Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 10.07.2002
Aktenzeichen: 7 U 159/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 1
BGB § 847
1. Über Möglichkeit der Verwendung verschiedener Materialkombinationen bei einer Totalendoprothese muss der Arzt nicht von sich aus aufklären, denn dabei handelt es sich nicht um Behandlungsalternativen mit jeweils wesentlich unterschiedlichen Belastungen des Patienten oder wesentlich unterschiedlichen Risiken und Erfolgschancen.

2. Die Frage, ob der Arzt zu einem Hinweis auf einen Prothesenwechsel verpflichtet war, ist keine Frage der Erforderlichkeit der Eingriffsaufklärung, denn es ist nicht die Rechtswidrigkeit eines Eingriffs mangels wirksamer Einwilligung zu beurteilen. Ob der Arzt verpflichtet war, den Patienten über verschiedene Behandlungsmöglichkeiten zu beraten, beurteilt sich danach, ob der Arzt seine Pflichten aus dem Behandlungsvertrag verletzt hat, was vom Patienten zu beweisen ist.


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE Im Namen des Volkes Urteil

7 U 159/01

Verkündet am: 10. Juli 2002

In Sachen

wegen Schadensersatz (Arzthaftpflicht)

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 12. Juni 2002 durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 11. Juni 2001 - 10 O 443/99 - wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsrechtszugs.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1950 geborene Kläger litt infolge einer 1964 aufgetretenen Epiphyseolysis capitis femoris (Verschiebung des Schenkelhalses) an einer Coxarthrose rechts, die zu zunehmenden Schmerzen und Bewegungsbehinderungen im Bereich der rechten Hüfte führte. Nachdem der ihn betreuende Neurochirurg und Orthopäde Dr. med. R. die Indikation zu einer totalendoprothetischen Hüftversorgung rechts gestellt hatte, wandte sich der Kläger im August 1989 an den damaligen ärztlichen Direktor der Orthopädischen Abteilung der Beklagten, Herrn Prof. R. , der ihm als Spezialist benannt worden war. Dort wurde dem Kläger eine Totalendoprothese mit einem individuell angefertigten Titanschaft vorgeschlagen. Über die Frage, welche Materialkombinationen für Hüftkopf und -pfanne zur Verfügung standen, wurde nicht gesprochen.

Am 14.11.1998 setzte der als Oberarzt bei der Beklagten tätige Dr. H. dem zu diesem Zweck stationär aufgenommenen Kläger eine zementfreie Totalendoprothese rechts ein. Als Pfanne wurde ein MEC-Ring verwendet, als Schaft eine individuell gefertigte Titan-Prothese implantiert. Auf die Titan-Prothese wurde ein Metallkopf mit einem Durchmesser von 32 mm aufgesetzt. Bei dem MEC-Ring handelt es sich um einen Titan-Schraubring, in den ein Polyaethylen-Inlay eingesetzt wird.

Der Kläger war in der Folge am operierten Hüftgelenk zunächst beschwerdefrei. Kontrollen am 31.10.1990 und 04.05.1992 in der Orthopädischen Abteilung blieben ohne Befund. Bei einer weiteren Nachuntersuchung am 15.07.1993 in der Klinik der Beklagten wurde eine Pfannenlockerung und -wanderung festgestellt, dem Kläger aber noch kein Pfannenwechsel vorgeschlagen. Dies geschah erst bei einer weiteren Kontrolluntersuchung am 02.11.1994 und ein weiteres Mal am 16.03.1995. Am 30.10.1995 ließ der Kläger im St. E.-Krankenhaus in R. die Hüftpfanne auswechseln. Dabei wurde der MEC-Ring durch eine zementierte Weber-Pfanne mit einem Durchmesser von 56 mm und einem Metasul-Inlay in Kombination mit einem Metasul-Kopf als Metall/Metall-Gleitpaarung ersetzt.

