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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 08.11.2006
Aktenzeichen: 9 U 58/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 275 Abs. 1
Der Einzelhändler, der gegenüber dem Vermieter eine Betriebspflicht übernommen hat, wird hiervon unabhängig von der Einleitung eines Insolvenzverfahrens wegen Unvermögens frei, wenn er zahlungsunfähig ist.
Oberlandesgericht Karlsruhe 9. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 9 U 58/06

Verkündet am 08. November 2006

wegen Verletzung der vertraglich vereinbarten Betriebspflicht

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 27. September 2006 unter Mitwirkung von

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 10.3.2006 abgeändert:

Der Beschluss vom 30.11.2005 wird aufgehoben. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Gründe:

I.

Mit Beschluss vom 30.11.2005 hat das Landgericht wegen Dringlichkeit ohne vorherige mündliche Verhandlung der Beklagten durch einstweilige Verfügung aufgegeben, den Geschäftsbetrieb "S" mit Damen- und Herrenoberbekleidung im mittleren und oberen Preissegment in dem an sie vermieteten Ladengeschäft - Ladenlokal Nr. - im ersten Obergeschoss des Zentrums O. in F. aufrecht zu erhalten, die Ladenflächen im Rahmen der allgemeinen Öffnungszeiten des Centers Montag bis Freitag von 09:00 Uhr bis 20:00 Uhr und Samstags von 08:00 bis 18:00 Uhr geöffnet zu halten und das Ladenlokal dekoriert zu halten und nicht sämtliche Waren und sonstigen Gegenstände hieraus zu entfernen. Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Landgericht die einstweilige Verfügung aufrecht erhalten. Auf die tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen.

Zur Begründung ihrer rechtzeitig eingelegten Berufung trägt die Beklagte vor, dass die einstweilige Verfügung nicht durchsetzbar sei. Die vertragliche Verpflichtung des Mieters zum Betrieb eines Ladengeschäftes könne weder als vertretbare Handlung nach § 887 ZPO noch als unvertretbare Handlung nach § 888 ZPO vollstreckt werden. Der Klage fehle das Rechtsschutzbedürfnis, da die Beklagte nunmehr vermögenslos sei. Eine Fortführung des Geschäftsbetriebes sei ihr nicht zuzumuten, da sie sonst gezwungen wäre, Verbindlichkeiten einzugehen, beispielsweise mit Lieferanten, und die Vertragspartner über ihre Zahlungsfähigkeit zu täuschen. Ein Verfügungsgrund sei nicht gegeben. Das Landgericht habe mit der angefochtenen Entscheidung die Hauptsache in unstatthafter Weise vorweg genommen. Es bestehe auch kein Verfügungsanspruch, weil die Beklagte den Vertrag wegen arglistiger Täuschung über die zu erwartenden Besucherzahlen wirksam angefochten habe. Schließlich sei ihre Betriebspflicht nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage entfallen, da statt der erwartenden 8 bis 10.000 Besucher lediglich täglich 800 bis 1.000 Kunden das Geschäftszentrum aufsuchen würden.

Die Beklagte stellt folgenden Antrag

1. Das Urteil des Landgerichts Freiburg, AZ: ... verkündet am 10.03.2006, wird aufgehoben. Ebenso wird aufgehoben die einstweilige Verfügung des Landgerichts Freiburg vom 30.11.2005 und der Antrag der Berufungsbeklagten auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Berufungsklägerin wird zurückgewiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Rechtsnachfolgerin der ursprünglichen Klägerin, die mit Zustimmung der Beklagten in den Rechtsstreit eingetreten ist, verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

II.

Auf die Berufung der Beklagten war die angefochtene Entscheidung abzuändern, weil sich in der Berufungsinstanz herausgestellt hat, dass die Beklagte wegen Unvermögens ihrer Betriebspflicht nicht mehr nachkommen kann. Dagegen greifen die übrigen Einwendungen der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts, auf das der Senat insoweit billigend Bezug nimmt, nicht durch.

