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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 20.10.2005
Aktenzeichen: 8 U 155/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 197 Abs. 1 Nr. 2
BGB § 666
BGB § 2218
Ansprüche des Erben gegen den Testamentsvollstrecker gemäß § 2218 BGB, für die auf auftragsrechtliche Vorschriften verwiesen wird,unterliegen nicht als erbrechtliche Ansprüche im Sinne von § 197 Abs.1 Nr.2 BGB der dreißigjährigen Verjährungsfrist, sondern der Regelverjährung nach § 195 BGB.
Oberlandesgericht Karlsruhe 8. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 8 U 155/05

Verkündet am 20. Oktober 2005

In dem Rechtsstreit

wegen Rechnungslegung u. Auskunft

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 20. Oktober 2005 unter Mitwirkung von

Vors. Richterin am Oberlandesgericht Richter am Oberlandesgericht Richter am Amtsgericht

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 14.06.2005 - 8 O 118/05 - wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Zwangsvollstreckung kann gegen Sicherheitsleistung von 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt den Beklagten, der bis 04.08.1998 Testamentsvollstrecker hinsichtlich des Erbteils (1/3) des Klägers am Nachlass des am 21.03.1989 verstorbenen W. L. (Erblasser) war, auf Auskunft und Rechenschaft in Anspruch.

Der Beklagte hat Erfüllung der Ansprüche eingewandt und sich auf Verjährung berufen (drei Jahre gem. §§ 195, 199 BGB).

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil der Anspruch aus §§ 22218 Abs. 1, 666 BGB nach der dreijährigen Regelverjährung des seit 01.01.2002 geltenden Rechts (§ 195 BGB) verjährt sei.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen und des streitigen Parteivorbringens im einzelnen, der erstinstanzlich gestellten Anträge und der Entscheidungsgründe wird auf das vom Kläger mit der Berufung angefochtene Urteil des Landgerichts Bezug genommen.

Zur Begründung seines Rechtsmittels nimmt der Kläger auf sein erstinstanzliches Vorbringen Bezug und vertieft seine Rechtsansicht, dass die Verjährung gem. § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB dreißig Jahre betrage, weil es sich um einen erbrechtlichen Anspruch im Sinne dieser Vorschrift handle.

Der Kläger stellt folgende Anträge:

1. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger unter Vorlage einer geordneten Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben eine Abrechnung über die vom Beklagten als Testamentsvollstrecker für den 1/3-Erbteil des Klägers als Nacherbe des am 21.03.1989 in M. -F. verstorbenen W. L. getätigten Geschäfte in der Zeit vom 29.10.1997 bis 03.08.1998 zu erteilen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger gegenüber Auskunft über den Bestand des 1/3-Erbteils am Nachlass des am 21.03.1989 in Mannheim-Freudenheim verstorbenen W. L. durch Vorlage eines Bestandsverzeichnisses zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines gegenteiligen Rechtsstandpunkts.

Wegen des Vorbringens der Parteien im einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das Landgericht hat zutreffend entschieden, dass der Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch des Klägers aus § 2218 i. V. m. § 666 BGB mit Ablauf des 31.12.2004 gem. § 195 BGB i. V. m. der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1 EGBGB verjährt ist. Da nach altem Recht (bis 31.12.2001) die Regelverjährung von dreißig Jahren gem. § 195 BGB a. F. galt, war der Anspruch des Klägers am 31.12.2001 noch nicht verjährt, so dass sich nunmehr die Verjährung nach den neuen Verjährungsvorschriften bestimmte. Die Regelverjährung von drei Jahren gem. § 195 BGB lief somit zu dem genannten Zeitpunkt, also vor Klageerhebung am 13.04.2005 ab.

Der Senat tritt den Ausführungen des Landgerichts zur Begründung seines Ergebnisses vollinhaltlich bei und nimmt hierauf Bezug. Sie lassen eine Rechtsverletzung (§§ 513, 546 ZPO) nicht erkennen. Die Berufungsangriffe bleiben demgegenüber ohne Erfolg. Entscheidend ist, ob es sich bei den Klageansprüchen aus §§ 2218, 666 BGB um "erbrechtliche Ansprüche" i. S. d. § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB handelt. Im Bejahungsfalle gälte die Sonderverjährung von dreißig Jahren. Die Frage ist jedoch zu verneinen. Der Begriff der "erbrechtlichen Ansprüche" ist im Gesetz nicht definiert. Seine Bestimmung ist umstritten. Der Gesetzgeber hat die Herausnahme "erbrechtlicher Ansprüche" aus der Regelverjährung damit begründet, dass sich im Erbrecht "die maßgeblichen Verhältnisse mitunter erst lange Zeit nach der Entstehung des Anspruchs klären lassen, z. B. ... infolge späteren Auffindens eines Testaments" (Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucksache 14/6040, S. 106).

