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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 03.07.2003
Aktenzeichen: 3 Ws 72/03
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 266 Abs. 1 1. Alt.
StPO § 200
StPO § 203
StPO § 210 Abs. 2
Bei erkannter existenzieller Gefährdung eines Kreditnehmers trifft die Mitglieder des Vorstandes eines Kreditinstituts eine besondere Informations- und Prüfungspflicht im Zuge erneuter Kreditvergabeentscheidungen. Diese erstreckt sich auch auf die Frage der Zuverlässigkeit der weiteren Entscheidungsträger und Kreditsachbearbeiter sowie die Verlässlichkeit der von diesen vorgelegten Informationen und Beurteilungen. Ergeben sich Zweifel oder Unstimmigkeiten, sind eigene Nachprüfungen geboten. Gleiches gilt, wenn die Kreditvergabe ein besonders hohes Risiko, insbesondere für die Existenz des Kreditinstituts, in sich birgt.

Die Zustimmung des Kreditausschusses oder des Verwaltungsrates lässt die Pflichtwidrigkeit im Sinne des § 266 StGB bei der Vergabe derart risikobehafteter Folgekredite nicht entfallen.


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 3. Strafsenat

3 Ws 72/03

wegen Verdachts der Untreue

hier: sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens

Beschluss vom 03. Juli 2003

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird der Beschluss des Landgerichts - 22. Große Strafkammer/Wirtschaftsstrafkammer 2 - M.vom 05. März 2003 aufgehoben.

Das Hauptverfahren wird eröffnet. Die Anklage der Staatsanwaltschaft M.vom 05. Juli 2002 wird zur Hauptverhandlung vor dem Landgericht - 22. Große Strafkammer/Wirtschaftsstrafkammer 2 - M. zugelassen.

Gründe:

I.

1. Mit ihrer ursprünglichen unter dem 10.08.1999 zum Landgericht - Wirtschaftsstrafkammer - M. erhobenen (Teil-) Anklage hatte die Staatsanwaltschaft den Angeschuldigten zur Last gelegt, in ihrer Funktion als Vorstandvorsitzender - der Angeschuldigte Dr. R. -, als stellvertretender Vorstandsvorsitzender - der Angeschuldigte S. - , als Ressortleiter Firmenkredite - der Angeschuldigte F. H. - sowie als Hauptabteilungsleiter des Bereichs Firmenkredite, als Verhinderungsvertreter des Vorstands und ab August 1994 zusätzlich als stellvertretendes Vorstandsmitglied - der Angeschuldigte H. H. - der Stadtsparkasse Mannheim in den Jahren 1993 bis 1995 aufgrund eines einheitlichen Tatentschlusses durch eine Vielzahl von Einzelkreditentscheidungen in bewusstem und gewollten Zusammenwirken pflichtwidrig bewirkt zu haben, dass an die A.-Firmengruppe des E. D. (Komplex A.) Kredite in Höhe von insgesamt DM 53,6 Millionen ohne zureichende Prüfung der Bonität der Kreditnehmer und der Sicherheiten vergeben worden seien. In rechtlicher Hinsicht hatte die Staatsanwaltschaft das Geschehen als einheitliches Vergehen der Untreue i.S. einer natürlichen Handlungseinheit bewertet. Mit Beschluss vom 20.12.1999 lehnte die mit der Sache damals befasste Strafkammer 24/Wirtschaftsstrafkammer 4 des Landgerichts M. die Eröffnung des Hauptverfahrens aus tatsächlichen Gründen ab, da insoweit Pflichtverletzungen, jedenfalls von bedingtem Schädigungsvorsatz getragene, die den Vorwurf der Untreue rechtfertigen könnten, nicht mit hinreichender Sicherheit festzustellen seien. Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft hob der Senat mit Beschluss vom 12.03.2002 den Beschluss der Strafkammer vom 20.12.1999 insoweit auf und stellte das Verfahren aus formellen Gründen - mangels wirksamer Anklage - ein.

