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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 25.07.2006
Aktenzeichen: 20 UF 159/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1587
BGB § 1587 a
Zur Bewertung von französischen Rentenanwartschaften der Sécurité Sociale und der Zusatzversorgungssysteme ARRCO und Agirc im Versorgungsausgleich.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 20. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - Beschluss

20 UF 159/05

Karlsruhe, 25. Juli 2006

wegen Ehescheidung

hier: Versorgungsausgleich

Tenor:

1. Auf die Beschwerden der Deutschen Rentenversicherung Bund und des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Pforzheim vom 20. Oktober 2005 (1 F 309/04) in Ziffer 2 wie folgt abgeändert:

Von dem Versicherungskonto Nr. 64 170960 W 017 des Ehemannes bei der Deutschen Rentenversicherung Bund werden auf das Versicherungskonto Nr. 24 050469 P 566 der Ehefrau bei der Deutschen Rentenversicherung Bund Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 43,95 €, bezogen auf den 30. Juni 2004, übertragen.

Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

2. Die der Deutschen Rentenversicherung Bund entstandenen außergerichtlichen Kosten tragen die Parteien je zur Hälfte. Die übrigen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

3. Der Beschwerdewert wird auf 1.000 € festgesetzt.

Tatbestand:

Mit dem angefochtenen Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Pforzheim vom 20.10.2005 wurde die Ehe der Parteien geschieden und der Versorgungsausgleich geregelt. Beide Parteien haben während der Ehezeit Rentenanwartschaften bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, die Ehefrau zusätzlich Rentenanwartschaften bei der Französischen Sécurité Sociale und in französischen Zusatzversorgungssystemen erworben. Das Familiengericht hat in die Berechnung - nur - die beiderseitigen Anwartschaften bei der Deutschen Rentenversicherung Bund einbezogen.

Die Deutsche Rentenversicherung Bund und der Antragsgegner haben jeweils befristete Beschwerde gegen die Regelung des Versorgungsausgleichs eingelegt mit der Begründung, die Antragstellerin habe während der Ehezeit Rentenanwartschaften in Frankreich erworben, die im Versorgungsausgleich zu berücksichtigen seien.

Die Beschwerden führten zur Abänderung der angegriffenen Entscheidung. Die Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die am 17.07.1998 geschlossene Ehe der Parteien wurde durch Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Pforzheim vom 20.10.2005 geschieden. Die Folgesache Versorgungsausgleich (Ziffer 2 des Tenors) wurde dahingehend geregelt, dass von dem Versicherungskonto des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Bund im Wege des Rentensplittings monatliche Anwartschaften in Höhe von 116,66 €, bezogen auf den 30.06.2004, auf das Rentenversicherungskonto der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragen werden.

Das Familiengericht hat in die Berechnung die beiderseitigen Anwartschaften bei der Deutschen Rentenversicherung Bund einbezogen. Diese betragen ehezeitbezogen für die Antragstellerin 32,65 € und für den Antragsgegner 265,98 €.

Die Deutsche Rentenversicherung Bund und der Antragsgegner wenden sich mit ihren befristeten Beschwerden gegen die Regelung des Versorgungsausgleichs mit der Begründung, die Antragstellerin habe während der Ehezeit Rentenanwartschaften in Frankreich erworben.

Der Senat hat zur Bewertung der französischen Rentenanwartschaften ein Gutachten eingeholt.

II.

Die gemäß §§ 629 a Abs. 2 S. 1, 621 e Abs. 1 und 3, 621 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zulässigen Beschwerden sind begründet und führen zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Abänderung der Entscheidung zum Versorgungsausgleich.

Beide Parteien haben während der Ehezeit Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben; diese betragen für die Antragstellerin 32,65 € und für den Antragsgegner 265,98 €.

1. Bezüglich der Bewertung der in der Sécurité Sociale und in den Zusatzversorgungssystemen ARRCO und Agirc von der Antragsgegnerin erwirtschafteten französischen Rentenanwartschaften folgt der Senat weitgehend dem von den Beteiligten nicht beanstandeten Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. R. vom 29.05.2006.

a) Da - wie der Sachverständige in seinem Gutachten überzeugend ausführt - in der Sécurité Sociale als "Basisgehalt" für die Bemessung der Renten lediglich ein Teil des während der Versicherungszeit erzielten Einkommens, nämlich die 20 - 25 besten Jahre, berücksichtigt wird, ähnelt die Rentenberechnung der deutschen Beamtenversorgung, so dass die Anwartschaft gem. § 1587 a Abs. 2 Nr. 4 b BGB zu bewerten ist.

Die von der Ehefrau in der Sécurité Sociale zurückgelegten Kindererziehungszeiten können zeitlich nicht bestimmten Jahren zugeordnet werden. Sie erhöhen die Gesamtversicherungszeit bis zum Höchstwert. Je länger die Versicherungsdauer insgesamt ist, desto geringer wird ihr relativer Wert - bezogen auf einen bestimmten Zeitraum und insbesondere bezogen auf die Ehezeit. Der Sachverständige hat bei seiner Berechnung in der "1. Alternative" auf S. 9 des Gutachtens (GA) die Annahme zugrunde gelegt, dass die Ehefrau bis zum Erreichen der Altersgrenze in Frankreich versicherungspflichtig beschäftigt sein wird. Diese Annahme hat durch den Vortrag im Schriftsatz vom 10.07.2006 (II 133) eine hinreichend gesicherte Grundlage.

