Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 10.02.2009
Aktenzeichen: 2 Ws 19/09
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 66 b Abs. 1
StGB § 66 b Abs. 2
StGB § 63
StGB § 67 d Abs. 6
Die Anordnung einer nachträglichen Sicherungsverwahrung eines Verurteilten, dessen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) gemäß § 67 d Abs. 6 StGB erledigt worden ist und der danach die zugleich verhängte Freiheitsstrafe verbüßt, kommt nach § 66 b Abs. 1 oder 2 StGB nicht schon in Betracht, weil seine Gefährlichkeit fortbesteht; hinzukommen müssen Tatsachen die losgelöst von denjenigen, die zur Begründung der Maßregel des § 63 StGB herangezogen waren, die Gefährlichkeit des Verurteilten auf abweichender Grundlage belegen.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 2. Strafsenat

2 Ws 19/09

Strafsache gegen

wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern

hier: Beschwerde gegen Unterbringungsbefehl

Beschluss vom 10. Februar 2009

Tenor:

Auf die Beschwerde des Verurteilten wird der Unterbringungsbefehl des Landgerichts F. vom 15.12.2008 aufgehoben und die Freilassung des Verurteilten angeordnet.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten insoweit entstandenen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe:

I.

1.

J. R. wurde durch Urteil des Landgerichts F. vom 12.04.2001 - 2 KLs 10 Js 20951/00 AK 30/00), rechtskräftig seit 20.04.2001, wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern, wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in 2 Fällen und wegen sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen in zwei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt; darüber hinaus wurde seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Strafkammer sah es ausweislich der nach § 267 Abs. 4 StPO abgekürzt abgefassten Urteilsgründe als erwiesen an, dass der homosexuell pädophile Verurteilte, der bereits durch Urteil des Landgerichts F. vom 22.04.1993 - 35 KLs 14/92 - wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit homosexuellen Handlungen zu der Freiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt worden war und vier Jahre und vier Monate dieser Freiheitsstrafe verbüßt hatte, unmittelbar nach seiner bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug im Jahr 1996 Kontakt zu männlichen Kindern im Alter zwischen 11 und 14 Jahren und männlichen Jugendlichen aufgenommen und die nachfolgend aufgeführten Straftaten begangen hat:

- An einem Nachmittag in den Sommerferien des Jahres 1997 hatte der - möglicherweise alkoholisierte, aber in seiner Steuerungsfähigkeit nicht eingeschränkte - Verurteilte mit dem am 30.03.1986 geborenen A. M., dem er zuvor eine nicht unerhebliche Menge Alkohol (Eierlikör) zu trinken gegeben hatte, gemeinsam gebadet, vor ihm bis zum Samenerguss onaniert, den Jungen schließlich eingeseift und dabei - in sexueller Absicht - den Penis des Jungen kurz angefasst. Das Landgericht hat den nach § 176 StGB strafbaren sexuellen Missbrauch des Kindes mit einer Einzelstrafe von einem Jahr und vier Monaten geahndet. Ausweislich der tatrichterlichen Feststellungen litt das Tatopfer als Folge der sexuellen Übergriffe - zu denen das Landgericht neben der abgeurteilten Tat weitere Vorfälle rechnete, die nicht Gegenstand der Anklage gewesen sind oder von deren Verfolgung in der Hauptverhandlung vorläufig gemäß § 154 Abs. 2 StPO abgesehen worden ist - unter Schlafstörungen und Aggressionen, die mehrere Psychotherapien erforderlich machten.

- Zu einem nicht näher bezeichneten Tatzeitpunkt vollzog der Verurteilte an dem am 25.03.1985 geborenen M.B., den er im Sommer des Jahres 1999 kennen gelernt hatte, den Oralverkehr; im Juni 2000 vollzog der Verurteilte im Beisein des am 07.09.1986 geborenen P. K. an M. B. den Analverkehr und veranlasste P. K. dazu, gleichfalls den Analverkehr an B. zu vollziehen. Das Landgericht hat die als Vergehen des sexuellen Missbrauchs eines Jugendlichen (§ 182 StGB) qualifizierten Taten mit Einzelstrafen von sechs (Oralverkehr) und acht Monaten (Analverkehr) geahndet.

- Am 12. oder 13.06.2000 vollzog der Verurteilte an dem zur Tatzeit 13 Jahre alten P. K., der seit dem 12.06.2000 dauerhaft bei ihm wohnte, sich sexuell auffällig verhielt und möglicherweise die Initiative zu ersten sexuellen Kontakten zum Verurteilten ergriffen hatte, den Oralverkehr und manipulierte anschließend am Penis des Jungen. Die Kammer ist zu der Überzeugung gelangt (UAs 14), dass "der persönlichkeitsbedingt labile" Verurteilte, der "seit 1998 immer mehr in seine alten Verhaltensweisen, die auch zu der letzten Verurteilung geführt hatten, zurückgefallen" war, dessen Leben durch die zunehmende Anzahl von Sexualkontakten zu Kindern und Jugendlichen bestimmt wurde und der sich ein oder zwei Tage nach dem Einzug des Jungen an die Polizei, das Jugendamt und die Mutter des Jungen gewandt und sie über seine - einschlägigen - Vorstrafen informiert hatte, möglicherweise in seiner Fähigkeit, Sexualkontakte zu P. K zu unterlassen, erheblich eingeschränkt war. Die als schwerer sexueller Missbrauch eines Kindes im Sinne des § 176a StGB qualifizierte Tat wurde mit einer Einzelstrafe von zwei Jahren geahndet.

- Zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt Ende Juli oder Anfang August des Jahres 2000 vollzog der Verurteilte an dem am 28.02.1988 geborenen P. S. den Oralverkehr. Der tatrichterlichen Wertung zufolge war die Steuerungsfähigkeit des Verurteilten zum Tatzeitpunkt aufgrund "der vorhandenen (homosexuellen) Pädophilie in der konkreten Situation" erheblich vermindert; insoweit hat die Strafkammer ausgeführt: "P. lebte seit ca. 6 Wochen bei J. R.. Mehrere Versuche, die Verantwortung für P. wieder abzugeben, scheiterten. Obwohl J. R. die Polizei und das Jugendamt umfassend über die Situation unterrichtet hatte, griff keine dieser Institutionen ein und holte den Jungen weg. J. R. trank vermehrt Alkohol und es wurde ihm zunehmend klar, dass es nur eine Frage der Zeit sein konnte, bis der neuerliche Missbrauch P. und der anderen Kinder und Jugendlichen bekannt und er erneut inhaftiert würde. Seine Verzweiflung und Hilflosigkeit zeigte sich u.a. darin, dass er mehrfach auch nachts in alkoholisiertem Zustand auf den Anrufbeantworter des Jugendamtes sprach und er sich mit Fotos von P., die diesen nackt und mit erigiertem Glied zeigten, in die Kinder- und Jugendpsychiatrie begab [...]. Diese Situation führte [....] zu einem sich steigernden Zustand der Erschütterung des Persönlichkeitsgefüges [...]

Unter Berücksichtigung dieser Besonderheit und des weiteren Umstands, dass der Verurteilte die zum Nachteil des P. S. begangene Tat - entgegen sonstiger Gewohnheit - nach kurzer Bekanntschaft und "ohne Sicherungstendenzen im Beisein von M. B." begangen habe, ist die Strafkammer zu der sicheren Überzeugung gelangt, dass der Verurteilte die als schwerer sexueller Missbrauch eines Kindes qualifizierte Tat im Zustand verminderter Schuldfähigkeit begangen habe; die Strafkammer hat die Tat mit der Einzelstrafe von zwei Jahren und 6 Monaten geahndet.

Die Strafkammer hat angenommen, dass von dem Verurteilten "aufgrund seines Zustands, nämlich seiner sexuellen Devianz in Form der homosexuellen Pädophilie" auch in Zukunft vergleichbare, erhebliche Taten zu erwarten seien und er daher für die Allgemeinheit gefährlich sei; von der Anordnung seiner Unterbringung in der Sicherungsverwahrung hat die Strafkammer trotz Vorliegens der "formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB" abgesehen, "da der Gefährlichkeit von J. R. durch seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hinreichend Rechnung getragen" werde; zur Frage des Vorliegens der materiellen Anforderungen verhält sich das Urteil nicht.

2.

Der Verurteilte war im Zeitraum vom 27.04.2001 bis zum 02.07.2007 im Maßregelvollzug - zunächst im Zentrum für Psychiatrie E.n und seit Februar 2005 in der Klinik für forensische Psychiatrie und Psychotherapie Weissenau - untergebracht. Mit Beschluss vom 11.04.2007 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts R. die Maßregel gemäß § 67d Abs. 6 StPO für erledigt erklärt. Auf die sofortige Beschwerde des Untergebrachten und der Staatsanwaltschaft hat das Oberlandesgericht S. die landgerichtliche Entscheidung durch Beschluss vom 06.06.2007 bestätigt und zur Begründung ausgeführt, dass der Verurteilte jedenfalls heute nicht mehr an einer schweren anderen seelischen Abartigkeit leide, weil eine rasch zunehmende Steigerung paraphiler Impulse heute nicht mehr festzustellen sei; der Verurteilte habe außerdem "andere Wege der soziosexuellen Befriedigung" gefunden und unterhalte eine Beziehung zu einem erwachsenen Mann.

3.

Nach Überstellung des Verurteilten in den regulären Strafvollzug am 02.07.2007 leitete die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 26.10.2007 ein Verfahren zur nachträglichen Anordnung der Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung ein und setzte den Verurteilten mit Schreiben vom gleichen Tag über die Einleitung des Verfahrens in Kenntnis. Mit Entschließung vom 14.02.2008 sah die Staatsanwaltschaft davon ab, einen Antrag auf nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung zu stellen, weil eine auf § 66b Abs. 3 StGB gestützte Anordnung unter Zugrundelegung der Entscheidung des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 28.08.2007 - 1 StR 268/07 (= NJW 2008, 240 = BGHSt 52, 31) - aus rechtlichen Gründen ausscheide, während eine auf § 66b Abs. 1 oder Abs. 2 StGB gestützte Anordnung aus tatsächlichen Gründen nicht in Betracht komme: Sämtliche die Annahme der Gefährlichkeit des Verurteilten begründenden Tatsachen seien bereits im Zeitpunkt der Verurteilung durch das Landgericht F. bekannt gewesen; seine Gefährlichkeit gründe allein auf seiner homosexuell ausgerichteten Pädophilie, weitere - prognostisch ungünstige - Gesichtspunkte seien nicht bekannt geworden.