Mit Schrift vom 05.07.2002 erhob die Staatsanwaltschaft im Komplex A.gegen die Angeschuldigten - nach Beschränkung des Verfahrensstoffes gem. §§ 154 Abs. 1, 154 a Abs. 1 StPO - erneut Anklage, nun wegen Verdachts der Untreue durch Kreditvergaben in vier tatmehrheitlichen Fällen (Tatzeiten: 31.08.1993 [5,81 Mio. DM]; 01.02.1994 [7,3 Mio. DM]; 15.02.1994 [25,5 Mio. DM]; 26.10.1994 [18 Mio. DM]). Mit Beschluss der mit der Sache nun befassten Strafkammer 22/Wirtschaftsstrafkammer 2 des Landgerichts M. vom 5.03.2003 ist die Eröffnung des Hauptverfahrens wiederum - jetzt aus Rechtsgründen - abgelehnt worden. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft erneut mit der - von der Generalstaatsanwaltschaft K. vertretenen- sofortigen Beschwerde mit dem Ziel der Eröffnung des Hauptverfahrens. Die Angeschuldigten und ihre Verteidiger hatten Gelegenheit zur Stellungnahme; der Angeschuldigte Dr. R. beantragt mit Verteidigerschriftsatz vom 28.04.2003, der Angeschuldigte Hoffmann mit Verteidigerschriftsatz vom 20.05.2003, das Rechtsmittel zu verwerfen.

2. Zum Verfahrensgang und -stand im Übrigen ist festzuhalten:

Den Angeschuldigten wurden bzw. werden über die (Teil-) Anklageschrift vom 10.08.1999 bzw. die nun maßgebliche vom 05.07.2002 hinaus weitere Vergehen der Untreue in den Komplexen R./B. und R./G. vorgeworfen (Anklageschriften vom 27.5.1999, 01.07.1999 und 25.08.1999). Insoweit hatte die Strafkammer 24/Wirtschaftsstrafkammer 4 des Landgerichts M. mit dem eingangs genannten Beschluss vom 20.12.1999 das Hauptverfahren eröffnet. Urteil erging am 24.07.2000. Dieses hob der Bundesgerichtshof auf die Revision der Staatsanwaltschaft mit Urteil vom 15.11.2001 - 1 StR 185/01 - (nur teilweise abgedruckt in BGHSt 47, 148) mit den Feststellungen im Komplex R./G. - insoweit waren die Angeschuldigten vom Vorwurf der Untreue freigesprochen worden - unter Verwerfung der Revision im Übrigen teilweise auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht M. zurück; insoweit wird die erneute Hauptverhandlung seit dem 26.06.2003 vor der Strafkammer 22/Wirtschaftsstrafkammer 2 durchgeführt.

Im Komplex R./B. nahm der Bundesgerichtshof die Freisprüche der Angeschuldigten hin, da das Landgericht seine Zweifel am Vorsatz der Angeschuldigten zum Merkmal der Pflichtwidrigkeit und am Schädigungsvorsatz "gerade noch tragfähig begründet" habe.

Im Falle des Angeschuldigten F. H., der wegen Untreue in fünf Fällen im Komplex Satellitenfinanzierung zu der zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden war, hob der Bundesgerichtshof mit selbigem Urteil vom 15.11.2001 das Urteil auf die Revision der Staatsanwaltschaft - unter Zurückverweisung der Sache - im Strafausspruch auf; in der erneuten Hauptverhandlung erkannte das Landgericht - Strafkammer 22/Wirtschaftsstrafkammer 4 - M. gegen diesen mit - rechtskräftigem - Urteil vom 26.03.2002 auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten.

II.

Die nach § 210 Abs. 2 StPO zulässige sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft führt - unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses vom 05.03.2003 - zur Eröffnung des Hauptverfahrens vor dem Landgericht - Strafkammer 22/Wirtschaftsstrafkammer 2 - M. und zur Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung vor dieser Kammer.