Der Kläger hat behauptet, es sei fehlerhaft gewesen, eine Metall/Polyaethylen-Kombination zu verwenden, denn diese habe gegenüber einer Keramik/Polyaethylen-Kombination einen stärkeren Abrieb, der zu einer Lockerung der Pfanne führe. Außerdem habe der individuell angefertigte Schaft nicht mit einer standardisierten Schraubpfanne kombiniert werden dürfen. Auch dadurch werde das Lockerungsrisiko erhöht. Die Verwendung des MEC-Rings der Firma M. sei ebenfalls fehlerhaft gewesen. Bei den Kontrollen im Oktober 1990 und im Juli 1993 hätten die Ärzte der Beklagten Lockerungszeichen übersehen. Wenn dies nicht der Fall gewesen wäre, wären weitere Aufnahmen gemacht worden, die ergeben hätten, dass eine sofortige Revisionsoperation erforderlich sei.

Wenn der Kläger vor der Operation im November 1989 über die Möglichkeiten verschiedener Materialkombinationen aufgeklärt worden wäre, hätte er sich wegen des geringeren Abriebs für eine Keramik/Polyaethylen-Kombination entschieden.

Im Juli 1993 habe er wieder Beschwerden im Bereich der rechten Hüfte gehabt. Bei der Kontrolluntersuchung sei er nicht auf die Pfannenlockerung und -wanderung hingewiesen worden.

Der Kläger hat die Zahlung eines Schmerzensgeldes verlangt, für das er 17.500,00 € angemessen hält sowie Feststellung, dass der Beklagte zum Ersatz sämtlichen materiellen Schadens, der dem Kläger aus dem Eingriff vom 14.11.1989 entsteht, verpflichtet ist.

Der Beklagte hat behauptet, die Behandlung habe den Regeln der Kunst entsprochen. Der Kläger sei im erforderlichen Umfang aufgeklärt worden. Der Kläger hätte sich, auch wenn ihm die verschiedenen Möglichkeiten und Risiken von Materialkombinationen erklärt worden wären, nicht in einem plausiblen Entscheidungskonflikt befunden.

Bei der Untersuchung 1993 habe der Kläger keine Beschwerden im Bereich der rechten Hüfte geäußert. Das Untersuchungsergebnis sei ihm mitgeteilt worden. Vor November 1994 habe eine zwingende Indikation zum Pfannenwechsel aber nicht bestanden.

Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 11.06.2001, auf das auch wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands Bezug genommen wird, abgewiesen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, der das Urteil nur hinsichtlich der Ausführungen zur Aufklärung angreift und im einzelnen geltend macht:

Der Kläger habe über die verschiedenen Möglichkeiten der Materialkombinationen für die Prothese aufgeklärt werden müssen. Wenn dies der Fall gewesen wäre, hätte er die Materialkombination Keramik/Polyaethylen ernsthaft in seine Überlegungen eingestellt, zumindest weitere Informationen eingeholt und auch andere Ärzte gezielt darauf angesprochen.

Der die Kontrolluntersuchung am 15.07.1993 durchführende Arzt der Beklagten habe den Kläger darüber aufklären müssen, dass eine Indikation zum Prothesenwechsel bestehe, es aber auch möglich sei, zunächst die weitere Entwicklung abzuwarten und erst im Falle einer Wanderung der Hüftpfanne in das kleine Becken einen Pfannenwechsel vorzunehmen. Wenn der Kläger nach entsprechender Aufklärung sogleich nach dem 15.07.1993 den erforderlichen Prothesenersatz vorgenommen hätte, wären ihm die bis zum tatsächlichen Pfannenwechsel bestehenden Beschwerden erspart geblieben.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Karlsruhe abzuändern:

1. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst 4 % Zinsen hieraus ab Klagerhebung zu bezahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen Schäden, die ihm aus dem Eingriff vom 14.11.1989 - Einsetzung einer Hüftendoprothese rechts - und/oder der anschließenden Nachbehandlung durch die Beklagte entstanden sind oder entstehen, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, eine Aufklärung über die Möglichkeit, statt der Materialkombination Metall/Polyaethylen eine Prothese aus Keramik/Polyaethylen zu verwenden, sei nicht erforderlich gewesen.

