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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 14.11.2001
Aktenzeichen: 6 U 105/01
Rechtsgebiete: UWG, PreisangabenVO


Vorschriften:

UWG § 1
UWG § 3
PreisangabenVO § 1 Abs. 6 Satz 2
PreisangabenVO § 1 Abs. 1 Satz 1
1. Nach Wegfall des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung ist die wettbewerbsrechtliche Unlauterkeitsgrenze für eine Preiswerbung noch weiter zurückgeschoben worden, so dass man sagen kann, das Unlauterkeitskriterium des übertriebenen Anlockens hat grundsätzlich ausgedient.

2. Wird bei einer Koppelung zweier Leistungsangebote mit der besonderen Preiswürdigkeit des einen Angebots geworben, darf der Preis des anderen Angebots nicht in der Darstellung untergehen, weil damit ein unzutreffender Eindruck über Preiswürdigkeit des gekoppelten Angebots vermittelt würde (Anschluss an BGH WRP 1999, 90, 93 - Handy für 0,00 DM ).

3. Nach § 1 Abs. 6 Satz 2 PreisangabenVO ist es erforderlich, dass die Angaben über die Kosten des einen Angebots (Stromliefervertrag) räumlich eindeutig dem blickfangmäßig herausgestellten Preis für die andere, im Werbeprospekt angebotenen Ware (Fernsehgerät) zugeordnet sind.


Oberlandesgericht Karlsruhe - 6. Zivilsenat -

6 U 105/01

Urteil vom 14.11.2001

Tatbestand:

Die Klägerin, die ein Energieversorgungsunternehmen in Mannheim betreibt, nimmt die Beklagte, ein Handelsunternehmen für Elektro- und Elektronikgeräte wegen einer im September 1999 in Mannheim verbreiteten Werbebeilage auf Unterlassung in Anspruch. Unter der Überschrift "Zwei Knaller" bot die Beklagte darin an: "TV für Žne Mark und günstiger Strom für 2 Jahre". Das Fernsehgerät war in der Anzeige besonders herausgestellt und blickfangmäßig mit der Preisangabe "1.-" in Kombination mit dem Abschluss eines Stromlieferungsvertrags beworben.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, das Angebot eines Fernsehgerätes in Koppelung mit dem Abschluss eines Stromlieferungsvertrages stelle eine unzulässige Zugabe sowie ein übertriebenes Anlocken des Publikums dar.

Die Beklagte ist dem Unterlassungsbegehren entgegengetreten. Sie hat die beworbene Kombinationsleistung für rechtlich unbedenklich gehalten. Es handele sich um ein einheitliches Angebot von der Art, wie es der angesprochene Verkehr insbesondere seit Einführung und Bewerbung von Mobiltelefonen seit einiger Zeit kenne.

Das Landgericht hat der Klage unter dem rechtlichen Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen die Zugabeverordnung stattgegeben.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Zur Begründung trägt sie vor, das beworbene Angebot könne nach Aufhebung der Zugabeverordnung nicht mehr gem. § 1 UWG untersagt werden. Insbesondere versage insoweit auch der Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens.

Die Klägerin tritt der Berufung entgegen. Das landgerichtliche Urteil sei auch nach Änderung der Gesetzeslage zutreffend. Der Klageanspruch finde in § 1 UWG eine Stütze, weil das Publikum durch die beanstandete Werbung unlauter angelockt werde. Eine unzulässige Koppelung liege vor, da beim Publikum Unklarheit über die bei Abschluss des Stromlieferungsvertrages anfallenden Entgelte herrsche; die Finanzierung des Fernsehgerätes durch Abschluss eines Zwei-Jahres-Vertrages auf Stromlieferung bleibe für die Werbeadressaten undurchsichtig.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt im Ergebnis ohne Erfolg. Die Klägerin kann von der Beklagten Unterlassung der beanstandeten Werbebeilage nach Maßgabe des von der Beklagten im Berufungsrechtszug umgestellten Klageantrags verlangen.

1. Das Klagebegehren findet in der Zugabeverordnung nach deren Wegfall ebenso wenig eine Stütze wie in dem rechtlichen Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens.

