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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 08.03.2001
Aktenzeichen: 9 U 75/00
Rechtsgebiete: BGB, HwiG


Vorschriften:

BGB § 166
BGB § 173
BGB § 242
HwiG § 1
Oberlandesgericht Karlsruhe - 9. Zivilsenat in Freiburg -

Leitsatz

Zur Widerruflichkeit der notariell beurkundeten Vertretererklärung und zur Verwirkung des Widerrufsrechts.

BGB §§ 166, 173, 242, HwiG § 1

Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 8.3.2001 - 9 U 75/00 -

Das Urteil ist rechtskräftig.


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 9. Zivilsenat in Freiburg

Im Namen des Volkes Urteil

9 U 75/00 1 O 57/99

Verkündet am: 08. März 2001

In Sachen

als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

wegen Rückforderung und Rückabtretung

hat das Oberlandesgericht Karlsruhe - 9. Zivilsenat in Freiburg - auf die mündliche Verhandlung vom 22.02.2001 durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht

Richter am Oberlandesgericht

Richterin am Oberlandesgericht

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 14.03.2000 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Beschwer der Klägerin beträgt 32.137,48 DM.

Tatbestand:

Die Klägerin beansprucht von der beklagten Bank nach Widerruf eines Darlehensvertrages gestützt auf das Haustürwiderrufsgesetz die Rückzahlung erbrachter Zins- und Tilgungsleistungen sowie die Rückübertragung der Rechte aus einer Lebensversicherung.

Die Klägerin beteiligte sich mit notariellem Vertrag vom 26.10.1990 mit 30.650,00 DM an einem geschlossenen Immobilienfonds in , dessen Anteile von der W mbH vertrieben wurden. Die Beklagte hat für die Finanzierung der einzelnen Anteile Kreditmittel in Höhe von 18 Mio. DM zur Verfügung gestellt.

Diese Beteiligung wurde der Klägerin durch K. vermittelt, mit dem die Klägerin bereits zuvor als Versicherungsvertreter Kontakt hatte. Nach Gesprächen über eine solche Fondsbeteiligung unterzeichnete die Klägerin neben anderen vom Zeugen mitgebrachten Unterlagen einen Darlehensvertrag mit der Beklagten. Ein gleichlautender Darlehensvertrag wurde von der Klägerin mit der Ortsangabe S. am 22.10.1990 unterschrieben. Am gleichen Tage unterzeichnete die Klägerin eine Vollmacht zugunsten von Frau M. und Herrn T., wonach diese einzeln die Klägerin in allen Angelegenheiten, welche den Eintritt in die näher bezeichnete Gesellschaft bürgerlichen Rechts betreffen, zu vertreten berechtigt wurden. Die Unterschrift der Klägerin unter dieser Vollmacht wurde durch den Ratschreiber der Gemeinde S. öffentlich als echt beglaubigt.

Aufgrund dieser Vollmacht vertrat Frau L. die Klägerin am 26.10.1990 bei der Beurkundung ihres Eintritts in die BGB-Gesellschaft und bei der notariellen Beurkundung eines Angebots der Klägerin an die Beklagte zum Abschluss eines Darlehensvertrages in Höhe von 37.128,00 DM. Dieses Darlehensangebot nahm die Beklagte unter dem 09.11.1990 an. In diesem Vertrag war neben der Verpfändung des BGB-Anteils auch die Abtretung einer nicht näher genannten Lebensversicherung vereinbart. In der Folgezeit überließ die Klägerin der Beklagten den Versicherungsschein ihrer Lebensversicherung bei der B. Die Beklagte zeigte hierauf dieser Versicherung die Abtretung des Anspruchs an. Die Darlehensvaluta wurden vereinbarungsgemäß direkt zum Erwerb der Fondsanteile ausgezahlt.

Die Beklagte erhielt in der Folgezeit die mit der Klägerin vereinbarten Zinszahlungen, insgesamt den mit der Klage geltend gemachten Betrag, hierin enthalten die direkt an die Beklagte abgeführten Überschüsse der BGB-Gesellschaft.

Die Klägerin war zu keiner Zeit über ein Widerrufsrecht belehrt worden. Mit Schreiben ihres Rechtsanwaltes vom 17.09.1998 hat sie gestützt auf das Haustürwiderrufsgesetz (HWiG) den Widerruf des Darlehensvertrages erklärt.