1. Nach herrschender Auffassung der sich der Senat anschließt, kann die Erfüllung einer Betriebspflicht grundsätzlich im Wege der einstweiligen Verfügung angeordnet werden (vgl. Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts 9. Aufl. Rdnr. 615 m. w. N.).

2. Richtig ist, dass die Anordnung einer auf Erfüllung gerichteten einstweiligen Verfügung nicht nur die strenge Prüfung des Verfügungsanspruchs voraussetzt, sondern auch das Vorliegen eines qualifizierten Verfügungsgrundes. Erforderlich für eine so genannte "Leistungsverfügung" ist, dass der Gläubiger auf die sofortige Erfüllung dringend angewiesen ist. Unter diesen Voraussetzungen sind Leistungsverfügungen insbesondere in den Fällen zulässig, in denen die geschuldete Handlung so kurzfristig zu erbringen ist, dass die Erwirkung eines Titels im ordentlichen Verfahren nicht möglich wäre (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO 25. Aufl. § 940 Rdnr. 6). Eine auf teilweise Befriedigung gerichtete einstweilige Verfügung setzt voraus, dass sie unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig ist (§ 940 ZPO; vgl. OLG Hamm NJW-RR 1990, 1236).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend glaubhaft gemacht. Unstreitig hat die Beklagte mit Schreiben vom 28.11.2005 die fristlose Kündigung des Mietvertrages erklärt. Auch nach ihrem Vortrag wollte sie danach die Geschäftsräume räumen und den Geschäftsbetrieb schließen. Ein derartiges (angekündigtes) Verhalten stellt geradezu den klassischen Fall für den Erlass einer einstweiligen Verfügung dar, sofern auch ein Verfügungsanspruch gegeben ist.

3. Die Beklagte meint, die Schließung ihres Geschäftes sei im Hinblick auf die Ausmaße des Einkaufszentrums ohne wesentliche Bedeutung für die Klägerin. Die Verkaufsfläche von ca. 70 qm sei völlig unbedeutend im Verhältnis zum Gesamtsobjekt mit ca. 12.000 qm. Außerdem liege das Ladenlokal der Beklagten abseits und sei für viele Kunden gar nicht wahrnehmbar. Es handele sich also nicht um einen so genannten Frequenzbringer, welcher zwingend notwendig sei, um das Zentrum zu beleben.

Diesen Überlegungen folgt der Senat nicht. Sinn der Vereinbarung einer Betriebspflicht bei Einkaufszentren der vorliegenden Art ist, das Einkaufszentrum durch ein möglichst großes und vielfältiges Angebot an Geschäften für Kunden attraktiv zu halten (vgl. KGR Berlin 2003, 315). Zu einem solchen Geschäftsmix gehören auch Geschäfte in der Art des von der Beklagten betriebenen Ladenlokals zum Vertrieb von Damen- und Herrenoberbekleidung im mittleren und oberen Preissegment. Der Leerstand selbst eines kleinen Lokals würde somit die Attraktivität eines derartigen Geschäftszentrums vermindern wie auch eine Anreizwirkung auf gleichfalls unzufriedene Geschäftleute ausüben, ihrerseits den nicht rentablen Betrieb einzustellen. Dementsprechend haben unstreitig aus vergleichbaren Gründen auch zwei andere Geschäfte zumindest vorübergehend ihren Betrieb in dem Geschäftszentrum eingestellt. Könnte die Klägerin die Durchsetzung der Betriebspflicht nur im ordentlichen Rechtswege verfolgen, ginge von dem Verhalten der Beklagten eine für den Gesamtbetrieb des Geschäftszentrums negative Anreiz und Vorbildwirkung aus.

4. Die Auferlegung einer Betriebspflicht ist grundsätzlich auch nicht unverhältnismäßig. Eine etwaige Erkrankung der Beklagten ist insoweit ohne Bedeutung, da die Beklagte nicht gehalten ist, den Geschäftsbetrieb in eigener Person aufrecht zu erhalten. Die Einschaltung von Erfüllungsgehilfen ist statthaft, wie unter den Parteien auch nicht streitig ist.

