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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 08.03.2007
Aktenzeichen: 3 Ws 489/06
Rechtsgebiete: StVollzG, StVollstrO


Vorschriften:

StVollzG § 152 Abs. 1
StVollstrO § 21
StVollstrO § 23
StVollstrO § 24 Abs. 4
1. Bei der Fortsetzung des unterbrochenen Vollzugs einer Freiheitsstrafe setzt die Einweisung in dieselbe Vollzugsanstalt, in welcher der Gefangene sich vor der Unterbrechung befunden hat, voraus, dass die Anstalt auch weiterhin noch örtlich zuständig ist und ihre sachliche Zuständigkeit nicht verloren hat.

2. Ein Antragsteller kann sein Begehren, eine nicht rechtmäßige Einweisungsentscheidung abzuändern, nur auf dem Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG i. V. m. § 21 StVollstrO verfolgen.


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 3. Strafsenat

Strafvollzugssache des K. D.

in der JVA H.

hier: Rechtsbeschwerde gem. § 116 StVollzG

Beschluss vom 08. März 2007

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer - P. vom 15. November 2006 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Gegenstandswert wird auf EUR 150.- festgesetzt (§§ 65, 60, 52 GKG).

Gründe:

I.

Der mehrfach vorbestrafte Verurteilte, der derzeit Restfreiheitsstrafen aus Urteilen des Landgerichts M. verbüßt und dessen Strafende für den 11.04.2008 notiert ist, begehrt insgesamt bereits zum dritten Mal erfolglos seine Verlegung in die JVA M.

Der Verurteilte befand sich bis zu seiner Abschiebung am 24.03.2004 zur Vollstreckung der Freiheitsstrafen in der JVA H. Seine damalige Einweisung beruhte auf einem Beschluss der Einweisungskommission der Justizvollzugsanstalt S. vom 10.02.2003. Die Entscheidung ist u. a. wie folgt begründet worden:

"[.....]Hierzu teilt die Anstalt mit, dass eine Einweisung in die JVA M., wie begehrt, nicht erfolgen kann, da dort Mittäter untergebracht sind, die in dem noch nicht rechtskräftigen Verfahren involviert sind. Obwohl die JVA M. als zuständige Anstalt zu bestimmen gewesen wäre, war es seitens der Einweisungskommission zu berücksichtigen, dass wegen dieses noch nicht abgeschlossenen Verfahrens eine Verlegung nach Mannheim nicht in Frage kommt."

Nach seiner illegalen Einreise in das Bundesgebiet im März 2006 ist der Verurteilte am 23.03.2006 in M. festgenommen und noch am selben Tag in die JVA H. verbracht worden, wo er seit diesem Tag die o. g. Restfreiheitsstrafen verbüßt. Danach hat der Verurteilte durch seinen damaligen Verteidiger Anfang Mai 2006 seine Verlegung in die JVA M. beantragt. Dieser Antrag ist mit Verfügung vom 16.05.2006 zurückgewiesen worden, wobei der Leiter der JVA Heimsheim zur Begründung im Wesentlichen auf eine frühere Verfügung Bezug genommen hat.

Der Verurteilte hat daraufhin mit Schreiben vom 20.07.2006 einen weiteren Verlegungsantrag gestellt und diesen Antrag - wie bereits seine vorangegangen Anträge auch - mit der Nähe zu seinen Eltern sowie damit begründet, dass diesen Besuche in der JVA H. aufgrund gesundheitlicher Probleme nicht oder kaum möglich seien. Dieser Antrag ist mit Verfügung vom 26.07.2006 aus den bereits oben genannten Gründen zurückgewiesen worden.

Die Verteidigerin des Verurteilten hat den form- und fristgerecht gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung u. a. damit begründet, dass von Anfang an die JVA M. die örtlich und sachlich zuständige Anstalt gewesen sei und dass - angesichts des zwischenzeitlich abgeschlossenen Strafverfahrens - keine Gründe ersichtlich seien, weshalb eine Verlegung in die zuständige Anstalt ausgeschlossen sei. Sie weist in diesem Zusammenhang u. a. auf § 24 Abs. 1 StVollstrO hin, aus dem sich nach ihrem Dafürhalten die Zuständigkeit der JVA M. ergebe.

Die JVA H. hat in ihrer Stellungnahme vom 25.10.2006 gegenüber der Strafvollstreckungskammer zu dieser Frage u .a. Folgendes ausgeführt:

"[...] Diese (Anm.: d.h. die durch die Einweisungskommission im Jahr 2003 begründete) Zuständigkeit bleibt auch bei nachträglicher Änderung des Vollstreckungsplanes oder nachträglichem Wegfall der Voraussetzungen der ursprünglichen Einweisung erhalten. Insbesondere bleibt es auch bei dieser Zuständigkeit, wenn zwischenzeitlich eine Unterbrechung der Vollstreckung eingetreten war und der Vollzug später fortgesetzt wird. In diesem Fall bleibt die ursprünglich zuständige Anstalt auch weiterhin zuständig. Dies ergibt sich aus § 24 Abs. 4 Strafvollstreckungsordnung.

