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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 25.04.2001
Aktenzeichen: 6 U 217/00
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 935 | |
ZPO § 940 | |
ZPO § 97 |
Tatbestand:
Die Verfügungsklägerin (nachfolgend: Klägerin) betreibt ein Tonträgerunternehmen. Der Verfügungsbeklagte (nachfolgend: Beklagter) ist Künstler (Komponist, Texter, Musiker und Sänger). Die Parteien schlossen am 1. 04. 1998 einen Künstlervertrag.
Dessen Ziffer 1 hat folgenden Wortlaut:
Gegenstand des Vertrags ist die Herstellung und Auswertung von Tonaufnahmen und hierzu gemachten Bildaufnahmen ( Aufnahmen ) mit Darbietungen des Künstlers auf Ton- und Bildtonträgern.
1.1 Zu diesem Zweck verpflichtet sich der Künstler, sich weltweit ausschließlich (der Klägerin) zur Durchführung von Solo-Aufnahmen sowie gemeinsamen Aufnahmen mit anderen Künstlern oder Künstlerobjekten zur Verfügung zu stellen und (der Klägerin) alle zur Auswertung der Aufnahmen erforderlichen Rechte zu übertragen.
1.4 Ebenfalls nicht Gegenstand des Vertrags und von der Exklusivität des Vertrages ausgenommen sind Live-Aktivitäten des Künstlers in der Künstlergruppe "S. M.", die Herstellung von Tonaufnahmen für diese Künstlergruppe sowie der Eigenvertrieb von Tonträgern dieser Künstlergruppe durch die Künstlergruppe selbst. Bei sämtlichen Aktivitäten der Künstlergruppe "S. M." hat ein Hinweis auf vertragsgegenständliche Aufnahmen und Projekte zu unterbleiben.
Der Beklagte kündigte diesen Vertrag am 1. 04. 98 ordentlich und am 28. 02. 01 fristlos aus wichtigem Grund. Die Klägerin hält die Kündigungen für unwirksam, vielmehr habe der Beklagte ihre Exklusivrechte aus dem Künstlervertrag u.a. durch die Überlassung eines Musikvideos zu dem Singletonträger der Gruppe " S M." mit dem Titel "Geh davon aus, dass....", an dem der Beklagte als Sänger mitgewirkt hat, an die Musiksender VIVA TV und NTV verletzt. Durch die Ausstrahlung dieses Musikvideos werde der Absatz des Singletonträgers mit dem Titel "Geh davon aus, dass....." nachhaltig gefördert, wodurch der Klägerin ein Schaden entstehe. Denn die Lieferung des Singletonträgers mit der betreffenden Musikaufnahme an ein drittes Musikvertriebsunternehmen zum Zwecke des Vertriebs verletze ihre vertraglichen Exklusivrechte, da es sich insoweit um keinen Eigenvertrieb i. S. v. Ziffer 1. 4 des Künstlervertrags handele. Die Klägerin begehrt im Wege der einstweiligen Verfügung, dem Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen, das genannte Musikvideo bei den Musiksendern VIV TV und NTV vorführen zu lassen.
Der Verfügungsantrag der Klägerin hatte in beiden Instanzen keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung bleibt in der Sache erfolglos. Das Landgericht hat zu Recht den Erlass der von der Klägerin beantragten einstweiligen Verfügung abgelehnt, da es an der hierfür erforderlichen Dringlichkeit fehlt. Die Ausführungen der Klägerin im Berufungsverfahren vermögen diese Beurteilung nicht in Frage zu stellen.
Einstweilige Verfügungen nach §§ 935, 940 ZPO sind nur zu erlassen, wenn die damit verfolgte Regelung dringlich ist. Die erforderliche Dringlichkeit ist dann gegeben, wenn die sofortige gerichtliche Durchsetzung oder Sicherung eines Rechtsverhältnisses notwendig ist, etwa zur Vermeidung wesentlicher Nachteile für den Antragsteller. Die Voraussetzungen der Dringlichkeit sind vom Antragsteller darzulegen und glaubhaft zu machen. Im Streitfall gilt nichts anderes. Zu Recht weist der Beklagte darauf hin, dass die Klägerin einen vertraglichen Unterlassungsanspruch geltend macht, für dessen Durchsetzung eine Dringlichkeitsvermutung nicht besteht. Die Klägerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass die Durchsetzung des von ihr verfolgten Anspruchs derart dringlich ist, dass sie nicht auch in einem Hauptsacheverfahren hätte erfolgen können. Ihr bloßes Bestreben, den Beklagten zu einem vertragskonformen Verhalten anzuhalten, begründet keine besondere Dringlichkeit, die über das Interesse einer beliebigen Vertragspartei an der Erfüllung eines Vertrages durch die andere Partei hinausgeht. Nicht jede bereits geschehene oder drohende Vertragsverletzung begründet die für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Dringlichkeit. Die Klägerin hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass ihr durch das Verhalten des Beklagten ein erheblicher, nicht rückgängig zu machender Schaden entstehen würde, wenn sie ihre Rechte im Hauptsacheverfahren verfolgen würde. Zwar mag das streitgegenständliche Musikvideo bei rechtskräftiger Beendigung eines Hauptsacheverfahrens nicht mehr aktuell sein. Die Klägerin hat jedoch nicht dargetan, warum sie ein erhebliches Interesse gerade daran hat, dass die Verbreitung des Musikvideos gerade während der Zeit seiner Aktualität unterbunden wird. Sollte dem Beklagten die Verbreitung dieses Videos als Vertragsverletzung anzulasten sein, steht es der Klägerin frei, einen etwaigen ihr daraus resultierenden Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten geltend zu machen. Dass der Klägerin durch die Verbreitung des Videos im gegenwärtigen Zeitpunkt ein nicht wieder auszugleichender Schaden entstehen könnte, zu dessen Verhinderung eine sofortige gerichtliche Regelung dringend erforderlich ist, ist nicht glaubhaft. Das Landgericht hat daher den Antrag der Klägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu Recht abschlägig verbeschieden. Die Berufung der Klägerin hiergegen war mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen.
Ende der Entscheidung
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