Die Klägerin hat behauptet, der Zeuge Löwen habe sie nicht auf Bestellung in ihrer Wohnung aufgesucht, sondern sei ohne vorherige Absprache in unregelmäßigen Abständen zu ihr in die Wohnung gekommen. Sie sei deshalb zum Widerruf nach dem HWiG berechtigt. Dem stehe weder entgegen, dass eine Immobilienbeteiligung Gegenstand des Vertrages war, noch dass die Vertragserklärung notariell beurkundet wurde. Das Widerrufsrecht sei auch nicht verwirkt. Gegenansprüche der Beklagten bestünden nicht. Hilfsweise macht sie geltend, mit dem HWiG vom 01.05.1986 sei die EG-Richtlinie des Rates vom 20.12.1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (85/577/EWG) nicht umfassend umgesetzt worden. Schließlich sei der Darlehensvertrag im Reisegewerbe zustande gekommen und deshalb wegen Verstoßes gegen § 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO a.F. gemäß § 134 BGB nichtig.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

1. an die Klägerin 22.337,48 DM zuzüglich 10 % Zinsen aus 12.523,81 DM seit Zustellung der Klage vom 11.02.1999 sowie 10 % Zinsen aus 9.613,67 seit Zustellung der Klagerweiterung zu zahlen;

2. die Rechte an der Lebensversicherung bei der B.. an die Klägerin zurückzuübertragen und den Versicherungsschein hierüber an die Klägerin heraus zugeben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat bestritten, dass der Zeuge L. die Klägerin ohne vorherige "Bestellung" aufgesucht habe. Einem Widerrufsrecht stehe im Übrigen die notarielle Beurkundung entgegen. Von einer Umgehung des HWiG könne keine Rede sein. Schließlich sei das Widerrufsrecht der Klägerin verwirkt gewesen, nachdem sie jahrelang unbeanstandet an dem Vertragsverhältnis festgehalten habe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat bereits die Voraussetzung des § 1 Abs. 1 HWiG verneint, da es nach dem Ablauf an dem nach dem HWiG vorausgesetzten Überrumpelungseffekt gefehlt habe. Jedenfalls scheitere ein Widerrufsrecht an § 1 Abs. 2 Nr. 3 HWiG, da sowohl die Beitrittserklärung als auch das Darlehensangebot der Klägerin notariell beurkundet worden seien. Eine Umgehung des HWiG (§ 5 HWiG) liege nicht vor. Im Übrigen hat das Landgericht auch eine Verwirkung des Widerrufsrechts der Klägerin angenommen. Wegen der weiteren Einzelheiten, auch zum Sachverhalt, wird auf das Urteil Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin unter Ergänzung und Vertiefung ihres Vorbringens erster Instanz. Sie stützt ihren Anspruch nunmehr auch auf Verschulden bei Vertragsschluss (c.i.c.). Der Vermittler, der Zeuge L., sei Erfüllungsgehilfe der Beklagten gewesen. Er habe der Beklagten der Klägerin gegenüber obliegende Pflichten dadurch verletzt, dass er den Anteilserwerb als ein risikoloses Geschäft bezeichnet habe. Er habe ihr einen Immobilienwert nach 12 Jahren von 61.092,00 DM errechnet, was sich als falsch erwiesen habe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 14.03.2000 abzuändern und die Beklagte nach der erstinstanzlichen Anträgen zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ergänzt ihr Vorbringen erster Instanz und nimmt auf das Urteil des Landgerichts Bezug, das sie für richtig hält.

Wegen der Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens im Berufungsverfahren wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch nicht begründet. Sie hat weder einen Anspruch auf Rückzahlung noch auf Rückübertragung. Der Darlehensvertrag ist nach wie vor wirksam.

Zwar lagen in Bezug auf die Person der Klägerin jedenfalls bezüglich ihres Darlehensantrages vom 18./ 22.10.1990 die Voraussetzungen des § 1 Nr. 1 HWIG vor. Die auf Abschluss eines Vertrages über eine entgeltliche Leistung gerichtete Willenserklärung wurde im Bereich ihrer Privatwohnung abgegeben. Die mündlichen Verhandlungen beruhten nicht im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 1 HWiG auf einer vorhergehenden Bestellung der Klägerin. Der Zeuge L. hat eindeutig ausgesagt, dass die Initiative von ihm ausgegangen ist. Er hat die Klägerin angerufen und mit ihr einen Besprechungstermin vereinbart.

Die Klägerin konnte den Darlehensvertrag mit der Beklagte aber nicht widerrufen, weil der schließlich zum Tragen gekommende Darlehensvertrag als Angebot der Kläger an die Beklagte zum Abschluss eines Darlehensvertrages notariell beurkundet wurde, die Klägerin bei dieser notariellen Beurkundung von einer von ihr bevollmächtigten Person vertreten wurde und in der Person ihres Vertreters die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWiG nicht vorlagen.

Ist auf Seiten des Kunden ein Dritter eingeschaltet, der rechtsgeschäftlich für ihn handelt, so begründet dies ein Widerrufsrecht nur, wenn der Vertreter durch die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWIG vorausgesetzte Willenbeeinflussung zum Vertragsabschluss bestimmt worden ist (BGH, WM 1991, 860;BGH, NJW, 2000, 2268 und 2270). Diese auf dem Rechtgedanken des § 166 BGB beruhende Rechtsprechung entspricht der herrschenden Meinung ( Hoffman, NJW, 2000,421 m.w.N.). Eine Beeinflussung des Vertreters im Sinne von § 1 HWG wird nicht geltend gemacht.

