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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 13.09.2001
Aktenzeichen: 2 WF 66/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 323 Abs. 2
BGB § 1579 Nr. 7
Hat die aus einem Versäumnisurteil berechtigte Unterhaltsgläubigerin zum Zweitpunkt des Ablaufs der Einspruchsfrist noch nicht zwei Jahre mit ihrem neuen Lebenspartner zusammengelebt, ist der Unterhaltsverpflichtete im Abänderungsverfahren mit dem Einwand gem. § 1579 Nr. 7 BGB nicht gem. § 323 Abs.2 BGB ausgeschlossen.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE

2 WF 66/01

Karlsruhe, 13. September 2001

wegen Unterhalts

Beschluss

Tenor:

1. Auf die Beschwerde des Klägers wird der Prozesskostenhilfe versagende Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Schwetzingen vom 29.01.2001 (2 F .....) aufgehoben.

Dem Kläger wird für den ersten Rechtszug unter Beiordnung von Rechtsanwalt K. Sch., Speyer, Prozeßkostenhilfe bewilligt.

2. Die Entscheidung über die Ratenhöhe wird dem Amtsgericht - Familiengericht - Schwetzingen übertragen.

Gründe:

I.

Die Parteien sind seit 30.01.1998 rechtskräftig geschiedene Eheleute (Urteil des Amtsgerichts L. vom 22.08.1997).

Durch ihm am 13.01.2000 zugestelltes Versäumnisurteil des Amtsgerichts M. vom 04.11.1999 (3 C F 109/99) wurde der Kläger zur Zahlung eines monatlichen Ehegattenunterhalts in Höhe von 305 DM an die Klägerin sowie zu Unterhaltszahlungen an die drei am 14.12.1983, 07.07.1987 und 26.08.1989 geborenen gemeinsamen Kinder der Parteien verurteilt.

Mit seiner Klage vom 28.08.2000 möchte der Kläger erreichen, dass er in Abänderung des Versäumnisurteils vom 04.11.1999 ab Zustellung der Klage nicht mehr verpflichtet ist, an die Beklagte nachehelichen Unterhalt in Höhe von 305 DM monatlich zu zahlen.

Nach Ablauf der Einspruchsfrist gegen das Versäumnisurteil vom 04.11.1999, konkret Ende Juni, Anfang Juli 2000 habe er erfahren, dass die Beklagte zu diesem Zeitpunkt bereits seit zwei Jahren in nichtehelicher Lebensgemeinschaft mit Herrn R. T. lebe und dieser Vater des von der Beklagten vor ca. einem halben Jahr geborenen Sohnes S. sei. Die nichteheliche Lebensgemeinschaft der Beklagten mit dem Vater ihres Kindes habe sich in einem Maße verfestigt, dass das Zusammenleben gleichsam an die Stelle einer Ehe getreten sei. Die Beklagte heirate lediglich nicht, um hierdurch ihren nachehelichen Unterhaltsanspruch nicht zu verlieren. Dass die Beklagte und ihr Partner T. am 14.07.2000 mit der Gemeinde P. vereinbart hätten, dass dieser als weiterer Vertragspartner in die Mietverträge der Beklagten mit der Gemeinde mit aufgenommen werde, beweise nicht, dass ihr Partner vor diesem Zeitpunkt nicht in der Wohnung gelebt habe; er sei in der Vereinbarung als künftiger Ehemann der Beklagten bezeichnet.

Die Beklagte, die dem Begehren des Klägers entgegentritt, stellt in Abrede, im Juli 2000 bereits zwei Jahre mit ihrem Partner zusammengelebt zu haben. Dies sei erst seit 01.08.2000 der Fall (vgl. die genannte Vereinbarung vom 14.07.2000). Zuvor sei sie mit ihrem Partner T., von dem sie am 28.10.1999 den Sohn S. geboren habe, nur befreundet gewesen. Vor dem 01.08.2000 habe ihr Partner einen eigenen Hausstand gehabt. Im übrigen sei er nicht leistungsfähig, da er lediglich Arbeitslosenhilfe in Höhe von 236,11 DM wöchentlich beziehe.

