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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 28.01.1999
Aktenzeichen: 9 U 148/97
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 542
BGB § 454 a
BGB § 242
Zur Verwirkung des mietvertraglichen Kündigungsrechtes wegen fortdauernder Vertragsverletzungen des Vertragspartners und zur Treuwidrigkeit eines Zuwartens mit der Kündigung.
Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 4.7.2001 - XII ZR 65/99 - die Revision der Klägerin nicht angenommen.

OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 9. Zivilsenat in Freiburg

Im Namen des Volkes Urteil

verkündet am: 28. Januar 1999

In Sachen

wegen Forderung

hat das Oberlandesgericht Karlsruhe - 9. Zivilsenat in Freiburg - auf die mündliche Verhandlung vom 14.01.1999 durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 27.06.1997 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung seitens der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 24.000,-- DM abwenden, es sei denn, die Beklagte leistet vor der Zwangsvollstreckung in gleichem Umfang Sicherheit. Beide Parteien können die ihnen obliegende Sicherheitsleistung durch selbstschuldnerische, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines allgemein als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen Kreditinstituts erbringen.

4. Die Beschwer der Klägerin übersteigt 60.000,-- DM.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Mietzins in Höhe von monatlich 5.021,06 DM für die Zeit Februar 1996 bis Dezember 1996 mit insgesamt 55.231,66 DM zzgl. Zinsen und im Berufungsverfahren erweitert um die Monate Januar 1997 bis Oktober 1997 mit insgesamt 105.442,26 DM nebst Zinsen in Anspruch. Die Beklagte begehrt für den Fall des Unterliegens mit ihrer hilfsweisen Widerklage wegen Minderung für den Zeitraum, für den Miete beansprucht wird, 4.965,07 DM, im Berufungsverfahren erhöht auf 9.476,67 DM. Weiter macht sie widerklagend 7.024,54 DM nebst Zinsen als Mietminderung für die Zeit von Dezember 1994 bis Januar 1996 geltend.

Die Beklagte hatte von der Klägerin mit Mietvertrag vom 14./20.03.1990 ab 01.01.1991 fest für zehn Jahre Räume für den Betrieb einer Werbeagentur angemietet. Der Zugang zu diesen Räumen erfolgt über eine Hoffläche. Diese Hoffläche wird von einem weiteren Mieter der Klägerin zum Teil als Lagerfläche verwendet. Durch Leergut, Kartonagen, Paletten und Abfälle ist der Hof in einem unordentlichen Zustand. Die ständige Unordnung vermittelt den Charakter eines "Hinterhofs". Trotz der im Mietvertrag enthaltenen Konkurrenzschutzklausel weist ein Werbeschild der Mieterin V. ".........Werbeagentur...." hin. Die im Untergeschoß angemieteten Pkw-Stellplätze standen immer wieder wegen Überschwemmung durch 3rundwasser nicht zur Verfügung. Gestützt hierauf hat die Beklagte für die Zeit von Dezember 1991 bis November 1994 Mietminderung in Höhe von 10 % mit insgesamt 10.946,35 DM geltend gemacht. Dies und anderes war Gegenstand der Rechtsstreite der Parteien vor dem Landgericht Freiburg -1 O 115/94 und 1 O 639/94 - sowie des OLG Karlsruhe, Zivilsenate Freiburg -13 U 179/95 -. Durch Urteil des Landgerichts Freiburg vom 25.08.1995 wurde die Klägerin verurteilt, an die Beklagte wegen Mietminderung 10.946,35 DM nebst Zinsen zu zahlen. Die hiergegen eingelegte Berufung der jetzigen Klägerin wurde durch Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe, Zivilsenate Freiburg, vom 19.06.1996 zurückgewiesen.

Mit Schreiben ihres Rechtsanwaltes vom 22.04.1993 hatte sich die Klägerin gegen die Mietminderung gewandt. Die Beklagte ließ mit Schreiben ihrer Anwälte vom 04.05.1993 antworten und mitteilen, daß ab sofort die Miete vorbehaltlich des Rechts zur Mietminderung wegen des ungepflegten Zustandes der Hofanlage gezahlt werde. Am 28.07.1993 schlossen die Parteien einen vorläufigen Vergleich. Nach diesem Vergleich zahlte die Beklagte wegen der von ihr behaupteten Mängel die einbehaltene Miete nur noch unter Vorbehalt. Falls die Vermieterin bis zum Ablauf des Jahres 1993 dafür sorge, daß das vom HL-Markt auf dem Innenhof gelagerte Leergut und sonstiger Müll im Hof nicht mehr gesehen werde, verzichtete die Beklagte auf Mietminderung bis zum Ablauf des Jahres 1993. Andernfalls behielt sie sich das Recht vor, die Mietminderung gerichtlich geltend zu machen. Die Klägerin sagte zu, das Firmenschild zu entfernen. Die Parteien korrespondierten weiter. Mit Schreiben vom 31.01.1994 wurde der Beklagten mitgeteilt, dass die Pläne zur Erweiterung des Leergutstellplatzes für den H.-Markt in der Zwischenzeit eingetroffen seien. Der Vorschlag der Beklagten auf Erweiterung um neun Meter sei berücksichtigt und genehmigt. Mit Schreiben vom 24.10.1994 wurde u. a. mitgeteilt, dass die Baugenehmigung für den Erweiterungsbau auf dem Innenhof zwischenzeitlich beantragt sei.

