Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 25.11.2009
Aktenzeichen: 6 U 47/08 Kart.
Rechtsgebiete: EGV


Vorschriften:

EGV Art. 81 Abs. 1
1. Selektive Vertriebssysteme, bei denen die Auswahl der zugelassenen Wiederverkäufer nicht an quantitative Beschränkungen, sondern an objektive Gesichtspunkte qualitativer Art anknüpft, sind als ein mit Art. 81 Abs. 1 EGV vereinbarer Bestandteil des Wettbewerbs und damit nicht als Wettbewerbsbeschränkung anzusehen, sofern sich die Kriterien für die Auswahl der Wiederverkäufer nach den Anforderungen des betreffenden Produkts richten und auf die fachliche Eignung des Wiederverkäufers und seines Personals und auf seine sachliche Ausstattung bezogen sind; sie müssen ferner einheitlich und diskriminierungsfrei angewandt werden (vgl. EuGH Slg. 1977, 1875 - Metro/SABA I). Das gilt auch nach Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 2790/1999 vom 22. Dezember 1999 (Vertikal-GVO).

2. Die Anwendung der genannten Grundsätze ist nicht auf den Vertrieb von Luxuswaren beschränkt, die eine "Aura des Exklusiven" für sich beanspruchen. Sie gelten z.B. auch dann, wenn ein Hersteller von Markenartikeln (hier: Schulranzen und Schulrucksäcke) diese unter Anknüpfung an objektive Produkteigenschaften als hochpreisige Spitzenprodukte positioniert und deshalb Anforderungen an die Wiederverkäufer stellt, die auf eine angemessene Präsentation der Sortimentstiefe, eine fachkundige Beratung und eine Pflege des Markenimage zielen.

3. In einem solchen Fall können auch an den Vertrieb der Markenartikel über das Internet Anforderungen gestellt werden, die den genannten Zielen dienen; auch diese stellen dann keine Wettbewerbsbeschränkung dar. Wenn die Auswahlkriterien in diesem Zusammenhang einen Vertrieb über Auktionsplattformen wie ebay ausschließen, handelt es sich bei diesem Ausschluss ebenfalls um ein objektives, an die Art und Weise des Vertriebs anknüpfendes Auswahlkriterium.

4. Macht ein Hersteller von Markenartikeln, der ein solches qualitativ-selektives Vertriebssystem eingerichtet hat, die Belieferung eines Wiederverkäufers von der Einhaltung eines Auswahlkriteriums abhängig, welches den Vertrieb über Internet-Auktionsplattformen generell ausschließt - unabhängig davon, welche der verschiedenen, von der Auktionsplattform angebotenen Vertriebsformen gewählt wird -, so hat die auf Unterlassung dieses Verhaltens gerichtete Klage schon dann keinen Erfolg, wenn dem Markenhersteller bei der gebotenen umfassenden Abwägung der beiderseitigen Interessen die konkrete, vom Wiederverkäufer gewählte Vertriebsform (hier: Einzelverkauf ohne übergeordnete Präsentationsstruktur) nicht zuzumuten ist.


Oberlandesgericht Karlsruhe 6. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 6 U 47/08 Kart.

Verkündet am 25. November 2009

Im Rechtsstreit

wegen Unterlassung (GWB, Kart.)

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 14. Oktober 2009 unter Mitwirkung von

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 14.03.2008 (Az. 7 O 263/07 Kart.) wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung kann gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich gegen die Weigerung der Beklagten, sie mit Schulranzen und Schulrucksäcken zu beliefern.

Die Klägerin betreibt in W. ein Fachhandelsgeschäft, in dem sie neben Koffern, Taschen etc. von verschiedenen Herstellern auch Schulranzen und Schulrucksäcke anbietet. Diese Produkte vertreibt sie auch im Internet über die Internet-Auktionsplattform "ebay". Eine Auflistung ihrer Angebote, für die sie den ebay-Namen "n..." verwendet, liegt als Anlage B 10 vor.

Die Beklagte ist Herstellerin von Schulranzen und Schulrucksäcken der Marken "Der echte Scout" (nachstehend "Scout") und "4YOU - the original" (nachstehend: "4YOU"). Der Vertrieb geschieht über sog. "zugelassene Vertriebspartner"; beliefert werden auch Versandhandelsunternehmen wie ... und .... Außerdem vertreibt die Beklagte die genannten Produkte über einen eigenen Internetshop. Für die "zugelassenen Vertriebspartner" hat die Beklagte im Mai 2007 neue "Auswahlkriterien" aufgestellt, die als Anlagen K 24 und B 2 vorliegen. Sie lauten auszugsweise:

"1. Der Vertriebspartner muss ein stationäres Einzelhandelsgeschäft betreiben, das nach Größe und Ausstattung dazu geeignet ist, dem Endverbraucher SCOUT- und 4YOU-Produkte in einer angemessenen Sortimentsbreite und -tiefe entsprechend dem hohen Image dieser Marken zu präsentieren. Der Vertriebspartner und das von ihm betriebene Einzelhandelsgeschäft, insbesondere auch das eingesetzte Verkaufspersonal, müssen dabei für die Produktgruppen Schulranzen und Rucksäcke kompetent sein und die Funktion eines Facheinzelhändlers für diese Produktgruppen erfüllen.

Der Vertriebspartner muss das Einzelhandelsgeschäft während der ortsüblichen Ladenöffnungszeiten geöffnet halten.

2. Der Vertriebspartner muss sein Verkaufspersonal für den Verkauf von SCOUT- und 4YOU-Produkten besonders schulen oder durch S. schulen lassen. S. unterstützt den Vertriebspartner dabei mit kostenlosen Schulungen des Verkaufspersonals unter anderem zu den Themen "Kundenbedürfnisbezogene Beratung der Endkunden" / "Herstellung einer Übereinstimmung zwischen Endkundenbedürfnissen und Produkten", "Maßgebliche ISO-/DIN-Empfehlungen und andere Normen für SCOUT-Produkte" und "Werbung mit Test-Urteilen" und ähnlichen produkt- und wettbewerbsbezogenen Themen.

Der Vertriebspartner muss ständig mindestens eine(n) in dem Bereich "Verkauf Schulranzen und Schulrucksäcke" im obigen Sinne ausgebildete(n) Verkäufer(in) beschäftigen. Dieses Verkaufspersonal hat während der üblichen Ladenöffnungszeiten anwesend zu sein.

4. Der Vertriebspartner muss stets ein ausreichendes Angebot an SCOUT- und 4YOU-Produkten führen, um die regelmäßige Nachfrage bedienen zu können. Zu diesem Zweck wird der Vertriebspartner auch ein Lager mit den beiden Marken vorhalten, das die übliche Nachfragemenge über einen Zeitraum von mindestens 14 Tagen abdeckt. (...) 9. S. beliefert keine Unternehmen, welche ausschließlich über das Internet vertreiben.

10. Soweit der Vertriebspartner neben dem stationären Verkauf auch über das Internet vertreibt, gelten folgende Grundsätze:

- Der Vertriebspartner muss für den Endverbraucher bereits im Zeitpunkt der ersten Bewerbung der Produkte als solcher identifizierbar sein. Die Website soll den Endverbraucher bereits auf der Homepage dazu motivieren, das dazugehörige stationäre Einzelhandelsgeschäft aufzusuchen, um sich die S.-Produkte in allen Details anzusehen und sich durch das kompetente Verkaufspersonal des Vertriebspartners beraten zu lassen. Auf der ersten Seite der Website muss ein deutlicher Hinweis darauf erfolgen, dass es sich um die Website des betreffenden Vertriebshändlers handelt, auf der ergänzend zum Vertrieb im stationären Fachgeschäft des Vertriebshändlers SCOUT- und 4YOU-Produkte vertrieben werden; die Adresse und Kommunikationsdaten des stationären Fachgeschäfts des Vertriebshändlers sind deutlich lesbar anzugeben.

- Der Rahmen, den die Website zur Präsentation nutzt, muss dem Ambiente eines Fachgeschäfts für Schulranzen und Schulrucksäcke entsprechen.

- Die Website des Vertriebspartners muss von hoher Qualität sein. Insbesondere müssen Name, Umgebung, Präsentation und Gesamtbild der Website den qualitativ hochwertigen S.-Produkten und dem angesehenen Markenimage von SCOUT und 4YOU entsprechen.