Der Senat legt die zeitratierliche Berechnung des Ehezeitanteils der Anwartschaft bei der Sécurité Sociale zugrunde. Die Anwendung des § 1587 a Abs. 2 Nr. 4 b BGB (zeitratierliche Methode) entspricht der Empfehlung des Sachverständigen (S. 6 des Gutachtens, AS II 97; ebenso Münchener Kommentar/Glockner, BGB, 4. Aufl., § 1587a Rn. 417). Soweit der Sachverständige eine beitragsbezogene Aufteilung vorgenommen hat (GA S. 11) entspricht dies weder der Regelung des § 1587 a Abs. 2 Nr. 4 b BGB noch erscheint die Anwendung dieser Methode im vorliegenden Fall sachgerecht. Da der Bemessungsfaktor (Basisgehalt) für die Versorgung die 20 "besten" Versicherungsjahre sind und die Ehefrau zu den bis Ehezeitende insgesamt zurückgelegten 43 Trimestern (10 3/4 Jahre) bis zur Altersgrenze noch etwas mehr als 24 Jahre zurücklegen kann, wird sich die Einschränkung der Erwerbstätigkeit durch Kindererziehung (GA S. 12) voraussichtlich im Ergebnis nicht auswirken.

Nachdem bei der Bemessung des relativen Wertes der Kindererziehungszeit zu Gunsten der Ehefrau davon ausgegangen wurde, dass sie bis zur Altersgrenze versicherungspflichtig beschäftigt bleibt (deshalb geringer relativer Wert der Kindererziehungszeit je mit Beiträgen belegtem Trimester), muss auch zu ihren Lasten davon ausgegangen werden, dass sie weitere Beitragsjahre zurücklegt. Die Einkommensreduzierung während der mit Beitragszeiten belegten Jahre der Kindererziehung (1998, 1999, 2001, 2004) würde deshalb nur bedeutsam, wenn innerhalb der schon zurückgelegten 10 3/4 Jahre und weiterer 24 Jahre diese 4 "schlechten" Jahre insgesamt zu den besten 20 Jahren zählen werden, was unwahrscheinlich erscheint.

Bei der danach gebotenen zeitratierliche Berechnung ist der Ehezeitanteil insoweit mit 89,96 € zu bemessen (vgl. GA S. 10: dort allerdings 89,94 €), wie sich aus folgender Berechnung ergibt: Ausgehend von dem auf den französischen Träger entfallenden Anteil von 8.374,91 € (GA S. 8) bis Ende der Ehezeit ergibt sich eine Gesamtzeit möglicher Trimester von 155,66 Trimestern. Hiervon ist die Kindererziehungszeit von 16 Trimestern in Abzug zu bringen, so dass 139,66 Trimester zugrunde zu legen sind. Das entspricht - bezogen auf 18 Trimester - einer Quote von 12,89 % oder umgerechnet monatlich 89,96 €.

b) Bezüglich der Bewertung des Ehezeitanteils der Anwartschaften bei den Zusatzversorgungen ARRCO und Agirc gem. § 1587 a Abs. 2 Nr. 4 c BGB folgt der Senat dem Sachverständigen.

c) Im Übrigen bewertet auch der Senat die französischen Anwartschaften als dynamisch, da der Wert der Anwartschaften in gleicher oder nahezu gleicher Weise steigt wie der Wert der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung.

2. Demnach sind folgende Anrechte der Parteien in den Versorgungsausgleich einzubeziehen:

Antragstellerin

Deutsche Rentenversicherung Bund 32,65 €

Sécurité Sociale 89,96 €

ARRCO 39,67 €

Agirc 15,81 €

gesamt 178,09 €.

Antragsgegner

Deutsche Rentenversicherung Bund 265,98 €.

Der Antragsgegner ist als Partei mit den höheren Anwartschaften gemäß § 1587 a Abs. 1 BGB der Antragstellerin in Höhe der hälftigen Differenz der beiderseitigen Anwartschaften ausgleichspflichtig, mithin in Höhe von (87,94 : 2 =) 43,95 €. Der Versorgungsausgleich hat gemäß § 1587 b Abs. 1 BGB durch Rentensplitting zu erfolgen.

3. Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da der Sachverhalt aufgeklärt, den Beteiligten rechtliches Gehör gewährt worden und eine Vereinbarung unter den Beteiligten nicht zu erwarten ist.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 100 Abs. 1, 93 a ZPO (vgl. OLG Karlsruhe FamRZ 1995, 361, 363).

Der Beschwerdewert wurde gemäß § 49 GKG festgesetzt.

Es bestand keine Veranlassung, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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