Dem Kläger sei es besonders um den individuell angefertigten Schaft gegangen, von dem er begeistert gewesen sei. Materialalternativen hätten keine Rolle gespielt, selbst wenn explizit darüber gesprochen worden wäre. Ein Wechsel der Pfanne sei nicht schon indiziert, wenn Lockerungszeichen röntgenologisch festgestellt werden könnten. Beschwerden habe der Kläger im Juli 1993 nicht geäußert. Mangels Indikation zum Prothesenwechsel habe der Kläger 1993 über die Notwendigkeit oder Möglichkeit einer solchen Operation auch nicht aufgeklärt werden müssen. Der Umstand, dass der Beklagte die Operation erst im November 1995 habe durchführen lassen, obwohl ihm von den Ärzten der Beklagten bereits im November 1994 ein Pfannenwechsel empfohlen worden sei, zeige, dass dem Kläger auch bei entsprechender Aufklärung bereits im Juli 1993 die Beschwerden bis zum November 1995 nicht erspart geblieben wären.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

1. Aus der Operation am 14.11.1989 kann der Kläger keine Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche herleiten. Einen Behandlungsfehler hat der Kläger nicht nachgewiesen. Die Ausführungen des Landgerichts werden insoweit nicht angegriffen. Der Eingriff war auch nicht rechtswidrig, weil der Kläger wirksam in die Operation eingewilligt hat. Einer Aufklärung über die verschiedenen Möglichkeiten der Materialkombinationen für die Prothese bedurfte es nicht. Die Wahl der Behandlungsmethode ist primär Sache des Arztes. Deshalb hat er dem Patienten im Allgemeinen nicht ungefragt zu erläutern, welche Behandlungsmethoden theoretisch in Betracht kommen und was für und gegen die eine oder andere dieser Methoden spricht, so lange er eine Therapie anwendet, die dem medizinischen Standard genügt (BGH VersR 1988, 179, 180). Die Wahrung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten kann aber die Unterrichtung über die alternativ zur Verfügung stehenden Behandlungsmöglichkeiten erfordern, wenn für eine medizinisch sinnvolle und indizierte Therapie mehrere Behandlungsmethoden zur Verfügung stehen, die zu jeweils unterschiedlichen Belastungen des Patienten führen oder unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten. Dann muss der Patient selbst prüfen können, was er an Belastungen und Gefahren im Hinblick auf möglicherweise unterschiedliche Erfolgschancen der verschiedenen Behandlungsmethoden auf sich nehmen will (BGH VersR 1988, 179, 180; BGH VersR 1996, 233; BGH NJW 2000, 1788, 1789). Die Verpflichtung zur Aufklärung über Behandlungsalternativen hat aber Grenzen. Sie kann nur da verlangt werden, wo der Patient eine echte Wahlmöglichkeit hat. Außerdem muss eine etwaige Kenntnis über theoretisch in Betracht kommende Behandlungsalternativen für den Patienten in seiner jeweiligen Situation entscheidungserheblich sein. Das ist dann nicht der Fall, wenn diese anderen, theoretisch in Betracht kommenden ärztlichen Maßnahmen keine besonders ins Gewicht fallenden Vorteile hinsichtlich der Heilungschancen und möglicher Komplikationen derselben Risikogruppe haben und nach medizinischer Erfahrung jedenfalls nicht besser indiziert sind (BGH aaO). Die Behandlungsalternativen müssen zu jeweils wesentlich unterschiedlichen Belastungen des Patienten führen oder wesentlich unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten (Geiß/Greiner Arzthaftpflichtrecht 4. Aufl. C II Rz. 23, Seite 171). Über verschiedene zur Wahl stehende Operationsverfahren muss der Arzt nicht von sich aus aufklären (BGH VersR 1982, 771, 772; OLG Oldenburg OLGR 1998, 129, 130 = VersR 1998, 1285, 1286; OLG Hamm VersR 1992, 834). Ein wesentlicher Unterschied wird dagegen in der Regel angenommen, wenn die Wahl zwischen einer Operation und einer konservativen Behandlung besteht (vgl. z. B. BGH VersR 1988, 190 und die Nachweise in Geiß/Greiner aaO Rz. 381, Seite 154).

