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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 13.02.2008
Aktenzeichen: 6 U 79/07
Rechtsgebiete: NachbG Baden-Württemberg


Vorschriften:

NachbG Baden-Württemberg § 11
1. Eine an der Grundstücksgrenze errichtete Mauer verliert ihren Charakter als tote Einfriedung im Sinne des § 11 NRG BW nicht dadurch, dass auf dem Grundstück des Errichtenden der Boden bis an die Oberkante der Mauer durch Aufschüttung erhöht wird und die Mauer (nunmehr) das Nachbargrundstück nach §§ 9, 10 NRG gegen Schädigungen, die von der Erhöhung ausgehen, sichert.

2. In einem solchen Fall ist die Höhe der toten Einfriedung vom verbliebenen natürlichen Bodenniveau am Mauerfuß an der Grundstücksgrenze (also auf der zum Nachbargrundstück weisenden Seite) zu messen.


Oberlandesgericht Karlsruhe 6. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 6 U 79/07

Verkündet am 13. Februar 2008

In dem Rechtsstreit wegen Nachbarrechtsstreitigkeit

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 13. Februar 2008 unter Mitwirkung von für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 26.03.2007 (Az. 5 O 275/06) wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziff. 1 der Urteilsformel klarstellend wie folgt neu formuliert wird:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die entlang der Grenze der Grundstücke der Parteien (Flurstücknummern und in W.) errichtete Mauer auf eine Höhe von 1,50 m zu kürzen, zu entfernen oder mit der Mauer einen Grenzabstand entsprechend der Mehrhöhe einzuhalten, die über 1,50 m hinausgeht.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die in W. lebenden Parteien sind Nachbarn. Sie streiten um eine an der Grundstücksgrenze errichtete Mauer und eine hinter dieser Mauer vorgenommene Aufschüttung auf dem Grundstück der Beklagten.

Auf dem Grundstück der Kläger steht eine bis an die Grenze zum Grundstück der Beklagten heranreichende Garage. An der Grundstücksgrenze haben die Beklagten auf ihrem Grundstück eine hinter der Außenwand der Garage verlaufende, aber straßen- und gartenseitig über die Garage hinausreichende Mauer errichtet. Wegen des gartenseitig abfallenden Grundstücks überragt die Mauer in diesem Bereich das natürliche Bodenniveau um bis zu 2 m. Zwischen der Mauer und ihrer Terrasse haben die Beklagten ihr Grundstück dergestalt aufgeschüttet, dass der Boden von der Terrasse bis dicht unter die Oberkante der Mauer weitgehend eben verläuft.

Die Kläger haben in erster Instanz u.a. beantragt:

1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, die entlang der Grenze der Grundstücke der Parteien (Flurstück-Nummern und in W.) errichtete Mauer auf eine Höhe von 1,50 m zu kürzen, zu entfernen oder sonst zurückzuversetzen, wie sie 1,50 m übersteigt;

(...)

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Im Rechtsstreit erster Instanz ist Beweis erhoben worden durch Einnahme eines Augenscheins und durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Das Landgericht Mannheim hat mit dem angefochtenen Urteil dem Antrag Ziff. 1 stattgegeben und die weitergehende Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Die Kläger haben ihre Berufung, mit der sie über das erstinstanzliche Urteil hinaus die Verurteilung der Beklagten auch nach Antrag Ziff. 4 erstrebten, in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen.

Die Beklagten erstreben mit ihrer Berufung weiterhin die vollständige Abweisung der Klage. Sie machen geltend, die von ihnen errichtete Mauer sei als Stützmauer und nicht als Grenzmauer einzustufen; sie verhindere, dass Erdreich vom Grundstück der Beklagten auf das der Kläger gelange. Zudem sei das Beseitigungsverlangen der Kläger schikanös. Diese hätten unmittelbar an der Mauer eine größere Aufschüttung entfernt, über die eine auf dem Grundstück der Kläger befindliche Treppe habe betreten werden können. Von der Oberkante dieser Aufschüttung aus gemessen habe die Mauer an jeder Stelle eine Höhe von unter 1,50 m gehabt. Erst im Verlauf des Rechtsstreits hätten die Kläger diese Aufschüttung, die seit mehr als 10 Jahren bestanden habe, wieder beseitigt.

Die Kläger verteidigen die Verurteilung der Beklagten nach Antrag Ziff. 1. Sie bestreiten, im Verlauf des Rechtsstreits durch Abtragung von Erdreich die Höhendifferenz der beiden Grundstücke verändert zu haben. Richtig sei lediglich, dass nach der Erstellung des Gutachtens vor der Garagentür eine Erdaufschüttung entfernt wurde; an dieser Stelle solle eine Treppe errichtet werden.

Gründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Zutreffend hat das Landgericht den Klagantrag Ziff. 1 für begründet erachtet.

1. Die Beklagten haben auf ihrem Grundstück unstreitig eine Erhöhung des Bodens gegenüber dem natürlichen Bodenniveau vorgenommen. Diese Aufschüttung wird gegenüber dem Grundstück der Kläger durch die streitgegenständliche, an der Grundstücksgrenze verlaufende Mauer abgefangen.

Eine solche Aufschüttung ist, wie sich aus § 9 NRG BW ergibt, grundsätzlich zulässig. Wer den Boden erhöht, ist sogar verpflichtet, für eine Absicherung des Nachbargrundstücks gegen Schädigungen durch Absturz oder Pressung des Bodens zu sorgen, § 9 Abs. 1 S. 1 NRG BW. Eine typische Sicherungsmaßnahme ist die Errichtung einer Stützmauer, §§ 9 Abs. 2, 10 Abs. 1 NRG. Gegenüber einem nicht landwirtschaftlich genutzten Grundstück darf die Stützmauer auch direkt an der Grundstücksgrenze errichtet werden, vgl. § 10 Abs. 1, 2 NRG.