Die Eröffnung des Hauptverfahrens ist zu beschließen, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint (§ 203 StPO). Hinreichender Tatverdacht ist anzunehmen, wenn die nach Maßgabe des Akteninhalts vorzunehmende vorläufige Tatbewertung ergibt, dass die Verurteilung des Angeschuldigten wahrscheinlich ist (BGHSt 23, 304, 306; Senat wistra 1985, 163). In der Zulassung der Anklage liegt nur eine vorläufige Tatbewertung, die sich auf Grund der Hauptverhandlung als unzulänglich oder falsch erweisen kann. Das im Rahmen der Eröffnungsentscheidung zu treffende Wahrscheinlichkeitsurteil belässt einen gewissen Beurteilungsspielraum (BGH NJW 1970, 1543, 1544). Für die Anwendung des Zweifelssatzes ist aber noch kein Raum (KG NJW 1997, 69). Eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit der Verurteilung kann nicht gefordert werden. Die gleich hohe Wahrscheinlichkeit wie beim dringenden Tatverdacht i.S. der §§ 112 Abs. 1 Satz 1, 126 a Abs. 1 StPO wird nicht vorausgesetzt. Die Wahrscheinlichkeit muss aber so groß sein, dass es einer Entscheidung durch das erkennende Gericht bedarf, um festzustellen, ob noch bestehende Zweifel gerechtfertigt sind (KK-Tolksdorf StPO 4. Aufl. § 203 Rdnr. 5). Zweifelhafte Tatfragen stehen der Eröffnung nicht entgegen, wenn in der Hauptverhandlung durch die Bewertung widersprechender Zeugenaussagen, einzuholender Gutachten und die Einlassung des Angeschuldigten eine Klärung zu erwarten ist, die wahrscheinlich zu einer die Verurteilung tragenden Grundlage führen wird. Das Gericht ist dabei gehalten, seine Beurteilung einerseits aufgrund des gesamten Ermittlungsergebnisses vorzunehmen, andererseits aber auch die besseren Aufklärungsmöglichkeiten der Hauptverhandlung in Rechnung zu stellen (KG a.a.O.). Unter Anlegung dieses Maßstabes hat das Beschwerdegericht das Wahrscheinlichkeitsurteil des Erstgerichts und dessen rechtliche Beurteilung in vollem Umfang nachzuprüfen (Tolksdorf a.a.O. § 210 Rdnr. 8).

Diese Prüfung ergibt:

1. In formeller Hinsicht ist die Verfahrensvoraussetzung einer ordnungsgemäßen Anklageerhebung - entgegen der Auffassung der Wirtschaftsstrafkammer - nunmehr erfüllt. Die Anklageschrift vom 05.07.2002 genügt der geforderten Umgrenzungs- und Informationsfunktion (vgl. etwa Senat Die Justiz 1994, 449). Sie bezeichnet die den Angeschuldigten zur Last gelegten Taten sowie Ort und Zeit ihrer Begehung so genau, dass die Identität des geschichtlichen Vorgangs klargestellt und erkennbar wird, welche bestimmte Tat jeweils gemeint ist; es bleibt nicht unklar, über welchen Sachverhalt das Gericht nach dem Willen der Staatsanwaltschaft urteilen soll (BGHSt 40, 390; Senat B. v. 12.03.2002 - 3 Ws 3/00 -). Welche einzelnen Tathandlungen die Staatsanwaltschaft den Angeschuldigten in objektiver und in subjektiver Hinsicht zur Last legt, mithin als strafbares Unrecht ansieht, lässt sich dem Anklagesatz hinreichend entnehmen. Dabei ist die zeitliche Umgrenzung unzweifelhaft. Auch lässt sich beurteilen, welcher der Angeschuldigten bei den in Betracht kommenden Tathandlungen, insbesondere den einzelnen Beschlussfassungen beteiligt gewesen sei. Dies gilt auch für die Mitwirkung des Angeschuldigten Dr. R. im Falle II. Die Anklageschrift, insbesondere der Anklagesatz teilt die den Angeschuldigten vorgeworfenen Pflichtwidrigkeiten mit. Einer näheren Darstellung der darin genannten gesetzlichen, satzungsrechtlichen und sich aus den jeweiligen Dienstverträgen ergebenden Pflichten sowie der sparkassenrechtlich vorgeschriebenen Bewertungsrichtlinien bezüglich gewährter Sicherheiten bedurfte es nicht; die Pflichten von Bankleitern bei der Kreditvergabe haben nicht zuletzt durch die bekannte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. nur BGHSt 46, 30; 47, 148) ihre Umschreibung bzw. Konkretisierung erfahren. Auf die einzelne Kreditbewilligung, Ausweitung oder Verlängerung wird näher eingegangen, ebenso darauf, warum sie den Interessen der Bank zuwidergelaufen und auch nicht ausnahmsweise gerechtfertigt gewesen sei, sowie darauf, dass - aus Sicht der Anklagebehörde - die Kreditvergabe eine erfolgreiche Sanierung des Kreditengagements nicht versprochen habe, und auch darauf, dass eine ausreichende Sicherheit im Einzelfall nicht gestellt worden sei. Die Betroffenheit des Vermögens der Sparkasse durch die angeführten Beschlussfassungen ergibt sich daraus zwanglos. Schließlich kann die weiter konkretisierende Beschreibung der Vorwürfe im "Wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen", das in der Anklageschrift auf 175 Seiten dokumentiert ist, nicht übersehen werden. Damit bereits den Anklagesatz zu befrachten, ist tunlichst zu vermeiden (vgl. zur Unzulässigkeit eines zu langen, weil Beweiswürdigung betreibenden Anklagesatzes: BGH NJW 1987, 1209). Die Darstellung des jeweiligen Tatvorwurfs im Anklagesatz ist vielmehr, wie geschehen, zu straffen, da sie nur das Thema der Hauptverhandlung in tatsächlicher Hinsicht angeben soll; Einzelheiten des Tatgeschehens, die hierfür entbehrlich sind, werden in den Anklagesatz nicht aufgenommen.