Der Gefangene befindet sich nach hiesiger Auffassung mithin und in Abweichung von der Auffassung des Verteidigers des Gefangenen in der vollstreckungsplanmäßig zuständigen Anstalt [.....]."

Die Strafvollstreckungskammer hat sich dieser Argumentation der Justizvollzugsanstalt in vollem Umfang angeschlossen und den Antrag des Verurteilten nach den Voraussetzungen des § 8 StVollzG beurteilt, die die Kammer mit ausführlicher Begründung, auf die Bezug genommen wird, als nicht gegeben erachtet hat.

Mit der form- und fristgerecht eingelegten Rechtsbeschwerde beantragt die Verteidigerin eine Aufhebung des Beschlusses der Strafvollstreckungskammer sowie den Ausspruch, die Antragsgegnerin zu einer Verlegung des Verurteilten in die JVA M. zu verpflichten. Zur Begründung führt sie u. a. an, dass die Einweisung nach der illegalen Einreise nicht nach § 24 Abs. 4 StVollstrO, sondern nach der allgemeinen Zuständigkeitsbestimmung des § 24 Abs. 1 StVollstrO zu beurteilen gewesen sei. Danach hätte eine Einweisung in die JVA Mannheim erfolgen müssen. Darüber hinaus rügt sie die Verletzung rechtlichen Gehörs.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, da die Nachprüfung des angefochtenen Beschlusses zur Fortbildung des Rechts erforderlich ist (§ 116 Abs. 1 StVollzG). Sie ist aber nicht begründet.

Die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer ist zwar insoweit fehlerhaft, als sie sich nicht in ausreichendem Maße mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob die Einweisung in die JVA H. nach der illegalen Einreise überhaupt rechtmäßig war (vgl. nachfolgend Nr. 1). Die Entscheidung beruht jedoch nicht auf diesem Fehler, da die Strafvollstreckungskammer jedenfalls im Ergebnis zutreffend den Antrag als unbegründet zurückgewiesen hat (vgl. nachfolgend Nr. 2). Soweit der Antragsteller eine Verletzung des rechtlichen Gehörs rügt, fehlt es an einer ordnungsgemäß erhobenen Verfahrensrüge (vgl. nachfolgend Nr. 3).

1. Die Rechtmäßigkeit der Einweisung beurteilt sich nach §§ 23, 24 StVollStrO sowie nach dem diese Vorschriften konkretisierenden, zum Zeitpunkt der Einweisung gültigen Vollstreckungsplan des Landes Baden-Württemberg. Die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Einweisung ist nicht nur im Hinblick auf die Anwendbarkeit des § 8 StVollzG erforderlich, dessen Voraussetzungen nur zu prüfen sind, wenn es sich um eine Verlegung in Abweichung vom Vollstreckungsplan handelt, sondern vor allem auch im Hinblick auf den für den Antragsteller einzuschlagenden Rechtsweg.

Einwendungen, die die Rechtmäßigkeit der Einweisung betreffen, sind zunächst mit der Beschwerde nach § 21 StVollstrO geltend zu machen. Über die Einwendungen hätte die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe gem. § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVollStrO zu entscheiden, da keine die Zuständigkeit des Gerichts eingreifende Vorschrift (§ 458 bzw. § 459h StPO) erfüllt ist (§ 21 StVollstrO) und da die Einweisung durch die Staatsanwaltschaft M. in ihrer Eigenschaft als Vollstreckungsbehörde erfolgt ist, §§ 4 Nr. 1, 7 Abs. 1, 29 Abs. 1 StVollstrO.

Die Strafvollstreckungskammer ist im Rahmen ihrer Entscheidung von einem zu engen Verständnis des § 24 Abs. 4 StVollstrO ausgegangen.