Dieses Motiv des Gesetzgebers ist mit einer gesetzlichen Definition dessen, was erbrechtliche Ansprüche sind, nicht gleich zu setzen. Der Begriff ist daher nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes zu bestimmen (Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., Einl. vor § 1 Rn. 46).

Für den Schadensersatzanspruch gegen den Testamentsvollstrecker wegen Pflichtverletzungen gem. § 2219 BGB wird - wohl überwiegend - angenommen, es handle sich um einen erbrechtlichen Anspruch i. S. d. § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB (BGH NJW 2002, 3773 = MDR 2002, 1372 = ZEV 2002, 499 [obiter dictum]; Palandt/Edenhofer, BGB, 64. Aufl., § 2219 Rn. 1; Bambring, ZEV 2002, 137; Bohnefeld, ZErb 2003, 247, 249; MüKo-Grothe, BGB, 4. Aufl., Band 1a, § 197 Rn. 11; MüKo-Zimmermann, BGB, 4. Aufl., 3 2219 Rn. 15; Erman/Schmidt-Räntsch, § 197 Rn. 7; Erman/M. Schmidt, § 2219 Rn. 7; Mansel/Stürner in Dauner-Lieb/Heidel/Ring, Anwaltskommentar BGB, § 197 Rn. 40; Weidlich in vorbezeichnetem Anwaltskommentar, § 2219 Rn. 31), während ein Teil der Literatur von der Regelverjährung nach §§ 195, 199 BGB ausgeht, weil es sich nicht um einen erbrechtlichen Anspruch handle (Soergel-Damrau, BGB, 13. Aufl., § 2219 Rn. 10; Staudinger/Frank Peters, BGB 2004, § 197 Rn. 21; Baldus, FamRZ 2003, 308, 309; Löhnig, ZEV 2004, 267, 272; Otte, ZEV 2002, 499, 501).

Soweit die Verjährung von Ansprüchen aus § 2218 Abs. 1 BGB i. V. m. Vorschriften des Auftragsrechts besonders erörtert wird, werden beide Auffassung vertreten (für kurze Regelverjährung: Palandt/Edenhofer, § 2218 Rn. 1; Löhnig, ZEV 2004, 272; Staudinger/Reimann, BGB 2003, § 2221 Rn. 14; für lange Verjährung nach § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB: Damrau/Bohnefeld, Praxiskommentar Erbrecht, § 2218 Rn. 35; Krug, Schuldrechtsmodernisierungsgesetz und Erbrecht, Rn. 121).

Diejenigen, die die hier erörterten Ansprüche gegen den Testamentsvollstrecker der langen Verjährung des § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB zuweisen, verweisen darauf, dass mit der Reformierung des Verjährungsrechts die Rechtsklarheit in den Vordergrund gestellt werden sollte und daher alle Ansprüche aus dem 5. Buch des BGB ohne weitere Differenzierung danach, ob das gesetzgeberische Motiv für die lange Verjährungsfrist im Einzelfall zutreffe oder nicht, gelten müsse (Bohnefeld, ZErb 2003, 248; Schlichting, ZEV, 2002, 480). Die Gegenmeinung hält eine teleologische Reduktion des § 197 Abs. 2 Nr. 2 BGB auf "genuin erbrechtliche" Ansprüche für erforderlich, zu denen solche u. a. aus §§ 2218, 2219 BGB gegen den Testamentsvollstrecker nicht zählten (Löhnig, ZEV 2004, 272; Baldus, FamRZ 2003, 309; Staudinger/Frank Peters, § 197, Rn. 20, 21; Otte, ZEV 2002, 501).

