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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 14.07.2004
Aktenzeichen: 7 U 18/03
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 1
BGB § 847
ZPO § 531 Abs. 2
1. Zur Erfüllung der Pflicht, die Fußböden der dem Publikumsverkehr gewidmeten Räume im Rahmen des Zumutbaren und Möglichen während der Geschäftszeiten frei von Gefahren zu halten, hat der Betreiber eines Supermarkts durch Anordnung darauf hinzuwirken, dass die Böden regelmäßig kontrolliert und gereinigt werden.

2. Kontroll- und Reinigungsabstände von 15 Minuten sind grundsätzlich nicht zu beanstanden, denn es sind auch wirtschaftliche Gesichtspunkte zu bedenken. Weitergehende Maßnahmen können bei Anlagen eines objektiven Maßstabs vom Kunden nicht erwarten werden. Dies gilt auch für die besonders gefahrenträchtige Gemüseabteilung.

3. In kleinen, ohne weiteres räumlich überschaubaren Geschäften kann eine allgemeine Anweisung an das gesamte Personal, alle 15 Minuten zu kontrollieren, ob Verunreinigungen vorhanden sind und diese zu beseitigen, genügen und es nicht erforderlich sein, eine bestimmte Personen mit der Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht zu betrauen.


Oberlandesgericht Karlsruhe 7. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 7 U 18/03

Verkündet am 14. Juli 2004

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatz

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 09. Juni 2004 unter Mitwirkung von

Richter am Oberlandesgericht Richterin am Oberlandesgericht Richter am Oberlandesgericht

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 12. Dezember 2002 - 7 O 192/02 - im Kostenpunkt aufgehoben und im übrigen wie folgt abgeändert:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.000,00 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins, höchstens jedoch 8,62 % seit dem 26. Juni 2002 zu zahlen.

2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

III. 1. Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin im ersten Rechtszug tragen die Klägerin 91 % und der Beklagte zu 1 9 %. Von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1 im ersten Rechtszug tragen die Klägerin 82 % und der Beklagte zu 1 18 % selbst.

2. Von den Kosten des zweiten Rechtszugs tragen die Klägerin 82 % und der Beklagte zu 1 18 %.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten materiellen und immateriellen Schadensersatz für eine Verletzung, die sie sich beim Sturz in einem Lebensmittelgeschäft, das zumindest auch vom Beklagten betrieben wird, zugezogen hat. Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen des Sach- und Streitstands in erster Instanz sowie der getroffenen Feststellungen Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen, da der Beklagte seiner Verkehrssicherungspflicht in ausreichendem Maße nachgekommen sei. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihr Klagbegehren unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vortrags weiter verfolgt. Der Beklagte verteidigt das Urteil. Wegen des weiteren Sach- und Streitstands im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze und Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung ist hinsichtlich des Schmerzensgeldes teilweise begründet, im übrigen unbegründet.

1. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Schmerzensgeld in Höhe von 3.000,00 € gem. § 847 BGB in der bis 31.07.2002 geltenden Fassung (Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB).

a) Die getroffenen Feststellungen des Landgerichts werden von den Parteien nicht angegriffen. Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Feststellungen begründen könnten, sind auch nicht ersichtlich (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

b) Die Berufung rügt jedoch zu Recht, dass das Landgericht die Anforderungen an die im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht zu treffenden Maßnahmen eines Supermarktbetreibers nicht richtig bestimmt hat. Das Urteil beruht deshalb auf einer Rechtsverletzung (§ 513 Abs. 1 ZPO).