2. Eine rechtsstaatswidrige - gar ein Verfahrenshindernis begründende - Verfahrensverzögerung während des seit Einleitung (Mitte 1996) des sich ursprünglich auf den Tatzeitraum von 1990 bis 1996 erstreckenden Ermittlungsverfahrens, wie die Verteidigung des Angeschuldigten Dr. R. geltend macht, vermag der Senat vorliegend nicht zu erkennen, zumal das Gesamtverfahren komplexe, tatsächlich und rechtlich schwierige Sachverhalte aus dem Bereich der Wirtschaftskriminalität zum Gegenstand hat, deren Beurteilung umfangreiche, aufwändige, über dem Durchschnitt wirtschaftsstrafrechtlicher Verfahren liegende Ermittlungen erforderlich machte, die sich nicht zuletzt im Umfang der angefallenen Akten widerspiegeln (vgl. etwa BGH NJW 2001, 1146, 1149 m.w.N.). Auch der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 15.11.2001 eine solche Verzögerung nicht bemängelt. Wegen der Einhaltung des Beschleunigungsgebotes nimmt der Senat außerdem auf seine Entscheidungen vom 16.10.1998 - 3 HEs 195/98 -, vom 11.02.1999, 21.05.1999 und 06.09.1999 - jew. 3 HEs 24/99 - Bezug. Mit seiner Entscheidung vom 30.09.1999 - 2 BvR 1775/99 - hat das Bundesverfassungsgericht nicht die Dauer des Gesamtverfahrens als solche, sondern die der Untersuchungshaft der beiden Angeschuldigten F. H. und H. H. mit Blick auf deren Freiheitsgrundrecht als unverhältnismäßig beanstandet.

Dass in der Folgezeit das hier vorangegangene Beschwerdeverfahren im Komplex A. beim Senat bis zu dessen Entscheidung am 12.03.2002 (3 Ws 3/00) etwa zweieinviertel Jahre anhängig war, gründet darin, dass es nach Abtrennung dieses Teilverfahrens bzw. Nichteröffnung des Hauptverfahrens mit Beschluss der Strafkammer 24 / Wirtschafts-strafkammer 4 vom 20.12.1999 galt, - sachdienlicher Weise - zunächst die, wie noch darzustellen ist, Ergebnisse des bereits laufenden Hauptverfahrens, insbesondere die - nun aus dessen Urteil vom 15.11.2001 (1 StR 185/01) ersichtliche, die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung fortentwickelnde - Haltung des Bundesgerichtshofes zur Verantwortlichkeit bzw. Untreue von Bankleitern bei Kreditvergaben hier einzubringen. Die gebotene Gesamtwürdigung der Sachverhalte (vgl. hierzu schon Senat B. v. 21.05.1999 - 3 HEs 24/99 -) hatte bereits der ursprünglich erkennenden Strafkammer 24/Wirtschaftsstrafkammer 4 Anlass gegeben, obwohl es sich seit dem 17.03.1998 bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 30.09.1999 - 2 BvR 1775/99 - bzw. denen des Senats vom 01.10.1999 - 3 Ws 205 und 206/99 - im Falle der Angeschuldigten F. H. und H. H. um eine Haftsache gehandelt hatte, nicht vor Erhebung der letzten Teilanklage vom 25.08.1999 über die Eröffnung bzw. Nichteröffnung des Hauptverfahrens, wie schließlich am 20.12.1999 beschlossen, zu befinden.