Auf die erhobene Zahlungsklage der Klägerin vom 16.03.1994 -LG Freiburg, 1 O 115/94- forderten die Bevollmächtigten der Beklagten bis Ende April 1994 den Zustand gemäß Vergleich herzustellen und behielten sich weiter vor, das Mietverhältnis fristlos zu kündigen. Sie seien ohnehin bereit auszuziehen, wenn ihnen sämtliche Kosten, die sie im Hinblick auf das Mietverhältnis gehabt hätten, erstattet würden. Mit Aufstellung vom 22.04.1994 listeten die Beklagten diese Kosten mit 65.874,49 DM auf. Mit Schreiben vom 15.07.1994 behielten sich die Beklagten für den Fall, dass die Mängel nicht bis 20.08.1994 behoben seien, die fristlose Kündigung vor. Mit Schreiben vom 01.08.1994 wiederholten sie ihren Entschluss, das Mietverhältnis vorzeitig zu beenden, sobald angemessener Ersatzraum zur Verfügung stehe und sie eine angemessene Abfindung erhalten hätten. Die Klägerin ging auf die Forderungen der Beklagten in den Schreiben deren Anwälte vom 18.04.1995 und 11.10.1995 nicht ein.

Mit Schreiben ihrer Rechtsanwälte vom 17.01.1996 kündigten die Beklagten das Mietverhältnis fristlos. Sie räumten das Mietobjekt im Januar 1996.

Die Klägerin hat das Vorliegen von Mängeln bestritten und geltend gemacht, die Beklagte habe ihr Kündigungsrecht verwirkt, da sie 6 1!2 Jahre lang nicht gekündigt und jedenfalls 4 Jahre lang behauptete Mängel nicht zum Anlaß einer Kündigung genommen habe.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 55.233,66 DM nebst 4 % Zinsen aus jeweils 5.021 ,06 DM seit jeweils 05.02., 05.03., 05.04., 05.05., 05.06., 05.07., 05.08., 05.09.,05.10., 05.11. und 05.12.1996 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, seit 1991 mindere sie zu Recht wegen des Zustandes des Hofes, der Verletzung des Konkurrenzschutzes und der Mängel der Tiefgarage die Miete. Erst ab Januar 1996 habe sie andere Stellplätze zugewiesen erhalten. Da die Beklagte ständig ihre Forderung nach Mängelbeseitigung wiederholt und die Klägerin abgemahnt habe, sich auch mehrfach die Kündigung aus diesem Grund vorbehalten habe, könne nicht davon ausgegangen werden, dass sie etwa den Zustand akzeptiert und für die Klägerin einen Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen habe, sie werde die Mängel nicht zum Anlass einer Kündigung nehmen.

Zu ihrer Hilfswiderklage macht sie geltend, wegen des Fortbestehens der Mängel sei sie, so sie Miete zahlen müsste, weiterhin zur Minderung berechtigt. Unabhängig vom Erfolg der Klage sei die Klägerin verpflichtet, für Mietminderung in der Zeit von Dezember 1994 bis Januar 1996 7.024,54 DM nebst Zinsen zurückzuzahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

fürsorglich für den Fall des Unterliegens im Wege der Widerklage die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 4.965,07 DM nebst 12,5 % Zinsen hieraus seit Zustellung dieses Schriftsatzes zu zahlen.

unbedingt im Wege der Widerklage die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 7.024,54 DM nebst 12,5% Zinsen hieraus seit Zustellung der Widerklage zu zahlen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, die Mietminderung sei nicht berechtigt.

Das Landgericht hat nach Vernehmung von zwei Zeugen die Klage abgewiesen und der unbedingten Widerklage stattgegeben. Wegen der Einzelheiten, auch zum Sachverhalt, wird auf das Urteil Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Ihre Klage erweiternd beansprucht sie nunmehr zusätzlich die Mieten für die Monate Januar 1997 bis Oktober 1997, nunmehr insgesamt 21 Monate zu 5.021 ,06 DM.