aa) Aufgrund der Feststellungen des Landgerichts ist davon auszugehen, dass die Klägerin auf dem Fruchtfleisch einer oder mehrerer auf dem Fußboden beim Obststand des Geschäfts liegenden Trauben ausgerutscht ist. Nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises spricht die Lebenserfahrung dafür, dass der objektiv verkehrswidrige Zustand des Bodens und damit die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht eine Ursache für den Sturz bildete. Die Anwendung des Anscheinsbeweises ist bei der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten geboten, die wie Schutzgesetze und Unfallverhütungsvorschriften durch genaue Verhaltensanweisungen typischen Gefährdungen entgegen wirken sollen, wenn sich in dem Schadensereignis gerade diejenige Gefahr verwirklicht, der durch die Auferlegung der konkreten Verhaltenspflichten begegnet werden sollte (vgl. nur BGH, Urteil vom 14.12.1993 - VI ZR 271/92 -, VersR 1994, 324, 325). Steht der objektive Sorgfaltsverstoß und damit die Verletzung der äußeren Sorgfaltspflicht fest, so wird damit die Verletzung der inneren Sorgfalt indiziert oder es spricht ein Anscheinsbeweis für die Verletzung der inneren Sorgfalt (BGH, Urteil vom 11.07.1986 - VI ZR 22/85 -, NJW 1986, 2757 m. w. N.; OLG Hamm, Urteil vom 26.10.1981 - 13 U 153/81 -, VersR 1983, 43; OLG Köln, Urteil vom 25.06.1998 - 12 U 271/97 -, OLGR Köln 1999, 68 = VersR 1999, 861, 862). Der Beklagte hatte danach darzulegen und zu beweisen, dass er seine Verkehrssicherungspflicht erfüllt hat und es dessen ungeachtet zum Sturz der Klägerin gekommen ist (vgl. nur BGH , Urteil vom 26.09.1961 - VI ZR 92/61 -, NJW 1962, 31; BGH, a. a. O, NJW 1986, 2757; BGH; Urteil vom 14.12.1993 - VI ZR 271/92 -, VersR 1994, 324, 325; st. Rspr. des Senats, vgl. nur Urteil vom 22.09.1999 - 7 U 51/99 - S. 5, Beschluss vom 02.11.2000 - 7 W 25/00 -; OLG Köln, a. a. O., OLGR Köln 1999, 68 = VersR 1999, 861; RGRK/Steffen, 12. Aufl., § 823 Rn. 520). Davon ist auch das Landgericht ausgegangen.

bb) Dieser Darlegungslast ist der Beklagte nicht in ausreichendem Maße nachgekommen. Nach seinem eigenen Vortrag hat er nicht alle erforderlichen Vorkehrungen getroffen, um seine Verkehrssicherungspflicht zu erfüllen.

(1.) Die Verkehrssicherungspflicht des Beklagten erstreckt sich darauf, die Fußböden der dem Publikumsverkehr gewidmeten Räume - im Rahmen des Zumutbaren und Möglichen - während der Geschäftszeiten frei von Gefahren zu halten (BGH, Urteil vom 05.07.1994 - VI ZR 238/93 -, NJW 1994, 2617). Dieser Verpflichtung wird in der Regel genügt, wenn die Gewähr besteht, dass sich der Kunde bei normalem vernünftigen Verhalten sicher in den freigegebenen Räumen bewegen kann, denn der Inhaber hat nur diejenige Sicherheit zu schaffen und zu bieten, die man bei Berücksichtigung der jeweils gegebenen Verhältnisse und der Art und Weise des infrage kommenden Publikumsverkehrs allgemein erwarten darf und muss (BGH, a. a. O., VersR 1994, 2617, OLG Köln, Urteil vom 24.04.1996 - 2 U 107/95 -, VersR 1997, 1113 m. w. N.). Zur Erfüllung dieser Pflicht hat der Geschäftsinhaber durch Anordnung darauf hinzuwirken, dass die Böden regelmäßig kontrolliert und gereinigt werden, und die Befolgung dieser Anweisung auch zu kontrollieren (Senatsurteil a. a. O., S. 5 f., OLG Koblenz, Urteil vom 27.09.1994 - 3 U 595/93 -, NRW-RR 1995, 158, OLG Köln a. a. O., OLGR Köln 1999, 68 = VersR 1999, 861). Dies gilt insbesondere für einen Verbrauchermarkt mit einer Obst- und Gemüseabteilung. Dort ist damit zu rechnen, dass durch auf den Boden gefallene Gemüse- oder Obstreste Gefahrenstellen für die Kunden entstehen.

