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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 27.11.2000
Aktenzeichen: 2 Ws 257/00
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 56 f Abs. 1 Nr. 1
StGB § 56 f Abs. 1 Nr. 1 StGB

Eine unangemessene Verzögerung bei der Entscheidung über den Widerruf oder im Verfahren über die Anlasstat(en) kann im Einzelfall dazu führen, dass ein an sich gebotener Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung aus Gründen der Rechtssicherheit unzulässig wird, weil der Verurteilte nicht zu lange im Ungewissen über die Widerrufsentscheidung gelassen werden darf.

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27. November 2000 - 2 Ws 257/00 -.


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 2. Strafsenat

2 Ws 257/00 II AK 56192

Strafsache gegen

wegen Untreue

hier: Widerruf der Strafaussetzung

Beschluss vom 27. November 2000

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss des Landgerichts Freiburg vom 25. August 2000 aufgehoben.

Die Strafe aus dem Urteil des Landgerichts Freiburg vom 17. Dezember 1993 wird erlassen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafkammer die mit Urteil vom 17. Dezember 1993 gewährte Strafaussetzung zur Bewährung hinsichtlich der wegen Untreue in 12 Fällen verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren aufgrund erneuter Straffälligkeit des Verurteilten innerhalb der Bewährungszeit widerrufen. Seine hiergegen gerichtete zulässige sofortige Beschwerde hat Erfolg.

Ein Widerruf der Strafaussetzung gem. § 56 f Abs. 1 Nr. 1 StGB kommt vorliegend nicht mehr in Betracht. Zwar hat der Verurteilte, wie die Strafkammer zu Recht ausführt, in der Zeit von Frühjahr 1994 bis Dezember 1995, mithin bereits kurz nach der Bewährungsentscheidung beginnend, fünf Betrugstaten mit einem Gesamtschaden von 77.500 DM begangen und damit die der Strafaussetzung zugrundeliegende Erwartung zweifellos nicht erfüllt. Der im Hinblick darauf grundsätzlich gebotene Widerruf ist aber unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten zeitlich nicht unbeschränkt möglich. Eine unangemessene Verzögerung bei der Entscheidung über den Widerruf oder im Verfahren über die Anlasstat(en) kann im Einzelfall dazu führen, dass ein Widerruf aus Gründen der Rechtssicherheit unzulässig wird, weil der Verurteilte nicht zu lange im Ungewissen über die Widerrufsentscheidung gelassen werden darf (vgl. OLG Koblenz MDR 1985, 70; OLG Zweibrücken NStE StGB § 56 f Nr. 16; Gribbohm in LK 11. Aufl. § 56 f Rdnr. 47 m.w.N.). Von einer derartigen Fallgestaltung ist vorliegend auszugehen. Nachdem der Verurteilte innerhalb der Bewährungszeit die fünf Betrugstaten begangen hatte, leitete die Staatsanwaltschaft am 3. März 1996 auf die Strafanzeige eines der Geschädigten ein Ermittlungsverfahren gegen ihn ein und ließ in der Folgezeit umfangreiche Unterlagen bei ihm sicherstellen, die bis Ende Oktober 1996 von der Kriminalpolizei ausgewertet waren. Eine Beschuldigtenvernehmung des Verurteilten erfolgte erst ab dem 26. März 1997, nachdem die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 6. Januar 1997 die Kriminalpolizei um Erstellung eines Schlussberichts gebeten hatte. Sodann mussten die Geschädigten mittels einer Fragebogenaktion vernommen werden, die bis Mai 1997 abgeschlossen war. Auf Grund fortlaufender Abordnungen des Sachbearbeiters der Kriminalpolizei konnte der Schlussbericht dann schließlich am 6. März 1998 der Staatsanwaltschaft vorgelegt werden, die ihrerseits erst am 24. März 1999, also bereits einige Monate nach Ablauf der Bewährungszeit, Anklage gegen den Verurteilten erhob. Dass sich in der Folgezeit der rechtskräftige, zur Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr zwei Monaten (ohne Bewährung) führende Verfahrensabschluss noch bis zum 1. Juli 2000 hinzog, hängt zwar in erster Linie damit zusammen, dass der eine Strafbarkeit seines Verhaltens in Abrede stellende Verurteilte gegen das amtsgerichtliche Urteil Berufung und gegen das der Berufungskammer Revision eingelegt hatte. Unabhängig hiervon ist die insgesamt sehr lange Verfahrensdauer aber im wesentlichen auf das langwierige Ermittlungsverfahren zurückzuführen, ohne dass dies vom Verurteilten zu vertreten ist. Nachdem er schon anlässlich der Durchsuchung vom 3. April 1996 erstmals mit dem Vorwurf des Betrugs konfrontiert worden war, durfte er nicht jahrelang darüber im Ungewissen gelassen werden, ob er noch den Widerruf der Strafaussetzung in vorliegender Sache wegen erneuter Straffälligkeit zu befürchten hat. Gleichwohl wurde der Verurteilte erst mit Anschreiben vom 19. Oktober 1999, also bereits fast zehn Monate nach Ablauf der Bewährungszeit, im Hinblick auf einen aus Anlass der erstinstanzlichen Verurteilung wegen der neuen Straftaten gestellten Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft erstmals von dem drohenden Widerruf in Kenntnis gesetzt.

Nach alledem kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben. Dies gilt um so mehr, als auch die weitere Entwicklung des Täters bei der Entscheidung über den Widerruf nicht unberücksichtigt bleiben kann (vgl. OLG Karlsruhe MDR 1976, 862), seit Begehung der Anlasstaten mittlerweile annähernd fünf Jahre vergangen sind und kein weiteres Straffälligwerden des jetzt 73 Jahre alten Verurteilten - zumal innerhalb der fünfjährigen Bewährungszeit - bekannt geworden ist.

Da Maßnahmen nach § 56 f Abs. 2 StGB nach Sachlage ausschieden, war die Strafe gem. § 56 g Abs. 1 StGB zu erlassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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