Die - ohnedies nur mit Einschränkungen mögliche - rückblickende hypothetische Abschätzung des Verfahrensablaufs und des Standes des vorliegenden (Teil-) Verfahrens für den Fall, dass der Senat über die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss vom 20.12.1999 (Nichteröffnung des Hauptverfahrens im Komplex A.) nicht - wie geschehen - erst am 12.03.2002, d.h. nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 15.11.2001, sondern zeitnäher entschieden hätte, ergibt, dass das Verfahren wohl auch derzeit noch nicht zu einem rechtskräftigen Abschluss gebracht wäre. Selbst bei erneuter Anklageerhebung bis Mitte des Jahres 2000 und Hinzuverbindung zu dem damals noch vor der Strafkammer 24/Wirtschaftsstrafkammer 4 laufenden Verfahren wäre, da jene Kammer - wie sich nun aufgrund der fortentwickelten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs herausgestellt hat - von teilweise zu hohen Anforderungen an die Bejahung der Pflichtwidrigkeit, jedenfalls in subjektiver Hinsicht, und des Schädigungsvorsatzes ausging (vgl. BGH a.a.O. UAS 24, 25), erneut mit der Nichteröffnung des Hauptverfahrens zu rechnen gewesen, jedenfalls - die Eröffnung des Hauptverfahrens einmal unterstellt - mit einem Freispruch der Angeschuldigten - wie in den Parallelkomplexen R./B. und R./G. mit Urteil der Kammer vom 24.07.2000 erfolgt -, der Durchführung des Revisionsverfahrens vor dem Bundesgerichtshof auch insoweit und, soweit dies beurteilt werden kann, mit der Zurückverweisung auch dieser Sache an die nun damit befasste Strafkammer 22/Wirtschaftsstrafkammer 2.

Allerdings wird die Strafkammer im Falle eines Schuldspruches im Rahmen der Strafzumessung den langen zeitlichen Abstand zwischen Tat und Urteil, die Belastung der Angeschuldigten durch die lange Verfahrensdauer, die der Senat nicht verkennt, und eine etwaige partielle Verletzung des Beschleunigungsgebotes nach Art. 6 Abs. 1 EMRK zu bedenken haben (vgl. etwa BGH NJW 1999, 1198; NStZ-RR 2001, 294; StraFo 2001, 409 m.w.N.).

Schließlich könnte wegen des lange zurückliegenden Tatzeitraumes, der fehlenden Eigennützigkeit etwaiger Untreuehandlungen und des Alters sowie Gesundheitszustandes bestimmter Angeschuldigter eine Sachbehandlung, wie sie im Vermerk vom 09.08.2002 erwogen wurde, nach wie vor angemessen erscheinen. Dies unterliegt freilich der pflichtgemäßen Entscheidung des erkennenden Gerichts und der sonstigen Verfahrensbeteiligten.

3. In der Sache selbst - in materieller Hinsicht - besteht hinreichender Tatverdacht im Sinne der Anklagevorwürfe aufgrund der in der Anklageschrift im Einzelnen bezeichneten Beweismittel und deren vorläufiger Würdigung im "Wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen", der der Senat in ihren tragenden Erwägungen nach Aktenlage bei Anlegung der vom Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 15.11.2001 - 1 StR 185/01 - (BGHSt 47, 148; vgl. auch BGHSt 46, 30) sowohl zu den Merkmalen der Pflichtwidrigkeit, der Vermögensgefährdung und des Vermögensschadens i.S.d. § 266 Abs. 1 StGB als auch zum diesbezüglich zumindest erforderlichen bedingten Vorsatz entwickelten Maßstäbe beitritt. Die Einwendungen der Verteidigung vermögen demgegenüber den Tatverdacht im gegenwärtigen Stadium des Verfahrens nicht unter die Schwelle des hinreichenden zu mindern. Die Feststellung des Schuldumfanges im Einzelnen, der tatsächlichen Tatbeteiligung des jeweiligen Angeschuldigten und deren rechtliche Einordnung (vgl. zur unterschiedlichen Verantwortlichkeit der Beteiligten bei mehrköpfigen Entscheidungsgremien und zu den Voraussetzungen der eigenen Prüfungspflicht eines jeden Beteiligten: BGH a.a.O. UAS 25) muss freilich - wie stets - den Beweisergebnissen der Hauptverhandlung vorbehalten bleiben.