(2.) Nach den Feststellungen des Landgerichts, die der Entscheidung des Senats gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugrunde zu legen sind, besteht in dem nicht gerade kleinen Geschäft des Beklagten, das eine Verkaufsfläche von etwa 660 m² hat (so die Zeugin W. , Protokoll vom 21.11.2002, S. 7, I 133), die Anweisung an die Mitarbeiter, alle 15 Minuten zu kontrollieren, ob Verunreinigungen vorhanden sind und diese ggf. zu beseitigen. Darüber hinaus sollen sie bei einem Aufenthalt in der Gemüseabteilung, z. B. beim Auffüllen oder Abwiegen von Waren, auf Verunreinigungen achten.

Die Kontroll- und Reinigungsabstände von 15 Minuten sind bei einem Ladengeschäft dieser Größenordnung grundsätzlich nicht zu beanstanden. Da die Verkehrssicherungspflicht sich im Rahmen des Zumutbaren halten muss und dabei auch wirtschaftliche Gesichtspunkte zu bedenken sind, kann eine häufigere Kontrolle nicht gefordert werden, wenn nicht die Wetterverhältnisse oder andere Umstände weitergehende Maßnahmen erfordern. Eine solche kann bei Anlagen eines objektiven Maßstabs vom Kunden nicht erwarten werden. Dies gilt auch für die besonders gefahrenträchtige Gemüseabteilung.

Ob allerdings die allgemeine Anweisung an die Mitarbeiter, Kontrollgänge in diesem zeitlichen Abstand durchzuführen, bei einem Geschäft dieses Zuschnitts ausreicht, um die geforderte Reinigungspflicht zu erfüllen, ist zweifelhaft. Bei größeren Kaufhäusern oder Verbrauchermärkten ist es erforderlich und zumutbar, nicht nur eine allgemeine Anweisung an das gesamte Personal zu erteilen, sondern eine (oder mehrere) bestimmte Personen mit der Erfüllung der bedeutsamen Verkehrssicherungspflicht zu betrauen, sodass die Verantwortlichkeit auch unter den Mitarbeitern geklärt ist (vgl. OLG Köln, a. a. O., OLGR Köln 1999, 68 = VersR 1999, 861, OLG Stuttgart, Urteil vom 29.08.1989 - 12 U 95/89 -, VersR 1991, 441, 442, Senatsurteil vom 25.09.1999 - 7 U 51/99 - S. 6). In kleinen, ohne weiteres räumlich überschaubaren Geschäften mag dies grundsätzlich nicht zu verlangen sein. Dass das Geschäft des Beklagten mit immerhin 660 qm Verkaufsfläche noch als ein solches kleines und überschaubares Geschäft anzusehen ist, ist zweifelhaft.

Darüber hinaus ist die Personalsituation im Geschäft des Beklagten zu berücksichtigen. Es sind in der Regel seine Ehefrau und er, zwei weitere Mitarbeiterinnen und zwei Mitarbeiterinnen in der Metzgerei- und Käseabteilung tätig. Sind beide Kassen besetzt, verbleiben also im Laden neben den Mitarbeiterinnen der Metzgereiabteilung nur noch der Beklagte und seine Ehefrau als Personal, die sich aber auch im Büro aufhalten. Bei dieser Situation besteht die Gefahr, dass - insbesondere bei hohem Kundenaufkommen - gar kein Personal zur Ausführung der allgemeinen Anweisung zur Reinigung und Kontrolle der Böden zur Verfügung steht und die Mitarbeiter sich darauf verlassen, ein Kollege werde die Kontrolle durchführen.