Der Gesetzgeber hat mit der Abschaffung von Rabattgesetz und Zugabeverordnung den Freiraum erweitert, in dem Anbieter von Waren und Dienstleistungen mit Koppelungs- und Vorspannware werben dürfen. Soweit der Gewerbetreibende mittels der Werkreklame etwa durch die Ankündigung eines Gesamtangebotes die Aufmerksamkeit des Publikums zu wecken und einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen sucht, verstößt die dadurch erzielte Anlockwirkung nicht gegen den Leistungswettbewerb, sie ist vielmehr gewollte Folge des Leistungswettbewerbs. Das hat der Bundesgerichtshof schon vor dem Wegfall von Rabattgesetz und Zugabeverordnung für die Abgabe des Mobiltelefons im Zusammenhang mit dem Netzkartenvertrag entschieden. Die besonders günstige Abgabe der einen Leistung (Mobiltelefon) werde vom Verkehr nur als Hinweis auf einen besonders günstigen, durch verschiedene Bestandteile geprägten Preis der angebotenen Gesamtleistung verstanden und somit als Hinweis auf die eigene Leistungsfähigkeit des Anbieters (BGH WRP 1999, 90, 92 - Handy für 0,00 DM; WRP 1999, 94 - Handy-Endpreis; WRP 1999, 509 - Kaufpreis je nur 1.- DM). Bei einem einheitlichen Angebot, wie im Streitfall, liegt hiernach in dem besonders günstigen Preis für einen Teil der angebotenen Gesamtleistung regelmäßig kein sittenwidrig übertriebenes Anlocken, da das angesprochene Publikum das Angebot nur als besonders günstige Leistung des Werbenden auffasst. Die hierdurch ausgelöste Aufmerksamkeitswirkung steht in Einklang mit dem Leistungswettbewerb, sie kann nicht wettbewerbswidrig sein (BGH WRP 1999, 94, 96 - Handy-Endpreis). Ein sittenwidriges, übertriebenes Anlocken kommt nur noch dann in Betracht, wenn ein durch den Einsatz zusätzlicher, unsachlicher Mittel angestrebter Anlockeffekt vom Werbenden herbeigeführt wird (BGH WRP 2000, 1138 - 0-Tarif). Für die rechtliche Beurteilung ist dabei auf den durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher abzustellen (BGH WRP 2000, 513, 517 - Orient-Teppichmuster), der ein aus zwei Leistungskomponenten bestehendes Gesamtangebot regelmäßig überschauen und unterscheiden kann.

Nach Wegfall des Rabattgesetzes und der Zugabenverordnung ist die wettbewerbsrechtliche Unlauterkeitsgrenze tendenziell noch weiter zurückgeschoben worden, so dass man sagen kann, das Unlauterkeitskriterium des übertriebenen Anlockens hat grundsätzlich ausgedient. Wettbewerbsrechtlich anstößig dürfte eine Preiswerbung für ein Gesamtangebot nur noch in wenigen Ausnahmefällen sein, bei denen ein besonders krasses Missverhältnis zwischen dem gewährten Vorteil und der entgeltlichen Leistung besteht, so dass das eingesetzte Lockmittel eine unsachliche Beeinflussung der angesprochenen Verkehrskreise im besonderen Maße befürchten lässt (Senat, Urteil vom 26.09.2001 - 6 U 17/01; vgl. auch Heermann, WRP 2001, 855, 864; Berlit, WRP 2001, 349, 352, 353).

Nach diesen Grundsätzen kann die hier beanstandete Preiswerbung nicht als übertriebenes Anlocken verboten werden, auch wenn ein unmittelbarer Sachzusammenhang der angebotenen Leistungsteile nicht besteht. Die Zuwendung einer Ware im Wert von DM 199,00 bei Abschluss eines Stromliefervertrages für die Dauer von 2 Jahren stellt keine erhebliche Sonderleistung im Sinne einer unsachlichen Einwirkung auf das Publikum dar. Hieran ändert auch nichts, dass die Kaufentscheidung einzelner Adressaten von dem beanstandeten Angebot beeinflusst werden mag.

2. Die grundsätzlich zulässige Werbeform verstößt jedoch gegen das Irreführungsverbot des § 3 UWG i.V.m. § 1 Abs. 6 Satz 2 PreisangabenVO.

a) Nach § 1 Abs.1 Satz 1 PreisangabenVO ist ein Anbieter von Waren und Leistungen, der, wie die Beklagte im Streitfall, unter Angabe von Preisen für den Letztverbraucher wirbt, zur Angabe von Endpreisen verpflichtet. Dabei ist rechtlich ohne Belang, dass die Beklagte hinsichtlich des Stromliefervertrages lediglich als Vermittlerin auftritt, denn die Preisangabenverordnung richtet sich auch an den als Anbieter tätigen Vermittler oder Vertreter (BGH GRUR 1991, 845, 846 - Nebenkosten). Auch wenn die Preisbestandteile wegen der Zusammensetzung aus einem monatlichen Grundpreis und einem verbrauchsabhängigen Preis pro Kilowattstunde nicht zu einem Endpreis zusammengerechnet werden können, ist der mit Preisen werbende Gewerbetreibende nach § 3 UWG und § 1 Abs. 2 und Abs. 6 der PreisangabenVO verpflichtet, die für den Verbraucher mit dem Abschluss eines Stromliefervertrages verbundenen Kosten hinreichend deutlich zu machen. Wird bei einer Koppelung zweier Leistungsangebote mit der besonderen Preiswürdigkeit des einen Angebots geworben, darf der Preis des anderen Angebots nicht in der Darstellung untergehen, weil damit ein unzutreffender Eindruck über die Preiswürdigkeit des gekoppelten Angebots vermittelt würde (BGH WRP 1999, 90, 93 - Handy für 0,00 DM).