Die Sache bedarf, bei Anlegung des eingangs aufgezeigten Maßstabes, aus Gründen der Wahrheitsfindung der Klärung in einer Hauptverhandlung. Für diese Einschätzung kommt der Tatsache, dass der Senat bereits in seinen ehemaligen Haftfortdauer- und Beschwerdeentscheidungen im Falle der Angeschuldigten F. H. und H. H. (Senat a.a.O.; vgl. auch Senat B. v. 29.07.1999 -3 Ws 145/99-), auf die zur Vermeidung bloßer Wiederholungen verwiesen sei, - auch was den Komplex A. anbetrifft - jeweils sogar dringenden Tatverdacht i.S. § 112 Abs. 1 Satz 1 StPO bejaht hat, nicht die ausschlaggebende Bedeutung zu; denn die Prüfung des hinreichenden Tatverdachts erfolgt stets auf der Grundlage des abgeschlossenen Ermittlungsergebnisses, die des dringenden Verdachts dagegen auf Grund des gegenwärtigen Standes der Ermittlungen, der sich ändern kann. Vielmehr ist die Wirtschaftsstrafkammer auf der Basis der gerade durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 15.11.2001 - 1 StR185/01 - erhärteten Verdachtslage i.S.d. § 203 StPO mit den weit besseren Erkenntnismöglichkeiten der Hauptverhandlung auf Grund ihrer Sachnähe und besonderen Kompetenz berufen, in dieser bedeutsamen, komplexen Wirtschaftsstrafsache in Erfüllung der ihr obliegenden Aufklärungspflicht alle Möglichkeiten zur Erforschung der Wahrheit bzgl. der den Angeschuldigten zur Last liegenden Taten, insbesondere bzgl. der tatsächlichen Handhabung der Verteilung der Geschäfte innerhalb der damaligen Sparkasse Mannheim, der Gepflogenheiten bei der Kreditvergabe und etwaiger Manipulationen an Kreditbeschlussvorlagen auszuschöpfen (vgl. ähnlich KG a.a.O.). In der Hauptverhandlung wird sich die Kammer einen zeitgleichen Eindruck nicht nur von der Persönlichkeit der Angeschuldigten, sondern auch von ihrem jeweils die Verantwortung auf andere (Kreditvorstand / "Nichtkreditvorstand" / Sachbearbeitungsebene) lenkenden Einlassungsverhalten und von den sie be- bzw. entlastenden Zeugen verschaffen können. Auch wird sie die in der derzeit mit den Angeschuldigten im persönlich, sachlich und partiell zeitlich zusammenhängenden Parallelkomplex R./G. durchgeführten Hauptverhandlung gewonnenen Erkenntnisse hier einbringen können und müssen.

Hinzu kommt:

In seinem Urteil vom 15.11.2001 stellt der Bundesgerichtshof fest, dass bereits in den Parallelkomplexen R./B. und R./G. sämtliche der im Urteil des Landgerichts M. vom 24.07.2000 abgehandelten Kreditentscheidungen, soweit die Angeschuldigten daran beteiligt waren, - wohl auch schon der Erstkredit im Fall R./B. vom August 1993 und der Erstkredit im Fall R./G. vom April 1994 - mit gravierenden Verstößen gegen die Pflichten bei der Kreditvergabe behaftet waren, obwohl die Angeschuldigten in beiden Komplexen gar "Kreditbetrügern aufgesessen" waren (BGH a.a.O. UAS 19). Die Kreditvergaben waren wegen Vernachlässigung der den Angeschuldigten obliegenden Informations- und Prüfungspflichten objektiv pflichtwidrig. Wenn auch diese Feststellungen unter dem Vorbehalt der Ergebnisse der erneuten derzeit laufenden Hauptverhandlung stehen, liegt in Anbetracht der starken strukturellen Ähnlichkeit der Sachverhalte, die auch die Verteidigung sieht, ebenso im hier zu beurteilenden Komplex A. die Annahme der Pflichtwidrigkeit der vorgeworfenen Kreditentscheidungen nicht fern. Dafür ist nicht erforderlich, dass der Kreditgeber bei seinen Kreditentscheidungen nach "Art eines Spielers" handelt, wie dies aber die Strafkammer 24/ Wirtschaftsstrafkammer 4 in ihrer Nichteröffnungsentscheidung vom 20.12.1999 voraussetzte. Entscheidend ist vorliegend vielmehr, dass sich die A.-Firmengruppe, mit der die Sparkasse schon seit 1984 in Geschäftsbeziehung stand, bereits zum Zeitpunkt der ersten hier streitbefangenen Kreditentscheidung vom 31.08.1993 in massiven finanziellen Schwierigkeiten befand; hierüber waren die Gremien der Sparkasse - Gesamtvorstand und Kreditausschuss -, die die Entwicklung des Engagements schon seit 1984 verfolgen und analysieren konnten, informiert, wie sich aus der Kreditbeschlussvorlage ergibt. Die fehlende Bonität der Kreditnehmer war, wie selbst im angefochtene Beschluss der Strafkammer 22/Wirtschaftsstrafkammer 2 vom 05.03.2003 feststellt ist, deutlich zu Tage getreten; die unzureichende Kapitalausstattung war bekannt. Vor allem seit 1993 waren die Angeschuldigten ständig mit dem Kreditengagement befasst, wobei sie um die erkennbare Gefahr der Illiquidität, die existentielle Gefährdung der Firmengruppe und deren massive operative Verluste wussten. Unter diesen Umständen traf nicht nur den "Kreditvorstand", sondern auch den "Nichtkreditvorstand", die Angeschuldigten Dr. R. und S., eine besondere Informations- und Prüfungspflicht. Diese erstreckt sich auch auf die Frage der Zuverlässigkeit der weiteren Entscheidungsträger und Kreditsachbearbeiter sowie die Verlässlichkeit der von diesen vorgelegten Informationen und Beurteilungen. Ergeben sich Zweifel oder Unstimmigkeiten, sind eigene Nachprüfungen geboten (BGH a.a.O. UAS 25; BGHSt 46, 30). Eine eigene Nachprüfung ist auch dann erforderlich, wenn die Kreditvergabe - wie aufgrund der in den Kreditvorlagen jeweils klar formulierten Risikotatbeständen ersichtlich - ein besonders hohes Risiko beinhaltet. Erst recht gilt dies bei einem Risiko für die Existenz der Bank. Der Ort, dies im Einzelnen festzustellen, ist die Hauptverhandlung. Zwar könnte eine Pflichtwidrigkeit i.S.d. § 266 StGB bei der Vergabe von - auch hochriskanten - Folgekrediten entfallen, wenn diese Erfolg versprechen. Die von dem Kreditgeber zu treffende Prognose setzt aber einen wirtschaftlich vernünftigen, realistischen Gesamtplan des Kreditgebers - auf dessen gestaltendes nachhaltiges Konzept kommt es entscheidend an - ,der auf einen einheitlichen Erfolg angelegt ist und bei dem nach einem Durchgangsstadium ein Sanierungserfolg tatsächlich erzielt wird, voraus (vgl. BGH a.a.O. UAS 21). Ein solcher wurde indes vorliegend, auch als sich die hohen Risiken für die Sparkasse Mannheim aus dem Arcus-Engagement abgezeichnet hatten und manifest waren, nicht entwickelt.

