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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 21.10.2004
Aktenzeichen: 7 U 169/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 233
ZPO § 234
ZPO § 524
1. Bei Versäumung der Frist zur Einlegung der Anschlussberufung ist grundsätzlich eine Wiedereinsetzung nach § 233 ZPO möglich.

2. Die Frist für die Wiedereinsetzung beginnt in dem Zeitpunkt, in dem der Rechtsanwalt die Versäumung der Frist hätte erkennen Können.


Oberlandesgericht Karlsruhe 7. Zivilsenat Beschluss

Geschäftsnummer: 7 U 169/03

21. Oktober 2004

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatz

Tenor:

1. Die Anschlussberufung der Beklagten zu 1 gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 22.07.2003 - 3 O 267/02 - wird als unzulässig verworfen.

2. Der Antrag der Beklagten zu 1 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anschlussberufung wird zurückgewiesen.

Gründe:

1. Die Berufungsbegründung der Kläger wurde dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 09.10.2003 zugestellt. Nach § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO in der für den Streitfall maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses vom 27.07.2001 (BGBl. I 1887) endete die Frist zur Einlegung einer Anschlussberufung demnach am 10.11.2003, einem Montag. Bis zu diesem Zeitpunkt ging eine Anschlussberufung beim Oberlandesgericht nicht ein. Der Schriftsatz der Beklagten zu 1 vom 17.11.2003, der eine Anschlussberufung enthält, ging am gleichen Tag beim Oberlandesgericht ein. Die Anschlussberufung der Beklagten ist daher als unzulässig zu verwerfen.

2. Der Antrag der Beklagten zu 1 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anschlussberufung hat keinen Erfolg. Auch wenn § 233 Abs. 1 ZPO die Frist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht nennt, kommt eine Wiedereinsetzung allerdings grundsätzlich in Betracht. Der Senat schließt sich insoweit der überwiegenden Ansicht an, wonach die Rechtslage hier nicht anders zu beurteilen ist als im Fall des § 556 ZPO a.F. (OLG Zweibrücken v. 27.06.2003 - 2 UF 151/02, NJW-RR 2003, 1299 m.w.N.;. Greger in Zöller, ZPO, 24. Auflage, § 233 Rdn. 6, Rimmelspacher in MünchKomm-ZPO, Aktualisierungsband, § 524 Rdn. 35; a.A. zu § 556 ZPO a.F. Feiber in MünchKommZPO, 2. Auflage, § 233 Rdn. 14). Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt jedoch nur in Betracht, wenn die betroffene Partei gehindert war, die Frist zur Einlegung der Anschlussberufung einzuhalten, ohne dass sie oder ihren Prozessbevollmächtigten ein Verschulden trifft. Dabei sind die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen gemäß § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO glaubhaft zu machen.

3. Im Hinblick auf die Bedeutung der Frist zur Anschlussberufung könnte ein der Beklagten zu 1 nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten nur dann verneint werden, wenn er veranlasst hätte, dass eine Vorfrist notiert wird (vgl. BGH v. 30.10.2001 - VI ZB 49/01, VersR 2002, 506 m.w.N.).

a) Die Beklagten hat dies zwar vorgetragen, jedoch nicht bereits im Antrag auf Wiedereinsetzung vom 28.11.2003, sondern erst mit Schriftsatz vom 04.12.2003. Zu diesem Zeitpunkt war jedoch die Frist zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 234 Abs. 1 und 2 ZPO) bereits abgelaufen. Die Wiedereinsetzungsfrist beginnt nach § 234 Abs. 2 ZPO mit dem Tage, an dem das Hindernis behoben ist. Maßgeblich für den Fristbeginn im Sinne von § 234 ZPO ist, wann das Hindernis tatsächlich entfiel oder hätte beseitigt werden können. Ausreichend ist dabei, wenn der Rechtsanwalt bei Anwendung äußerster Sorgfalt die Fristversäumung hätte erkennen können (BGH v. 13.12.1999 - II ZR 225/98, NJW 2000, 592). Demzufolge wurde die Frist zur Wiedereinsetzung hier nicht erst am 21.11.2003, sondern bereits am 17.11.2003 in Gang gesetzt. Denn spätestens an diesem Tag hätte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten, als er die Berufungserwiderung und die Anschlussberufung verfasste, bei Beachtung gehöriger Sorgfalt bemerken müssen, dass die Frist zur Anschlussberufung bereits abgelaufen war. Die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist endete mithin am Montag, den 01.12.2003. Innerhalb dieser Frist mussten alle tatsächlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit und Begründetheit des Wiedereinsetzungsantrags vorgetragen werden. Eine Nachholung dieser Angaben oder das Nachschieben einer neuen Begründung nach Fristablauf ist nicht möglich (BGH v. 05.10.1999 - VI ZB 22/99, NJW 2000, 365, 366). Das Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 04.12.2003, die Mitarbeiterin sei mündlich angewiesen worden, eine Vorfrist für die Frist zur Anschlussberufung einzutragen, kann damit nicht berücksichtigt werden.

