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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 25.05.2000
Aktenzeichen: 2 Ws 289/99
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 153 a
Zur Anfechtbarkeit einer Verfahrenseinstellung nach § 153 a Abs. 2 StPO wegen Fehlens der erforderlichen Zustimmung.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 2. Strafsenat

2 Ws 289/99 VII AK 67/99

Strafsache

wegen Gefährdung des Straßenverkehrs

hier: Einstellung des Verfahrens gem. § 153 a Abs. 2 StPO

Beschluß vom 25. Mai 2000

Tenor:

Auf die Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluß des Landgerichts vom 23. September 1999 aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe:

I.

In einem Strafverfahren, das in erster Instanz gem. § 408 Abs. 3 Satz 2 StPO zur Hauptverhandlung führte, legt die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten einem in Spanien wohnhaften Kraftfahrer - zur Last, am 29. April 1998 gegen 2.25 Uhr auf der Bundesautobahn A 5 in Fahrtrichtung Karlsruhe-Basel am Steuer eines in Spanien zugelassenen Sattelschleppers infolge Übermüdung gegen die rechte Leitplanke gestoßen zu sein und dadurch eine fahrlässige Gefährdung des Straßenverkehrs gem. § 315 c Abs. 1 Nr. 1 b, Abs. 3 Nr. 2 StGB begangen zu haben. Anläßlich seiner Beschuldigtenvernehmung durch die Autobahnpolizei vom 29. April 1998 leistete er eine Sicherheit von 2.000 DM und bestellte zwei Geschäftsstellenbeamte des zuständigen Amtsgerichts als Zustellungsbevollmächtigte. Die vom Angeklagten unterzeichnete Niederschrift über die Sicherheitsleistung enthält außerdem folgende vorgedruckte Erklärung:

"Dem/Der Beschuldigten wurde mitgeteilt, daß die Staatsanwaltschaft gem. § 153 a StPO oder § 45 JGG bei Vergehen von der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem/der Beschuldigten auferlegen kann, einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen. Ihm/ihr wurde eröffnet, daß die Tat sodann nicht mehr als Vergehen bestraft wird, sondern das Verfahren ohne daß zusätzliche Kosten entstehen und eine Eintragung in das Bundeszentralregister erfolgt, endgültig eingestellt wird.

Der/Die Beschuldigte ist mit der Einstellung des Verfahrens und der Verwendung der Sicherheitsleistung zur Erfüllung der Auflage einverstanden."

Unmittelbar über den Unterschriften des Angeklagten und des aufnehmenden Polizeibeamten befindet sich außerdem die Erklärung, daß der Beschuldigte eine Übersetzung des Vordrucks in spanischer Sprache gelesen hat.

Mit Urteil vom 29. April 1999 sprach das Amtsgericht den in der Hauptverhandlung nicht anwesenden Angeklagten, dem es zuvor gem. § 140 Abs. 2 StPO einen Verteidiger bestellt hatte, nach Anhörung mehrerer Zeugen und Sachverständigen frei und verpflichtete die Staatskasse, den Angeklagten für die Beschlagnahme des Führerscheins und die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis zu entschädigen. Hiergegen legte die Staatsanwaltschaft mit dem Ziel einer Verurteilung des Angeklagten wegen Gefährdung des Straßenverkehrs Berufung ein.