5. Eine Betriebspflicht kann selbst in allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbart werden (vgl. BGH NJW-RR 1992, 1032; Wolff/Eckert/Ball aaO. Rdnr. 609).

6. Die Betriebspflicht ist auch nicht durch die fristlose bzw. hilfweise als fristgerechte ausgesprochene Kündigung der Beklagten vom 28.11.2005 entfallen. Auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung wird Bezug genommen. Die hiergegen gerichteten Berufungsangriffe sind nicht begründet.

Die Beklagte führt insoweit aus, dass seit Anbeginn des Mietverhältnisses ständig und immer fort Mängel und Pflichtverletzungen eingetreten seien und, obgleich zeitnah gerügt, nicht oder nicht ausreichend beseitigt worden seien. Die Klägerin habe die Probleme in der Tiefgarage (großflächige Wasserlachenbildung), die vorgetragenen Lüftungsdefekte (Essensgerüche) und die glaubhaft gemachten Persönlichkeitsverletzungen durch den Einsatz von Überwachungskameras ignoriert. Die Beklagte habe glaubhaft gemacht, dass im Winter die erforderlichen Raumtemperaturen nicht erreicht würden bzw. der benötigte Luftwechsel unzureichend sei.

Diese Vorwürfe gehen fehl.

Richtig ist, dass die Beklagte die Rechtsvorgängerin der Klägerin mehrfach wegen der Geruchsbelästigungen angesprochen hat (vgl. Schreiben vom 05.07.2005 As. I, 363). Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hat hierauf jedoch reagiert und den Generalunternehmer aufgefordert, den Mangel bis zum 08.07.2005 zu beheben (vgl. Schreiben der B. Unternehmensberatung GmbH vom 04.07.2005 As. I, 371). Dass die Geruchsproblematik fortdauert, ist zwar vorgetragen, jedoch nicht glaubhaft gemacht.

Hinsichtlich der in der Tiefgarage vorhandenen Pfützen sind weitere Reklamationen der Beklagten vorgetragen. Der Senat teilt jedoch die Auffassung des Landgerichts, dass dieser Mangel alleine die fristlose Kündigung aus wichtigem Grund des auf 10 Jahre fest vereinbarten Vertrages nicht rechtfertigt. Ein wichtiger Grund liegt nach der hier anwendbaren Bestimmung des § 543 Abs. 1 S. 1 BGB nur dann vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

7. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist eine arglistige Täuschung durch die Rechtsvorgängerin der Klägerin nicht glaubhaft gemacht. Durch die vorgelegten Beweismittel steht allerdings, wovon auch das Landgericht zutreffend ausgegangen ist, fest, dass die Beklagte auf Angaben der Verhandlungsbevollmächtigten der Rechtsvorgängerin der Klägerin, es werde mit einer Kundenfrequenz von 8.000 Personen täglich gerechnet, vertraut und im Vertrauen hierauf den Mietvertrag abgeschlossen hat. Dass sich bislang eine solche Kundenfrequenz nicht entwickelt hat, rechtfertigt den Vorwurf einer (arglistigen) Täuschung jedoch nicht. Anhaltspunkte dafür, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin von ihren Angaben abweichende Erkenntnisse über die prognostizierten Kundenfrequenz hatte, sind nicht gegeben. Dass die S. AG wahrheitswidrig das Vorliegen einer Studie mit entsprechendem Inhalt vorgespiegelt hätte, ist nicht glaubhaft gemacht. Dem Schreiben ihrer Mitarbeiter vom 31.01.2006 lässt sich derartiges nicht entnehmen (As. I, 445). Dort ist ausgeführt, dass gegenüber den Eheleuten S. eine im Auftrag des ehemaligen Projektentwicklers (T.) gefertigte Marktanalyse erwähnt und ihnen "wohl auch auszugsweise" übergeben worden sei. Anlass, der Klägerin die Beweislast für das Nichtvorliegen der Voraussetzungen einer arglistigen Täuschung aufzuerlegen, besteht nicht. Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass in der Mitteilung einer Prognose keine Täuschung liege. Eine Prognose berge immer das Risiko und auch die Chance, dass sie nicht zutreffe.

