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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 29.11.1999
Aktenzeichen: 20 WF 78/99
Rechtsgebiete: BSHG, ZPO


Vorschriften:

BSHG § 91
ZPO § 727
Leitsatz

§ 91 BSHG; § 727 ZPO

Zum Nachweis der Rechtsnachfolge durch den Sozialhilfeträger.

OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 20. Zivilsenat - Senat für Familiensachen


20 WF 78/99 3 F 48/97

Karlsruhe, 29. November 1999

Familiensache

Beschluß

Tenor:

Die Beschwerde des Landratsamts Karlsruhe gegen den Beschluß der Rechtspflegerin des Amtsgerichts - Familiengericht - Bruchsal vom 22.07.1999 (3 F 48/97) wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Gläubigerin und Schuldner sind rechtskräftig geschiedene Eheleute. Die Unterhaltsansprüche der Gläubigerin wurden zunächst mit Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Bruchsal vom 13.01.1998 (3 F 48/97) für die Zeit ab 01.01.1997 tituliert. Durch vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe am 13.08.1998 (20 UF 43/98) im Berufungsverfahren abgeschlossenen Vergleich wurde das Urteil abgeändert.

Das Landratsamt Karlsruhe, vertr. d. d. Sozialamt, hat den gesetzlichen Forderungsübergang i. S. v. § 91 Abs. 2 BSHG dem Unterhaltspflichtigen mit Schreiben vom 12.03.1997, zugestellt am 15.03.1997, angezeigt. Unter Vorlage einer Aufstellung über die an die Gläubigerin gezahlten Sozialhilfeleistungen begehrt das Sozialamt die Titelumschreibung gemäß § 727 ZPO.

Mit Schreiben vom 24.06.1999 hat die Rechtspflegerin darauf hingewiesen, daß der Sozialhilfeträger vor Erteilung der Rechtsnachfolgeklausel in der nach § 727 ZPO vorgeschriebenen Form nachzuweisen habe, daß ein Ausschlußtatbestand für den beantragten Forderungsübergang nicht vorliegt. Dem Sozialamt wurde anheimgestellt, Klage gemäß § 731 ZPO zu erheben.

Das Sozialamt ist der Ansicht, daß mit den vorgelegten Unterlagen die erforderlichen Voraussetzungen für eine Titelumschreibung vorlägen.

Die Rechtspflegerin hat mit Beschluß vom 22.07.1999 den Antrag auf Titelumschreibung zurückgewiesen.

Hiergegen wendet sich das Sozialamt mit seiner Beschwerde.

II.

Die gemäß § 567 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 11 Abs. 1 RPflG zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Die Rechtspflegerin hat den vom Landratsamt Karlsruhe gestellten Antrag auf Erteilung einer für es vollstreckbaren Ausfertigung zu Recht zurückgewiesen, denn die Rechtsnachfolge ist weder offenkundig noch durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden bewiesen (§ 727 ZPO).

a) Die in zeitlicher Hinsicht aufgeschlüsselte Aufstellung des Landratsamts der an die Gläubigerin gezahlten Sozialhilfeleistungen (Aufstellung vom 05.05.1999 als Anlage zum Antrag vom 20.05.1999) genügt zwar als öffentliche Urkunde i. S. d. § 418 ZPO als Nachweis über die den Übergang des Anspruchs bestimmenden Aufwendungen (vgl. dazu OLG Hamm, FamRZ 1999, 999; Zöller/Stöber, ZPO, 21. Aufl., § 727 Rn. 22 jew. m. w. N.). Auch in formaler Hinsicht ist die Aufstellung nicht zu beanstanden, da sie in Form einer beglaubigten, mit Dienstsiegel versehenen Fotokopie eingereicht wurde (vgl. Baumbach/Hartmann, ZPO, 57. Aufl., § 418 Rn. 2). Das Landratsamt hat auch den Forderungsübergang dem Schuldner angezeigt sowie Inhalt und Zugang dieses Schreibens ebenfalls durch öffentliche Urkunden nachgewiesen, obgleich es zum Nachweis der Rechtsnachfolge auf die nach Einführung des gesetzlichen Forderungsübergangs im Sozialhilferecht entbehrliche Überleitungsanzeige nicht (mehr) ankommt.

b) Es fehlt aber an einem urkundlichen Nachweis der Beachtung der sozialhilferechtlichen Schutzvorschriften (§ 91 Abs. 2 BSHG).