Nachdem das Familiengericht den Kläger zuvor mit Verfügung vom 28.12.2000 und 04.01.2001 auf Bedenken hinsichtlich der Voraussetzungen der von ihm geltend gemachten Verwirkungstatbestände hingewiesen hatte, lehnte es mit Beschluss vom 29.01.2001 die vom Kläger für seine Abänderungsklage beantragte Prozeßkostenhilfe wegen Fehlens der hinreichenden Erfolgsaussicht ab.

Die vom Kläger geltend gemachten Abänderungsgründe seien schon vor Ablauf der Einspruchsfrist gegen das Versäumnisurteil vom 04.11.1999 entstanden, so dass der Kläger mit diesen präkludiert sei. Aus dem Vortrag des Klägers ergebe sich, dass die nichteheliche Lebensgemeinschaft der Beklagten bereits seit Juli 1998 bestanden haben müsse. Zum Zeitpunkt des Ablaufs der Einspruchsfrist habe die Beklagte bereits seit annähernd einem Jahr und sieben Monaten mit ihrem Partner zusammengelebt und darüber hinaus knapp drei Monate zuvor den Sohn S. geboren. Letzteres spreche zweifellos für eine Verfestigung der Lebensgemeinschaft, zumal nach Auffassung des Klägers selbst der Zweijahreszeitraum bei dieser nicht zwingend sei.

Nach dem Vorbringen des Klägers habe insbesondere die "Unterhaltsgemeinschaft" zwischen der Beklagten und ihrem Partner bereits zum Zeitpunkt des Ablaufs der Einspruchsfrist gegen das Versäumnisurteil bestanden. Auch der Umstand, dass die vom Kläger behauptete Lebensgemeinschaft der Beklagten - soweit ersichtlich - bei Erlass des Versäumnisurteils des Amtsgerichts M. nicht bekannt gewesen sei, rechtfertige die Berücksichtigung des entsprechenden jetzigen Vortrags des Klägers nicht. Bei Abänderung des Versäumnisurteils sei nicht von den in diesem fingierten, sondern von den tatsächlichen Verhältnissen auszugehen. Dass der Kläger nach seinem Vortrag erst nach Ablauf der Einspruchsfrist gegen das Versäumnisurteil von der nichtehelichen Lebensgemeinschaft der Beklagten erfahren habe, sei ebenso wenig relevant.

Gegen den Beschluss des Familiengerichts vom 29.01.2001 legte der Kläger Beschwerde ein.

Er wendet sich gegen die Auffassung des Amtsgerichts, er sei mit seinem Vorbringen ausgeschlossen und betont erneut, dass die Beklagte nur deshalb von der Eheschließung mit ihrem Partner absehe, um ihren Unterhaltsanspruch nicht zu verlieren.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf die Beschwerdeschrift vom 16.02.2001 verwiesen.

Die Beklagte tritt der Beschwerde entgegen.

Sie wiederholt ihren Vortrag, vor dem 01.08.2000 habe keine Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft mit ihrem Partner T. bestanden. Sie sehe nicht deshalb von einer Eheschließung ab, um ihren Unterhaltsanspruch gegen den Kläger nicht zu verlieren. Sie habe eine gescheiterte Ehe hinter sich und möchte ihren Partner erst kennenlernen, bevor sie sich entscheide, mit ihm die Ehe einzugehen.

Mit Beschluss vom 22.02.2001 half das Familiengericht der Beschwerde nicht ab.

Es führt im Einzelnen aus, auch das Beschwerdevorbringen rechtfertige keine andere Entscheidung (vgl. im Einzelnen die Ausführungen im Nichtabhilfebeschluß).

II.

Die Beschwerde des Klägers ist gemäß § 127 Abs. 2 ZPO zulässig und begründet.

Dem Kläger ist Prozeßkostenhilfe zu bewilligen, denn seine Abänderungsklage hat hinreichende Erfolgsaussicht i.S. des § 114 ZPO.