8. Die Beklagte meint, die Betriebspflicht sei infolge der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) entfallen. Nach § 313 Abs. 1 BGB kann Anpassung des Vertrages verlangt werden, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Die vertragliche Risikoverteilung geht den Rechtsgrundsätzen über die Störung der Geschäftsgrundlage vor. Nach feststehender Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trägt im Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter grundsätzlich der Mieter das Verwendungsrisiko bezüglich der Mietsache. Dazu gehört bei der gewerblichen Miete vor allem die Chance, mit dem Mietobjekt Gewinne erzielen zu können. Es fällt in den Verantwortungsbereich des Mieters, als Unternehmer die Erfolgsaussichten eines Geschäfts in der gewählten Lage abzuschätzen. Das umfasst bei einem erst geplanten Einkaufszentrum neben der Chance, in einem später florierenden Zentrum erhöhte Gewinne zu erzielen, auch das Risiko eines Scheiterns des Gesamtprojekts mit entsprechenden negativen Folgen für das Einzelgeschäft. Allein der Umstand, dass auch der Vermieter von einem wirtschaftlichen Erfolg des Projekts ausgeht, verlagert das Verwendungs- und Gewinnerzielungsrisiko für das einzelne gemietete Geschäft in dem Einkaufszentrum nicht von dem Mieter auf den Vermieter (BGH NZM 2006, 54; NJW 1970, 1313). Dies gilt selbst dann, wenn die weitere Erfüllung des Vertrages unter Umständen den Verfall des Vermögens des Mieters zur Folge hätte (vgl. BGH NJW 1978, 2390). Allerdings können die Parteien von dieser gesetzlichen Risikoverteilung abweichen. Anhaltspunkte hierfür sind vorliegend jedoch nicht vorgetragen und nach den Kriterien der obergerichtlichen Rechtsprechung auch nicht ersichtlich (vgl. hierzu BGH NJW 2000, 1714).

9. Die Beklagte wendet gegen ihre Verurteilung ein, sie sei bereits vermögenslos. Sie könne keine Ware mehr nachordern. Zur Glaubhaftmachung bezieht sie sich auf die eidesstattliche Erklärung ihres Ehemannes vom 24.05.2006. Hiernach habe er zuletzt bei der Volksbank F. Anfang 2006 versucht, ein Darlehen zu erhalten. Dies sei nicht gelungen. Er selbst sei nicht mehr bereit, seiner Ehefrau ein weiteres Darlehen zu gewähren. Aus der letzten Warenlieferung an die Beklagte stehe noch eine Kaufpreisschuld von etwa 17.000,- € aus. Die für das Frühjahr 2006 georderte Ware bei den Hauptlieferanten F. und L. werde aufgrund Zahlungsverzuges nicht ausgeliefert. In den Monaten Januar bis April 2006 habe seine Ehefrau einen Umsatz von monatlich etwa € 2 700 erzielt. Die Personalkosten würden, da seine Ehefrau nur noch mit geringfügig Beschäftigten operieren werde, ca € 15 000 betragen, gemeint ist pro Jahr. Der Wareneinsatz werde bei einem jährlichen Umsatz von rund € 32 000 etwa € 20 000 betragen. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat glaubwürdig mitgeteilt, dass die Firma L. weiterhin nicht liefere. Die Firma F. liefere teilweise. Seit November 2005 zahle sie weder Miete noch Nebenkosten an die Klägerin bzw. deren Rechtsvorgängerin. Ohne Mietzahlung "gehe es gerade so". Das private Wohnhaus der Eheleute sei grundpfandrechtlich voll ausgelastet. Sie habe in I. noch einen Betrieb. Dort habe sie für € 100 000 Ware geordert, sei auf ihr jedoch sitzen geblieben. Mit den dortigen Lieferanten habe sie Teilzahlungslösungen ausgehandelt. Sie habe kein Geld und lebe von ihrem Mann.