(3.) Letztlich kann diese Frage offen bleiben, denn der Geschäftsinhaber genügt seiner Verkehrssicherungspflicht nicht bereits durch die Anweisung, die Kontrollen und die Reinigung in bestimmten Abständen durchzuführen. Vielmehr muss er die Beachtung seiner Anweisung auch kontrollieren, und zwar regelmäßig. Dies hat der Beklagte bereits nach seinem eigenen Vortrag nicht in ausreichendem Maße getan. Die Kontrolle durch den Beklagten oder - in seiner Vertretung - durch seine Ehefrau erfolgt in der Art und Weise, dass bei notwendig werdenden Gängen zwischen den Verkaufsräumen und dem Büro, bei denen man die Gemüseabteilung durchqueren muss, seitens des Beklagten oder seiner Ehefrau die Sauberkeit kontrolliert wird. Darüber hinaus kann vom Büro aus durch die Videoüberwachungsanlage das Verhalten der Mitarbeiter, die sich, wenn sie z. B. an der Waage in der Gemüseabteilung stehen, umdrehen müssen, um die gesamte Fläche zu kontrollieren, überwacht werden. Dieser Vortrag reicht nicht aus, die Erfüllung der Überwachungspflicht darzulegen. Zum einen fehlt es an jedem Vortrag dazu, wie häufig diese Kontrolle tatsächlich erfolgt. Zum anderen ist unstreitig, dass von der Gemüsewaage nicht die gesamte Abteilung zu übersehen ist, so dass eine vollständige Kontrolle des Bodens von dort aus nicht gesichert ist. Im übrigen erscheint es höchst zweifelhaft, wie diese Kontrolle über Monitore vonstatten gehen soll, wenn hohes Kundenaufkommen im Laden ist. Der Beklagte ist dementsprechend seiner Überwachungspflicht nicht in ausreichendem Maße nachgekommen.

(4.) Der Beklagte hat auch nicht dargelegt, wann der Boden am Unfalltag zuletzt kontrolliert wurde oder dass kurz vor dem Sturz der Klägerin der Boden geputzt worden sei, sodass die mangelhafte Organisation nicht ursächlich für den Sturz gewesen wäre. Vielmehr hat die Ehefrau des Beklagten in ihrer Zeugenvernehmung angegeben, in der fraglichen Zeit sei ein hohes Kundenaufkommen im Geschäft gewesen, so dass bei dem begrenzten Personal die organisatorischen Mängel besonders gefahrenträchtig waren.

Schließlich kann sich der Beklagte nicht darauf berufen, dass die Flüssigkeit (Fruchtfleisch), auf der die Klägerin ausgerutscht ist, nicht sichtbar gewesen sei. Denn diese Flüssigkeit befand sich in unmittelbarer Nähe einer Traubenschale, die erkennbar war. Bei einer Kontrolle wäre sie daher aufgefallen, und bei ordnungsgemäßer Reinigung der Stelle wäre auch die etwa 30 cm entfernt befindliche rutschige Flüssigkeitsansammlung erkannt und beseitigt worden.

c) Zum Ausgleich der durch den Sturz erlittenen Verletzungen der Klägerin hält der Senat ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.000,00 € für angemessen. Dabei sind die attestierten und unstreitigen Verletzungen - blutiger Kniegelenkserguss links mit Partellaunterpolfraktur sowie Innenminiskuseinriss (ärztliches Zeugnis des Dr. A. vom 19.03.2002, I 13), die drei Monate lang anhaltende Behandlung (elf Behandlungstermine), die Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch den Gipstutor, deren Dauer allerdings nicht vorgetragen ist, die erheblichen Schmerzen über einen Zeitraum von nahezu drei Monaten und die anschließend noch aufgetretenen schwächeren Schmerzen von weiteren drei Monaten sowie die Arbeitsunfähigkeit von 100 % für drei Monate, 20 % für weitere drei Monate und 10 % für etwa ein Jahr, unabhängig davon, dass die Klägerin ihre Arztpraxis trotz der Arbeitsunfähigkeit weiter führte - zu berücksichtigen. Ein Dauerschaden ist nicht eingetreten. Da die Verursachung des Sturzes auf die fahrlässige Verletzung der Verkehrssicherungspflicht im Gewerbebetrieb des Beklagten zurückzuführen ist, kommt der Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes keine wesentliche Bedeutung zu. Ein Schmerzensgeld von 3.000 € ist nach Abwägung auch der wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien und unter Berücksichtigung des Bestehens einer Haftpflichtversicherung des Beklagten in der zugesprochenen Höhe angemessen.

d) Ein höherer Zinsanspruch als der gesetzliche Zins gem. § 288 Abs. 1 S. 2 BGB ist nicht dargetan.