Der Verurteilte ist zwar im Jahr 2003 durch die Einweisungskommission der JVA S. in Abweichung von § 24 Abs. 1 StVollstrO nicht in die JVA M., sondern in die JVA H. eingewiesen worden, wobei die Entscheidung offensichtlich auf § 26 StVollstrO gestützt worden ist. Die Rechtmäßigkeit dieser Einweisung hat jedoch nicht zwangsläufig die Rechtmäßigkeit der im Jahr 2006 nach der illegalen Einreise erfolgten erneuten Einweisung in die JVA H. zur Folge. Der Wortlaut des § 24 Abs. 4 S. 1 StrVollstrO legt zwar ein solches Ergebnis nahe. Abgesehen davon, dass die frühere Fassung des § 24 Abs. 4 S. 1 StVollstrO noch die Worte "in der Regel" enthielt (vgl. OLG Hamburg RPfleger 1964, 217, 218), widerspricht ein solches enges, ausschließlich am Wortlaut orientiertes Verständnis dieser Vorschrift dem Resozialisierungsgedanken, der u. a. darin seinen Niederschlag gefunden hat, dass durch den Vollzug in Wohnortnähe die Wiedereingliederung gefördert werden soll. Bei enger Wortlautauslegung müsste beispielsweise ein Bewährungsbrecher, der mit seiner gesamten Familie nach seiner bedingten Haftentlassung von A., wo er zuvor gewohnt und einen Teil seiner Freiheitsstrafe verbüßt hat, nach B. gezogen ist, den Rest der Freiheitsstrafe in der JVA A. verbüßen. Aus diesem Grund ist § 24 Abs. 4 S. 1 StVollstrO dahingehend auszulegen, dass diese Vorschrift als selbstverständlich voraussetzt, dass die Anstalt für den bisherigen Vollzug örtlich und sachlich zuständig war und dass sie nach dem bei dem Vollzugsbeginn zugrunde gelegten Zuständigkeitsmerkmal bei Beginn des weiteren Vollzugs noch örtlich zuständig ist und dass sie auch ihre sachliche Zuständigkeit nicht verloren hat (vgl. Pohlmann/Jabel/Wolf StrVollstrO 8. Auflage § 24 Rdnr. 27; Pohlmann, RPfleger 1963, 1 - Fn. 3 -; Wagner, RPfleger 2005, 182, 184).

Legt man diesen Prüfungsmaßstab zugrunde, so ist festzuhalten, dass die JVA H. zum Zeitpunkt der Einweisung im Jahr 2003 nicht örtlich zuständig war und dass zudem das damalige Einweisungskriterium - Trennung von Mittätern in einem laufenden Strafverfahren - noch während des damaligen Vollzugs weggefallen ist. Demnach ist vorbehaltlich möglicher weiterer Erkenntnisse über den Vollstreckungsfall nach derzeitiger Erkenntnislage davon auszugehen, dass die Einweisung in die JVA H. im März 2006 nicht rechtmäßig war. § 24 Abs. 4 StVollstrO begründet insoweit keine originäre Zuständigkeit.

2. Einer Aufhebung und Zurückverweisung bedarf es jedoch nicht, da eine andere Entscheidung in der Sache nicht zu erwarten ist. Soweit die Strafvollstreckungskammer eine Verlegung auf der Grundlage des § 8 StVollzG abgelehnt hat, sind die Ausführungen in der Sache nicht zu beanstanden. Im Falle einer Zurückverweisung hätte die Strafvollstreckungskammer lediglich darüber zu entscheiden, ob die Einweisung rechtmäßig war. Käme sie auch unter Beachtung der Rechtsausführungen des Senats wiederum zu dem Ergebnis, dass die Einweisung als solche nicht zu beanstanden ist, so müsste der Antrag des Verurteilten erneut als unbegründet zurückgewiesen werden. Gleiches gilt jedoch auch dann, wenn die Strafvollstreckungskammer im Rahmen ihrer erneuten Prüfung zu dem Ergebnis käme, dass die Einweisung rechtswidrig war. In diesem Fall böte das Strafvollzugsgesetz keine Rechtsgrundlage für das Begehren des Antragstellers. Der Antragsteller kann sein Begehren nur über den Rechtsweg nach §§ 23 ff EGGVG i. V. m. § 21 StVollstrO verfolgen (KK-Schoreit StPO 5. Auflage § 23 EGGVG Rdnr. 91).

Da der Antrag des Verurteilten von vornherein auch auf § 8 StVollzG gestützt worden ist, wäre er bei Rechtswidrigkeit der Einweisung in der Sache als unbegründet und nicht als unzulässig zurückzuweisen. Die Entscheidung des OLG Stuttgart, die einen solchen Antrag als unzulässig angesehen hat (NStZ 1997, 103), ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, da der Antragsteller in dem dortigen Verfahren sein Begehren von vornherein ausschließlich auf § 24 StVollstrO gestützt hatte.

Eine Verweisung der Sache an die zur Entscheidung berufene Vollstreckungsbehörde ist ausgeschlossen, da nach den allein in Betracht kommenden Vorschriften der §§ 17ff GVG nur eine Verweisung zwischen Gerichten verschiedener Gerichtszweige bzw. bei analoger Anwendung dieser Vorschriften nur eine Verweisung zwischen Gerichten innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit zulässig ist (KK-Pfeiffer StPO 5. Auflage §§ 17, 17a GVG Rdnr. 3).

3. Der Beschwerdeführer hat zwar auch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs gerügt. Die insoweit erforderliche Verfahrensrüge ist jedoch nicht ordnungsgemäß erhoben worden.

Der Beschwerdeführer hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass die Strafvollstreckungskammer bereits einen Tag vor Ablauf der ihm gesetzten Frist zur Stellungnahme hinsichtlich der Stellungnahme der JVA Heimsheim in der Sache entschieden habe. Die Rechtsbeschwerdeschrift enthält jedoch keine Ausführungen dazu, ob und inwieweit durch die Nichtbeachtung der Äußerungsfrist die Rechte des Verurteilten beeinträchtigt worden sind.

Ende der Entscheidung

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