Hiernach steht fest, dass die Beklagte zahlungsunfähig ist. Zahlungsunfähig im Sinne des Insolvenzrechts ist, wer nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (§ 17 Abs. 2 S. 1 InsO). Eine vorübergehende Zahlungsstockung oder ganz geringfügige Liquiditätslücken sind nicht geeignet, Zahlungsunfähigkeit zu begründen. Eine bloße Zahlungsstockung ist anzunehmen, wenn der Zeitraum nicht überschritten wird, den eine kreditwürdige Person benötigt, um sich die benötigten Mittel zu leihen. Dafür erscheinen drei Wochen erforderlich, aber auch ausreichend. Beträgt eine innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke des Schuldners weniger als 10% seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten, ist regelmäßig von Zahlungsfähigkeit auszugehen, es sei denn, es ist bereits absehbar, daß die Lücke demnächst mehr als 10% erreichen wird. Beträgt die Liquiditätslücke des Schuldners 10% oder mehr, ist regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist (BGHZ 163,134). Nach diesen Kriterien ist die Beklagte zahlungsunfähig. Allein die Mietschulden erreichen einen Betrag von rund € 39 000. Hinzu kommen die offenen Forderungen aus Warenlieferungen in Höhe von € 17 000. Eine positive Prognose kann der Beklagten aus den von ihrem Ehemann in der eidesstattlichen Versicherung gegebenen Gründen nicht gestellt werden.

10. Nach § 275 Abs. 1 BGB ist der Anspruch auf Leistung ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist. Richtig ist, dass Zahlungsunfähigkeit den Schuldner auch dann nicht befreit, wenn sie auf unverschuldeter Ursache beruht. Nach dem Prinzip der unbeschränkten Vermögenshaftung, das aus dem Grundgedanken des § 279 BGB a. F. und dem geltenden Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht abzuleiten ist, hat jedermann für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen (BGHZ 107, 92). Von Geldleistungspflichten wird der Schuldner nur nach den besonderen Bestimmungen der Insolvenzordnung befreit. Für die Entscheidung des hier zu beurteilenden Falles ist jedoch nicht der dargestellte Grundsatz der unbeschränkten Vermögenshaftung maßgeblich. Vielmehr geht es darum, ob der Schuldner trotz Unvermögens zu einer (gegebenenfalls nicht vertretbaren) Handlung gezwungen werden kann. Auch im Zwangsvollstreckungsrecht ist ganz herrschende Auffassung, dass der Schuldner einer unvertretbaren Handlung nicht durch Zwangsgeld zu einer Handlung gezwungen werden darf, die ihm nicht möglich ist (§ 888 ZPO; vgl. OLGR Celle 1998, 104; OLG Hamm NJW-RR 1988, 1087; OLGR Stuttgart 2005, 728). Unter diesen Umständen kann die Beklagte bereits im Erkenntnisverfahren den materiell-rechtlichen Einwand, zur Erfüllung der Betriebspflicht nicht in der Lage zu sein (§ 275 Abs. 1 BGB), geltend machen (vgl. auch LG Köln NZM 2005, 621). Unvermögen liegt zumindest dann vor, wenn der Schuldner zahlungsunfähig ist und die Fortführung des Betriebes allenfalls durch Betrug gegenüber seinen Geschäftspartnern, nämlich durch Täuschung über seine nicht gegebene Zahlungsfähigkeit bewirken könnte.

Nachdem die Beklagte zahlungsunfähig ist, ist es ihr unmöglich, den Geschäftsbetrieb, wie in der einstweiligen Verfügung vom 30.11.2005 angeordnet, aufrecht zu erhalten.

Die Entscheidung beruht im übrigen auf § 91 ZPO.

Ende der Entscheidung

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