2. Das Recht zur Errichtung einer entlang der Grenze verlaufenden, eine Aufschüttung ermöglichenden Stützmauer ist aber durch § 11 NRG BW begrenzt. Eine an der Grundstücksgrenze errichtete Stützmauer, hinter der anschließend der Boden erhöht wird, stellt auch dann eine tote Einfriedung im Sinne des § 11 NRG BW dar, wenn die Aufschüttung den Boden bis zur Oberkante der Mauer erhöht, so dass die Mauer im Endergebnis vom Grundstück des Errichtenden aus betrachtet keine Einfriedung mehr darstellt. Denn für die Frage, ob eine Einfriedung vorliegt, kann - ebenso wie für die Bestimmung der Höhe der Einfriedung - allein der Zeitpunkt ihrer Errichtung maßgeblich sein; spätere Abgrabungen oder Aufschüttungen bleiben nach Sinn und Zweck der Vorschrift unberücksichtigt (vgl. Birk, Nachbarrecht für Baden-Württemberg, 5. Aufl., § 11 Anm. 4). Im Zeitpunkt der Errichtung grenzt eine zur Abstützung einer Aufschüttung vorgesehene, an der Grenze verlaufende Stützmauer die beiden benachbarten Grundstücke gegeneinander ab, friedet also das Grundstück des Errichtenden ein. Aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 11.10.1996 (NJW-RR 1997, 16) folgt nichts anderes. Diese Entscheidung ist zum nordrhein-westfälischen Nachbarrecht ergangen, das eine andere Gesetzessystematik aufweist als die hier einschlägigen Vorschriften des baden-württembergischen Nachbarrechtsgesetzes.

3. Nach § 11 Abs. 2 NRG BW ist mit toten Einfriedungen (außer Drahtzäunen und Schranken) gegenüber nicht landwirtschaftlich genutzten Grundstücken ein Grenzabstand entsprechend der Mehrhöhe einzuhalten, die über 1,50 m hinausgeht. Dabei ist die Höhe nach dem Gesagten vom natürlichen Bodenniveau am Mauerfuß (also auf der zum klägerischen Grundstück weisenden Seite der Mauer) aus zu messen (vgl. Birk a.a.O.). Nach den Feststellungen des Landgerichts, die die Beklagten nicht angegriffen haben, ist schon die Mauer selbst - ohne den auf die Mauerkrone gesetzten Jägerzaun - jedenfalls in Teilbereichen mehr als 1,50 m hoch. Dies rechtfertigt nach § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 11 Abs. 2 NRG BW den gestellten Antrag. Nur der Vollständigkeit halber sei hinzugefügt, dass entgegen der Auffassung der Beklagten dem erstinstanzlichen Vorbringen der Kläger keine Beschränkung ihres Rechtsschutzbegehrens dahingehend entnommen werden kann, dass nur die Höhe der Betonmauer beanstandet und ein auf einer die Maximalhöhe einhaltenden Betonmauer errichteter Jägerzaun geduldet würde. Auch trifft die Auffassung des Landgerichts zu, dass der Jägerzaun zur Höhe der Einfriedung hinzuzurechnen ist, weil er von den in § 11 Abs. 2 NRG BW genannten Ausnahmen (Schranken und Drahtzäune) nicht umfasst ist.

4. Von einer gegen Treu und Glauben verstoßenden, "schikanösen" Rechtsausübung der Kläger kann entgegen der Auffassung der Beklagten nicht die Rede sein. Sowohl bei dem in erster Instanz eingenommenen gerichtlichen Augenschein als auch im Rahmen der Ermittlungen des Sachverständigen wurde festgestellt, dass die Mauer die von § 11 Abs. 2 NRG BW vorgesehene Maximalhöhe in Teilbereichen überschreitet. Die Beklagten haben nicht mit der erforderlichen Konkretisierung vorgetragen, dass diese Überschreitung in ihrer Gänze nur deshalb festgestellt werden konnte, weil die Kläger zuvor eine seit Jahren bestehende Aufschüttung auf ihrem Grundstück entfernt hatten. Dies liegt nach dem Inhalt der erstinstanzlichen Akte völlig fern; die erstmals von den Klägern mitgeteilte Abgrabung, die u.a. der Errichtung einer Treppe an der Rückseite der Garage dienen soll, wurde erst nach dem Augescheinstermin und nach Vorliegen des Sachverständigengutachtens thematisiert. Nach den vorliegenden Lichtbildern liegt außerdem fern und ist jedenfalls nicht substantiiert vorgetragen, dass die entfernte Aufschüttung bis zu dem für die Höhenbestimmung maßgeblichen Fuß der Mauer reichte und deshalb Einfluss auf die rechtlich relevante Höhe der Mauer hatte.

5. Zu Recht hat daher das Landgericht den Antrag Ziff. 1 für begründet erachtet. Die Formulierung des entsprechenden Urteilsausspruchs wurde zur sprachlichen Klarstellung in der erkannten Weise angepasst.

Damit ist die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung ergibt sich unter Berücksichtigung der Berufungsrücknahme der Kläger aus §§ 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 S. 1, 92 Abs. 1 ZPO. Das Interesse der Parteien an ihren jeweiligen Berufungsanträgen ist mangels gegenteiliger Anhaltspunkte gleich hoch zu bewerten, so dass im Rahmen der einheitlichen Kostenentscheidung die Aufhebung der Kosten gemäß § 92 Abs. 1 ZPO gerechtfertigt ist. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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