4.

Mit der dem Verurteilten selbst und seinem Verteidiger bekannt gegebenen Verfügung vom 07.04.2008 hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren wieder aufgenommen, nachdem der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in seinem Anfragebeschluss vom 05.02.2008 - 4 StR 314/07 und 4 StR 391/07 (= NStZ 2008, 333) - die Auffassung vertreten hatte, in der vorliegenden Fallkonstellation, in der neben der Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) auch Freiheitsstrafe zu vollziehen sei, greife § 66b Abs. 3 StGB ein mit der Folge, dass es für die Anordnung nachträglicher Sicherungsverwahrung ausschließlich der dort genannten Voraussetzungen, nicht aber des Vorliegens neuer Tatsachen im Sinne des § 66b Abs. 1 StGB bedürfe.

Durch Verfügung vom 14.05.2008 legte die Staatsanwaltschaft die Akten der gemäß § 74f Abs. 1 GVG zuständigen Strafkammer des Landgerichts F. mit einem auf § 66b Abs. 3 StGB gestützten Unterbringungsantrag vor. Die Staatsanwaltschaft hat in diesem Unterbringungsantrag die besonderen Unterbringungsvoraussetzungen des § 66b Abs. 3 StGB - Erledigungserklärung der Unterbringung in Psychiatrischem Krankenhaus, Vorverurteilung zu einer Katalogtat von mindestens drei Jahren und qualifizierte Gefährlichkeitsprognose im Sinne des § 66b Abs. 3 Nr. 2 StGB - umschrieben und insbesondere dargelegt, dass die Gefährlichkeit des Verurteilten fortbestehe. Zwar habe sich die "zur Tatzeit bestehende persönlichkeitsstrukturell gebundene erhöhte psychische Labilität" reduziert, die dazu geführt habe, dass der im Erkenntnisverfahren tätige Sachverständige Dr. W. die Persönlichkeitsstörung als schwer im Sinne der §§ 20, 21 StGB qualifiziert habe; dieser Therapieerfolg sei für die Kriminalprognose allerdings ohne besondere Bedeutung, weil sie nur auf einen geringen Teil der abgeurteilten Taten Einfluss genommen habe (Unterbringungsantrag, Bl. 183). Auch die mittlerweile zu einem erwachsenen Mann unterhaltene sexuelle Beziehung des Verurteilten sei prognostisch irrelevant. Mildere Maßnahmen als die Anordnung nachträglicher Unterbringung in der Sicherungsverwahrung kämen nicht in Betracht.

5.

Nachdem die Strafkammer den Antrag der Staatsanwaltschaft vom 11.11.2008 auf Erlass eines Unterbringungsbefehls durch Beschluss vom 14.11.2008 zurückgewiesen hatte, weil im Hinblick auf die noch ausstehende Entscheidung des durch den 4. Strafsenat angerufenen Großen Senats für Strafsachen dringende Gründe für die Annahme der Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung nicht bestünden, hat die Strafkammer dem am 11.12.2008 erneuerten Antrag der Staatsanwaltschaft - gestützt auf die Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen vom 07. Oktober 2008 - GSSt 1/08 - entsprochen und am 15.12.2008 Unterbringungsbefehl gegen den am 21.11.2008 aus dem Strafvollzug entlassenen Verurteilten erlassen. Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, dass sie - trotz Vorliegens der Voraussetzungen der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung sowohl nach § 66 Abs. 2 StGB als auch nach § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB - im Zeitpunkt der Anlassverurteilung von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen habe, weil sie der Auffassung gewesen sei, dass der Gefährlichkeit des Verurteilten durch seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hinreichend Rechnung getragen werden könne. Die Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus sei für erledigt erklärt worden, nachdem die Persönlichkeitsdefizite, die zur Annahme erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit - und damit auch zur Anordnung der Maßregel - geführt hätten, erfolgreich therapiert worden seien. Aufgrund der unverändert fortbestehenden, von sämtlichen Sachverständigen festgestellten, verfestigten und vom Verurteilten als ich-synton empfundenen homosexuell ausgerichteten Pädophilie bestehe die Gefährlichkeit des Verurteilten unverändert fort, so dass die Voraussetzungen für den Erlass eines Unterbringungsbefehls im Sinne des § 275a Abs. 5 StPO vorlägen.

6.

Der Verurteilte wurde am 22.12.2008 festgenommen und befindet sich seit diesem Zeitpunkt in Haft. Bei Eröffnung des Unterbringungsbefehls am 23.12.2008 erhob er Beschwerde, die durch Schriftsatz seines Verteidigers vom 29.12.2008 wiederholt und um den Antrag ergänzt worden ist, ihn bis zur Verhandlung über die Frage der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung auf freien Fuß zu setzen.

