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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 24.09.2003
Aktenzeichen: 6 U 52/03
Rechtsgebiete: VerbrKrG


Vorschriften:

VerbrKrG a.F. § 4
VerbrKrG a.F. § 6 Abs. 2 Satz 1
VerbrKrG a.F. § 6 Abs. 2 Satz 2
Selbst wenn der Formangel wegen Fehlens der Einheitlichkeit einer aus getrennten Blättern bestehenden Darlehensvertragsurkunde nach § 6 Abs. 2 S.1 VerbrKrG ( Empfang des Darlehens) geheilt ist, ermäßigt sich der vereinbarte Zinssatz nach § 6 Abs.2 S.2 VerbrkrG auf den gesetzlichen Zinssatz von 4 %, da die Rechtsfolgen dieser Vorschrift auch in jedem Falle der Heilung eines formnichtigen Vertrags eintreten.
Oberlandesgericht Karlsruhe 6. Zivilsenat

Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 6 U 52/03

Verkündet am 24. September 2003

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 10. September 2003 unter Mitwirkung von

Vors. Richter am Oberlandesgericht Dr. Lippok Richter am Oberlandesgericht Naegelsbach Richter am Oberlandesgericht Voß

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 20. Februar 2003 - 3 O 340/02 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von € 4.000,00 abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin hat von der Beklagten die Rückabwicklung eines Darlehensvertrages begehrt und hilfsweise die Feststellung beantragt, dass die zwischen den Parteien vereinbarten Darlehensverträge mit 4 % zu verzinsen sind. Das Landgericht hat unter Abweisung des Hauptantrages dem hilfsweise geltend gemachten Feststellungsbegehren der Klägerin entsprochen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen. Das Berufungsvorbringen beider Parteien veranlasst eine Änderung oder Ergänzung dieser Feststellungen nicht.

II.

Die zulässige Berufung bleibt in der Sache erfolglos. Weder beruht das angefochtene Urteil auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die festgestellten Tatsachen eine andere Entscheidung. Mit zutreffenden Ausführungen, auf die Bezug genommen wird, hat das Landgericht dargelegt und im einzelnen begründet, dass der von den Parteien abgeschlossene Darlehensvertrag dem Schriftformerfordernis des § 4 VerbrKrG nicht genügt und dass sich deshalb gemäss § 6 Abs. 2 S. 1 VerbrKrG der vereinbarte Zinssatz auf den gesetzlichen Zinssatz von 4 % ermäßigt. Die Ausführungen der Beklagten im Berufungsrechtszug veranlassen keine hiervon abweichende Beurteilung.

In Übereinstimmung mit dem Landgericht ist auch der Senat der Auffassung, dass der "BauKreditSystem"-Darlehensantrag vom 19.12.1991 und das "Zusatzblatt zum Darlehensantrag "BauKreditSystem" nicht als einheitliche Urkunde gewertet werden können. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Wahrung der Schriftform in langfristigen Mietverträgen, die auch auf das Schriftformerfordernis des § 4 VerbrKrG anzuwenden ist, müssen mehrere Blätter eine Urkunde oder mehrere Urkunden, die zusammen einen Vertrag ergeben sollen, grundsätzlich fest zu einer Einheit verbunden sein. Allerdings ist dann zur Einhaltung der erforderlichen Schriftform keine körperliche Verbindung der einzelnen Blätter der Urkunde notwendig, wenn sich deren Einheit aus fortlaufender Paginierung, fortlaufender Nummerierung der einzelnen Bestimmungen, einheitlicher graphischer Gestaltung, inhaltlich im Zusammenhang des Textes oder vergleichbaren Merkmalen zweifelsfrei ergibt (BGHZ 136, 357). Sind trotz fehlender Verbindung Unklarheiten ausgeschlossen, so ist es nicht gerechtfertigt, stets an dem Erfordernis einer solchen Verbindung festzuhalten (BGH NJW 1999, 1104/1105). Im Streitfall ist, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, das Erfordernis der Einheit der Urkunde nicht gewahrt. Zwar hat die Beklagte in ihrem Schreiben an die Klägerin vom 28.01.1992 darauf hingewiesen, dass der Klägerin "eine Abschrift des von uns unterschriebenen Darlehensvertrages mit Zusatzblatt" übermittelt werden sollte. Das Zusatzblatt enthält auch den in hervorgehobener Druckschrift gehaltenen Hinweis: "Dieses Zusatzblatt ist wesentlicher Bestandteil des Darlehensvertrages". In dem Zusatzblatt sind ferner die Klägerin als Darlehensnehmerin und die Kontonummern der Darlehen angegeben. Diese Umstände reichen jedoch, wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, für die Annahme einer einheitlichen Urkunde nicht aus. Die von der Rechtsprechung hierfür aufgestellten Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Es fehlt an einer fortlaufenden Paginierung oder fortlaufenden Nummerierung der einzelnen Bestimmungen. Eine einheitliche graphische Gestaltung ist nicht gegeben. Zu Recht weist das Landgericht darauf hin, dass gerade das von der Klägerin unterzeichnete Exemplar des Zusatzblattes aus starkem grau-beige gefärbtem Papier besteht, während der Darlehensantrag auf blau-weiß gehaltenem Dünndruckpapier ausgeführt ist. Für den Adressaten ist ein Zusammenhang beider Urkunden aufgrund ihrer äußeren Gestaltung nicht erkennbar. Es fehlt auch an einem zusammenhängenden Text. Schließlich steht der zweifelsfreien Erkennbarkeit eines Zusammenhangs bei der Urkunde auch entgegen, dass sich in dem Darlehensantrag als eigentlicher Darlehensurkunde kein Hinweis auf das Zusatzblatt befindet. Die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung an die Einheitlichkeit einer aus getrennten Blättern bestehenden Urkunde sind daher im Streitfall nicht erfüllt.