1. Hinreichende Erfolgsaussicht für die Rechtsverfolgung liegt vor, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund seiner Sachdarstellung für zutreffend oder mindestens vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht mindestens von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Es muss also aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage möglich sein bzw. eine gewisse Wahrscheinlichkeit bestehen, dass der Antragsteller mit seinem Begehren durchdringen wird (Zöller/Philippi, ZPO, 22. Aufl., § 114 Rn. 19 m.w.N.). Nach der gebotenen vorläufigen und summarischen Prüfung des Senats besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich der Kläger mit Erfolg auf von den ihm geltend gemachten Verwirkungstatbestand des § 1579 Nr. 7 BGB (Härtegrund bei Zusammenleben des Berechtigten mit einem neuen Partner nach der Scheidung, ohne dass vorher die Nr. 6 dieser Vorschrift verwirklicht wurde) berufen und dadurch einen Wegfall, gegebenenfalls auch nur eine Herabsetzung des im Versäumnisurteil vom 04.11.1999 titulierten nachehelichen Unterhaltsanspruchs der Beklagten erreichen kann.

2. Neben dem vom Kläger behaupteten Sachverhalt, bei dessen Vorliegen Nr. 7 der Vorschrift verwirklicht werden kann, nämlich wenn der Berechtigte von einer Eheschließung mit seinem neuen Partner nur deshalb absieht, weil er den Unterhaltsanspruch nicht verlieren will (BGH, FamRZ 1995, 540, 542), kann sich die Unzumutbarkeit nach § 1579 Nr. 7 BGB auch aus objektiven Gegebenheiten und Veränderungen der Lebensverhältnisse ergeben. Dies ist z. B. der Fall, wenn der Berechtigte zu einem neuen Partner ein auf Dauer angelegtes Verhältnis aufnimmt und das nichteheliche Zusammenleben gleichsam an die Stelle einer Ehe getreten ist (BGH, a.a.0.; FamRZ 1997, 671, 672). Auch auf einem solchen Sachverhalt stützt der Kläger sein Abänderungsbegehren und macht geltend, wegen dieser sozialen Verbindung sei die Fortdauer seiner Unterhaltsbelastung durch den zu Gunsten der Beklagten titulierten nachehelichen Unterhalt i. S. des § 1579 Nr. 7 BGB unzumutbar. Jedenfalls insoweit kann seinen Darlegungen, die zur Unzumutbarkeit einer weiteren (uneingeschränkten) Unterhaltsbelastung führen können, die hinreichende Erfolgsaussicht i. S. des § 114 ZPO nicht abgesprochen werden.

a) Es kann nicht von vornherein angenommen werden, dass der Kläger mit seinem Vorbringen nach § 323 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen ist. Nach dieser Präklusionsnorm ist eine Abänderung nur insoweit möglich, als das frühere Urteil auf Verhältnissen beruht, die sich nachträglich geändert haben. In diesem Zusammenhang führt das Familiengericht zutreffend aus, dass im (vorliegenden) Fall der Abänderung eines Versäumnisurteils ausnahmsweise nicht der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, in der das Urteil ergangen ist, sondern der Ablauf der Einspruchsfrist maßgebend ist; vorher entstandene Abänderungsgründe kann der durch das Versäumnisurteil Beschwerte nur mit dem Einspruch geltend machen (Johannsen/Henrich/Brudermüller, Eherecht, 3. Aufl., § 323 ZPO Rn. 88; MünchKomm./Gottwald, ZPO, 2. Aufl., § 323 Rn. 73). Nicht gefolgt werden kann - jedenfalls bei der Prüfung im summarischen Prozesskostenhilfeverfahren - jedoch der Auffassung des Amtsgerichts, bei Ablauf der Einspruchsfrist gegen das Versäumnisurteils vom 04.11.1999 am 27.01.2000 hätten die Voraussetzungen des § 1579 Nr. 7 BGB bereits vorgelegen, wenn der Vortrag des Klägers als zutreffend unterstellt werde. Das Familiengericht weist zunächst selbst - richtig - darauf hin, dass nach dem Vortrag des Klägers die Beklagte zu diesem Zeitpunkt ca. ein Jahr und sieben Monate mit ihrem Partner T. zusammengelebt hat. Es führt weiter aus, aus dem Vortrag des Klägers, der Partner der Beklagten habe ab Juli 2000 seit mehr als zwei Jahren in nichtehelicher Lebensgemeinschaft mit ihr zusammengelebt, ergebe sich zwangsläufig, dass die nichteheliche Lebensgemeinschaft bereits seit Juli 1998 bestanden haben müsse. Für die Annahme eines - gegebenenfalls zum Ausschluß eines Unterhaltsanspruchs führenden - auf Dauer angelegten Verhältnisses darf jedoch eine gewisse Mindestdauer, die im Einzelfall kaum unter zwei bis drei Jahren liegen dürfte, in der Regel nicht unterschritten werden (BGH, FamRZ 1997, 671, 672). Danach kann hier, wo zum maßgebenden Zeitpunkt nicht einmal die Zweijahresfrist abgelaufen war, nicht von vornherein angenommen werden, dass zum Zeitpunkt des Ablaufs der Einspruchsfrist am 27.01.2000 die Voraussetzungen des § 1579 Nr. 7 BGB bereits vorgelegen haben. Daran ändert auch die Geburt des Sohnes S. der Beklagten aus der Beziehung zu ihrem Partner am 28.10.1999 nichts. Ob es die Geburt des Kindes rechtfertigt, von dem dargelegten Grundsatz einer Mindestdauer von zwei Jahren abzusehen, und eine Verfestigung schon vor deren Ablauf anzunehmen, erscheint zweifelhaft, ist jedenfalls einer Bewertung im Hauptsacheverfahren vorzubehalten. Sie kann erst vorgenommen werden, wenn - gegebenenfalls durch die vom Kläger beantragte Vernehmung des Zeugen T. - geklärt ist, ob die von der Beklagten bestrittene Behauptung des Klägers über die Dauer des Zusammenlebens der Beklagten mit dem Zeugen richtig ist.