Die Strafkammer hat der Beschwerde mit nicht begründetem Beschluss vom 09.01.2008 nicht abgeholfen und die Akten mit Verfügung vom gleichen Tag dem Senat vorgelegt, bei dem sie am 21.01.2009 eingegangen sind. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Beschwerde des Verurteilten aus den zutreffenden und durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräfteten Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die Beschwerde des Verurteilten hat Erfolg.

Auf der Grundlage der im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen - insbesondere dem Inhalt des Unterbringungsantrags der Staatsanwaltschaft F. vom 14.05.2008 sowie dem Inhalt des von der Strafkammer erlassenen und mit nur knapper Begründung versehenen Unterbringungsbefehls vom 15.12.2008 - sieht der Senat nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen auch unter Berücksichtigung der im Beschluss des Großen Senats für Strafsachen vom 07. Oktober 2008 - GSSt 1/08 - nichttragend niedergelegten Erwägungen zu den Anforderungen an eine nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung im Falle vorangegangenen und gemäß § 67d Abs. 6 StGB für erledigt erklärten Maßregelvollzugs im Sinne des § 63 StGB und anschließendem Strafvollzug derzeit keine dringenden Gründe für die Annahme, dass gegen den Verurteilten nachträglich die Unterbringung in der Maßregel der Sicherungsverwahrung angeordnet werden wird.

1.

Die nach Beschwerdegrundsätzen vorzunehmende Prüfung des Senats wird vorliegend durch den Umstand erschwert, dass die sachnähere Strafkammer, die den Verurteilten im Erkenntnisverfahren hinsichtlich einer einzigen von insgesamt fünf Taten im Hinblick auf den zum Zeitpunkt der Begehung dieser Tat festgestellten "sich steigernden Zustand der Erschütterung des Persönlichkeitsgefüges" (UAs 29) aufgrund spezifischer Besonderheiten (Einzug des P. K. in die Wohnung des Verurteilten) in Verbindung mit der bestehenden sexuellen Devianz in Form der homosexuellen Pädophilie, die nach Auffassung der Strafkammer das Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit erfüllt hat (UAs 26), als vermindert schuldfähig angesehen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB wegen "seines Zustands, nämlich seiner sexuellen Devianz in Form der homosexuellen Pädophilie" (UAs 32) angeordnet hatte, den Unterbringungsbefehl vom 15.12.2008 nicht näher begründet hat.

Ungeachtet der Frage, ob und inwieweit die gesetzlichen Voraussetzungen der nachträglichen Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 1 StGB in Fallkonstellationen der vorliegenden Art aufgrund der von der Strafkammer ausdrücklich in Bezug genommenen Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen vom 07. Oktober 2008 als modifiziert angesehen werden können, hätte es hier näherer Darlegungen im Hinblick auf eine fortbestehende Gefährlichkeit des Verurteilten bereits deshalb bedurft, weil jedenfalls die Persönlichkeitsproblematik, die zur Annahme der Voraussetzungen des § 21 StGB bezüglich der letzten, mit der Einsatzstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten geahndeten Sexualstraftat geführt hat, nach Abschluss des Maßregelvollzugs nicht mehr fort besteht. Das Oberlandesgericht S. hat in seinem Beschluss vom 06.06.2007 zusammenfassend festgestellt, dass die fortbestehende homosexuell ausgerichtete Pädophilie des Untergebrachten nicht mehr als schwere andere seelische Abartigkeit anzusehen sei, weshalb die Unterbringungsvoraussetzungen entfallen seien. Anders als zum Zeitpunkt der Aburteilung erfülle die bestehende gleichgeschlechtlich ausgerichtete Pädophilie nicht mehr das Eingangskriterium der §§ 20, 21 StGB, weil der Untergebrachte sie als ich-synton erlebe, als Gefahr erkenne und - wie sein Schreiben vom 14.03.2007 zeige - sich möglicher Bewältigungsstrategien bewusst sei; eine progrediente Zunahme paraphiler Impulse oder eine gedankliche Fixierung auf Sexualkontakte zu pubertierenden Jungen oder Jugendlichen sei heute nicht mehr feststellbar, vielmehr unterhalte der Verurteilte mittlerweile eine Beziehung zu einem erwachsenen, homosexuell orientierten Mann; seine Persönlichkeit habe sich im Maßregelvollzug stabilisiert.

Angesichts dieses - wie auch immer zu bewertenden - Behandlungserfolgs des Maßregelvollzugs wäre bereits eine nähere Darlegung der Umstände, auf die die Strafkammer ihre Überzeugung fortbestehender Gefährlichkeit des Verurteilten zu stützen beabsichtigt, unerlässlich gewesen.