- Die Website muss hochqualifizierten Service rund um die beiden Marken bieten. Dazu gehören ein schneller Seitenaufbau, hohe Qualität der Darstellung, benutzerfreundlicher Aufbau, umfassende Informationen zu den Produkten. Zu den Produkten müssen zumindest die Angaben gemacht werden, die im offiziellen "S."-Katalog zu diesen Produkten enthalten sind. Die schnelle Lieferung bestellter Ware muss gewährleistet sein.

- Der Bereich der Website des Vertriebspartners, in dem SCOUT- und 4YOU-Produkte gezeigt werden, muss von No-Name-Produkten und anderen Produkten niedriger Qualitätsstufen (z.B. mit einem Testergebnis der Stiftung Warentest, das schlechter als "befriedigend" ist) klar abgegrenzt sein, da das Qualitätsniveau und das Image von SCOUT- und 4YOU-Produkten damit unvereinbar ist. Bei der Darstellung von SCOUT- und 4YOU-Produkten auf der Website des Vertriebspartners muss im Interesse einer klaren Markenführung darüber hinaus eine klare Trennung und Abgrenzung zur Darstellung der Produkte anderer Markenhersteller (Wettbewerbsprodukte) erfolgen.

- Der Verkauf über eBay und vergleichbare Auktionsformate im Internet genügt nach dem derzeitigen Stand der Ausgestaltung dieser Formate nicht den obigen Kriterien und ist daher nicht gestattet

12. Der Vertriebspartner darf SCOUT- und 4YOU-Produkte nur an andere stationäre, qualifizierte Facheinzelhändler oder fachhandelsadäquate Händler weitergeben, welch ebenfalls die Voraussetzungen für eine Vertriebspartnerschaft nach diesen Auswahlkriterien erfüllen und von S. beliefert werden.

13. S. behält sich vor, bei Nichterfüllung einer oder mehrerer Anforderungen dieses Kriterienkatalogs, die trotz Abmahnung andauert oder wiederholt wird, die Belieferung des Vertriebspartners ganz oder teilweise einzustellen. In schwerwiegenden Fällen oder bei Nichterfüllung wesentlicher Bestimmungen dieses Kriterienkatalogs ist eine Einstellung der Belieferung auch ohne vorherige Abmahnung möglich."

Die Klägerin war in der Vergangenheit von der Beklagten als "zugelassener Vertriebspartner" insbesondere mit Schulranzen und Schulrucksäcken der Marken "Scout" und "4YOU" beliefert worden. Nachdem die Klägerin auch nach Änderung der Auswahlkriterien weiterhin über ebay von der Beklagten bezogene Schulranzen und Schulrucksäcke der Marken "Scout" und "4YOU" anbot, wurde sie von der Beklagten aufgefordert, die Auswahlkriterien zu beachten und die Verkäufe über ebay einzustellen. Eine erneute Bestellung der Klägerin vom 04. Juli 2007 führt die Beklagte nicht mehr aus. Die weitere Belieferung der Klägerin macht die Beklagte von der Einhaltung ihrer "Auswahlkriterien" abhängig; die Belieferung hängt insbesondere davon ab, dass die Klägerin Verkäufe der von ihr bezogen Waren der Marken "Scout" und "4YOU" über ebay einstellt.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagte es nach § 1 und nach § 20 Abs. 1, 2 i.V.m. § 33 GWB unterlassen müsse, die Belieferung der Klägerin von der Einstellung des Vertriebs über ebay abhängig zu machen. Die Beklagte sei auf dem Markt der Schulranzen und Schulrucksäcke als Marktführer mit 40 % Marktanteil marktbeherrschend, jedenfalls aber gegenüber der Klägerin marktstark. Diese sei als kleineres Unternehmen von der Belieferung durch die Beklagte abhängig. Die Auswahlkriterien für zugelassene Vertriebspartner bewirkten eine Einschränkung des Wettbewerbs i.S.d. § 1 GWB. Mit der Forderung nach einem Verzicht auf Verkäufe über ebay werde die wettbewerbliche Handlungsfreiheit beschränkt. Diese Beschränkung sei nicht nach § 2 Abs. 1 GWB in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr. 2790/1999 vom 22. Dezember 1999 (nachstehend: Vertikal-GVO) freigestellt. Als marktbeherrschendes oder marktstarkes Unternehmen verstoße die Beklagte gegen § 20 Abs. 1, Abs. 2 GWB. Die Klägerin werde durch die Beklagte unbillig behindert und ohne sachlich gerechtfertigten Grund gegenüber gleichartigen Unternehmen unterschiedlich behandelt. Ein sachlicher Grund dafür, den Verkauf von Gebrauchsgegenständen wie Schulrucksäcken und Schulranzen über ebay zu untersagen, bestehe nicht. Es handele sich nicht um mit Parfum vergleichbare Luxusartikel. Die Beklagte verstoße schließlich auch gegen § 21 Abs. 3 Nr. 3 und Abs. 2 GWB.

Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt,

die Beklagte unter Androhung eines in jedem Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, oder einer in jedem Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungshaft von bis zu 2 Jahren, letztere zu vollziehen an einem der Geschäftsführer ihrer Komplementärin, zu verurteilen, es zu unterlassen,

die Belieferung entsprechend den Bestellungen der Klägerin mit von der Beklagten hergestellten Produkten, insbesondere solchen der Marken SCOUT und 4YOU, davon abhängig zu machen, dass die Klägerin die Ware nicht über ebay oder gleichartige Auktionsplattformen anbietet und verkauft.

Hilfsweise,

die Beklagte unter Androhung eines in jedem Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, oder einer in jedem Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungshaft von bis zu 2 Jahren, letztere zu vollziehen an einem der Geschäftsführer ihrer Komplementärin, zu verurteilen, es zu unterlassen,

die Belieferung entsprechend den Bestellungen der Klägerin mit Schulrucksäcken und -ranzen der Marken SCOUT und 4YOU davon abhängig zu machen, dass die Klägerin die Ware nicht über ebay oder gleichartige Auktionsplattformen anbietet und verkauft.

Weiterhin hilfsweise,

die Beklagte unter Androhung eines in jedem Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, oder einer in jedem Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungshaft von bis zu 2 Jahren, letztere zu vollziehen an einem der Geschäftsführer ihrer Komplementärin, zu verurteilen, es zu unterlassen,

die Belieferung entsprechend den Bestellungen der Klägerin mit Schulrucksäcken und -ranzen der Marken SCOUT und 4YOU davon abhängig zu machen, dass die Klägerin die Ware nicht über ebay oder gleichartige Auktionsplattformen außerhalb von Festpreisen anbietet und verkauft.

Mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Auswahlkriterien vom Mai 2007 unterfielen nicht dem Verbot des § 1 GWB. Es handele sich um ein selektives Vertriebssystem, bei dem die Auswahl der Wiederverkäufer an objektive Gesichtspunkte qualitativer Art anknüpfe, die einheitlich und diskriminierungsfrei angewendet würden. An die Erforderlichkeit eines solchen Vertriebssystems könnten keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden, da nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Vertikal-VO sogar grundsätzlich jedes selektives Vertriebssystem - unabhängig von den Eigenschaften des Vertragsproduktes - unterhalb einer Marktanteilsschwelle von 30 % freigestellt sei; auch würden anderenfalls die §§ 19, 20 GWB ihres entscheidenden Anwendungsbereiches beraubt. Da im Streitfall § 1 GWB nicht anwendbar sei, komme es nicht auf die zwischen den Parteien streitige Frage der Freistellung der Vereinbarung nach § 2 GWB an.

