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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 07.04.2004
Aktenzeichen: 7 U 189/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 179
Tritt jemand für ein Unternehmen auf und erweckt durch sein Verhalten den Eindruck, eine unbeschränkt haftende Person, z. B. er selbst, sei dessen Inhaber, so hat er persönlich dafür einzustehen, dass eine unbeschränkt haftende Person zur Verfügung steht, wenn sein Vertragspartner die wahren Verhältnisse nicht kennt und auch nicht hätte kennen müssen und sich auf das Geschäft im Vertrauen auf die unbeschränkte Haftung des Vertragspartners eingelassen hat. Dies gilt unabhängig davon, ob auf die Gesellschaft, die tatsächliche Inhaberin des Unternehmens ist, deutsches Recht und insbesondere § 4 Abs. 2 GmbHG Anwendung findet.
Oberlandesgericht Karlsruhe 7. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 7 U 189/03

Verkündet am 07. April 2004

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 24. März 2004 unter Mitwirkung von

Vors. Richter am Oberlandesgericht Richter am Oberlandesgericht Richterin am Oberlandesgericht

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 28. August 2003 - 8 O 129/03 - wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsrechtszugs.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger und seine Ehefrau beteiligten sich mit Vertrag vom 10.01.2002 mit 100.000,00 DM an einer Tauchbasis auf den Malediven, die unter der Bezeichnung "C. Diving Center" betrieben wurde. Für die Vertragsdauer bis zum 30.11.2006 sollten sie 25 % vom Nettogewinn des Geschäfts erhalten, im Falle einer vorzeitigen Kündigung des Vertrages sollte die noch verbliebene Differenz zu 100.000 DM sofort zurück gezahlt werden. Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz sowie der getroffenen tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, hat den Beklagten zur Rückzahlung des unstreitig nach der Kündigung noch offenstehenden Betrages von 41.526,46 € nebst Zinsen verurteilt. Dagegen wendet sich die Berufung des Beklagten. Er begehrt unter Vertiefung des erstinstanzlichen Vortrags weiterhin Klagabweisung und macht geltend, nicht selbst Vertragspartner des Klägers und seiner Ehefrau, die ihren Anteil der Forderung an den Kläger abgetreten hat, gewesen zu sein, sondern die die Tauchbasis angeblich betreibende "F. D. Watersports Private Limited". Wegen des Sach- und Streitstandes im Berufungsrechtszug wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Der Senat hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugen H. , M. und F. . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 24.03.2004 (II 81 ff.) verwiesen.

II.

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Jedenfalls im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht eine Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung des noch nicht zurückgewährten Rests der Beteiligungssumme von 41.526,46 € angenommen.

1. Der Kläger ist zur Geltendmachung der Gesamtforderung berechtigt, nachdem auch im Berufungsrechtszug unstreitig war, dass die Ehefrau des Klägers ihre Ansprüche gegen den Beklagten an den Kläger abgetreten hat.

2. Das Rechtsverhältnis der Parteien unterliegt deutschem Recht. Die Parteien haben im Berufungsrechtszug wirksam eine entsprechende Rechtswahl gem. Art. 27 Abs. 2, 42 EGBGB getroffen.

3. Der Beklagte haftet dem Kläger allerdings nicht aus dem Vertrag vom 10.01.2002, Ziff. 6 auf Rückzahlung der Klagsumme. Er ist nicht Vertragspartei geworden.