Hinzu tritt, dass der Unterbringungsantrag der Staatsanwaltschaft vom 14.05.2008, der im Unterbringungsverfahren die Funktion der Anklageschrift übernimmt, keine ausreichende Umschreibung der tatbestandlichen Voraussetzungen für die erstrebte Anordnung nachträglicher Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung enthält. Auf der Grundlage der durch den Beschluss des Großen Senats für Strafsachen vom 07. Oktober 2008 mittlerweile überholten Entscheidungen des 4. Strafsenats vom 05.02.2008 - 4 StR 317/07 und 4 StR 391/07 - verhält sich die Antragsschrift - folgerichtig - allein zu den Voraussetzungen des § 66b Abs. 3 StGB; ihr sind deshalb weder die nach § 66b Abs. 1 StGB erforderlichen Ausführungen zu den allgemeinen Voraussetzungen des § 66 StGB noch zu den Tatsachen zu entnehmen, auf die die Anordnung nachträglicher Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nunmehr gestützt werden soll, weil sie aus der Sicht der Staatsanwaltschaft die qualifizierte Gefährlichkeit des Verurteilten auf "abweichender Grundlage" belegen. Damit genügt die Antragsschrift nicht den an sie zu stellenden Begründungserfordernissen, die den Anforderungen, die im Erkenntnisverfahren an eine Anklageschrift zu stellen sind, entsprechen (vgl. BGHSt 50, 284 <289 f.>). Angesichts der Besonderheiten des Einzelfalls, der durch eine Divergenz in Auslegung und Anwendung des § 66b Abs. 3 StGB durch den 1. und 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs und die Klärung der Rechtsfrage durch den Großen Senat für Strafsachen gekennzeichnet sind, steht die unzureichende Begründung der Antragsschrift der Staatsanwaltschaft der weiteren Durchführung des Verfahrens nach Auffassung des Senats vorliegend ausnahmsweise nicht entgegen. Die Strafkammer wird die mit der fehlenden Begründung der Antragsschrift verbundenen Beschränkungen des Verurteilten im Hinblick auf die Gewährleistung ausreichenden rechtlichen Gehörs und die Garantie eines fairen Verfahrens allerdings bei Fortsetzung des Verfahrens durch Erteilung entsprechender Hinweise auszugleichen haben.

2.

Aufgrund der dem Senat vorliegenden Entscheidungsgrundlagen erscheint es derzeit nicht überwiegend wahrscheinlich, dass gegen den Verurteilten die nachträgliche Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Abs. 1 StGB angeordnet werden wird.

a)

Nach § 66b Abs. 1 Satz 1 StGB kann die nachträgliche Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach einer Verurteilung wegen einer der dort genannten Katalogtaten angeordnet werden, wenn vor dem Ende des Vollzugs Tatsachen erkennbar werden, die auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit hinweisen, und die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, und wenn im Zeitpunkt der Entscheidung die übrigen Voraussetzungen des § 66 StGB erfüllt sind.

aa)

Nach in Rechtsprechung und Schrifttum einhellig vertretender Auffassung erfordert das Verfahren zur Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Abs. 1 und § 66b Abs. 2 StGB, dass nach der Verurteilung wegen einer der in § 66b genannten Taten, aber vor dem Ende des Strafvollzugs neue Tatsachen - so genannte "nova" - erkennbar werden, die auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit hinweisen. Den so genannten "nova" kommt für die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung eine zentrale Bedeutung zu (BGHSt 51, 185 <186f.>). Sie sind die formelle Voraussetzung dafür, dass ein Verfahren mit dem Ziel nachträglicher Anordnung der Sicherungsverwahrung überhaupt eingeleitet werden darf. In materieller Hinsicht muss sich in ihnen die hangbedingte Gefährlichkeit des Verurteilten widerspiegeln (BGHSt 50, 275 <279>). Umstände, die für den ersten Tatrichter erkennbar waren oder bei angemessener Sachverhaltsaufklärung hätten erkennbar sein müssen, scheiden als neue Tatsachen im Sinne des § 66b StGB aus (BGHSt 50, 284 <296>; NStZ 2005, 561; StV 2007, 29). Es genügt daher grundsätzlich nicht, wenn - bereits im Ausgangsverfahren bekannte oder erkennbare - Tatsachen eine Neu- oder Umbewertung erfahren (BGHSt 50, 275 <279>; StV 2007, 29 <30>). Auch Tatsachen, die zwar nach der Anlassverurteilung auftreten, die aber einen bereits im Ausgangsverfahren bekannten Zustand lediglich bestätigen, sind nicht neu im Sinne des § 66b StGB. Dies gilt insbesondere für persönlichkeits- oder krankheitsbedingte Auffälligkeiten bei dem Verurteilten, die sich in seinem Verhalten nach der Anlassverurteilung lediglich fortsetzen; sie können ausnahmsweise und nur dann als neu angesehen werden, wenn sie belegen, dass eine bekannte Störung sich in nicht vorhersehbarer Weise vertieft oder verändert hat, und sie die Gefährlichkeit des Verurteilten deshalb in einem grundsätzlich anderen Licht erscheinen lassen (vgl. BVerfG, StV 2006, 574).