b) Im übrigen ist dieses Vorbringen der Beklagten zu 1 nicht glaubhaft. Im Wiedereinsetzungsantrag vom 28.11.2003 hat die Beklagte vorgetragen, der Beklagtenvertreter habe die Frist zur Anschlussberufung selbst in den Fristenkalender für den 10.11.2003 eingetragen. Weiter heißt es dort, das Fehlen einer Eintragung der Vorfrist beruhe darauf, dass für den 10.11.2003 in dieser Sache bereits eine Vorfrist eingetragen gewesen sei. Unabhängig davon, dass dieser Vortrag wenig plausibel ist, weil eine Vorfrist an einem früheren Datum einzutragen ist, so dass eine am gleichen Tag eingetragene Vorfrist kaum Anlass sein kann, die Eintragung einer Vorfrist für eine andere Frist an einem früheren Tage zu unterlassen, wird mit keinem Wort erwähnt, dass der Beklagtenvertreter die Mitarbeiterin angewiesen habe, eine Vorfrist für die Frist zur Anschlussberufung einzutragen. Das hat die Beklagte zu 1 erst mit Schriftsatz vom 04.12.2003 vorgetragen. Wäre dieser Vortrag zutreffend, wäre zu erwarten gewesen, dass die Beklagte bereits in ihrer Begründung des Wiedereinsetzungsantrags diese Anweisung erwähnt. Sollte der Beklagtenvertreter die Frist zur Anschlussberufung tatsächlich selbst berechnet und in den Fristenkalender eingetragen haben, erscheint es im übrigen fernliegend, dass er die Vorfrist nicht im gleichen Zuge selbst einträgt, sondern die Mitarbeiterin anweist, die Vorfrist einzutragen.

4. Schließlich könnte das Wiedereinsetzungsgesuch selbst dann keinen Erfolg haben, wenn der Vortrag der Beklagten zur Eintragung einer Vorfrist als rechtzeitig und glaubhaft angesehen werden könnte. Denn ein Verschulden des Beklagtenvertreters liegt dann darin, dass er die gebotene Fristenprüfung unterlassen hat, als ihm die Akte am 10.11.2003 gemäß der für diesen Tag eingetragenen Vorfrist zur Berufungserwiderung vorgelegt wurde. Nach der Rechtsprechung des BGH hat der Rechtsanwalt, dem die Sache - gleichgültig ob mit oder ohne Handakten (BGH v. 05.03.2002 - VI ZR 286/01, NJW-RR 2002, 860) - im Zusammenhang mit einer befristeten Prozesshandlung zur Bearbeitung vorgelegt wird, diese sogleich - nicht erst bei Bearbeitung der Sache (BGH v. 11.12.1991 - VIII ZB 38/91, NJW 1992, 841) - hinsichtlich eventuell ablaufender Fristen zu prüfen (BGH v. 11.2.1992 - VI ZB 2/92, NJW 1992, 1632 m.w.N.; v. 25.11.1998 - XII ZB 204/96, NJW-RR 1999, 429, 430). Eine solche Pflicht zur Überprüfung der Fristen wird lediglich für den Fall verneint, dass dem Rechtsanwalt die Akten aus anderen Gründen vorgelegt werden (BGH NJW-RR 1999, 429, 430). Hätte der Beklagtenvertreter die danach gebotene Prüfung vorgenommen, hätte er bereits am 10.11.2003 bemerken müssen, dass die Frist zur Anschlussberufung mit dem Ende dieses Tages ablaufen würde.

5. Nach alledem ist der Antrag der Beklagten zu 1 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anschlussberufung zurückzuweisen.

6. Die Kostenentscheidung erfolgt mit der Entscheidung über die Berufung der Kläger.



Ende der Entscheidung

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