Die Tauchstation auf den Malediven wurde unter der Bezeichnung "C. Diving Center" betrieben. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig. Bei dem Vertrag vom 10.01.2002 handelt es sich um ein unternehmensbezogenes Geschäft. Es ist in ständiger Rechtssprechung anerkannte Auslegungsregel, dass bei unternehmensbezogenen Geschäften der Wille der Beteiligten im Zweifel dahin geht, dass Vertragspartei der Inhaber des Unternehmens und nicht der für das Unternehmen Handelnde werden soll. Dies gilt auch dann, wenn der Inhaber falsch bezeichnet wird oder über ihn sonst Fehlvorstellungen bestehen (vgl. nur BGHZ 62, 216, 291; NJW 1990, 2678 ff.; NJW 1991, 2627 f.; NJW 1998, 2897). Nach diesen Grundsätzen ergibt die Auslegung des Vertrages, dass der Kläger und seine Ehefrau einen Vertag mit dem Betreiber der Tauchstation geschlossen haben, deren Leitung sie übernehmen wollten (Ziff. 4 des Vertrages). Anhaltspunkte im Vertrag für eine Abweichung von der allgemeinen Regel, dass der Inhaber des Betriebes verpflichtet wird, hier also der Beklagte als Privatmann verpflichtet werden sollte, sind nicht ersichtlich. Insoweit wäre der Kläger darlegungs- und beweispflichtig (vgl. nur BGH NJW 1991, 2627 f.). Auch wenn er und seine Ehefrau bei Vertragsschluss davon ausgegangen sind, dass der Beklagte Inhaber der Tauchstation war, und darauf wegen des damals freundschaftlichen Verhältnisses Wert gelegt hätten oder gar getäuscht worden wären, berechtigte sie dies zwar zur Anfechtung des Vertrages. Ein entsprechender Irrtum hat aber nach der Rechtssprechung keinen Einfluss auf die Person des Vertragspartners.

Das Bestreiten des Klägers, die "F. D. Watersports Private Limited" sei nicht Betreiberin der Station gewesen, reicht nicht aus, um einen vertraglichen Anspruch gegen den Beklagten zu begründen, da der Kläger für dessen Inhaberschaft darlegungs- und beweispflichtig ist (BGH NJW 1998, 2897). Dies ist ihm nicht gelungen. Der Vortrag zur Inhaberschaft des Beklagten unter Bezugnahme auf andere Verträge und Schriftstücke im Schriftsatz vom 12.03.2004 (dort S. 2, II 71) ist neu und im Berufungsrechtszug nicht zu berücksichtigen (§§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 ZPO).

4. Eine Verpflichtung zur Zahlung der Klagsumme trifft den Beklagten jedoch in entsprechender Anwendung des § 179 BGB, weil er den Rechtsschein erweckt hat, eine unbeschränkt haftende Person betreibe das "C. Diving Center", worauf der Kläger und seine Ehefrau vertrauten.

a) Tritt jemand für ein Unternehmen auf und erweckt durch sein Verhalten den Eindruck, eine unbeschränkt haftende Person, z. B. er selbst, sei dessen Inhaber, so hat er schon aus diesem Grunde persönlich dafür einzustehen, wenn sein Vertragspartner die wahren Verhältnisse nicht kennt und auch nicht hätte kennen müssen und sich auf das Geschäft im Vertrauen auf die unbeschränkte Haftung des Vertragspartners eingelassen hat (vgl. BGHZ 62, 216, 291; NJW 1999, 2678 ff.; NJW 1991, 2627 f.; NJW 1998, 2897). Es handelt sich dabei nicht um eine subsidiäre Ausfallhaftung, falls der Vertragspartner nicht leistungsfähig ist, sondern um eine gesamtschuldnerische Haftung des Vertreters und der Vertragspartei (vgl. BGH NJW 1990, 2678, 2679; 1991, 2627, 2628; 1998, 2897).