Angesichts des mit der Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung verbundenen Eingriffs in die Rechtskraft des Ausgangsurteils und des hohen verfassungsrechtlichen Rangs des Freiheitsgrundrechts des Betroffenen ist das Vorliegen einer erheblichen neuen Tatsache sorgfältig zu prüfen. Das Verfahren nach § 66b StGB dient nicht der Korrektur rechtsfehlerhafter früherer Entscheidungen, die von der Staatsanwaltschaft nicht angegriffen worden sind (BGH NStZ 2005, 561; BGHSt 50, 180 ff.). Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung nur bei einer geringen Anzahl denkbarer Fälle in Betracht kommen (BTDrucks 15/2887 S. 10; BVerfGE 109, 190 <236>).

bb)

Eine andere Auslegung des Merkmals des Erkennbarwerdens von Tatsachen im Sinne der genannten Vorschriften soll nach Auffassung des Großen Senats für Strafsachen (GSSt 1/08) in Fällen geboten sein, in denen die Anlassverurteilung neben Freiheitsstrafe auch die Unterbringung des Verurteilten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) anordnet. Der Auffassung des 4. Strafsenats, wonach in Fällen gleichzeitiger Anordnung von Strafe und Maßregel des § 63 StGB eine auf § 66b Abs. 3 StGB gestützte nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung auch dann in Betracht kommen soll, wenn keine Entlassung des Verurteilten aus dem Maßregelvollzug droht, sondern noch ein Strafrest zu vollstrecken ist, hat der Große Senat für Strafsachen im Hinblick auf den Willen des Gesetzgebers eine Absage erteilt; vielmehr sei auch in diesen Fällen - entsprechend dem Willen des Gesetzgebers und dem Schutzzweck der Vorschrift - auf die §§ 66b Abs. 1 und Abs. 2 StGB zurückzugreifen, deren Tatbestandsmerkmale so auszulegen seien, dass ihrer Anwendung im Hinblick auf die erforderlichen nova keine unüberwindbaren rechtlichen Hindernisse entgegen stehen (Beschluss des Großen Senats, a.a.O., Rdn. 30 ff.). Die strengen Anforderungen an das Vorliegen neuer Tatsachen seien für Verurteilte entwickelt worden, deren Gefährlichkeit für die Allgemeinheit in der Anlassverurteilung nicht erkannt worden sei. Bei gleichzeitiger Anordnung von Strafe und Maßregel nach § 63 StGB werde vielfach schon im Ausgangsurteil eine Gefährlichkeit des Verurteilten festgestellt, die "auch den erhöhten Anforderungen an die Gefährlichkeitsprognose im Sinne des § 66b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 StGB" genüge (a.a.O., Rdn. 34); im Verfahren über die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung sei daher allein die Frage zu beantworten, ob diese Gefahr fortbestehe. Diese - praktischen - Besonderheiten sind nach Auffassung des Großen Senats für Strafsachen auch bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals der "nach einer Verurteilung [...] erkennbar" werdenden Tatsachen im Sinne der § 66b Abs. 1 und 2 StGB, die auf die Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit hindeuten, zu berücksichtigen. Erforderlich sei nicht, ob nachträglich neue Tatsachen erkennbar werden, die erstmals auf die besondere Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit hinweisen; es genüge vielmehr, wenn "die fortbestehende (qualifizierte) Gefährlichkeit aus anderen Tatsachen herzuleiten ist als denjenigen, die im Anlassurteil zur Begründung des länger andauernden Zustands herangezogen wurden, der zur positiven Feststellung erheblich verminderter Schuldfähigkeit bei Tatbegehung (§ 21 StGB) und zur Anordnung nach § 63 StGB führte".

Danach kommt es in Fallkonstellationen gleichzeitiger Anordnung von Straf- und Maßregelvollzug nicht darauf an, ob diese anderen Tatsachen dem ursprünglichen Tatrichter bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen, ob sie also "neu" im Sinne der herrschenden Auffassung sind; es soll vielmehr genügen, wenn diese Tatsachen - vor dem Hintergrund der entfallenen Voraussetzungen für die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus - die qualifizierte Gefährlichkeit des Verurteilten auf abweichender Grundlage belegen und sie rechtlich in einem neuen Licht erscheinen lassen.

Der Senat hegt Zweifel daran, ob die vom Großen Senat für Strafsachen herangezogene praktische Prämisse tragfähig ist, wonach die Urteilsgründe in Fallkonstellationen gleichzeitiger Anordnung von Straf- und Maßregelvollzug häufig eine den Anforderungen der § 66b Abs. 1, Abs. 2 StGB genügende Gefahrenprognose enthalten. Zwar kommt die Anordnung der Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) nur in Betracht, wenn eine Gesamtwürdigung des Täters und der von ihm begangenen Taten ergibt, dass von ihm "infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist"; die im Rahmen des § 63 StGB erforderliche negative Gefährlichkeitsprognose (vgl. Fischer, StGB, 56. Aufl. § 63 Rdn. 13) unterscheidet sich von der im Rahmen des § 66b Abs. 1 StGB anzustellenden - qualifizierten - Gefahrenprognose im Hinblick auf den geforderten Wahrscheinlichkeitsgrad künftiger erneuter Straffälligkeit des Verurteilten. Während für die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus eine "Wahrscheinlichkeit höheren Grades" (BGH NStZ 1986, 572; 91, 528; NStZ-RR 2006, 265) erforderlich, aber auch ausreichend ist, bedarf es im Rahmen der §§ 66b Abs. 1, Abs. 2 StGB des Nachweise einer "hohen Wahrscheinlichkeit" (Fischer, a.a.O., § 66b Rdn. 37a; LK-Rissing-van-Saan/Peglau, § 66b Rdn. 137); es genügt insoweit nicht, dass überwiegende Umstände auf eine künftige Delinquenz des Verurteilten hindeuten, sondern es muss eine gegenwärtige erhebliche Gefahr vom Verurteilten ausgehen (BGH NStZ-RR 2008, 40; BVerfG, NJW 2006, 3485 <3486>). Schließlich muss es sich bei diesen mit hoher Wahrscheinlichkeit in diesem Sinne zu erwartenden neuen Straftaten - anders als im Rahmen des § 63 StGB - um solche handeln, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Werden tatrichterliche Urteile - wie dies vorliegend der Fall ist - rechtskräftig und die Urteilsgründe abgekürzt abgefasst, so werden sich selten weiter gehende, über den Schuld- und Rechtsfolgenausspruch hinaus weisende Ausführungen zu den von dem Verurteilten ausgehenden Gefahren finden.