Im Rahmen des Untreuetatbestandes ist eine Gesamtbetrachtung anzustellen ist (BGH NJW-RR 1986, 371, 372). Nur dann, wenn die Existenz der Bank nicht bedroht ist und die Kreditwürdigkeit sorgfältig geprüft wird, können bei der Erfolgsbewertung auch weitere Umstände berücksichtigt werden, wie etwa die - von den Angeschuldigten geltend gemachte - ökonomisch sinnvolle Erhaltung eines Unternehmens und seiner Arbeitsplätze (BGH a.a.O. UAS 21). Anhaltspunkte dafür, dass im Komplex A. die oben genannten Grundvoraussetzungen erfüllt waren, sind jedoch nicht ersichtlich. Vielmehr indizieren schon die Entwicklung vor dem Tatzeitraum und insbesondere die Zahl und Höhe der im Tatzeitraum erforderlichen Einzelwertberichtigungen (von DM 10,7 Mio zum Ende des Jahres 1993 auf DM 30 Mio zum Ende des Jahrs 1995), das Scheitern der Beteiligung externer Dritter an der Firmengruppe, die Fraglichkeit der angedachten Fondslösung und der reibungslosen Verwertbarkeit der Außenstände der Firmengruppe sowie der dinglichen Sicherheiten auf ausländischem Grundbesitz des D. - selbst bei einer ex-ante Betrachtung -, dass die Prüfung der Sanierungsfähigkeit und -würdigkeit nicht mit der gebotenen, Risiken und Chancen abwägenden Sorgfalt vorgenommen wurde. So stellt schon die Strafkammer 24/Wirtschaftsstrafkammer 4 in ihrer Entscheidung vom 20.12.1999 fest, dass die Angeschuldigten mit ihren fortwährenden Bestrebungen scheiterten, den Schadenseintritt zum Nachteil der Sparkasse abzuwenden, "weil sie sich nicht rechtzeitig dazu durchgerungen haben, schulmäßig die Prüfung der Sanierungsfähigkeit und die Erstellung eines tragfähigen Fortführungskonzeptes zu veranlassen, d.h. ob mit den vorhandenen Mitteln (ggf. Sanierungskredit) innerhalb vorgegebener Zeit das Kreditengagement aus der erkannten gegenwärtigen Krise in eine tragfähige sowie beherrschbare Position überführt werden kann". Auch jene Wirtschaftsstrafkammer bemängelte die handwerklichen Fehler und Fehleinschätzungen sowie die unzulängliche Handhabung der Kreditvergabe, wenn sie auch wegen des von ihr angelegten, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu engen Maßstabs (Kriterium der offenkundigen Unvertretbarkeit der Kreditvergabe) und folglich unzutreffend den hinreichenden Verdacht von Pflichtwidrigkeiten i.S.d. § 266 StGB bei den Kreditentscheidungen verneinte.

