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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 23.04.2002
Aktenzeichen: 3A W 50/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 349
ZPO § 568
Der nach § 349 Abs. 2 und 3 ZPO an Stelle der Kammer entscheidende Vorsitzende der Kammer für Handelssachen ist nicht Einzelrichter im Sinne von § 568 Satz 1 ZPO.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE Beschluss

3A W 50/02

Karlsruhe, den 23. April 2002

In Sachen

wegen Beweissicherung Hier: Kostenbeschwerde des Sachverständigen

Tenor:

1. Die Beschwerde des Sachverständigen ........ gegen die Entscheidung des Landgerichts Heidelberg vom 08. Februar 2002 - 11 OH 2/00 KfH - in der Fassung des Teilabhilfebeschlusses vom 14.03.2002 wird zurückgewiesen.

2. Der Sachverständige trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Beschwerdewert wird auf € 305,45 festgesetzt.

Gründe:

I.

Der mit Beweisbeschluss vom 20.09.2001 zum Sachverständigen bestellte Regierungsdirektor am Materialprüfungsamt ......... wurde von der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 17.09.2001 wegen Besorgnis der Befangenheit erfolgreich abgelehnt. Zu diesem Ablehnungsschreiben fertigte er die Stellungnahme vom 24.09.2001, der er seine Kostennote über DM 817,80 beifügte.

Der Vorsitzende der KfH beim Landgericht Heidelberg hat am 08.02.2002 eine Entschädigung abgelehnt. Auf die Beschwerde des Sachverständigen hat er dem Rechtsmittel insoweit abgeholfen, als er für zwei Stunden DM 220,40 festgesetzt hat, weil der Sachverständige in seiner Stellungnahme zum Teil auch auf Einwendungen gegen seine gutachterlichen Feststellungen eingegangen ist. Im übrigen hat das Landgericht die Beschwerde dem Senat vorgelegt.

II.

Die Beschwerde des Sachverständigen ist nach § 16 Abs. 2 ZSEG i.V.m. § 567 ff. ZPO zulässig. Die Beschwerde ist aber nicht begründet.

1. Zur Entscheidung über die Beschwerde des Sachverständigen ist der Senat zuständig. Die angefochtene Entscheidung hat nämlich nicht ein Einzelrichter im Sinne von § 568 ZPO, sondern der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen erlassen.

Nach § 568 ZPO entscheidet das Beschwerdegericht durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Ob der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen Einzelrichter im Sinne dieser Vorschrift ist, wenn er nach § 349 Abs. 2, 3 ZPO entscheidet, ist streitig (bejahend, ohne Angabe von Gründen: Zöller-Gummer, ZPO-Kommentar, 23. Auflage, § 568 Rdn. 2; Thomas-Putzo-Reichold, ZPO-Kommentar, 24. Auflage, § 568 Rdn. 2; vgl. aber auch Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO-Kommentar, 60. Auflage, § 349 Rdn. 1).

Der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen ist nach Auffassung des Senats nicht Einzelrichter im Sinne von § 568 Satz 1 ZPO. Zwar hat der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen durchaus Befugnisse, die denjenigen eines Einzelrichters vergleichbar sind. Die gesetzlichen Regelungen sehen den Vorsitzenden einer Kammer für Handelssachen aufgrund seiner Entscheidungsbefugnis aber gerade nicht als "Einzelrichter" an:

§ 350 ZPO unterscheidet für die Anfechtung ausdrücklich zwischen Entscheidungen "des Einzelrichters (§§ 348, 348a ZPO)" und Entscheidungen "des Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen (§ 349 ZPO)". Diese Unterscheidung für das Rechtsmittelrecht gilt auch im Rahmen der Vorschrift des § 568 ZPO.