Darüber hinaus hegt der Senat auch Zweifel daran, ob und inwieweit eine "großzügigere Auslegung des Tatbestandsmerkmals der neu erkennbar werdenden Tatsachen" (a.a.O., S. 18) mit dem Gesetzeswortlaut des § 66b Abs. 1 StGB zu vereinbaren ist, wonach die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung nur in Betracht kommt, wenn "nach einer Verurteilung" wegen einer der dort genannten Verbrechen oder der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB enumerativ aufgeführten Vergehen "Tatsachen erkennbar" werden, die auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit hinweisen. Der systematische Vergleich des unverändert beibehaltenen § 66b Abs. 1 Satz 1 mit der durch das Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung vom 13.04.2007 (BGBl I S. 513) eingefügten Vorschrift des § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB (zu Entstehungsgeschichte und Zweck siehe Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 22.10.2008 - 2 BvR 749/08 -, S. 2) spricht für die Annahme, dass § 66b Abs. 1 StGB - von der in Satz 2 normierten Ausnahme abgesehen - Tatsachen fordert, die dem Tatrichter im Zeitpunkt der Verurteilung unbekannt geblieben sind.

Auch die historische Auslegung spricht nach Auffassung des Senats eher gegen eine erweiternde Auslegung der Norm. Nach der in den Gesetzesmaterialien nieder gelegten Vorstellung des Gesetzgebers sind "neu" im Sinne der genannten Vorschrift Tatsachen, die erst im Vollzug der Freiheitsstrafe bekannt geworden sind (BTDrucks 15/2887, S. 10, 12). Die Fallkonstellation gleichzeitiger Anordnung von Strafe und Maßregel hat der Gesetzgeber bedacht (BTDrucks 15/2887, S. 10) und eine Sonderregelung ausdrücklich für entbehrlich erachtet. Die Anforderungen sollten auch für die genannte Konstellation den Absätzen 1 und 2 des § 66b StGB zu entnehmen sein.

Eine weite Auslegung des § 66b Abs. 1 StGB, die zwar nicht an Art. 103 Abs. 2 GG zu messen wäre, weil der Anwendungsbereich des Bestimmtheitsgebots sich auf die Sicherungsverwahrung als einer rein präventiven, nicht repressiven staatlichen Maßnahme nicht erstreckt (BVerfGE 109, 133 <167 ff.>; 190 <219>), könnte außerdem mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der aus dem Freiheitsrecht des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG abzuleitenden Verhältnismäßigkeitsgebots in Konflikt geraten (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 23.08.2006 - 2 BvR 226/06 -, StV 2006, 574 ff. und Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 22.10.2008 - 2 BvR 749/08, Rdn. 39).

Nicht zuletzt angesichts dieser Schwierigkeiten versteht der Senat die Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen vom 07. Oktober 2008 - anders als die Strafkammer - dahin, dass die im Rahmen des § 66b Abs. 1 StGB geforderte Gefahrenprognose auf Tatsachen gestützt werden muss, die das erkennende Gericht nicht bereits zur Begründung der verminderten Schuld (§ 21 StGB) und der Anordnung der Maßregel des § 63 StGB herangezogen hat. Allenfalls dann, wenn - losgelöst von den zur Begründung des Maßregelausspruchs herangezogenen Tatsachen, die damit gleichsam "verbraucht" sind - nunmehr eine Disposition des Verurteilten zur Begehung schwerwiegender Straftaten bejaht werden könnte, käme die im Ermessen der Strafkammer stehende Anordnung nachträglicher Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung überhaupt in Betracht. Entgegen der Auffassung der Strafkammer genügt es deshalb nicht, ausschließlich eine Gefahrenprognose anzustellen; erforderlich ist vielmehr, dass das zur Entscheidung berufene Gericht andere, wenn auch nicht notwendig im Verlaufe des Straf- oder Maßregelvollzugs neu entstandene Tatsachen anführen kann, die die Gefährlichkeit des Verurteilten belegen und die nicht bereits im Anlassurteil zur Begründung der verminderten Schuldfähigkeit und der Anordnung der Maßregel nach § 63 StGB herangezogen worden sind. Jedes andere Verständnis würde dazu führen, dass allein die Erledigung der Maßregel als neue Tatsache im Sinne des § 66b Abs. 1 Satz 1 StGB anzusehen wäre und der Wille des Gesetzgebers umgangen würde, demzufolge die nachträgliche Anordnung nicht zu einer Korrektur des rechtskräftigen Urteils führen darf.