2. Ein Anspruch der Klägerin auf Ersatz des geltend gemachten Verdienstausfalls in Höhe von 11.120,14 € gem. § 823 Abs. 1 BGB steht der Klägerin dagegen nicht zu. Ein solcher Anspruch ist nicht schlüssig dargelegt.

a) Zwar kann ein Schadensersatzanspruch auf Verdienstausfall auch dann bestehen, wenn der Geschädigte zwar weiterhin erwerbstätig ist, diese Tätigkeit jedoch überobligationsmäßig ist. Die Klägerin trifft jedoch die Darlegungslast dafür, in welchem Umfang ihr durch die Verletzung, wenn sie sich entsprechend der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit oder beschränkten Arbeitsfähigkeit verhalten hätte, entstanden wäre. Dabei kommen ihr die Erleichterungen des § 252 S. 2 BGB für die Bemessung des regelmäßig zu erwartenden Gewinns und des § 287 Abs. 1 ZPO zur Schadensschätzung zugute. Jedoch bedarf es auch unter Berücksichtigung dieser Erleichterungen zumindest ausreichend konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte, um dem Gericht eine Schätzung des Schadens zu ermöglichen. Bereits das Landgericht hat darauf hingewiesen, dass die Darlegungen der Klägerin zum Verdienstausfall nicht ausreichend seien und eine Berechnung anhand einer Einnahme-Überschuss-Rechnung unter Vorlage aussagekräftiger Belege bedürfe (Protokoll vom 08.08.2002, S. 2, I 59). Dieser Auflage ist die Klägerin nicht in ausreichendem Maße nachgekommen. Vielmehr hat sie auf den Hinweis lediglich eine Bescheinigung ihrer Steuerberaterin über die Umsatzerlöse jeweils für das 4. Quartal 2001 und 2000 vorgelegt, die eine Verringerung des vorläufigen Ergebnisses des 4. Quartal 2001 gegenüber dem 4. Quartal 2000 ausweist. Die Schadensberechnung der Klägerin beruht jedoch auf einem durchschnittlichen Einkommen, das sie mit der Praxis erziele und nicht auf einem behaupteten Einnahmeausfall. Die Bescheinigung ist daher für die Anknüpfung der Schadensermittlung nicht geeignet. Zugleich hat die Klägerin mitgeteilt, bewusst auf weiteren Vortrag zu verzichten, bis über den Grund der Haftung entschieden werde (Schriftsatz vom 20.09.2002, I 97). Sie hat in diesem Zusammenhang allerdings weder den Erlass eines Grundurteils angeregt noch ihre Klage in einen Feststellungsantrag geändert.

Auch mit ihrer Berufung, mit der sie ihr Zahlungsbegehren weiter verfolgt und weder ein Grundurteil des Berufungsgerichts noch eine Zurückverweisung an das Landgericht beantragt, trägt sie keine ausreichenden Anknüpfungspunkte für eine Schätzung vor. Der Senat sieht keinerlei Veranlassung, gem. § 304 Abs. 1 ZPO ein Zwischenurteil über den Grund zu erlassen. Die Voraussetzungen für ein Grundurteil sind auf der Grundlage des Vortrags der Klägerin nicht gegeben. Ein Grundurteil ist nur dann zulässig, wenn der Streit über den Grund entscheidungsreif ist, während die Höhe des Anspruchs streitig ist. Dazu gehört jedoch, dass zumindest schlüssig ein entsprechender Anspruch dargetan ist.

b) Es kann dahinstehen, ob die Klägerin in erster Instanz darauf vertrauen durfte, dass das Landgericht nicht ohne weiteren Hinweis gem. § 139 ZPO die Klage wegen fehlender Schlüssigkeit der Schadenshöhe abweisen würde. Denn ein solcher Verfahrensfehler, wenn er denn vorläge, ist entgegen § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, nicht gerügt. Der erforderliche Vortrag ist auch in der Berufungsbegründung nicht enthalten.