Der Formmangel ist zwar dadurch geheilt worden, dass die Klägerin die Darlehen empfangen hat (§ 6 Abs. 2 S. 1 VerbrKrG). Das Landgericht hat jedoch zu Recht festgestellt, dass sich der vereinbarte Zinssatz auf den gesetzlichen Zinssatz von 4 % ermäßigt hat. Der Senat schließt sich insoweit der im Schrifttum vertretenen Auffassung an, dass die Rechtsfolge des § 6 Abs. 2 S. 2 nicht nur dann eintritt, wenn die dort im einzelnen angeführten Angaben fehlen, sondern in jedem Falle der Heilung eines formnichtigen Vertrages. Der Gesetzgeber hat in der genannten Vorschrift zwar keine ausdrückliche Regelung darüber getroffen, welche Rechtsfolge eintritt, wenn nicht nur eine der dort aufgezählten Pflichtangaben in dem Vertrag nicht enthalten ist, sondern die Schriftform insgesamt i.S.v. § 4 Abs. 1 S. 1 VerbrKrG nicht eingehalten ist. Der den §§ 4, 6 VerbrKrG zugrunde liegende Gesetzeszweck (vollständige Information des Kreditnehmers und Warnung vor ungünstigen Klauseln) rechtfertigt es, die in § 6 Abs. 2 S. 2 vorgesehene Rechtsfolge in analoger Anwendung auch auf die Fälle anzuwenden, in denen dem Schriftformerfordernis insgesamt nicht genügt ist, wie etwa bei dem mündlichen Abschluss von Kreditverträgen oder - wie im Streitfall - bei Fehlen einer einheitlichen Urkunde. Denn das Schriftformerfordernis dient insgesamt dem Zweck, zu gewährleisten, dass der Kreditnehmer sämtliche für ihn wichtigen Vertragsbestimmungen in Kreditverträgen mit hinreichender Sicherheit zur Kenntnis nehmen und beurteilen kann. Dieser Zweck ist auch dann nicht erfüllt, wenn dem Erfordernis der Schriftform insgesamt nicht genügt ist.

In dem angefochtenen Urteil ist der Klägerin schließlich auch nicht mehr zugesprochen worden, als sie beantragt hatte. Der von ihr gestellte Hilfsantrag auf Feststellung, dass die zwischen den Parteien vereinbarten Darlehensbeträge mit 4 % zu verzinsen sind, bringt hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass ihr Begehren darauf gerichtet war, die in § 6 Abs. 2 S. 2 vorgesehenen Begünstigungen des Kreditnehmers in vollem Umfang in Anspruch zu nehmen. Nach all dem hat das Landgericht der Klage zu Recht im geschehenen Umfang stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hiergegen war zurückzuweisen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

Ende der Entscheidung

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