Der vom Beklagten zu vertretende Rechtsschein (dazu unter b)) führt zu einer Haftung analog § 179 BGB. Dies gilt unabhängig davon, dass auf die maledivische Gesellschaft und deren Verhältnisse maledivisches Recht anzuwenden ist (Gesellschaftsstatut) und § 4 Abs. 2 GmbHG, der die Pflicht zur Nutzung des die Haftungsbeschränkung verdeutlichenden Zusatzes begründet, keine Anwendung findet. Zwar hat der Bundesgerichtshof die Haftung analog § 179 BGB in der Regel in Fällen bejaht, in denen gegen diese Vorschrift verstoßen wurde. Ein solcher Verstoß ist jedoch nicht unabdingbare Voraussetzung für die Rechtsscheinhaftung. Vielmehr reicht allgemein die Begründung eines Vertrauens darauf, der Vertragspartner hafte unbeschränkt. Der Bundesgerichtshof hat ausgeführt, es reiche für eine Haftung, dass der für das Unternehmen Auftretende durch sein Verhalten den Eindruck erweckt hat, er selbst sei Inhaber des Unternehmens oder zumindest eine andere unbeschränkt haftende Person. Dieser Vertrauenstatbestand könne auch dadurch begründet werden, dass der Handelnde unter Verstoß gegen § 4 Abs. 2 GmbHG mit einer Firma unzulässig zeichnet (vgl. nur BGH NJW 1990, 2678, 2679; NJW 1991, 2627). Die falsche Firmierung ist danach nur ein Fall, wie ein entsprechender Rechtsschein gesetzt werden kann, schließt aber andere Verhaltensweisen nicht aus. Darüber hinaus beurteilt sich die Rechtsscheinshaftung nach deutschem Recht, sodass die Hinweispflicht auf die Haftungsbeschränkung im Hinblick auf den Schutzzweck der Norm über § 4 GmbHG hinaus auf den Vertreter ausländischer in der Haftung beschränkter Gesellschaften, der beim Handeln deutschem Recht unterliegt, auszuweiten ist.

b) Der Beklagte hat den Anschein erweckt, als stehe hinter dem "C. Diving Center" eine unbeschränkt haftende Persönlichkeit.

Aus dem Vertrag selbst ergibt sich kein Hinweis darauf, dass der Beklagte für eine Gesellschaft maledivischen Rechts als Vertreter aufgetreten ist. Allein aus dem Passus "C. Diving Center ... vertreten durch" kann auf eine Tätigkeit als Geschäftsführer einer beschränkt haftenden Gesellschaft nicht geschlossen werden.

Damit hat der Beklagte durch die Erklärung in der Urkunde, die den Anschein der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich hat (§ 416 ZPO), einen Rechtsschein gesetzt. Etwaige mündliche Hinweise auf die Gesellschaftsform, also eine Aufklärung über die beschränkte Haftung der Betreiberin, die dem Kläger und seiner Ehefrau von den wahren Verhältnissen Kenntnis verschafft hätten, hätte der Beklagte darlegen und beweisen müssen (vgl. BGH NJW 1990, 2678, 2679; BGHZ 64, 11, 18 f.). Dieser Beweis ist dem Kläger nicht gelungen.

c) Die Aussage des Zeugen H. über ein Gespräch in der Wohnung des Beklagten im Dezember 2001 oder Januar 2002 vor Unterzeichnung des Vertrages vom 10. Januar 2002 ist für die Beurteilung, ob der Beklagte den Kläger und seine Ehefrau auf die angebliche Inhaberin, die "F. D. Watersports Pvt. Ltd.", die Gesellschaftsform und die Konsequenz einer Haftungsbeschränkung hingewiesen hat oder nicht, unergiebig. Aus der Schilderung des Zeugen, der Beklagte habe entsprechend seinem Sprachgebrauch im Zusammenhang mit der Beteiligung die Buchstabenfolge "Ltd." verwandt, können keine Schlüsse für ein Aufklärung des Klägers und seiner Ehefrau über die Betreiberin der Tauchschule und deren beschränkte Haftungsmasse gezogen werden. Der Zeuge konnte sich nicht daran erinnern, ob Genaueres über die Haftung und die Gesellschaft gesprochen wurde.

Unabhängig davon, ob der Zeugin F. , der Ehefrau des Klägers und ursprünglich Mitinhaberin der Klagforderung zu glauben ist oder nicht, ist es dem Beklagten jedenfalls nicht gelungen, durch die Aussage seiner Lebensgefährtin, der Zeugin M. , zu beweisen, dass er den Kläger und seine Ehefrau anlässlich der Gespräche im Dezember und Januar vor der Vertragsunterzeichnung über die Identität der Betreiberin der Tauchschule aufgeklärt hat.