Anders als den Einzelrichter am Landgericht im Sinne von § 348, 348a ZPO und den alleine entscheidenden Richter am Amtsgericht (vgl. § 22 Abs. 1 GVG: "Den Amtsgerichten stehen Einzelrichter vor") bezeichnen die Gesetze den entscheidungsbefugten Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen ausdrücklich gerade nicht als "Einzelrichter" (vgl. § 105 Abs. 1 GVG, § 349 ZPO), sondern in seiner Funktion als Vorsitzenden. Soweit der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen ausnahmsweise "echter" Einzelrichter sein soll, hat das Gesetz dies auch festgelegt (vgl. §§ 526 Abs. 4, 527 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen verkörpert bei einer Alleinentscheidung "als "Vorsitzender" die Kammer als Prozessgericht (§ 349 Abs. 3 ZPO: "an Stelle der Kammer"), die die "Einzelrichter"-Befugnisse regelnden §§ 348, 348a ZPO sind in § 349 Abs. 4 ZPO ausdrücklich für nicht anwendbar erklärt worden. Schließlich hat der Kammervorsitzende auch an anderen Stellen der ZPO und des GVG als ein besonders herausgehobenes Mitglied der Kammer besondere Funktionen bzw. Befugnisse (vgl. etwa §§ 136, 272 Abs. 2, 275, 276 ZPO; §§ 176, 194 GVG); die weitergehenden Befugnisse speziell des Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen nach § 349 Abs. 2 und 3 ZPO haben den Gesetzgeber aber gerade nicht veranlasst, ihn in dieser weitergehenden Funktion nunmehr "als Einzelrichter" zu bezeichnen.

Zuletzt ist auch zu berücksichtigen, dass die Entscheidungsbefugnis des Einzelrichters in Beschwerdesachen vom Gesetzgeber als Ausnahme konzipiert ist, wie sich insbesondere aus der Fassung des § 568 ZPO ergibt. Ausnahmen sind aber nach den üblichen Auslegungskriterien restriktiv auszulegen und zu zu handhaben, so dass es auch aus diesem Gesichtspunkt heraus naheliegend ist, den Gesetzeswortlaut - die Terminologie des Gesetzes - der Auslegung zugrunde zu legen. Danach wird aber durchgängig zwischen der Entscheidungsbefugnis "des Einzelrichters" und derjenigen "des Vorsitzender der Kammer für Handelssachen" unterschieden.

2. Für die Entscheidung über die Beschwerde kann dahinstehen, ob der Sachverständige infolge nicht leichter Fahrlässigkeit seine Ablehnung verursacht und deshalb seinen Entschädigungsanspruch verloren hat. Es geht nämlich in der Beschwerdeinstanz allein um die Frage, ob der Sachverständige eine Vergütung dafür verlangen kann, dass er zum Befangenheitsgesuch der Antragstellerin Stellung genommen hat. Mehr als im Teilabhilfebeschluss des Landgerichts vom 14.03.2002 angenommen (zwei Zeitstunden) sind nämlich keinesfalls auf die eigentliche sachverständige Stellungnahme zu beziehen.

Im übrigen ergibt sich aus diesem Teilabhilfebeschluss auch, dass das Landgericht von einer allenfalls leicht fahrlässigen Verursachung der Ablehnung ausgegangen ist. Sonst hätte es eine Entschädigung insgesamt versagt.

3. Nach § 3 ZSEG wird der Sachverständige für seine Leistungen entschädigt. Darunter fallen Stellungnahmen zu einem Ablehnungsgesuch gegen den Sachverständigen selbst nicht (OLG Düsseldorf, JurBüro 1984, 90; LG Krefeld, JurBüro 1985, 262; Pleutge, ZSEG-Kommentar, 4. Auflage, § 3 Rdn. 16). Zu den vom Sachverständigen zu erbringenden Leistungen im Sinne von § 3 ZSEG gehören nämlich - ungeachtet ihres Umfangs - nicht diejenigen Tätigkeiten, die das rechtliche Grundverhältnis zwischen dem Sachverständigen einerseits sowie Gericht, Landeskasse und Parteien andererseits betreffen. Die Stellungnahme zu einem Ablehnungsgesuch fällt auch nicht unter die sonstigen Tatbestände des ZSEG. Dieses Gesetz regelt die Entschädigung des gerichtlichen Sachverständigen abschließend.

Im vorliegenden Falle, in dem das Ablehnungsgesuch der Antragstellerin gegen den Sachverständigen begründet war (Beschluss des OLG Karlsruhe vom 18. Dezember 2001), kommt hinzu, dass der für die Stellungnahme des Sachverständigen zum Ablehnungsgesuch erforderliche Zeitaufwand in den "Risikobereich" des Sachverständigen selbst fiel und somit keiner Partei "angelastet" werden kann (worauf Pleutge, a.a.O., generell abstellt); in einem solchen Fall hat der Sachverständige Zeitaufwand und Kosten gleichsam selbst hervorgerufen.

4. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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