Sie wendet sich dagegen, dass das Landgericht das Kündigungsrecht der Beklagten nach § 542 BGB nicht als verwirkt angesehen habe. Aus dem Vorbehalt der Kündigung und der Minderung habe das Landgericht falsche rechtliche Schlüsse gezogen. Weil die Beklagte in den Jahren 1994 und 1995 eine fristlose Kündigung angesprochen habe, ohne diese aber zeitnah auszusprechen, habe sie ihr Kündigungsrecht verloren. Es komme nicht darauf an, dass die Beklagte die vorhandenen Zustände nicht akzeptiert habe. Hinzu käme, daß der Verbrauchermarkt seine Mieträume auch im Januar 1991 bezogen habe und die von der Beklagten reklamierten Zustände im Hof seit Mietbeginn zu beklagen gewesen seien. Dennoch habe die Beklagte in den Monaten Februar bis November 1991 die Miete ohne jeden Vorbehalt gezahlt. Schon dieser Zeitablauf genüge, ihr alle Gewährleistungsrechte zu versagen. Auch in der Folgezeit habe sie nicht regelmäßig die Miete gekürzt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 27.06.1997 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 105.442,26 DM nebst 4 % Zinsen aus jeweils 5.021,06 DM ab dem 05. eines jeden Monats von Februar 1996 bis Oktober 1997 zu zahlen,

und

die Widerklage und Hilfswiderklage abzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und fürsorglich für den Fall des Unterliegens auf die erweiterte Widerklage,

die Klägerin zu verurteilen, der Beklagten 9.476,67 DM nebst 12,5 % Zinsen aus 4.963,07 DM seit Zustellung der Klageerwiderung vom 17.01 .1997 und aus 4.512,70 DM seit Zustellung der Berufungserwiderung zu zahlen.

Die Beklagte meint, eine Verwirkung liege schon deshalb nicht vor, weil die Klägerin sich nach dem gesamten Verhalten der Beklagten nicht habe darauf einrichten dürfen und auch nicht eingerichtet habe, dass diese ein Kündigungsrecht in Zukunft nicht geltend machen werde. Dies zeige der gesamte Ablauf. Die Beklagte habe immer wieder Maßnahmen ergriffen, die es der Klägerin deutlich machen mussten, dass sie auf ihrem Recht beharre. Die Erweiterung der Hilfswiderklage erfolge in Konsequenz der Erweiterung der Klage.

Wegen der Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens im Berufungsverfahren wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Akten des Landgerichts Freiburg -1 O 115/94 und 1 O 639/94 - sowie des OLG Karlsruhe, Zivilsenate Freiburg -13 U 179/95 -waren zu Informationszwecken beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Senat.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Die Klägerin kann von der Beklagten für die Zeit ab Februar 1996 die beanspruchte Miete nicht mehr fordern, da die Beklagte mit Schreiben vom 17.01.1996 das Mietverhältnis berechtigt wegen eines Mangels der Mietsache gern. § 542 BGB fristlos gekündigt hat und auf Ende Januar 1996 unstreitig die Mieträume geräumt hat.

Die Feststellung des Landgerichts zum Vorliegen eines Kündigungsgrundes, sind zutreffend und mit der Berufung nicht angegriffen. Ohne Erfolg macht die Klägerin mit der Berufung geltend, die Beklagte habe ihr Kündigungsrecht verloren, weil sie mit der Kündigung zu lange gewartet habe.