Zwar ist allein der Umstand, dass die Zeugin ein wirtschaftliches Eigeninteresse am Ausgang des Rechtsstreits hat, nicht geeignet, den Wahrheitsgehalt ihrer Aussage in Zweifel zu ziehen. Jedoch überzeugt die Aussage, die im Gegensatz zu derjenigen der Zeugin F. steht, den Senat nicht mit der notwendigen Sicherheit davon, dass es tatsächlich zu einer Aufklärung über die Haftungsbeschränkung - möglicherweise in Abwesenheit des Zeugen H. , der nach Angaben aller Zeugen nur an einem Gespräch und dabei nicht über die gesamte Dauer teilgenommen hat - gekommen ist. Die Zeugin konnte sich nur noch vage an den Ablauf der Besprechungen erinnern. Insbesondere wusste sie nicht, über welche Aspekte des Vertrages überhaupt noch bei dem maßgeblichen Gespräch, das wohl im Dezember stattgefunden hat, gesprochen wurde und über welche sich die Parteien schon endgültig geeinigt hatten. Sie konnte sich allerdings daran erinnern, dass steuerliche Aspekte für die Familie F. von erheblicher Bedeutung waren. Dies stimmt immerhin insoweit mit der Aussage der Zeugin F. überein, dass es bei der Besprechung vornehmlich um "technische Einzelheiten" des Aufenthalts auf den Malediven bzw. der Abreise ging. Zu diesen sehr vagen Angaben stehen die detaillierten, angeblich noch erinnerten Ausführungen der Zeugin an die behaupteten Gespräche über die Gesellschaft, die mit vollem Namen genannt worden sein soll, und der geplanten Namensänderung im Gegensatz. Ihre Angaben hat die Zeugin allerdings insoweit wieder eingeschränkt, als sie angegeben hat "es muss auch die Rechtsform gesprochen worden sein und gesagt worden sein, dass das etwas ist wie eine GmbH". Der Senat kann nicht ausschließen, dass diese Aussage in wesentlichen Teilen auf Rekonstruktionen aus Gesprächen mit ihrem Lebensgefährten und dem Zeugen H. beruht und nicht zuletzt durch den Inhalt des gerichtliche Verfahrens, das die Zeugin - wie sie auch ehrlicherweise einräumte - aus den Schriftsätzen kannte, beeinflusst worden ist.

Auch unter Berücksichtigung des E-Mails vom 31.05.2002, das der Kläger angeblich nicht erhalten haben will, obwohl sowohl eine Empfangsmeldung vorliegt (Anl. B 10) als auch eine Antwort seine Ehefrau mit der entsprechenden Bezugs-Mail (Anl. B 9), ändert sich an der Würdigung des Senats nichts. Zwar spricht einiges dafür, dass tatsächlich im Januar bereits von einer Firmenänderung die Rede gewesen sein könnte, jedoch lässt sich auch aus dem 4 1/2 Monate nach Vertragsschluss entstandenen E-Mail kein Hinweis darauf entnehmen, dass der Kläger und seine Ehefrau bei den Vertragsverhandlungen darüber aufgeklärt wurden, dass hinter "C. Diving Center" eine maledivische Gesellschaft mit beschränkter Haftungsmasse stand.

Unter Berücksichtigung der gesamten Umstände, der Urkunden und des Schriftwechsels erscheint es dem Senat zwar durchaus möglich, dass der Kläger und seine Ehefrau wussten, dass die Tauchschule von der "F. D. Watersports Pvt. Ltd." betrieben wurde, eine Überzeugungsbildung im Sinne einer vernünftige Zweifel ausschließenden Sicherheit ist jedoch auch nach der Beweisaufnahme nicht möglich. Dass der Kläger und seine Ehefrau nicht mit einer nur beschränkt haftenden Gesellschaft nach maledivischen Recht den Vertrag abschließen wollten, liegt bei Würdigung der Gesamtumstände, insbesondere der persönlichen Bekanntschaft mit dem Beklagten, der allein für die Aktivitäten der Tauchschule verantwortlich zeichnete, auf der Hand.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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