Auch ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des § 20 GWB liege nicht vor. Der Ausschluss eines Verkaufs markengeschützter Schulranzen und Schulrucksäcke über ebay und vergleichbare Auktionsformate im Internet sei weder eine unbillige Behinderung noch eine unterschiedliche Behandlung ohne sachlich gerechtfertigten Grund. Ob die Beklagte als marktbeherrschendes Unternehmen anzusehen sei, könne dahinstehen. Jedenfalls sei die Klägerin, ein kleines oder mittleres Unternehmen, von der Belieferung durch die Klägerin abhängig, die jedenfalls zur Spitzengruppe der Anbieter auf dem relevanten Markt der Schulranzen und Schulrucksäcke gehöre. Die Behinderung und die Ungleichbehandlung, die von einer Liefersperre im Fall des ebay-Vertriebs durch den Vertriebspartner ausgehe, sei aber nicht unbillig. Das Interesse der Beklagten als Markeninhaberin daran, den Absatz ihrer Erzeugnisse nach eigenem Ermessen so zu gestalten, wie sie es für wirtschaftlich richtig und sinnvoll hält, überwiege das Interesse der Klägerin an freier Betätigung im Wettbewerb. Ebenso wie für den stationären Handel müsse der Markeninhaber auch für den Internethandel Mindestanforderungen an die Sortimentsbreite und -tiefe bezüglich der Markenprodukte stellen können. Diesen Anforderungen könne der Vertrieb über ebay, wie er in Anlage B 10 dokumentiert sei, nicht genügen. Dort würden Einzelangebote bei ebay gezeigt; das Sortiment an Markenwaren werde dem Kunden - anders als etwa bei einem Internetshop - nicht vor Augen geführt. Gegenüber diesem Interesse müsse das Interesse der Klägerin am Erschließen eines neuen Vertriebskanals zurückstehen.

Mit der hiergegen gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Anträge weiter, wobei der zweite Hilfsantrag in folgender Fassung gestellt wird:

die Beklagte unter Androhung eines in jedem Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, oder einer in jedem Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungshaft von bis zu 2 Jahren, letztere zu vollziehen an einem der Geschäftsführer ihrer Komplementärin, zu verurteilen, es zu unterlassen,

die Belieferung entsprechend den Bestellungen der Klägerin mit Schulrucksäcken und -ranzen der Marken SCOUT und 4YOU davon abhängig zu machen, dass die Klägerin die Ware nicht über ebay oder gleichartige Auktionsplattformen anbietet und verkauft, wenn davon auch ein Verbot des Angebots oder Verkaufs zu Festpreisen erfasst wird.

Die Klägerin ist der Auffassung, der geltend gemachte Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch könne nur dadurch erfüllt werden, dass die Beklagte die Klägerin beliefere, weil nur damit das kartellrechtswidrige Verhalten (die Belieferungssperre) unterlassen werde. Nachdem die Beklagte klargestellt habe, dass ihr daran liege, jeden Vertrieb über ebay, auch soweit er zu Festpreisen erfolge, untersagen zu können, müsse die Klage bereits dann Erfolg haben, wenn auch nur eine Vertriebsmöglichkeit über die Auktionsplattform ebay nach kartellrechtlichen Grundsätzen nicht untersagt werden könne.

Die Klägerin meint ferner, das Landgericht habe pflichtwidrig nicht auf seine Auffassung hingewiesen, dass die "Auswahlkriterien" keine Vereinbarung im Sinne des § 1 GWB darstellten. Dies sei zwischen den Parteien nicht im Streit gewesen, so dass das Gericht auf seine abweichende Auffassung hätte hinweisen müssen. Schon wegen dieses Verstoßes sei das Urteil aufzuheben und das Verfahren an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Auffassung des Landgerichts treffe auch in der Sache nicht zu. Die als Rundschreiben versandten Auswahlkriterien stellten allgemeine Geschäftsbedingungen in Form von Lieferbedingungen dar; diese fielen unter das Tatbestandsmerkmal der Vereinbarung im Sinne des § 1 GWB. Die Auswahlkriterien beschränkten auch die wettbewerbliche Handlungsfreiheit der Klägerin und bewirkten daher gemäß § 1 GWB eine Einschränkung des Wettbewerbs. Eine tatbestandliche Ausnahme für selektive Vertriebssysteme, die an qualitativen Kriterien orientiert und diskriminierungsfrei durchgeführt würden, werde allenfalls für den Fall des Weiterverkaufs an Wiederverkäufer befürwortet, der im Streitfall aber nicht gegeben sei, weil die Klägerin an Endverbraucher verkaufe. Im übrigen sei es aus systematischen Gründen unzulässig, die eigentliche kartellrechtliche Prüfung in die Subsumtion unter die "Wettbewerbsbeschränkung" zu verlagern; inwieweit selektive Vertriebssysteme zulässig seien, bestimme sich nach § 2 GWB und der einschlägigen Vertikal-GVO. Aus der Vertikal-GVO ergebe sich denknotwendig, dass es sich bei den von ihr erfassten Fällen zunächst einmal um Wettbewerbsbeschränkungen im Sinne des § 1 GWB und des Art. 81 Abs. 1 EGV handele. Die Voraussetzungen für eine Freistellung nach der Vertikal-GVO seien aber nicht gegeben; die Beklagte habe einen Marktanteil von über 30 Prozent. Außerdem werde durch das Verbot eines Verkaufs über ebay ein großer Teil von überregionalen Verkäufen ausgeschlossen, auf die die Klägerin angewiesen sei; einer Freistellung stehe daher Art. 4 c Vertikal-VO entgegen. Eine Freistellung sei im übrigen auch nach Art. 4 c Vertikal-VO ausgeschlossen, denn der Beklagten gehe es vor allem um die Einhaltung des empfohlenen Verkaufspreises.

Die Klägerin ist ferner der Auffassung, sie habe nachgewiesen oder zumindest mit der Folge einer Beweislastumkehr dargelegt, dass die Beklagte auf dem relevanten Markt marktbeherrschend sei. Dieser umfasse Schulranzen und -rucksäcke für Schüler bis einschließlich zur Unterstufe weiterführender Schulen. Auf dem Markt für Schulranzen und -rucksäcke habe die Klägerin selbst im Jahr 2003 einen Marktanteil von 40 Prozent behauptet, von einer Verringerung in den Folgejahren könne nicht ausgegangen werden. Damit sei nach § 19 Abs. 1 GWB ein Verstoß zu bejahen, ohne dass es einer Abwägung der widerstreitenden Interessen im Umfang wie bei § 20 Abs. 2, Abs. 1 GWB bedürfe.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts liege auch ein Verstoß gegen § 20 Abs. 2, Abs. 1 GWB vor. Zutreffend sei allerdings, dass die Klägerin zumindest im Sinne einer Spitzengruppenabhängigkeit von Belieferungen durch die Beklagte abhängig sei. Bei der Abwägung habe das Landgericht aber das erhebliche Interesse der Klägerin an einem Verkauf über die Auktionsplattform ebay verkannt. In Deutschland seien über 14,5 Millionen aktive ebay-Benutzer registriert; deutsche Internetnutzer verbrächten über 20 Prozent ihrer online-Zeit bei ebay. Der Vertrieb über ebay böte der Klägerin zudem die Vorteile einer einfachen Handhabung und überschaubarer Kosten; dabei profitiere sie von den hohen Besucherzahlen, den Marketingaktionen und Sicherheitsmechanismen von ebay, der von ebay gewährten Hilfestellung bei der Angebotserstellung und der weltweiten Verfügbarkeit der Auktionsplattform. Ein Verkauf über eine eigene Internetplattform sei mühsamer und wirtschaftlich weniger attraktiv.

Die Feststellung des Landgerichts, ein Verkauf über ebay könne nicht dieselbe Sortimentsbreite und Sortimentstiefe gewährleisten wie ein Vertrieb über eine eigene Internetseite, verkenne die Möglichkeit des Vertriebs über ebay-Shops. Zahlreiche renommierte Markenanbieter nutzten diese Möglichkeit: Das Privatgutachten nach Anlage K 33 und die in Anlage K 34 vorgelegten Beispiele zeigten, dass ebay-Shops so eingerichtet werden könnten, dass sie den Anforderungen der Beklagten an Internet-Shops, insbesondere im Hinblick auf Sortimentsbreite und -tiefe, entsprächen und eine individuelle Gestaltung bezüglich der Internetadresse, der Verwendung von Logos und der Farbgestaltung aufwiesen. Darüber hinaus böten ebay-Shops für den Anbieter Vorteile, die ein eigener Internet-Shop nicht bieten könne. Die Klägerin wolle, wie sie bereits in erster Instanz klargestellt habe, ausschließlich die so genannten Festpreisformate auf der Auktionsplattform ebay nutzen. Dazu stelle ebay zwei Möglichkeiten zur Verfügung, nämlich

- "Sofort-Kaufen", bei der ein Artikel zu einem Festpreis verkauft wird und der Kunde nicht das Ende einer Auktion abwarten müsse, und

- "Spezielle Websites", zu denen u.a. die ebay-Shops gehörten.