aa) Der nach der Neuregelung des § 91 BSHG durch Gesetz vom 23.06.1993 (BGBl I, 944. 952) und Gesetz vom 23.07.1996 (BGBl I, 1088) nicht mehr aufgrund einer Überleitung des Sozialhilfeträgers, sondern kraft Gesetzes eintretende Übergang des Unterhaltsanspruchs vom Unterhaltsberechtigten auf den Sozialhilfeträger, der Leistungen nach dem BSHG erbringt, ist nunmehr auch davon abhängig, daß die in den Absätzen 1 und 2 des § 91 BSHG aufgeführten Ausschlußtatbestände nicht vorliegen. Umstritten ist, ob bei der Geltendmachung einer Rechtsnachfolge im Rahmen von § 727 ZPO die Beachtung der sozialhilferechtlichen Schutzvorschriften vom Sozialhilfeträger unter Beachtung der Formvorschriften dieser Norm dargetan werden muß (so etwa OLG Stuttgart, Beschlüsse vom 29.01.1998 - 8 WF 9/98 - und vom 04.05.1998 - 8 WF 55/97 -; vgl. auch OLG Stuttgart, FamRZ 1995. 489 zu der ähnlichen Regelung in § 37 BAföG) oder ob der Schuldner diese Ausschlußtatbestände im Wege der Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO geltend machen muß (so OLG Zweibrücken, FamRZ 1997, 1092; OLG Köln, MDR 1997, 369; Zöller/Stöber, a. a. O., Rn. 22 unter Bezugnahme auf Künkel, FamRZ 1994, 540).

Der Senat ist der Ansicht, daß es sich bei den Einschränkungen des Anspruchsübergangs nicht lediglich um Einwendungen handelt, die vom Schuldner (im vergleichbaren Fall des § 37 BAföG: von den Eltern) gemäß §§ 732, 768 ZPO geltend zu machen sind und bei einer Klauselerteilung gemäß § 727 ZPO unbeachtet bleiben können. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll durch diese Bestimmung von vornherein verhindert werden, daß ein Unterhaltspflichtiger seinerseits Leistungen der Sozialhilfe in Anspruch nehmen muß. Der Wortlaut dieser Vorschrift, wonach der Anspruch nur übergeht, "soweit ein Hilfeempfänger sein Einkommen und Vermögen nach den Bestimmungen des Abschnitts 4 ... einzusetzen" habe, spricht dafür, daß es sich hierbei um eine anspruchsbegründende Voraussetzung handelt, die nach allgemeinen prozessualen Regeln von demjenigen zu beweisen ist, der Gläubigerrechte geltend macht, und nicht um eine von dem Schuldner zu beweisende Einwendung. Das bedeutet, daß der Sozialhilfeträger die Voraussetzungen für die Erteilung der Rechtsnachfolgeklausel auch insoweit in der in § 727 ZPO vorgeschriebenen Form nachweisen muß (vgl. OLG Stuttgart. B. v. 04.05.1998, a. a. O.).

Der Senat verkennt nicht, daß diese Auslegung die - vom Gesetzgeber (vgl. BT Drucksache 12/4401, S. 32 f.) mit der Neuregelung des § 91 BSHG gerade angestrebte - Erleichterung des Durchgriffs des Sozialhilfeträgers gegenüber einem nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtigen erheblich erschwert, weil der Sozialhilfeträger diese zusätzlich erforderlichen Nachweise in der durch § 727 ZPO erforderten Form kaum erbringen kann. Der Senat hält sich aber nicht für befugt, den klaren und eindeutigen Gesetzeswortlaut zu umgehen, zumal der Gesetzgeber, wenn er eine Erleichterung für das Verfahren gemäß § 727 ZPO gewollt hätte, die letzte Neuregelung des § 91 BSHG hierzu hätte zum Anlaß nehmen können. Da der Gesetzgeber lediglich in § 91 Abs. 4 BSHG geregelt hat, daß der Sozialhilfeträger den auf ihn übergegangenen bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsanspruch an den zuvor Unterhaltsberechtigten zur gerichtlichen Geltendmachung zurückabtreten kann, hat er von der Möglichkeit einer Gesetzesänderung im Hinblick auf § 727 ZPO - offensichtlich bewußt - keinen Gebrauch gemacht. Der Senat sieht daher keine Möglichkeit, daß die Rechtsprechung diese gesetzgeberische Entscheidung umgehen kann. Im übrigen geht die Regelung in § 91 BSHG nicht von einem völligen Gleichklang zwischen der bürgerlichrechtlichen Unterhaltspflicht und der sozialhilferechtlichen Pflicht zum Einsatz eigenen Einkommens aus und regelt deshalb die Notwendigkeit einer gesonderten Prüfung der letztgenannten Voraussetzungen durch das Zivilgericht (§ 91 Abs. 4 S. 3 BSHG). Dem entspricht im Verfahren nach § 727 ZPO der urkundliche Nachweis dieser zusätzlichen Voraussetzungen (vgl. OLG Stuttgart, B. v. 04.05.1998, a. a. O.).

Die Rechtspflegerin hat eine Titelumschreibung im Verfahren gemäß § 727 ZPO deshalb im Ergebnis zutreffend abgelehnt. Die Beschwerde war daher zurückzuweisen. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.



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