Auf die Zielsetzung der Standort- und Arbeitsplatzsicherung sowie den Erhalt der Anziehungskraft des Regionalflughafens in M. als Aufgabe der Sparkasse als kommunalem Kreditinstitut werden sich die Angeschuldigten bei dieser Sachlage - entgegen der von den Wirtschaftsstrafkammern in ihren Nichteröffnungsbeschlüssen vertretenen Meinung - auch bei Beachtung des Gebots des § 6 Abs. 5 Sparkassengesetz - nicht mit Erfolg berufen können.

In die Prüfung der Frage, ob durch die Kreditentscheidungen im Komplex A. etwa die Existenz der Sparkasse, wie vorliegend geschehen, bedroht werden konnte, sind freilich auch die sonstigen Kreditengagements der Sparkasse, insbesondere die gewichtigen, ebenfalls besonders risikobehafteten Engagements in den Parallelkomplexen R./B. und R./G. einzustellen; eine isolierte Betrachtung verbietet sich. Hier gewinnt die Tatsache der objektiv pflichtwidrigen Kreditentscheidungen in jenen Fällen ebenfalls Bedeutung.

Zwar kann es an einer Vermögensgefährdung und damit zugleich an der Pflichtwidrigkeit i.S.d. § 266 StGB auch dann fehlen, wenn der Kreditgeber über Sicherheiten verfügt, die den Kreditbetrag voll decken. Hinzu kommen muss jedoch, dass der Kreditgeber diese Sicherheiten ohne finanziellen und zeitlichen Aufwand und - vor allem auch - ohne Mitwirkung des Kreditnehmers und ohne Gefährdung durch ihn alsbald realisieren kann (BGH a.a.O. UAS 23). Dass dies im Komplex A. nicht der Fall war, legt objektiv nicht zuletzt die weitere Entwicklung des schon vor dem Tatzeitraum in die "Schieflage" geratenen Engagements nahe; dies kann bei der hier vom Senat zu treffenden Entscheidung nicht "ausgeblendet" werden.

Eine etwaige Zustimmung des Kreditausschusses oder gar des Verwaltungsrates (vgl. hierzu BGH a.a.O. UAS 15; Senat B. v. 16.10.1998 - 3 HEs 195/98 - m.w.N.) ändert bei diesen Gegebenheiten an der Pflichtwidrigkeit nichts, ebenso wenig der Umstand, dass sich die öffentliche Hand - aufgrund arbeitsmarkt- und regionalpolitischer, wirtschaftsstruktureller Erwägungen - noch zu einer Stützung der A.-Gruppe bereit fand. Der Untreuetatbestand des § 266 StGB i.V.m. § 18 KWG schützt hier nicht nur das Vermögen der Sparkasse als solches, sondern letztlich auch die Vermögenseinlage der Kunden der Sparkasse (BGH a.a.O. UAS 16) .

Wegen der an den erforderlichen zumindest bedingten Schädigungsvorsatz (Wissens- und Willenselement) bei problematischen Kreditvergaben zu stellenden Anforderungen, die der Senat bei der hier nur vorläufig möglichen Würdigung als hinreichend erfüllt ansieht, sei auf die Ausführungen des Bundesgerichtshofs (a.a.O. UAS 25, 26, 27) verwiesen. Hervorgehoben sei, dass das Wissenselement nicht deshalb entfällt, weil der Bankleiter beabsichtigt, hofft oder glaubt, den endgültigen Schaden abwenden zu können. Ist eine derart über das allgemeine Risiko bei Kreditgeschäften hinausgehende höchste Gefährdung des Rückzahlungsanspruchs der Bank - wie hier - gegeben, so liegt es nahe, dass der Bankleiter die Schädigung der Bank im Sinne einer Vermögensgefährdung auch billigend in Kauf genommen hat. Generell gilt, dass eine Billigung nahezu stets anzunehmen ist, sobald der Bankleiter erkennt, dass die Kreditvergaben die Existenz der Bank aufs Spiel setzen.

Dem Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft konnte nach alledem ein Erfolg nicht versagt werden.

Eine Kostenentscheidung ist vorliegend nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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