Soweit die Beklagte verlange, dass die Präsentation auf der Webseite dem Ambiente eines Fachgeschäfts für Schulranzen und Schulrucksäcke entspreche, sei dieses Kriterium schwer fassbar. Jedenfalls könnten angesichts der von der Beklagten belieferten Geschäfte insoweit nur geringe Anforderungen gestellt werden. So beliefere die Beklagte die Handelskette ..., wo die Produkte in großen Supermärkten neben Lebensmitteln und zahllosen anderen Produkten angeboten würden, wie aus Anlagen BK 12 und BK 13 ersichtlich sei. Ferner beliefere die Beklagte Versandhandelsfirmen, die die streitgegenständlichen Artikel auch in ihren Internet-Shops anböten. Deren Sortimentsbreite und -tiefe sowie das von ihnen vermittelte Ambiente gingen nicht über das hinaus, was bei einem Vertrieb über ebay, insbesondere mittels ebay-Shops möglich sei. Schließlich könne angesichts des Umstands, dass namhafte Markenanbieter Leistungen über ebay anböten, und angesichts der umfangreichen Vorkehrungen für die Seriosität von Angeboten nicht davon die Rede sein, dass ein Vertrieb über ebay imageschädigend sei.

Die Beklagte beantragt unter Verteidigung des erstinstanzlichen Urteils die Zurückweisung der Berufung. Sie ist der Auffassung, dass der hauptsächlich gestellte Klagantrag nicht hinreichend bestimmt sei. Die Beklagte trägt weiterhin vor, sie habe auf dem relevanten Markt für "Schulbuchbehältnisse", der ein Marktvolumen von 2,5 Millionen Kauffällen pro Jahr aufweise, Marktanteile für Produkte der Marken "Scout" und "4YOU" von jeweils 10 bis 11 Prozent. Angesichts der Vielzahl von Anbietern auf diesem Markt bestehe entgegen der Auffassung des Landgerichts auch keine Abhängigkeit der Klägerin von einer Belieferung durch die Beklagte. Die Rechtsprechung zur Spitzengruppenzugehörigkeit sei auf den Streitfall nicht übertragbar; aus der von der Stiftung Warentest getroffenen Produktauswahl könne auf eine Spitzengruppenzugehörigkeit nicht geschlossen werden. Jedenfalls habe das Landgericht aber im Rahmen der Interessenabwägung den Interessen des Markeninhabers zutreffend den Vorrang eingeräumt. Die Beklagte setze über die Warenhauskette ... nur eine geringe Anzahl von Restposten sowie Auslauf- bzw. Vorjahresmodelle ab. Die ...-Warenhäuser seien daher nicht Vertriebspartner des Fachhandels im Sinne der Auswahlkriterien; der Abverkauf von Restposten stelle auch bei einem selektiven Vertriebssystem eine übliche Praxis dar. Auch ein Verstoß gegen § 19 GWB liege nicht vor.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Der mit den Haupt- und Hilfsanträgen der Sache nach geltend gemachte Belieferungsanspruch der Klägerin besteht nicht.

1. Gegen die Zulässigkeit des Hauptantrags bestehen entgegen der Auffassung der Beklagten keine Bedenken. Er ist dahin zu deuten, dass der Beklagten untersagt werden soll, die Belieferung der Klägerin mit jeglichen Produkten der Beklagten davon abhängig zu machen, dass die Klägerin die Ware nicht über ebay oder gleichartige Auktionsplattformen anbietet und verkauft. Dieser Antrag ist hinreichend bestimmt. Ob zu seiner Begründung hinreichend vorgetragen wurde, ist keine Frage der Zulässigkeit der Klage.

2. Die von der Klägerin begehrte Zurückverweisung an das Landgericht wegen eines behaupteten Verstoßes gegen die Hinweispflicht nach § 139 Abs. 2 ZPO scheidet aus. In der Berufungsinstanz bestand umfassend Gelegenheit, den Vortrag nachzuholen, der auf den angeblich versäumten Hinweis gehalten worden wäre, so dass der Senat sein durch § 538 Abs. 2 S. 1 ZPO eingeräumtes Ermessen dahin ausübt, in der Sache selbst zu entscheiden.

3. Die geltend gemachten Ansprüche können nicht auf §§ 1, 33 GWB gestützt werden. Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, dass das selektive Vertriebssystem, das die Beklagte durch die Auswahlkriterien vom Mai 2007 aufbaut, nicht unter den Tatbestand des § 1 GWB fällt. Auf die Frage, ob die Voraussetzungen für eine Freistellung nach § 2 Abs. 2 GWB in Verbindung mit der Vertikal-GVO vorliegen, kommt es daher nicht an.

a) Allerdings sind §§ 1, 2 GWB in der geltenden Gesetzesfassung ebenso wie Art. 81 Abs. 1, 3 EGV grundsätzlich auch im sog. Vertikalverhältnis anwendbar, d.h. auf Vereinbarungen zwischen Unternehmen verschiedener Handelsstufen (vgl. z.B. Bechtold, GWB, 5. Aufl., vor § 1 Rz. 1; Wiedemann/Kirchhoff, Handbuch des Kartellrechts, 2. Aufl., § 9 Rz. 29 f.). Für das europäische Kartellrecht, dem das geltende nationale Recht angepasst ist, ist aber anerkannt, dass selektive Vertriebssysteme, bei denen die Auswahl der zugelassenen Wiederverkäufer nicht an quantitative Beschränkungen, sondern an objektive Gesichtspunkte qualitativer Art anknüpft, unter bestimmten Voraussetzungen als ein mit Art. 81 Abs. 1 EGV vereinbarer Bestandteil des Wettbewerbs anzusehen sind, so dass es an einer Wettbewerbsbeschränkung fehlt. Erforderlich ist danach, dass sich die Kriterien für die Auswahl der Wiederverkäufer nach den Anforderungen des betreffenden Produkts richten und auf die fachliche Eignung des Wiederverkäufers und seines Personals und auf seine sachliche Ausstattung bezogen sind; sie müssen ferner einheitlich und diskriminierungsfrei angewandt werden (vgl. EuGH Slg. 1977, 1875 - Metro/SABA I; EuGH GRUR-Int 1978, 254 - SABA II; EuGH Slg. 1980, 3775 - L'Oreal; EuGH GRUR-Int 1992, 915 - Yves Saint Laurent Parfums). Dass diese Grundsätze, wie die Klägerin andeutet, nur für Bindungen in Bezug auf den Verkauf an (weitere) Wiederverkäufer, nicht aber für Bindungen in Bezug auf den Verkauf von Wiederverkäufern an Endverbraucher gälten, lässt sich den genannten Entscheidungen nicht entnehmen. Im übrigen schließen die Auswahlkriterien der Beklagten die Belieferung "außenstehender" Wiederverkäufer gerade aus (vgl. Anlage B 1 Ziff. 12).

b) Die Unanwendbarkeit von Art. 81 Abs. 1 EGV und § 1 GWB auf selektive Vertriebssysteme, die diesen Anforderungen entsprechen, wird entgegen der Auffassung der Klägerin durch die Vertikal-GVO von 1999 nicht in Frage gestellt (vgl. - teilweise selbstverständlich vorausgesetzt - Immenga/Mestmäcker/Zimmer, Wettbewerbsrecht, Bd. 1 EG, 4. Aufl., Art. 81 Abs. 1 EGV Rz. 371 ff.; ders. Bd. 2 GWB § 1 Rz. 361 ff.; Wiedemann/Seeliger, a.a.O., § 10 Rz. 59; Bechtold/Busch/Brinker/Hirsbrunner, EG-Kartellrecht, 2. Aufl., Art. 81 EG Rz. 198; Pischel GRUR 2008, 1066, 1067). Die Vertikal-GVO setzt in Art. 2 Abs. 1 S. 2 ausdrücklich voraus, dass die in Frage stehende Vereinbarung Wettbewerbsbeschränkungen enthält, die unter Art. 81 Abs. 1 EGV fallen; Beschränkungen, die schon nicht unter Art. 81 Abs. 1 EGV fallen, bedürfen keiner Freistellung nach Art. 81 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 Vertikal-GVO. Auch zum Zeitpunkt der zitierten Leitentscheidungen des Europäischen Gerichtshofs gab es - wenn auch fragmentierte - Freistellungsregelungen für Vertikalvereinbarungen (vgl. Bechtold/Busch/Brinker/Hirsbrunner, a.a.O., Einf. VO 2790/1999 Rz. 3 ff.); die qualitativen vertikalen Vertriebssysteme, die den genannten Anforderungen entsprechen, wurden sozusagen "auf der Tatbestandsebene" vom Kartellverbot des Art. 81 Abs. 1 EGV und damit auch vom Anwendungsbereich der Vertikal-GVO ausgenommen. Dem entspricht, dass die Vertikal-GVO für die Frage der Zulässigkeit einer Vereinbarung nicht darauf abstellt, ob diese durch die Art der vertriebenen Produkte bestimmt ist und ob sie einheitlich und diskrimierungsfrei durchgeführt wird.