Diese letztgenannte Ansicht hält der Senat für zutreffend. Der Zweck, die langjährige Verjährungsfrist von dreißig Jahren für erbrechtliche Ansprüche besonders anzuordnen, bestand darin, deren Durchsetzbarkeit zu gewährleisten, auch wenn die Klärung der Erbfolge oder des besonderen Inhalts oder der Gültigkeit einer Verfügung von Todes wegen mit langem Zeitablauf verbunden ist (Sarres, ZEV 2002, 96, 97; Schmidt-Räntsch, Das neue Schuldrecht, 2002, S. 26). In dieser Hinsicht treten erfahrungsgemäß Probleme auf, wenn ein Testament bspw. erst spät aufgefunden wird, wenn Erben erst spät ermittelt werden, die Erbunwürdigkeit des eingesetzten Erben festgestellt wird, die Wirksamkeit eines Testaments geklärt werden muss oder wenn es angefochten wird. Hiervon sind "genuin erbrechtliche" Ansprüche wie z. B. der Erbschaftsanspruch, der Herausgabeanspruch des Nacherben gegen den Vorerben und Ansprüche auf Erfüllung von Vermächtnissen oder Vollziehung von Auflagen (§§ 2018, 2113, 2174, 2194 BGB) betroffen (Otte, ZEV 2002, 500; Staudinger/Frank Peters, § 197 Rn. 20, 21).

Die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen des Erben gegen den Testamentsvollstrecker kann von derartigen Schwierigkeiten der Ermittlung von Erbrechtsverhältnissen nicht betroffen sein. Die ratio legis des § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB trifft auf eine solche Konstellation, bei der z. B. wegen Anordnung der Vor- und Nacherbschaft eine langfristige Einsetzung eines Testamentsvollstreckers erfolgt ist, nicht zu. Hier wird allenfalls die Erbfolge langfristig abgewickelt; die Ansprüche der Miterben untereinander aus dem Teilungsplan, des Nacherben gegen den Vorerben auf Auskehrung der Erbschaft oder der entsprechende Anspruch des Erben gegen den Testamentsvollstrecker sind durch entsprechend späte Entstehung vor vorzeitiger Verjährung sicher (Staudinger/Frank Peters, § 197 Rn. 20). Noch weniger entspricht der Zweck der Regelung des § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB Konstellationen, in denen es um strukturell schuldrechtliche Ansprüche geht, wie sie im vorliegenden Fall letztlich in Rede stehen (Staudinger/Frank Peters, § 197 Rn. 20). Zwischen dem Testamentsvollstrecker und dem Erben besteht nach § 2218 BGB ein auf dem Willen des Erblassers beruhendes, aber im Grundsatz durch das Gesetz ausgestaltetes gesetzliches Schuldverhältnis, das insofern zwingenden Charakter trägt, als der Erblasser den Testamentsvollstrecker von diesen Vorschriften nach § 2220 BGB nicht freistellen kann (Staudinger/Reimann, BGB 2003, § 2218 Rn. 2, 3). Zwar handelt es sich nicht um ein vertragliches Auftragsverhältnis, sondern nur um eine Rechtsfolgenverweisung auf das Auftragsrecht zur Ausfüllung des Rechtsverhältnisses (MüKo-Zimmermann, § 2218, Rn. 1; Staudinger/Reimann, § 2218 Rn. 2). Das macht die Ansprüche aus §§ 2218, 2219 BGB aber nicht zu solchen erbrechtlicher Natur, insbesondere nicht allein aufgrund ihrer Ansiedlung im 5. Buch des BGB; ihrem eigentlichen Charakter, ihrer Struktur nach handelt es sich vielmehr um rein schuldrechtliche Ansprüche (Otte, ZEV 2002, 501; Staudinger/Frank Peters, § 197 Rn. 20, 21; Baldus, FamRZ 2003, 308).

Sie betreffen Fallkonstellationen, bei denen sich die Beteiligten kennen und wie im Fall einer Geschäftsbesorgung unter Lebenden einschätzen können, ob und welche Rechte aus der Geschäftsführung des Testamentsvollstreckers ggf. gerichtlich geltend zu machen sind. Dazu bedarf es keiner Überlegungsfrist von dreißig Jahren (vgl. Baldus, FamRZ 2003, 308).

Das Argument des Klägers, die Verjährung des Auskunftsanspruchs als Hilfsanspruch zum Schadensersatzanspruch aus § 2219 BGB könne nicht kürzer ausfallen als der Hauptanspruch, greift schon deshalb nicht durch, weil nach dem Gesagten auch dieser Hauptanspruch nur der Regelverjährung unterliegen kann.

Die Berufung war daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO und der Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit gem. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO zurückzuweisen.

Die Revision war gem. § 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO zuzulassen. Die Klärung, was unter erbrechtlichen Ansprüchen i. S. v. § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB zu verstehen ist, von grundsätzlicher Bedeutung. Im Hinblick auf die Abweichung des Senats vom Rechtsstandpunkt des BGH, der in der Entscheidung in NJW 2002, 3773 - allerdings nur im Sinne eines obiter dictum - vertreten worden ist, erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung außerdem eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Ende der Entscheidung

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