Hier führte die Verwendung verschiedener Materialkombinationen nicht zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen und Risiken. Die Materialkombination Keramik/Polyaethylen bot keine besonders ins Gewicht fallenden Vorteile hinsichtlich möglicher Komplikationen derselben Risikogruppe gegenüber der Materialkombination Metall/Polyaethylen. Es ging weder um die Frage, ob die Operation überhaupt durchgeführt werden sollte noch darum, was für eine Operation erfolgen sollte, vielmehr ging es um die Frage der Haltbarkeit der Prothese. Diese war insgesamt bei der Materialkombination Keramik/Polyaethylen nicht wesentlich anders zu beurteilen als bei der Materialkombination Metall/Polyaethylen. Nach dem Kenntnisstand zur Zeit der Operation war der Verschleiß bei der Materialpaarung Metall/Polyaethylen mit 0,2 mm pro Jahr Abrieb geringfügig höher als bei der Materialpaarung Keramik/Polyaethylen mit 0,05 bis 0,1 mm Abrieb (Seite 24, 25 des Gutachtens Prof. R. , I 183). Der Sachverständige Prof. R. hat in Übereinstimmung mit dem vorgelegten vorgerichtlichen Gutachten von Prof. J. dargelegt, dass Versuche im Hüftsimulator einen 10mal geringeren Abrieb bei der Materialpaarung Keramik/Polyaethylen gegenüber der Paarung Metall/Polyaethylen ergeben hätten, weist aber im Ergänzungsgutachten (Seite 2; I 271, 273) darauf hin, die Versuche im Hüftsimulator hätten nur eine geringe Übereinstimmung mit dem Verhalten in vivo ergeben. Dort hätten Untersuchungen einen 2- oder 3fach höheren Abrieb bei der Materialkombination Metall/Polyaethylen ergeben. Die Höhe des Abriebrisikos sei auch nicht gleichbedeutend mit der klinischen Lockerungsrate. Einem geringfügig besseren Abriebverhalten stand aber ein höheres Sprengungsrisiko bei der Materialpaarung Keramik/Polyaethylen gegenüber (Seite 25 des Gutachtens Prof. R. , I 185). Damit war die Haltbarkeit einer Prothese aus der Materialkombination Keramik/Polyaethylen insgesamt nicht wesentlich anders zu beurteilen als bei der Materialkombination Metall/Polyaethylen.

2. Eine Haftung der Beklagten folgt auch nicht daraus, dass der Kläger am 15.07.1993 nicht auf die Indikation zu einem Prothesenwechsel hingewiesen worden ist. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass der Kläger sich bei einem entsprechenden Hinweis früher hätte operieren lassen.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Frage der Erforderlichkeit einer solchen Aufklärung nicht unter dem Gesichtspunkt der Eingriffsaufklärung zu beurteilen. Denn es geht anders als bei den vom Kläger in Anspruch genommenen Entscheidungen BGH NJW 1992, 2354, 2355, NJW 1998, 1784, 1785 nicht darum, ob die Einwilligung in eine erfolgte Operation wirksam war, sondern darum, ob der Arzt verpflichtet war, den Kläger über verschiedene Behandlungsmöglichkeiten zu beraten. Es ist nicht die Rechtswidrigkeit eines Eingriffs mangels wirksamer Einwilligung zu beurteilen, sondern die Frage, ob die Beklagte ihre Pflichten aus dem Behandlungsvertrag verletzt hat (vgl. BGH VersR 1989, 702). Diese Pflichtverletzung ist vom Kläger zu beweisen. Sie liegt nur dann vor, wenn eine relative Operationsindikation bestand. Eine dringliche Indikation zum Wechsel der Hüftpfanne bestand nicht - und wird auch vom Kläger nicht behauptet -, weil eine solche nur dann zu stellen ist, wenn die Gefahr besteht, dass die Hüftpfanne in das kleine Becken wandert, was hier ausweislich der Röntgenaufnahmen nicht der Fall war. Allerdings ist hier von einer relativen Operationsindikation auszugehen. Eine solche lag vor, wenn neben den radiologischen Lockerungszeichen der Patient auch Beschwerden hatte (Seite 33 des Gutachtens Prof. R. , I 201; Seite 4 des Ergänzungsgutachtens I 275). Es ist hier davon auszugehen, dass der Kläger bereits bei der Untersuchung am 15.07.1993 über solche Beschwerden geklagt hat. In den Krankenunterlagen der Beklagten fehlt jegliche Dokumentation der - unstreitig stattgefundenen - Untersuchung am 15.07.1993. Damit fehlen auch Angaben darüber, ob der Kläger bereits zu diesem Zeitpunkt über Beschwerden geklagt hat. Ihm ist es deshalb unmöglich, seine Behauptung durch Vorlage der Krankenunterlagen zu beweisen. Zum Ausgleich dieser Erschwernis kommen dem Patienten im Prozess Beweiserleichterungen zugute (BGH VersR 1999, 190, 191; BGHZ 129, 6, 10). Das führt hier dazu, dass zu vermuten ist, dass der Kläger bereits bei der Untersuchung im Juli 1993 Beschwerden angegeben hat. Die Beklagte hat diese Vermutung nicht widerlegt.