Die Beklagte hat ihre Gewährleistungsansprüche wegen Mängeln der Mietsache gemäß §§ 537, 542 BGB nicht dadurch verloren, dass sie erst ab Dezember 1991 die Miete gemindert hat. Bezüglich des Hauptmangels, der unzumutbaren Zustände im Hof und Zugangsbereich zu den Mieträumen der Klägerin, kann es dahinstehen, wie die Zustände zu Beginn des Mietverhältnisses waren. Aus dem pauschalen Vortrag der Berufung, die von der Beklagten reklamierten Zustände im Hof seien seit Mietbeginn zu beklagen und die Beklagte habe von Februar bis November 1991 die Miete ohne Vorbehalt gezahlt, folgt nicht, dass die Beklagte künftige Gewährleistungsansprüche verloren hat. Zwar kann in einer Zahlung der Miete ohne Vorbehalt in Kenntnis eines Mangels ein Verzicht gesehen werden, der künftige Gewährleistungsansprüche ausschließt (BGH, LM § 542 BGB Nr. 6; NJW 1997, 2674). Nach den gesamten Umständen, auch der unter Beweis gestellte pauschale Vortrag rechtfertigt keine abweichende Feststellung, kann aber von einem solchen Verzicht, bei dem sämtliche Umstände zu bewerten sind, nicht ausgegangen werden. Durch rechtskräftiges Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe -Zivilsenate Freiburg - vom 19.06.1996 wurden der Beklagten für die Zeit Dezember 1991 bis November 1994 Minderung im wesentlichen wegen der unzumutbaren Zustände auf dem Hof zugesprochen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Zustände auf dem Hof gleich zu Beginn so gravierend und damit unzumutbar waren. Hinzu kommt, dass ein solcher Mangel, der sich aus einem sich stets veränderbaren Zustand ergibt, erst durch eine längere Zeitdauer des Zustandes sein besonderes Gewicht erhält. Zunächst konnten die Beklagten davon ausgehen, daß es sich um keinen Dauerzustand handelt, sondern die Verhältnisse sich im Laufe der Zeit bessern. Unter diesen besonderen Umständen (auch ohne Kenntnis der Einzelheiten des Verhalten der Beteiligten) kann in der Bezahlung der Miete bis Dezember 1991 kein Verzicht auf Gewährleistungsansprüche gesehen werden.

Es bedarf daher keines Eingehens auf die Frage, ob der Klägerin durch den geführten Rechtsstreit über die Minderungsansprüche ab Dezember 1991 bis November 1994 die Berufung auf Umstände, aus denen auf einen vorausgegangenen Verzicht auf Gewährleistungsansprüche geschlossen werden kann, verwehrt ist. Für die Zeit nach November 1994 liegt ein Verzicht schon deshalb nicht vor, weil die Beklagte bereits mit Schreiben vom 04.05.1993 mitgeteilt hatte, dass sie ab sofort die Miete unter Vorbehalt zahle. Mehr konnte von der Beklagten schon deshalb nicht erwartet werden, weil die Klägerin sich in dem Rechtsstreit vor dem Landgericht Freiburg -1 O 115/94 - mit Klagschrift vom 16.03.1994 auf eine Klausel im Mietvertrag berufen hatte, wonach von der Mietforderung kein Minderungsanspruch abgesetzt werden darf.

Das Kündigungsrecht der Beklagten ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil sie mit der fristlosen Kündigung zu lange zugewartet hat. Sie hat ihr Kündigungsrecht nicht verwirkt. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass bei Dauerschuldverhältnissen ein Kündigungsrecht in angemessener Frist wahrgenommen werden muss. Unter Würdigung aller Umstände ist zu prüfen, ob die Kündigung im Hinblick auf den Zeitablauf nach Treu und Glauben noch zulässig war (BGH, NJW 1982, 2433, zu einem Eigenhändlervertrag; NJW 1985, 1895, zu einem Franchise-Vertrag; BGH, NJW 1984, 871, zu einem Leasingvertrag). In diesen Fällen beruhte der Kündigungsgrund auf Vertragsverletzungen des Vertragspartners, die mit dem Zeitablauf ihr Gewicht verlieren. Nimmt der zur Kündigung Berechtigte nicht in angemessener Frist sein Kündigungsrecht wahr, so kann daraus geschlossen werden, daß der Kündigungsgrund vom Berechtigten selbst nicht als so schwerwiegend angesehen wurde, daß er daraus die sofortige Konsequenz der fristlosen Kündigung ziehen wollte. Im übrigen kann in diesen Fällen auch der von der fristlosen Kündigung Betroffene nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine alsbaldige Klärung erwarten. Diese Grundsätze können für den vorliegenden Fall deshalb nicht angewandt werden, weil dieser ganz wesentliche Besonderheiten aufweist. In Bezug auf den hier in Rede stehenden Hauptmangel lag durch die Nichtbeseitigung der unzumutbaren Zustände ein dauernd fortwirkender Zustand vor, zu dessen Beseitigung die Klägerin verpflichtet war. Die Klägerin signalisierte zumindest zeitweise ihre Bereitschaft zur Beseitigung dieser Zustände. Der jahrelange Streit der Parteien über den Mangel führte aber schließlich nicht zur dessen Beseitigung. In einem solchen Fall kann nicht der allgemeine Grundsatz gelten, dass von einem Kündigungsrecht alsbald Gebrauch gemacht werden muss.