c) Entsprechender Vortrag der Klägerin zu ihren Einkommensverhältnissen ist aber auch gem. § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht zuzulassen, da sie ihrer Vortragslast aus Nachlässigkeit - wofür einfache Fahrlässigkeit reicht (Zöller/Gummer/Hessler, 24. Aufl., § 531 Rn. 31 unter Hinweis auf ZPO-Reformgesetz, Begründung, BT-Drucksache 14/4722 S. 102; Münchener Kommentar/Rimmelspacher, 2. Aufl., ZPO-Reform, § 531 Rn. 29) - nicht nachgekommen ist.

Die Reform des Berufungsrechts zielt nach einhelliger Meinung und den Gesetzesmaterialien (zur Erfassung der Tatsachengrundlage prinzipiell in der ersten Instanz: BT-Drucksache 14/7422 S. 64) darauf ab, eine Konzentration des Sachvortrags in der ersten Instanz zu gewährleisten und die Berufungsinstanz vornehmlich auf die Fehlerkontrolle und -beseitigung zu beschränken (vgl. nur Hannich/Meyer-Seitz/Engers, Das neue Zivilprozessrecht, Einführung I. 2., S. 30, Münchener Kommentar/Rimmelspacher a. a. O., § 529 Rn. 2). Die Parteien haben sich deshalb in erster Instanz vollständig über die Tatsachen zu erklären. Dies hat vor der mündlichen Verhandlung zu geschehen, damit diese zur vollständigen Erörterung des Streitstoffes und Schaffung der Entscheidungsgrundlage tauglich ist. Geschieht das nicht, verstößt die Partei gegen die allgemeine Prozessförderungspflicht des § 282 ZPO oder sie muss die Gründe darlegen, warum sie Vorbringen zurückgehalten hat. Hinweise auf Prozesstaktik sind grundsätzlich ungeeignet, das Zurückhalten von Tatsachenvortrag zu entschuldigen. Jede Partei muss mit Zurückweisung rechnen, wenn sie möglicherweise liquide Anspruchsbegründungen zurückhält und erst einmal abwartet, wie sich das Gericht zu dem schon vorgebrachten Prozessstoff stellt (vgl. Zöller/Gummer/Hessler,a. a. O., § 531 Rn. 32). Soweit die Entscheidungsrelevanz des Vorbringens für sie - wie hier durch den Hinweis des Landgerichts - erkennbar war, musste sie nicht nur mit einer Zurückweisung des Vortrags gem. §§ 296 Abs. 2, 282 Abs. 1 ZPO rechnen, sondern auch mit einer Nichtzulassung neuen Vorbringens in der Berufungsinstanz gem. §§ 531 Abs. 2 Nr. 3, 529 Abs. 1 ZPO (Münchener Kommentar/Rimmelspacher a.a.O., § 531 Rn. 28, Musielak/Ball, 3. Aufl., § 531 Rn. 19, Zöller/Gummer/Hessler, a. a. O., § 531 Rn. 32).

Die Klägerin ist sehenden Auges, um ihre Einkommensverhältnisse nicht offen legen zu müssen, obwohl sie gerade daraus ihren Anspruch herleiten will, das Risiko eingegangen, erst im Berufungsrechtszug zu obsiegen und dort zur Höhe des Anspruchs aufgrund der §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht mehr vortragen zu können. Die erst mit Schriftsatz vom 29.06.2004 nach Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgelegte "Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 8 EStG für das 2002" ist daher nicht zu berücksichtigen. Einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gem. § 156 ZPO bedurfte es nicht. Darüber hinaus wären diese Unterlagen auch nicht geeignet, die Anknüpfungstatsachen für den Verdienstausfall für die Zeit vom 03.11.2001 bis 30.04.2004 darzulegen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO und berücksichtigt die Rücknahme der Klage gegen die Haftpflichtversicherung des Beklagten im landgerichtlichen Verfahren. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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