Die Beklagte hat aber den Preis für das Fernsehgerät mit DM 1.- in Kombination mit dem Abschluss eines Stromlieferungsvertrages als ein besonders günstiges Angebot in der Werbung blickfangmäßig so herausgestellt, dass sie gehalten ist, auch die weiteren Kosten aus dem Abschluss des Stromliefervertrages ebenso eindeutig zuordenbar sowie leicht erkennbar und gut lesbar darzustellen, will sie sich nicht dem Vorwurf einer Irreführung nach § 3 UWG aussetzen. Diesen Lauterkeitsanforderungen genügt die angegriffene Werbung jedoch nicht.

b) Die Beklagte hat im Streitfall nicht ausreichend auf die im Rahmen des Stromliefervertrages geschuldeten Entgelte hingewiesen, so dass die Anzeige den vorstehenden Rechtsgrundsätzen nicht genügt (vgl. bereits Senat, Urteil vom 22.11.2000 - 6 U 73/00).

Nach § 1 Abs. 6 Satz 2 PreisangabenVO ist es erforderlich, dass die Angaben über die Kosten des Stromliefervertrages räumlich eindeutig dem blickfangmäßig herausgestellten Preis für die andere, im Werbeprospekt angebotene Ware (Fernsehgerät) zugeordnet sind. Diese Zuordnung kann nach der ständigen Rechtsprechung auch durch einen klaren und unmissverständlichen "Sternchenhinweis" erfolgen, wenn dadurch die Zuordnung der Angaben zu dem herausgestellten Einzelpreis für das zweite Angebot gewahrt bleibt (BGH a.a.O.). Dabei müssen die Angaben gut lesbar und grundsätzlich vollständig sein. Wichtige Preisbestandteile, wie der verbrauchsunabhängige Grundpreis und die Mindestlaufzeit des Vertrages, dürfen nicht in der Fülle anderer Informationen untergehen. Wird für ein Kombinationsangebot ein Preis blickfangmäßig beworben, so müssen alle Preisbestandteile am Blickfang teilhaben. Daran fehlt es hier.

Die Anzeige enthält zwar einen Sternchenhinweis. Dieser weist jedoch lediglich auf das Erfordernis des Abschlusses eines 24-Monate-Stromvertrages hin, ohne allerdings über dessen Kosten zu informieren. Damit genügt dieser Hinweis den Anforderungen an die Preiswahrheit und Preisklarheit nicht. Neben der Anbringung eines solchen Hinweises gibt es auch andere Möglichkeiten, ausreichend klar und deutlich auf den Preis für das Kombinationsangebot hinzuweisen, etwa durch drucktechnische Hervorhebung. Im Streitfall erfährt der Verbraucher erst bei genauer Lektüre des unter dem Blickfang angeordneten Anzeigentextes die Preisbestandteile des abzuschließenden Stromliefervertrages, die dort ohne besondere Kennzeichnung oder Heraushebung im laufenden Text wiedergegeben sind.

c) Die beanstandete Werbung enthält damit irreführende Angaben i.S.d. § 3 UWG über die Preisbemessung einzelner Ware bzw. Leistungen. Daraus ergibt sich der geltend gemachte Unterlassungsanspruch. Er scheitert auch nicht etwa wegen fehlender Wiederholungsgefahr.

Zwar ist der Beklagten die beanstandete Werbung durch einstweilige Verfügung des Landgerichts Mannheim vom 01.10.1999, aufrechterhalten durch Urteil des Landgerichts vom 19.11.1999 - 7 0 436/99 -, untersagt und von der Beklagten auch als endgültige Regelung der Hauptsache gegenüber dem Gläubiger anerkannt worden. Ob hierdurch bereits die Wiederholungsgefahr auch im Verhältnis zu Dritten beseitigt worden ist, wird kontrovers beurteilt. Nach der Rechtsprechung des Senats kann die Wiederholungsgefahr je nach den Umständen des Einzelfalles grundsätzlich auch durch einen (rechtskräftigen oder als endgültig anerkannten) gerichtlichen Unterlassungstitel beseitigt werden (OLG Karlsruhe, GRUR 1991, 619, 621 = WRP 1991, 595; WRP 1995, 649, 650 sowie WRP 1996, 453, 456; a.A. Teplitzky, Wettbewerbliche Ansprüche, 7. Aufl., Kap. 7 Rdnrn. 14 ff, 16 ff m. w. Nachw. zum Streitstand). Auf diese Streitfrage kommt es hier aber nicht an, weil Erstbegehungsgefahr besteht. Die Beklagte hat nämlich im vorliegenden Rechtsstreit das beanstandete Wettbewerbsverhalten auch dann noch als rechtmäßig verteidigt, nachdem die Klägerin den Antrag im Berufungsrechtszug auf das Verbot der Irreführung konkretisiert hat. Das rechtfertigt die Annahme der Begehungsgefahr.



Ende der Entscheidung

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