Das Kündigungsrecht wegen Mängeln der Mietsache ist in § 542 BGB geregelt. Die Vorschrift enthält keine Bestimmungen darüber, dass die Kündigung innerhalb einer bestimmten Frist zu erfolgen hat. Entsprechendes gilt für § 554 a BGB (vgl. hierzu BGH WM 1983, 660). Dennoch kann die Ausübung der Kündigung nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht im Belieben des Berechtigten stehen. Der Berechtigte kann sein außerordentliches Kündigungsrecht verwirkt haben (BGH WM 1967, 515). Die Kündigung muss auch in den Fällen des § 542 BGB nach Kenntnis des Kündigungsgrundes in angemessener Zeit ausgesprochen werden (BGH, a.a.O. m. w. N.). Entscheidend ist, ob die Kündigung bei Würdigung aller Umstände gegen Treu und Glauben verstößt. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass der Mieter am Vertrag deshalb zunächst festhält, um hohe Investitionen nicht einzubüßen und den Versuch zu unternehmen, die Zustände zu verbessern (BGH, a.a.O.).

Hier ist nach der Korrespondenz der Parteien davon auszugehen, dass die Beklagte zunächst mit der Minderung für die Zeit von Dezember 1991 bis November 1994 versuchte, auf die Klägerin dahingehend Einfluss zu nehmen, die Mängel zu beseitigen. Erst mit Schreiben vom 22.04.1993 forderte die Klägerin Zahlung der Mietminderungsbeträge. Mit dem vorläufigen Vergleich vom 28.07.1993 versuchten die Parteien eine Verständigung. Die Klägerin signalisierte mit Schreiben vom 31.01.1994 und 24.10.1994 eine Veränderung der Zustände durch eine Baumaßnahme. Unter diesen Umständen war die Beklagte nach Treu und Glauben, auch im Interesse der Klägerin, berechtigt mit einer Kündigung zuzuwarten, die sie sich mit Schreiben vom 07.04.1994 schließlich ausdrücklich vorbehielt.

Die Beklagte hat auch in der Folgezeit nicht treuwidrig eine Kündigung zurückgehalten. Obwohl die Beklagte sich eine Kündigung vorbehalten hatte, hat die Klägerin die Beklagte nicht aufgefordert, sich über die Ausübung eines, wenn auch bestrittenen, Kündigungsrechtes schlüssig zu werden. Vielmehr hat sie mit Schreiben vom 24.10.1994 durch den Hinweis auf die Beantragung einer Baugenehmigung signalisiert, daß sie um eine Veränderung der Verhältnisse bemüht ist und eine gütliche Einigung erstrebt. Sie hat auch in der Folgezeit das Bemühen der Beklagten hingenommen, erst nach einer Einigung mit der Klägerin über eine Abstandszahlung und Finden eines Nachmieters auszuziehen. Diese Bemühungen scheiterten. Das Zuwarten mit der fristlosen Kündigung verstößt nach den gesamten Umständen nicht gegen Treu und Glauben. Auch die spätere Entwicklung bestätigt diese Wertung. Der Klägerin ist es nach eigenem Vorbringen nach dem Auszug der Beklagten nicht gelungen, einen Nachmieter zu finden. Die Klägerin verstößt ihrerseits gegen Treu und Glauben, wenn sie nunmehr geltend macht, die Beklagte habe ihr Recht zur fristlosen Kündigung deshalb verwirkt, weil sie nicht frühzeitiger gekündigt hat. Sie hat in Kenntnis des gerügten Mangels in Bezug auf die Zustände im Hof mit der Beklagten verhandelt und in dieser die Hoffnung geweckt, sie werde in Bezug auf die Zustände Abhilfe schaffen. Nachdem sie diese Erwartungen nicht erfüllt hat, ist ihre Berufung auf eine Verwirkung des Kündigungsrechts treuwidrig. Das Zuwarten mit der Kündigung entsprach auch den Interessen der Klägerin, die auf diese Weise bis zum Auszug der Beklagten noch Mietzahlungen erhielt.

Die Berufung der Klägerin ist auch unbegründet, soweit sie sich dagegen wendet, daß der Beklagten auf ihre Widerklage als Mietminderung für die Zeit Dezember 1995 bis einschließlich Januar 1996 7.024,54 DM nebst Zinsen zugesprochen wurden. Wie bereits ausgeführt, hat die Beklagte ihren Anspruch auf Minderung nicht verwirkt. Die übrigen Feststellungen des Landgerichts insbesondere zur Höhe der beanspruchten Minderung sind mit der Berufung nicht angegriffen.

Da die Berufung der Klägerin keinen Erfolg hat, hat sie gern. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die übrigen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711, 108, 546 Abs. 2 S. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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