b)

Gemessen an diesen Maßstäben hegt der Senat angesichts der Besonderheiten des vorliegenden Falles Zweifel daran, dass Tatsachen festgestellt werden können, die - losgelöst von der zur Begründung des Maßregelausspruchs herangezogenen Umstände - die geforderte Gefährlichkeit des Verurteilten belegen können.

Die Strafkammer hat die in der Anlassverurteilung ausgesprochene Unterbringung des Verurteilten in einem psychiatrischen Krankenhaus ausweislich der Urteilsgründe (UAs 32) ausschließlich mit seiner - überdauernden - sexuellen Devianz in Form der homosexuellen Pädophilie begründet; wegen dieses Zustands sei von ihm auch in Zukunft die Begehung weiterer, der Anlassverurteilung vergleichbarer Straftaten zu erwarten. Sie hat die homosexuelle Pädophilie des Verurteilten, die von ihm als ich-synton empfunden wird und die sich auf männliche Kinder in der Vorpubertät und männliche Jugendliche bezieht (zur Typologie der Pädophilie vgl. Venzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung, 5. Aufl., S. 344 mwN; siehe auch BGH NJW 1998, 2753), als das Eingangskriterium der schweren anderen sexuellen Abartigkeit erfüllenden Zustand angesehen und hinsichtlich einer einzigen Tat verminderte Schuldfähigkeit angenommen, weil zusätzliche Faktoren - schnell zunehmende Zahl von Sexualkontakten, die zu einer Überflutung des Verurteilten mit paraphilen Impulsen geführt haben, Erschütterung des Persönlichkeitsgefüges und episodischer Substanzmissbrauch (Alkohol) - hinzugetreten sind. Diese zusätzlichen Faktoren sind nach Auffassung des Oberlandesgerichts S. im Verlaufe des Maßregelvollzugs weggefallen. Die das Eingangskriterium der schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB erfüllende homosexuelle Pädophilie bildete vorliegend jedoch die Grundlage für die Unterbringung des Verurteilten im Maßregelvollzug. Anders als in der Fallkonstellationen, in denen eine manifeste psychische Erkrankung zu einem Hang im Sinne des § 66 StGB hinzutritt, kann nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen die homosexuelle Pädophilie nicht hinweggedacht und die Gefährlichkeit des Verurteilten auf abweichender Tatsachenbasis bejaht werden. Es liegt außerdem fern, dass ein Hang des Verurteilten zur Begehung von Sexualstraftaten an vorpubertären männlichen Kindern und Jugendlichen ohne jede Gewaltanwendung, wie der Verurteilte sie in der Vergangenheit in den Jahren 1990 - 1992 und 1997 - 2000 serienweise begangen hat, ohne - maßgebliche - Berücksichtigung seiner Pädophilie bejaht werden könnte. Die bisher mit der Begutachtung des Verurteilten befassten Sachverständigen haben Anhaltspunkte, die auf eine Dissozialität des Verurteilten hindeuten könnten, nicht beschrieben. Der im Sicherungsverfahren lediglich mit der Frage der fortbestehenden Gefährlichkeit mit der Begutachtung des Verurteilten beauftragte Sachverständige Dr. S.- er hat sein vorläufiges Gutachten vom 20.09.2008 nach Aktenlage erstattet, weil der Verurteilte sich mit einer Begutachtung bisher nicht einverstanden erklärt hat - hat ausgeführt, dass es deutliche pädophile "Strömungen" in der Sexualität des Probanden gebe, die jedoch eher nicht dem Merkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit zuzurechnen seien.

Sein bisher nicht näher beleuchtetes Verhalten im Vollzug (vgl. dazu BGHSt 51, 185 <186 f.>) deutet bisher nicht darauf, dass die erforderliche qualifizierte Gefahrenprognose auf bedeutsam neue Tatsachen gestützt werden könnte.

Bei dieser Sachlage sieht es der Senat als nicht überwiegend wahrscheinlich an, dass die erforderlichen Tatsachen im Sinne des § 66b Abs. 1 StGB festgestellt werden können, so dass die nachträgliche Anordnung der Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung eher unwahrscheinlich ist. Sie käme hier der Umgestaltung der ursprünglich angeordneten Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus in die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung und damit einem unzulässigen Eingriff in das ursprüngliche, von keinem der Verfahrensbeteiligten angegriffenne, rechtskräftigen tatrichterlichen Urteil gleich.

III.

Auf die Beschwerde des Verurteilten war der Unterbringungsbefehl daher aufzuheben und die Freilassung des Verurteilten anzuordnen. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 467 StPO.

Ende der Entscheidung

Zurück