c) Das von der Beklagten mit den Auswahlkriterien vom Mai 2007 aufgebaute selektive Vertriebssystem genügt den oben genannten Anforderungen; es stellt daher keine Wettbewerbsbeschränkung dar.

aa) Die Auswahl der Wiederverkäufer knüpft an deren fachliche Qualifikation und sachliche Ausstattung an. Das kann für die Anforderungen an die Fachkunde des Verkaufspersonals sowie an die Präsentation in den Einzelhandelsgeschäften nicht zweifelhaft sein. Dasselbe gilt aber für die Anforderungen an den Vertrieb der Markenprodukte über das Internet. Sie betreffen ebenso wie die Anforderungen an ein Einzelhandelsgeschäft die sachliche Ausstattung des Wiederverkäufers. Wenn er über das Internet vertreiben will, muss er über einen Internetauftritt verfügen, der den gestellten Anforderungen genügt. Ein Vertrieb über ebay und vergleichbare Auktionsplattformen erfüllt nach den Auswahlkriterien diese Anforderungen nicht; auch insoweit wird daher an die sachliche Ausstattung, nämlich an die Ausgestaltung des Internetvertriebs, angeknüpft.

bb) Die Anforderungen sind durch objektive Eigenschaften der vertriebenen Produkte bedingt. Der Feststellung des Landgerichts, dass die von der Beklagten unter den Marken "Scout" und "4YOU" vertriebenen Schulranzen und Schulrucksäcke eher hochpreisige Produkte darstellen, die als Markenprodukte entwickelt und mit großem Werbeaufwand vermarktet werden, ist die Klägerin im Berufungsrechtszug nicht mit Substanz entgegengetreten; die Feststellung steht mit dem Akteninhalt im Einklang. Die Beklagte als Markeninhaberin hat sich entschieden, die "Scout"- und "4YOU"-Produkte nicht als billige Massenware, sondern - im Vergleich zu anderen Schulranzen und -rucksäcken - im Segment der eher hochwertigen Produkte mit besonderem Kundennutzen, entsprechendem Beratungsbedarf und damit höherem Preis zu positionieren. Diese Entscheidung des Markeninhabers über die Positionierung seines Produktes im Markt, die zu seinen Kernbefugnissen gehört, ist im Ausgangspunkt hinzunehmen und nur daraufhin zu überprüfen, ob das Produkt überhaupt Anknüpfungspunkte für eine solche Positionierung bietet. Das ist hier der Fall (a.A. LG Berlin BB 2009, 1381).

Schulranzen und Schulrucksäcke unterliegen vielfachen, teilweise gegenläufigen Anforderungen. Zu Recht und von der Berufung unbeanstandet hat das Landgericht auf die Erfordernisse Strapazierfähigkeit, Wasserundurchlässigkeit und Umweltfreundlichkeit hingewiesen; hinzu kommen Sicherheitserfordernisse (z.B. Sichtbarkeit) und praktische Bedürfnisse z.B. nach Geräumigkeit und sachgerechter Raumaufteilung. Dem steht die gerade bei Kindern und Jugendlichen aus orthopädischen Gründen bedeutsame Forderung nach geringem Eigengewicht und gutem Tragekomfort des Ranzens oder Rucksacks gegenüber (vgl. zum Ganzen den als Anlage B 3 vorliegenden Testbericht). Diese vielfältigen, am Produkt orientierten Sachgesichtspunkte bedingen einen erhöhten Entwicklungsaufwand. Das gilt in besonderem Maße dann, wenn der Markeninhaber - wie im Streitfall - die Markenprodukte in der Spitzengruppe des Marktes positionieren und den unterschiedlichen Kundenbedürfnissen durch entsprechende Sortimentsbreite und -tiefe gerecht werden will. Hieraus werden ferner sowohl die Einordnung im höheren Preissegment als auch das Erfordernis einer fachkundigen Beratung der Kunden beim Kauf plausibel.

cc) Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass ein selektives Vertriebssystem nicht nur im Fall von Luxusprodukten, die die "Aura des Exklusiven" umgibt, vom Kartellverbot nach § 1 GWB ausgenommen ist. Zwar hatten einige der Leitentscheidungen, in denen die kartellrechtliche Zulässigkeit qualitativer selektiver Vertriebssysteme bejaht wurde, derartige Luxusprodukte zum Gegenstand. Andere Waren sind dadurch jedoch nicht ausgeschlossen; Beispiele sind etwa Tafelgeschirr, Uhren oder Presseerzeugnisse (vgl. Zimmer a.a.O., Art. 81 Abs. 1 EGV Rz. 373 m.w.N.). Die kartellrechtlichen Erwägungen, die den Entscheidungen zugrunde liegen, knüpfen nicht primär an der Eigenschaft als Luxuswaren, sondern daran an, dass selektive Vertriebssysteme unter den oben genannten Voraussetzungen ein mit Art. 81 Abs. 1 EGV vereinbarer Bestandteil des Wettbewerbs sind. Damit ist eine Anknüpfung an die oben aufgeführten Spezifika der vertriebenen Produkte nicht ausgeschlossen.

dd) Die objektiven Eigenschaften der in Rede stehenden Produkte "erfordern" daher im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die Einrichtung eines selektiven Vertriebsystems, das Anforderungen an die Kompetenz und die Ausstattung der Vertriebspartner stellt. Auf solche qualitativen Anforderungen beschränken sich die Auswahlkriterien für Vertriebspartner der Beklagten. Im Zentrum steht dabei das Erfordernis eines stationären Einzelhandelsgeschäfts, das die personelle und sächliche Qualifikation eines Fachhändlers für die "Scout"- und "4YOU"-Markenprodukte aufweisen muss, um die genannten Anforderungen zu erfüllen, nämlich eine Sortimentsbreite und -tiefe, die dem Kunden eine Auswahl aus dem Spektrum der Markenprodukte ermöglicht, und eine fachkundige Beratung, um den individuellen Kundenbedürfnissen gerecht zu werden (vgl. die Präambel und Ziff. 1, 2 der Auswahlkriterien). Weiter wird auf eine hervorgehobene Präsentation der genannten Marken und auf Servicequalität Wert gelegt. Folgerichtig wird eine Belieferung von Unternehmen ausgeschlossen, die ausschließlich über das Internet vertreiben (Ziff. 9).

Die hier im Streit stehenden Anforderungen an den Vertrieb über das Internet, der neben einem Einzelhandelsvertrieb geschieht, folgen gleichfalls diesen Grundgedanken. So soll der Verbraucher zum Besuch des Einzelhandelsgeschäfts zwecks fachkundiger Beratung motiviert werden; die Marken müssen angemessen präsentiert und die Kunden umfassend informiert werden. Auch bei ihnen handelt es sich daher um qualitative Selektionskriterien, die an die objektiven Eigenarten der in Rede stehenden Markenprodukte anknüpfen.

