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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 01.02.2007
Aktenzeichen: 5 WF 12/07
Rechtsgebiete: RVG, ZPO, GKG


Vorschriften:

RVG § 33 Abs. 3 Satz 3
RVG § 56 Abs. 2
ZPO § 122 Abs. 1 Nr. 1 a
GKG § 14 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1) Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Offenburg vom 10.01.2007 (2 F 333/05) aufgehoben und angeordnet, dass die Staatskasse der Antragstellerin, zu Händen ihres Prozessbevollmächtigten, 136,- EUR zu erstatten hat.

2) Das Verfahren über die Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

3) Der Beschwerdewert wird auf 136,- EUR festgesetzt.

Gründe:

I. Der Vertreter der Klägerin reichte für die Antragstellerin am 06.09.2005 Scheidungsantrag ein unter Beifügung eines Verrechnungsschecks für Gerichtsgebühren in Höhe von 362,- EUR, ausgehend von einem vorläufigen Gegenstandswert von 8.500,- EUR. Gleichzeitig beantragte die Antragstellerin, ihr Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt W., O., zu bewilligen. Im Verhandlungstermin vom 23.03.2006 wurde der Antragstellerin ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt W. zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts bewilligt. Mit Urteil vom gleichen Tag wurde die Ehe der Parteien geschieden, der Versorgungsausgleich geregelt und die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben. Den Streitwert für das Ehescheidungsverfahren setzte das Familiengericht auf 6.000,- EUR fest.

Als die Antragstellerin Ausgleich der Gerichtskosten beantragte, wurde die Landesoberkasse Baden-Württemberg angewiesen, der Antragstellerin 226,- EUR zu zahlen. Die Rückzahlung des weiteren, als Vorschuss eingezahlten Betrags von 136,- EUR, der die Hälfte der angefallenen Gerichtsgebühren ausmacht, lehnte der Kostenbeamte ab. Die dagegen gerichtete Erinnerung hat das Familiengericht nach Einholung einer Stellungnahme des Bezirksrevisors mit Beschluss vom 10.01.2007 zurückgewiesen. Die Beschwerde wurde zugelassen. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin mit seiner Beschwerde vom 19.01.2007.

Auf die Begründung der Stellungnahme des Bezirksrevisors, des Beschlusses vom 10.01.2007 und der Beschwerde wird verwiesen.

II. Die gem. §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 3 RVG zulässige Beschwerde ist begründet.

Der erkennende Senat hält nicht mehr an der in dem Beschluss vom 16.09.1987 (5 WF 90/87) vertretenen Rechtsauffassung fest.

Zwar regelt § 122 Abs. 1 Nr. 1 a ZPO, dass die befreiende Wirkung von Prozesskostenhilfe nur für rückständige und entstehende Gerichtskosten gilt. Früher wurde deshalb überwiegend die Meinung vertreten, dass, wenn mit Einreichung der Antrags- bzw. Klagschrift ein Gerichtskostenvorschuss eingezahlt wird, die spätere Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch bei Berücksichtigung der Rückwirkung auf den Antragsteller nicht zahlungsbefreiend wirkt.

"Rückständige" Gerichtskosten sind Gebühren und Auslagen, die im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Prozesskostenhilfebewilligung, das ist vorliegend der Tag der Antragstellung, bereits fällig geworden, aber noch nicht bezahlt worden sind (OLG Düsseldorf, FamRZ 1990, 299). Im vorliegenden Fall fallen Zahlungszeitpunkt (Einreichung des Verrechnungsschecks) und Zeitpunkt der Wirksamkeit der Prozesskostenhilfe zusammen. Der erkennende Senat ist nunmehr der Auffassung, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Rückwirkung auf den Tag der Antragstellung dazu führt, dass die Antragstellerin bereits an diesem Tag von sämtlichen Gerichtskosten befreit war, so dass ein gezahlter Gerichtskostenvorschuss zurück zu erstatten ist (so auch OLG Hamburg, MDR 1999, 1287; OLG Koblenz, MDR 2005, 349; OLG Stuttgart, Beschluss vom 27.12.2002 i. S. 8 WF 80/02, zitiert nach Juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21.04.1993 i. S. 2 WF 103/91, zitiert nach Juris; Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 122 Rn. 4; Thalmann, Prozesskostenhilfe in Familiensachen 1992, § 122 Rn. 8; Musielak/Fischer, ZPO, 5. Aufl., § 122 Rn. 4). Die Vorschrift des § 122 Abs. 1 Nr. 1 a ZPO ist nicht nur nach dem Wortlaut, sondern auch nach dem Sinn der Vorschrift dahingehend auszulegen, dass einer hilfsbedürftigen Partei die Rechtsverfolgung ermöglicht werden soll. Wenn eine Partei die Gerichtskosten sofort mit Antragstellung einzahlt, um, wie der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin hier vorträgt, den Gang des Verfahrens zu beschleunigen und die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Wirkung einer alsbaldigen Zustellung zu erwirken, handelt es sich der Sache nach um eine Zahlung unter Vorbehalt (OLG Stuttgart, aaO.). Die bedürftige Partei ist nicht auf § 14 Nr. 3 GKG zu verweisen, um eine vorschussunabhängige Beschleunigung der Zustellung zu erreichen. Die Beschränkung auf diesen Weg wird den Anforderungen an die Gleichbehandlung der Parteien nicht in ausreichendem Maße gerecht, da der Nachweis der entsprechend Voraussetzungen oft nicht ohne weiteres schnell feststellbar ist.

Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei (§ 56 Abs. 2 Satz 2 RVG). Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 3 RVG).

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