bei Bewilligung von Prozeßkostenhilfe auch zugestellt werden soll (vgl. auch OLG Karlsruhe FamRZ 1988, 91, 92; OLG Dresden MDR 1998, 181, 182; OLG Koblenz FamRZ 1998, 312). Andernfalls hätte deutlich gemacht werden müssen, daß nur über die Prozeßkostenhilfe entschieden werden sollte. Damit hätte der Beklagten keine Beratungshilfe mehr gewährt werden können, zumal es hier auch gerade um eine Stellungnahme zur Entscheidung über die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung im gerichtlichen Verfahren ging, so daß eine reine außergerichtliche Beratung wenig sinnvoll erschien. Spätestens bei Stellung eines Antrages auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe im gerichtlichen Verfahren wird in der Regel die Voraussetzung des § 1 Abs. 1 BerHG verneint (vgl. Schoreit/Dehn, aaO., § 1, Rn. 13).

Der Beklagten war daher für ihre beabsichtigte Rechtsverteidigung Prozeßkostenhilfe zu bewilligen. Nach ihren wirtschaftlichen Verhältnissen hat sie keine Raten zu zahlen.

Eine Kostenentscheidung ist im Beschwerdeverfahren entbehrlich, § 127 Abs. 4 ZPO.



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