Die Auffassung des Landgerichts Berlin (BB 2009, 1381), das generelle Verbot eines Absatzes über ebay stelle kein qualitatives Merkmal für die Auswahl des Wiederverkäufers dar, teilt der Senats nicht. Die Art und Weise, wie ein Wiederverkäufer Markenprodukte präsentiert, anbietet und vertreibt, ist das zentrale qualitative Merkmal des Wiederverkäufers, auf das der Vertriebsbinder berechtigterweise Einfluss nimmt, soweit die von ihm diskriminierungsfrei geforderten Modalitäten in sachlichem Zusammenhang mit den Eigenschaften der vertriebenen Produkte stehen. Im Streitfall können der dargestellte produktspezifische Beratungsbedarf, aber auch der vom Markeninhaber zulässigerweise gewählte Qualitätsanspruch und die daraus resultierende Zugehörigkeit zum höheren Preissegment grundsätzlich Anlass dafür sein, einen Vertrieb über stationäre Fachgeschäfte zu favorisieren und - damit einhergehend - an die Präsentation der Ware im Internet und an die zu nutzende Internet-Vertriebsplattform bestimmte Anforderungen zu stellen.

ee) Das Landgericht hat festgestellt, dass die genannten Anforderungen einheitlich und diskriminierungsfrei durchgeführt werden. Anhaltspunkte dafür, dass diese Feststellung zu Unrecht getroffen worden wäre, bestehen nicht. Hinsichtlich der Belieferung von Versandhändlern wie ... oder ... hat das Landgericht unbeanstandet festgestellt, dass diese nicht ausschließlich über das Internet liefern; dies ist im übrigen gerichtsbekannt. Auch die - unstreitige - Belieferung der Handelskette ... steht der Feststellung einer diskriminierungsfreien Anwendung des Vertriebssystems nicht entgegen. Das Merkmal der Einheitlichkeit und Diskriminierungsfreiheit verlangt nicht zwingend eine Lückenlosigkeit des Vertriebssystems; es genügt, dass etwaigen Lücken im Vertriebsnetz eine nachvollziehbare und willkürfreie Vertriebspolitik zugrunde liegt (vgl. Immenga/Mestmäcker/Zimmer, a.a.O., § 1 GWB Rz. 362 m.w.N.). Die Beklagte hat vorgetragen, sie vertreibe über ... lediglich Restposten, Auslauf- und Vorjahresmodelle, was mit dem in Anlage BK 12 - Reklame von ... - enthaltenen Hinweis "Sonderposten - solange der Vorrat reicht" in Einklang steht; der Vertrieb von Restposten und Auslaufmodellen über eine Handelskette wäre jedenfalls ein hinreichender sachlicher Grund. Dem substantiierten Vortrag der Beklagten ist die Klägerin nicht mit gleicher Substanz entgegengetreten. Dass die Beklagte ihre eigenen Vertriebsanforderungen systematisch - also nicht nur in Einzelfällen - missachtete, ist ebenfalls nicht ersichtlich.

ff) Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kann eine Beschränkung des Wettbewerbs durch qualitativ-selektive Vertriebssysteme trotz Einhaltung der oben erörterten Anforderungen dann entstehen, wenn die Zahl solcher Systeme keinen Raum mehr für Vertriebsformen lässt, denen eine andere Wettbewerbspolitik zugrunde liegt, oder wenn sie zu einer Starrheit der Preisstruktur führt, die nicht durch andere Faktoren des Wettbewerbs zwischen Erzeugnissen derselben Marke oder durch das Bestehen eines echten Wettbewerbs zwischen verschiedenen Marken aufgewogen wird (EuGH Slg. 1986, 3021 - Metro II). Dass eine solche Situation auf dem Markt für Schulranzen und -rucksäcke - erst recht auf dem Markt für "Schulbuchbehältnisse" jeder Art - bestünde, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Markt ist, wie sich u.a. aus dem vorgelegten Testbericht (Anlage B 3) ergibt, durch Wettbewerb zwischen Produkten verschiedener Hersteller, Marken und Preissegmente gekennzeichnet; über die Vertriebsformen der konkurrierenden Produkte ist nichts vorgetragen, das die genannten erstarrten Strukturen vermuten ließe. Auch ein Wettbewerb zwischen verschiedenen Vertriebsformen innerhalb der "Scout"- und "4YOU"-Markenprodukte ist gegeben; ein Vertrieb über das Internet ist neben dem Fachhandelsvertrieb möglich und wird, wie das von den Parteien diskutierte Beispiel "www.....com" zeigt, auch praktiziert.

Auch die Behauptung, die Beklagte nutze den selektiven Vertrieb zu einer unzulässigen Preisbindung, ist nicht belegt. Bußgeldverfahren aus dem Jahr 1994, wie sie die Klägerin nunmehr anführt (Anlage BK 35), sind für die Beurteilung der aus dem Jahr 2007 stammenden Auswahlkriterien ohne Belang.

gg) Ob aus sachlichen Gründen eine Differenzierung zwischen den verschiedenen bei ebay möglichen Vertriebsformen, insbesondere mit Blick auf die Möglichkeit eines Vertriebs über ebay-Shops, geboten ist, ist nach Auffassung des Senats an dieser Stelle nicht entscheidend. Es kann unterstellt werden, dass der in den Auswahlkriterien enthaltene generelle Ausschluss des Vertriebs über Auktionsplattformen wie ebay zur Erreichung der von der Beklagten verfolgten, grundsätzlich nach § 1 GWB zulässigen Zwecke insoweit nicht erforderlich ist, als er auch einen Vertrieb über ebay-Shops umfasst, welche den von der Klägerin aufgestellten Kriterien für einen Internet-Vertrieb (Anlage B 1, Ziff. 10) entsprechen. In diesem Fall würde die mit einem (hypothetischen) Vertrieb über einen solchen ebay-Shop begründete Lieferverweigerung zwar - wenn die Voraussetzungen für eine Freistellung nicht vorlägen - gegen § 1 GWB verstoßen. Selbst wenn der generelle Ausschluss eines Vertriebs über ebay unwirksam wäre (hierzu näher unter 4.b)), kann die Klägerin hieraus die geltend gemachten Ansprüche aber nicht herleiten. Denn die Klägerin betreibt keinen ebay-Shop, der den Anforderungen nach Ziff. 10 der Auswahlkriterien genügt; wie unter Ziff. 4. näher ausgeführt wird, muss die Beklagte jedenfalls die von der Klägerin konkret praktizierte, in Anlage B 10 dokumentierte Vertriebsform im Rahmen ihres ansonsten zulässigen qualitativ-selektiven Vertriebssystems nicht hinnehmen. Daraus folgt, dass die Klägerin auch dann, wenn der Ausschluss des ebay-Vertriebs in diesem Punkt zu weit ginge, keinen in die Zukunft gerichteten Belieferungsanspruch gegen die Beklagte hätte. Denn es steht dem Hersteller frei, einen solchen Verstoß gegen § 1 GWB entweder durch eine diskriminierungsfreie Belieferung von Außenseitern oder durch eine Aufgabe oder Änderung seines Vertriebssystems zu beenden (vgl. - zum europäischen Kartellrecht - BGH GRUR 1999, 276 - Depotkosmetik). Damit können auch die geltend gemachten Unterlassungsanträge mit dieser Begründung keinen Erfolg haben. Gegenüber der Klägerin, deren konkret praktizierte Vertriebsweise durch entsprechende Abänderung der Kriterien im Rahmen des selektiven Vertriebs zulässigerweise ausgeschlossen werden könnten, darf die Beklagte die Belieferung unter Hinweis auf den Vertrieb über ebay verweigern.

4. Zu Recht hat das Landgericht auch einen Unterlassungsanspruch aus § 20 Abs. 1, Abs. 2 i.V.m. § 33 GWB verneint. Dabei kann die zwischen den Parteien umstrittene Frage, ob die Beklagte Normadressatin der genannten Vorschriften ist, im Streitfall offen bleiben. Selbst wenn die Beklagte die von der Klägerin behaupteten Marktanteile hätte, würde aus dem Umstand, dass die Auswahlkriterien einen Verkauf der "Scout"- und "4YOU"- Produkte über ebay und vergleichbare Auktionsformate im Internet nicht zulassen, kein Verstoß gegen die genannten Vorschriften folgen, aus dem die Klägerin einen Belieferungsanspruch herleiten könnte.

a) Das Landgericht ist auch insoweit von zutreffenden rechtlichen Grundlagen ausgegangen. Eine Differenzierung zwischen Behinderung und unbilliger Benachteiligung ist im Rahmen der Prüfung nach § 20 Abs. 1 GWB wegen der weitreichenden Überschneidungen beider Tatbestände weder möglich noch geboten (vgl. Immenga/Mestmäcker/Markert, a.a.O., § 20 GWB Rz. 115 m.w.N.). Ob Behinderungen anderer Unternehmen im Wettbewerb als unbillig und deren unterschiedliche Behandlung als sachlich nicht gerechtfertigt zu beurteilen sind, ist nach dem einheitlichen Maßstab einer Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB zu entscheiden (BGHZ 38, 90 - Treuhandbüro; BGH GRUR 2003, 893 - Schülertransporte; BGHZ 160, 67 - Standard-Spundfass).

b) Einen Fall, in dem ein Händler von der Beklagten beliefert worden ist, der gegen die Auswahlkriterien verstößt, insbesondere im Wege des Einzelverkaufs von "SCOUT"- und "4YOU"-Produkten über ebay, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht maßgeblich, ob es - abstrakt betrachtet - eine Art des Verkaufs über ebay oder andere Auktionsplattformen gibt, die nach dem Ergebnis der Abwägung nicht zum Anlass einer Liefersperre genommen werden könnte. Die gestellten Anträge sind darauf gerichtet, der Beklagten zu untersagen, eine Belieferung der Klägerin unter Hinweis auf das ebay-Verbot in ihren Auswahlkriterien zu verweigern. Dieser Unterlassungsanspruch besteht nicht, wenn der von der Klägerin konkret praktizierte oder von ihr als rechtmäßig in Anspruch genommene Verkauf nach dem Ergebnis der Abwägung von der Beklagten nicht hingenommen werden muss. Solange die Beklagte befürchten muss, dass die Klägerin die streitigen Produkte in einer Weise vertreibt, die ihr als Markeninhaberin unter Berücksichtigung der Interessen der Klägerin und der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB nicht zuzumuten ist, kann sie eine Belieferung der Klägerin ohne Verstoß gegen § 20 GWB ablehnen.