Nach Anhängigwerden des Verfahrens bei der Berufungsstrafkammer regte deren Vorsitzender bei der Staatsanwaltschaft unter Hinweis auf verschiedene zu erwartende Schwierigkeiten für die Tatsachenfeststellung eine Einstellung des Verfahrens gem. § 153 a Abs. 2 StPO im Hinblick auf die geleistete Sicherheit von 2.000 DM und die im Zusammenhang damit vom Angeklagten abgegebene Erklärung an. Mit Beschluß vom 6. August 1999 stellte die Strafkammer nach Vorliegen einer entsprechenden Zustimmungserklärung der Staatsanwaltschaft das Verfahren gem. § 153 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 StPO vorläufig ein und erteilte dem Angeklagten die Auflage, einen Geldbetrag von 2.000 DM zugunsten einer bestimmten gemeinnützigen Einrichtung unter Verrechnung der erbrachten Sicherheitsleistung mit der Geldauflage zu zahlen. Der Vorsitzende veranlaßte mit Verfügung vom selben Tage die formlose Mitteilung des Beschlusses an den Angeklagten und seinen Verteidiger sowie die Überweisung der hinterlegten Sicherheit von 2.000 DM an die gemeinnützige Einrichtung, die den Eingang des Geldbetrages am 22. September 1999 bestätigte. Mit Beschluß vom 23. September 1999 stellte das Landgericht daraufhin das Verfahren auf Kosten der Staatskasse gem. § 153 a Abs. 2 StPO wegen Erfüllung der Auflage endgültig ein, sah davon ab, die notwendigen Auslagen des Angeklagten ebenfalls der Staatskasse aufzuerlegen und lehnte eine Entschädigung für die Dauer der Beschlagnahme des Führerscheins und der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis ab. Gegen diesen Beschluß richtet sich die auf seine fehlende Zustimmung zur vorgenommenen Einstellung des Verfahrens gestützte Beschwerde des Angeklagten vom 21. Oktober 1999, der die Strafkammer nicht abgeholfen hat. Die Generalstaatsanwaltschaft hat keinen Antrag gestellt.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig. Zwar bestimmt § 153 a Abs. 2 Satz 4 StPO, daß die vorläufige - und damit auch die endgültige (vgl. nur OLG Stuttgart MDR 1980, 250; OLG Frankfurt MDR 1980, 515; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. Rdnr. 57; Rieß in Löwe-Rosenberg, StPO 24. Aufl. Rdnrn. 102, 105; Schoreit in KK-StPO 4. Aufl. Rdnrn.64; jeweils zu § 153 a) - Einstellung des Verfahrens durch das Gericht nach § 153 a Abs. 2 StPO nicht anfechtbar ist. In Rechtsprechung und Schrifttum ist aber allgemein anerkannt, daß gleichwohl mit der einfachen Beschwerde (§ 304 Abs. 1 StPO) das Fehlen der erforderlichen Zustimmung eines Verfahrensbeteiligten und damit einer der unverzichtbaren Verfahrensvoraussetzungen für eine Einstellung des Strafverfahrens nach § 153 a Abs. 2 StPO geltend gemacht werden kann (OLG Hamm MDR 1977, 949 = JMBlNW 1977, 201; OLG Stuttgart a.a.O.; OLG Frankfurt a.a.O.; OLG Karlsruhe NStZ 1987, 42; OLG Düsseldorf VRS 88, 437; Kleinknecht/Meyer-Goßner a.a.O. Rdnr. 57). Dies gilt jedenfalls bei der vorliegenden Fallkonstellation, wo die Erfüllung der Auflage nicht mehr in das Belieben des Angeklagten gestellt war, sondern im Hinblick auf die geleistete Sicherheit sogleich vom Gericht veranlaßt wurde, auch für die schon dadurch eine Beschwer des Angeklagten (vgl. hierzu Rieß a.a.O. Rdnr. 105) beinhaltende endgültige Verfahrenseinstellung.

III.

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg, da der Angeklagte - was gem. § 153 a Abs. 2 Satz 1 StPO erforderlich ist - einer Einstellung des gerichtlichen Verfahrens nicht wirksam zugestimmt hat. Schon nach seinem Wortlaut erfaßt die im Zusammenhang mit der Leistung der Sicherheit am 29. April 1998 abgegebene schriftliche Erklärung des Angeklagten lediglich den in § 153 a Abs. 1 StPO geregelten Fall, daß die Staatsanwaltschaft von der Erhebung der öffentlichen Klage absieht und zugleich dem Beschuldigten auferlegen kann, einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen. Hinzu kommt, daß die Niederschrift den Hinweis enthält, das Verfahren werde (nach Erfüllung der Auflage unter Verwendung der Sicherheitsleistung) endgültig eingestellt, ohne daß zusätzliche Kosten entstehen. Hiervon abgesehen würde eine erweiternde Auslegung der Zustimmungserklärung des Angeklagten dahingehend, daß sie über ihren Wortlaut hinaus auch die Einstellung eines späteren gerichtlichen Verfahrens erfaßte, jedenfalls der vorliegenden besonderen prozessualen Situation nicht gerecht. Ungeachtet der Zustimmungserklärung des (damaligen Beschuldigten und jetzigen) Angeklagten sah sich die Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren zu einer Verfahrenseinstellung nach § 153 a Abs. 1 StPO gerade nicht in der Lage, sondern brachte mit ihrem Antrag auf Erlaß eines Strafbefehls ein Kosten verursachendes gerichtliches Strafverfahren gegen den Angeklagten in Gang, das erstinstanzlich dann mit seinem Freispruch endete, den sie nunmehr mit der Berufung bekämpft. Für die Annahme, der Angeklagte sei von vornherein auch für den Fall des Eintritts einer derartigen, bei Leistung der Sicherheit für ihn überhaupt nicht absehbaren Konstellation noch mit einer Verfahrenseinstellung unter Verwendung der Kaution einverstanden gewesen, spricht nichts. Deshalb erforderte eine faire Verfahrenshandhabung jedenfalls in Anbetracht der nach dem Freispruch eingetretenen, für den Angeklagten - vorläufig - günstigeren prozessualen Situation dessen erneute Befragung, ob er auch jetzt noch einer Verfahrenseinstellung unter Verrechnung der geleisteten Sicherheit mit einer Geldauflage zustimmt. Die danach erforderliche - positive - Zustimmungserklärung des Angeklagten konnte nicht dadurch ersetzt werden, daß weder der Angeklagte noch sein Verteidiger - die zu der von der Strafkammer beabsichtigten Verfahrensweise nicht gehört worden waren - auf die vorläufige Verfahrenseinstellung vom 6. August 1999 nicht reagierten, vielmehr erst mit der Beschwerde gegen die endgültige Einstellung des Verfahrens eine Zustimmung ausdrücklich verweigerten.

Nach alledem mußte der angefochtene Beschluß einschließlich seiner Nebenentscheidungen aufgehoben werden.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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