b) Dass der neue Partner der Beklagten nach ihrem Vortrag leistungsunfähig ist, hat keine Bedeutung. Die wirtschaftliche Lage des neuen Partners des Berechtigten spielt bei dem wegen eines auf Dauer angelegten Verhältnisses gestützten Ausschlussgrund - anders als bei der Verweisung auf die Unterhaltsgemeinschaft - für das Vorliegen des Tatbestands keine Rolle (BGH, FamRZ 1995, 540, 542). Zwar sind im Rahmen der bei der Prüfung des Ausschlussgrunds vorzunehmen Billigkeitsabwägung auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des neuen Partners der Beklagten mit einzubeziehen (Wendl/Gerhardt, Unterhaltsrecht, 5. Aufl., § 4 Rn. 756 m.w.N.). Die vorzunehmende Gesamtabwägung unter Berücksichtigung aller Kriterien (vgl. hierzu Wendl/Gerhardt a.a.O.) ist jedoch im Hauptverfahren vorzunehmen. Dies gilt um so mehr, da nachdem von der Beklagten vorgelegten Bewilligungsbescheid des Arbeitsamts M. lediglich angenommen werden kann, dass ihr Lebensgefährte T. bis zum 20.08.2001 als Einkommen nur über eine wöchentliche Arbeitslosenhilfe von 236,11 DM verfügt hat.

3. Ist der auf ein nichteheliches, gleichsam an die Stelle einer Ehe getretenes Zusammenleben gestützte Verwirkungseinwand der Kläger als hinreichend aussichtsreich zu bewerten, bedarf es eines Eingehens auf möglicherweise gegebene weitere Gründe (Absehen der Beklagten von einer Eheschließung mit ihrem Partner, um ihren Unterhaltsanspruch gegen den Kläger nicht zu verlieren; Unterhaltsgemeinschaft mit ihrem neuen Partner) nicht mehr.

4. Das Familiengericht hat eine nähere Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers zur Festsetzung der Ratenhöhe wohl noch nicht vorgenommen. Zwar führt es im angefochtenen Beschluss aus, beim Kläger sei von einem einzusetzenden Einkommen von 422,99 DM (und damit von Prozesskostenhilferaten von 150 DM) auszugehen. Wie dieser Betrag errechnet ist, kann der Senat, dem lediglich das Prozesskostenhilfezeugnis des Klägers vom 17.08.2000 ohne jeden Beleg vorliegt, nicht nachvollziehen. Danach war das Verfahren insoweit an das Familiengericht zur weiteren Entscheidung zurückzugeben.

5. Eine Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren ist entbehrlich, § 127 Abs. 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

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