Ob das ebay-Verbot in den Auswahlkriterien der Beklagten bei abstrakter Betrachtung zu weit geht, ist auch im vorliegenden Zusammenhang ohne Bedeutung. Für die gegenteilige Sichtweise kann sich die Klägerin auch nicht auf die Einordnung der Auswahlkriterien als allgemeine Verkaufsbedingungen berufen. Selbst wenn das ebay-Verbot AGB-rechtlich in der gewählten Formulierung unwirksam wäre, etwa weil ein Verkauf über (in bestimmter Weise ausgestaltete) ebay-Shops nicht diskriminierungsfrei untersagt werden könnte, folgte daraus kein Belieferungsanspruch der Klägerin, solange diese eine Vertriebsform für sich in Anspruch nimmt, die die Beklagte im Rahmen ihres Vertriebssystems kartellrechtlich zulässigerweise zum Anlass für einen Ausschluss der Klägerin als Vertriebspartner nehmen dürfte. Denn die (unterstellte) AGB-rechtliche Unwirksamkeit des ebay-Verbots würde nach dem oben Ausgeführten die Wirksamkeit des übrigen Klauselwerks, durch welches das qualitativ-selektive Vertriebssystem der Beklagten bestimmt wird, unberührt lassen (§ 306 Abs. 1 BGB). Für die Frage, ob die Beklagte die Belieferung der Klägerin verweigern darf, bliebe es dann bei den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen, also dem Grundsatz der Vertragsfreiheit, der auch die Verweigerung einer Belieferung einschließt, und seinen Einschränkungen durch das Kartellrecht. Dies führt zurück auf die genannte Fragestellung, ob die Beklagte gegen kartellrechtliche Bestimmungen verstößt, wenn sie im Hinblick auf die konkrete von der Klägerin praktizierte oder zumindest in Anspruch genommene Vertriebsform deren Belieferung verweigert.

c) Vor diesem Hintergrund ist die vom Landgericht getroffene Abwägung nicht zu beanstanden.

aa) Der Senat geht davon aus, dass die Klägerin ein erhebliches wirtschaftliches Interesse an dem praktizierten Vertrieb (auch) der "Scout"- und "4YOU"-Produkte über ebay hat. Sie kann dabei mit vergleichsweise geringen Investitions- und laufenden Kosten und mit vergleichsweise geringem Zeit- und Arbeitsaufwand eine etablierte Vertriebsstruktur nutzen, die weltweit bekannt ist und von vielen Anwendern genutzt wird. Ihre Angebote sind über die Suchfunktionen von ebay für potentielle Kunden weltweit leicht auffindbar.

Der Senat legt der Abwägung ferner zugrunde, dass der Vertrieb der Markenwaren über ebay für die Klägerin wirtschaftlich attraktiver ist als der Vertrieb über einen eigenen Internet-Shop, obwohl anzumerken ist, dass der Abwägung der hypothetische Fall zugrunde gelegt werden muss, dass alle Vertriebspartner der Beklagten die "Scout"- und "4YOU"-Produkte auch über ebay vertreiben könnten. Damit stünden die von der Klägerin vertriebenen Produkte in ebay unmittelbar neben denen zahlreicher anderer Anbieter mit der Folge eines schärferen Preiswettbewerbs. Dennoch wird davon ausgegangen, dass im Vergleich zu einem eigenen Internet-Shop der geringere Einrichtungs- und Pflegeaufwand und die große Verbreitung von ebay sowie die weiteren von ebay erbrachten Leistungen in der Summe einen wirtschaftlichen Vorteil für diesen Vertrieb gegenüber dem Vertrieb über einen eigenen, den Anforderungen der Klägerin entsprechenden Internet-Shop bedeuten.

bb) Dem Interesse an der Nutzung dieses vorteilhaften Vertriebskanals steht das anerkannte Interesse der Klägerin als Markeninhaberin gegenüber, den Absatz ihrer Erzeugnisse nach eigenem Ermessen so zu gestalten, wie sie es für wirtschaftlich richtig und sinnvoll hält. In diesem Rahmen steht es ihr grundsätzlich frei, ihr Vertriebssystem in qualitativer Hinsicht selektiv auszugestalten und an die Wiederverkäufer für den Vertrieb ihrer Produkte hohe Anforderungen zu stellen, was die fachliche und sächliche Qualifikation und die Erbringung von Serviceleistungen angeht (vgl. BGH GRUR 1981, 610 - SB-Verbrauchermarkt; GRUR 1983, 396 - Modellbauartikel III; GRUR 1987, 459 - Belieferungsunwürdige Vertriebsstätten II).

Im Streitfall hat sich die Klägerin, wie unter Ziff. 3. dargestellt, für ein qualitativ-selektives Vertriebssystem entschieden, welches einen Vertrieb über qualifizierte Fachhandelsgeschäfte favorisiert. Damit sollen die Marken herausgehoben präsentiert werden (vgl. Anlage B 2, Präambel und Ziff. 3); den individuellen Kundenbedürfnissen soll möglichst weitgehend dadurch Rechnung getragen werden, dass eine angemessene Sortimentsbreite und -tiefe der "Scout"- und "4YOU"-Produkte (vgl. Anlage B 2, Ziff. 1, 4) von geschultem Fachpersonal (vgl. Anlage B 2, Ziff. 2) präsentiert wird; ferner wird auf die Erbringung von Serviceleistungen Wert gelegt (vgl. Anlage B 2, Ziff. 5).

Der Vertrieb der Markenprodukte über das Internet wird in Ziff. 9 und 10 der Auswahlkriterien nicht generell ausgeschlossen; er darf aber nur neben dem Betrieb eines Fachhandelsgeschäfts erfolgen, muss auf dieses Geschäft Bezug nehmen und muss den genannten Erfordernissen an den Fachhandelsvertrieb mutatis mutandis so gut wie möglich entsprechen. Deshalb werden in Ziff. 10 für den Internet-Vertrieb wiederum weitreichende Anforderungen an die Präsentation und Abgrenzung der Marken, an die Benutzerfreundlichkeit und an "umfassende Informationen zu den Produkten" - dies schließt nach dem Gesamtzusammenhang auch Informationen über das Sortiment ein - gestellt.

Es kann im Grundsatz nicht zweifelhaft sein, dass derartige Anforderungen von einem Markeninhaber, der sich für eine Positionierung der Markenprodukte im Bereich hoher Qualitätsansprüche und hohen Preisniveaus entschieden hat, gegenüber seinen Wiederverkäufern gestellt werden können. Dass die Anforderungen aufgrund der Verwendung offener Wertungen (z.B. "angemessene Präsentation", "hochqualifizierter Service") in hohem Maße ausfüllungsbedürftig sind, liegt dabei in der Natur der Sache. Gerade wenn der Markeninhaber die unternehmerische Freiheit seiner Vertriebspartner möglichst weitgehend wahren will und deshalb keine detaillierten Vorgaben zur Ausgestaltung der Vertriebsplattform macht, muss er auf solche wertenden Verallgemeinerungen zurückgreifen.