Die Beklagte haftet dennoch nicht, weil der Senat nicht davon überzeugt ist, dass der Kläger sich bei unterstellt richtiger Beratung früher hätte operieren lassen. Die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für den Schaden hat grundsätzlich der Kläger zu beweisen. Gründe für eine Beweiserleichterung insoweit wie etwa ein grober Behandlungsfehler werden nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich. Der Kläger hat keinen Beweis für seine Behauptung angeboten, er habe sich bei entsprechender Beratung bereits im Juli 1993 früher operieren lassen. Der Senat ist davon auch nicht aufgrund des Parteivorbringens und der persönlichen Anhörung des Klägers gemäß § 141 ZPO in der mündlichen Verhandlung vom 12. Juni 2002 überzeugt. Dafür, dass der Kläger bei entsprechendem Hinweis 1993 noch zugewartet hätte, spricht zunächst, dass er, auch nachdem ihm im November 1994 eine Operation angeraten worden war, diese erst am 31.10.1995 hat durchführen lassen. Der Kläger hat dazu zunächst vorgetragen (I 101, 103), dies habe an einer beruflichen Umorientierung gelegen und an dem ärztlichen Hinweis, die Operation in Ruhe zu überdenken. Mit Schriftsatz vom 03.06.2002 (II 67) hat er dann behauptet, er habe sich im Anschluss an die im November 1994 erfolgte Empfehlung zum Pfannenwechsel um eine schnellstmögliche Durchführung des Eingriffs bemüht; dass dieser erst im Oktober 1995 am St. E. -Krankenhaus R. habe durchgeführt werden können, habe mit den dort zu dieser Zeit nur begrenzt vorhandenen Kapazitäten zusammen gehangen. Persönlich angehört, hat der Kläger angegeben, man habe ihn im Krankenhaus der Beklagten im November 1994 gleich dabehalten wollen. Der seinerzeitige Operateur, Dr. H. sei nicht mehr da gewesen. Er habe das Gefühl gehabt, man wolle Spuren beseitigen. Er habe dann Dr. H. aufgesucht, der ihm gesagt habe, er solle es sich in Ruhe überlegen. Er habe sich dann von verschiedenen Seiten informieren wollen. Er habe Beschwerden gehabt, diese seien mit der Zeit schlimmer geworden. Auch aufgrund dieser Umstände liegt die Annahme nahe, dass der Kläger die Operation auch wenn er bereits im Sommer 1993 auf die relative Indikation eines Pfannenwechsel aufmerksam gemacht worden wäre, nicht früher hätte vornehmen lassen, sondern er den Zeitpunkt der Operation im Herbst 1995 aufgrund der dann stärkeren Beschwerden wählte und dies auch bei früherer Information nicht anders getan hätte. Jedenfalls aber ist der Senat aufgrund der genannten Umstände nicht davon überzeugt, dass der Kläger sich bei entsprechender Information im Juli 1993 hätte früher operieren lassen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 108 Abs. 1 S. 2 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO bestehen nicht.

Ende der Entscheidung

Zurück