Den von der Beklagten rechtmäßig gestellten Anforderungen genügt die von der Klägerin tatsächlich praktizierte, aus Anlage B 10 ersichtliche Art des Vertriebs über ebay nicht. Die Klägerin verweist lediglich darauf, dass ebay-Shops die Sortimentstiefe eines Anbieters, die Produktinformation und die Markenpräsentation in vergleichbarer Weise wie spezialisierte Internet-Shops leisten können. Sie selbst betreibt aber keinen ebay-Shop, der diesen Anforderungen genügt. Nach Anlage B 10 vertreibt sie die "Scout"- und "4YOU"-Schulranzen und Schulrucksäcke ohne übergeordnete Präsentationsstruktur unter ihrem ebay-Namen "n...". Diese ebay-Verkäufe unterscheiden sich von den bekannten ebay-Auktionen nur dadurch, dass sie - soweit ersichtlich - zu einem festen, nicht erst durch Gebote zu ermittelnden Preis erfolgen.

Jedenfalls diese Art des Verkaufs beeinträchtigt in gravierender Weise die Interessen, die die Beklagte mit ihrem selektiven Vertriebssystem in rechtmäßiger Weise verfolgt. Zum einen stehen, worauf das Landgericht zu Recht hingewiesen hat, die Einzelangebote bei ebay in diametralem Gegensatz zum Bestreben der Beklagten, potentiellen Kunden eine informierte Auswahl aus einem breitem Sortiment zu ermöglichen. Dargestellt und beschrieben wird nur das einzelne Produkt; der Kunde erhält keinen Eindruck von sonstigen, für den jeweiligen Einsatzzweck ebenfalls möglicherweise geeigneten Produkten der Klägerin. Damit einher geht eine unzureichende Präsentation der Marken. Die Einzelangebote leisten keinen eigenen Beitrag zum Aufbau und/oder zur Wahrung des Markenimage; sie nutzen vielmehr das beim Kunden vorhandene Markenimage aus, weil die Kunden oft über die Marken als Suchbegriffe auf die Angebote stoßen.

Hinzu kommt, dass die Einzelangebote für den ebay-Kunden praktisch unterschiedslos neben zahllosen anderen ebay-Angeboten derselben Warenkategorie stehen, bei denen nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist, ob es sich um Neu- oder Gebrauchtware handelt - die Klägerin benutzt z.B. die Option "Sofort Kaufen", die auch für gebrauchte Gegenstände gewählt werden kann, soweit ersichtlich dagegen nicht die Option "Sofort & Neu" (vgl. http://pages.ebay.de/help/buy/formats.html#bin) - und welche Seriosität der jeweilige Anbieter hat. Angebote dieser Art richten sich nach dem Verständnis der beteiligten Verkehrskreise an "Schnäppchenjäger", die bereit sind, lange Listen von Einzelangeboten durchzugehen in dem Bestreben, ein besonders günstiges zu finden. Von einem solchen "Flohmarkt"-Image versucht sich die Beklagte aber mit der Auswahl ihrer Vertriebspartner gerade fernzuhalten und abzugrenzen. Damit wird deutlich, dass das gesamte Konzept des selektiven Vertriebs in Frage gestellt würde, wenn die Vertriebsform der Einzelangebote bei ebay von den eigenen Vertriebspartnern der Beklagten praktiziert würde.

Soweit die Klägerin im nachgelassenen Schriftsatz vom 04.11.2009 vorträgt, sie betreibe einen ebay-Shop mit dem Namen "N...", der die Auswahlkriterien der Beklagten erfülle, ist dieser neue Vortrag vom gewährten Nachschubrecht nicht umfasst und damit nach § 296a ZPO nicht zu berücksichtigen. Im übrigen zeigen die zum Beleg vorgelegten Anlagen BK 52 f., dass von einer "fachhandelsäquivalenten" Präsentation des Sortiments und der Marken auch für den behaupteten ebay-Shop nicht die Rede sein kann; in Anlage BK 53, die das Shopangebot zeigt, sind Markenartikel der Beklagten in der Art von ebay-Einzelangeboten neben Produkten anderer Hersteller aufgelistet. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ist daher nicht veranlasst.

cc) Diese Beeinträchtigung ihrer Markenpositionierung und ihres Vertriebssystems muss die Beklagte auch dann, wenn die behaupteten wirtschaftlichen Vorteile des ebay-Vertriebs für die Wiederverkäufer bestehen, nicht hinnehmen. Die Wiederverkäufer und damit auch die Klägerin können nicht unter Hinweis auf Kostenvorteile, die ihnen der ebay-Verkauf verspricht, die Beklagte zur Aufgabe ihrer Markenstrategie und ihres - wie ausgeführt einheitlich und diskriminierungsfrei durchgeführten - Vertriebssystems zwingen.

Das bestätigt sich gerade bei der gebotenen Einbeziehung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB. Wie oben unter Ziff. 3 ausgeführt wurde, ist ein qualitativ-selektives Vertriebssystem wie dasjenige, das die Beklagte betreibt, als Bestandteil des Wettbewerbs anzusehen, wenn und weil die von den Vertriebsanforderungen ausgehende Beschränkung des Wettbewerbs innerhalb der von der Beklagten belieferten Wiederverkäufer durch einen Wettbewerb zwischen verschiedenen Herstellern, die unterschiedliche Vertriebskonzepte verfolgen, aufgewogen wird. Im Streitfall besteht, wie oben festgestellt, ein lebhafter und funktionierender Wettbewerb zwischen zahlreichen Anbietern auf dem Markt für Schulranzen und -rucksäcke bzw. für "Schulbuchbehältnisse". Wenn die Vertriebsanforderungen der Beklagten dazu führen, dass die Vertriebskosten und damit das Preisniveau für ihre Produkte zu hoch liegen, wird dies auf Kosten ihrer Marktanteile gehen. Zu Recht hat das Landgericht ferner darauf hingewiesen, dass in den Auswahlkriterien der Vertrieb über das Internet und damit das Ansprechen überregionaler Kundekreise durch die Vertriebspartner nicht gänzlich ausgeschlossen wird. Auch bestehen keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass das Vertriebssystem zu einer verbotenen Preisbindung ausgenutzt würde. Die Bestimmung in Ziff. 8 der Auswahlkriterien enthält einen appellativen Hinweis auf die von der Beklagten ausgesprochenen unverbindlichen Preisempfehlungen, weist aber ebenso eindeutig darauf hin, dass die Vertriebspartner in ihrer Preisgestaltung frei sind.

5. Aus denselben Gründen fehlt es an einem Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung nach § 19 Abs. 1 GWB. Das Behinderungs- und Diskriminierungsverbot des § 20 Abs. 1 GWB stellt einen konkretisierenden Unterfall des allgemeinen Missbrauchstatbestands nach § 19 GWB dar (Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Götting, Kartellrecht, 2. Aufl., § 19 Rz. 104 m.w.N.). Die beiden Vorschriften überschneiden sich fast vollständig, soweit es um Verhaltensweisen marktbeherrschender Unternehmen geht (Immenga/Mestmäcker/Markert, a.a.O., § 20 GWB Rz. 239). Deshalb kann in vollem Umfang auf die Ausführungen unter Ziff. 4 Bezug genommen werden. Auch ein Verstoß gegen § 21 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 2 GWB liegt aus den genannten Gründen nicht vor.

6. Im Ergebnis erweist sich die Berufung daher hinsichtlich des Hauptantrags und der Hilfsanträge als unbegründet. Sämtliche geltend gemachten Ansprüche scheiden aus, weil die Weigerung der Beklagten, die Klägerin zu beliefern, angesichts des von der Klägerin praktizierten Vertriebs nicht gegen kartellrechtliche Vorschriften verstößt. Das gilt für den am engsten gefassten, auf die Untersagung von Festpreisangeboten bei ebay bezogenen zweiten Hilfsantrag und erst recht für die weiter gefassten Anträge. Der im Schriftsatz vom 04.11.2009 formulierte weitere Hilfsantrag ist vom gewährten Nachschubrecht nicht umfasst und damit nach § 296a ZPO nicht zu berücksichtigen. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung war auch insoweit nicht geboten. Der Antrag ist durch die Bezugnahme auf "entsprechende ebay-Shops" nicht hinreichend bestimmt; unabhängig davon stehen der Begründetheit auch dieses Antrags die bereits genannten materiellrechtlichen Erwägungen entgegen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen nicht. Die Grundsätze zur Beurteilung qualitativ-selektiver Vertriebssysteme, auf denen die vorliegende Entscheidung beruht, sind in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geklärt.

Ende der Entscheidung

Zurück