Im Übrigen ist die Willenserklärung der Klägerin für das Darlehen von einem Notar beurkundet worden, so dass § 1 Abs. 2 Nr. 3 HWiG einem Widerruf dieser Erklärung entgegensteht. Allerdings gilt dies nicht für die Vollmacht, da die Vollmachterteilung nicht beurkundet wurde. Die Vollmachterteilung ist dennoch wirksam. Es kann auch hier offen bleiben, ob eine Vollmachterklärung als solche nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWiG überhaupt widerrufen werden kann ( vgl. BGH a.a.O. m.w.N.) und ob und unter welchen Voraussetzungen die Nichtigkeit oder Widerruflichkeit eines Grundgeschäfts die Unwirksamkeit der Vollmacht nach sich zieht (vgl. BGH, NJW, 1988,697; BGH, NJW 2000,2270m.w.N.). Zu Gunsten der Beklagten greift in jedem Fall § 172 BGB ein , da bei der Beurkundung des Angebots zum Abschluss eines Darlehensvertrages die Vollmacht vorlag und in der Urkunde auf sie Bezug genommen wurde. Dass sie als notariell beurkundet statt öffentlich beglaubigt bezeichnet wurde, ist unerheblich. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Beklagte eine etwaige Widerruflichkeit der Vollmacht kannte oder kennen musste.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beklagten infolge Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist, dass die Vollmachtserklärung der Klägerin in einer Verhandlungssituation im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWiG abgegeben wurde. Im Rahmen der §§ 172, 173 BGB besteht keine allgemeine Überprüfungs- und Nachforschungspflicht (BGH NJW 2000, 2271; kritisch hierzu Hofmann a.a.O.). Dies gilt auch dann, wenn § 1 Abs. 2 Nr. 3 HWiG mit der Richtlinie 85/577/EWG vom 20.01.1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, die einen Ausschluss des Widerrufsrechts bei notariell beurkundeter Erklärung nicht vorsieht, nicht vereinbar sein sollte oder aber hinsichtlich der Richtlinie, wonach sie für Verträge über Immobilien nicht gilt, einschränkend auszulegen sein sollte (BGH NJW 2000,2269). Mangels Erheblichkeit hat deshalb keine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 177 EWG-Vertrag zu erfolgen (Krück in Bleckmann, Europarecht 5. Aufl. Art. 177 EG-Vertrag Rdnr. 53).

Würde abweichend von der dargelegten Auffassung des Senats ein Widerrufsrecht bejaht, so wäre die Klägerin in jedem Fall an der Ausübung des ihr ursprünglich zustehenden Widerrufsrechts nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWiG durch das Rechtsinstitut der Verwirkung (§ 242 BGB) gehindert. Die Klägerin hat den Darlehensvertrag acht Jahre lang erfüllt und die damit erworbene Beteiligung an dem Immobilienfonds beibehalten. Sie hat damit in diesen Jahren zu erkennen gegeben, dass sie den Vertrag beibehalten will. Sie kann nun nicht im Nachhinein, nachdem sich die Anlage als Fehlinvestition erwiesen hat, dieses übernommene Risiko auf die Beklagte verlagern. In Anlehnung an die spätere rechtliche Regelung in § 2 Abs. 2 Satz 3 VKG sieht der Senat hier nach diesem langen Zeitablauf den Tatbestand der Verwirkung erfüllt (ebenso OLG Ham. MDR 1999, 537). Heute wäre auf diesen Fall ohnehin das VKG anwendbar.

Ausreichendes Vorbringen der Klägerin, dass die notarielle Beurkundung der Umgehung des Haustürwiderrufsgesetzes diente (§ 5 Abs. 1 HWiG), fehlt. Die notarielle Beurkundung ist vom Gesetz als Ausnahmetatbestand vorgesehen, so dass allein hieraus auf eine Umgehung nicht geschlossen werden kann. Es stehen auch keine weiteren Umstände fest, aus denen auf eine zu beanstandende Umgehung des Widerrufsrechts nach dem HWiG geschlossen werden könnte. Da die Beklagte mit der Klägerin keinen unmittelbaren Kontakt hatte, ist es ebenso möglich, dass die Beklagte mit dieser Art der Gestaltung hinsichtlich der Identität der Klägerin als Darlehensnehmerin und deren Nachweis absichern wollte.

Der Darlehensvertrag ist auch nicht wegen Verstoß gegen § 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO a.F. nichtig. Der Bundesgerichtshof hat in Übereinstimmung mit der überwiegenden Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und der Auffassung im Schrifttum entschieden, dass § 134 BGB in Bezug auf § 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO a.F. nicht mehr anzuwenden ist, da der Kunde seit dem Inkrafttreten des HWiG durch das Widerrufsrecht hinreichend vor den Folgen einer Überrumpelungssituation geschützt wird (BGH NJW 1996, 926).

Die Klägerin kann von der Beklagten auch keinen Schadensersatz wegen Verschulden bei Vertragsschluss (c.i.c.) beanspruchen. Es kann dahinstehen, ob sich die Beklagte Zusicherungen des Vermittlers Löwen, wofür vieles spricht, zurechnen lassen muss. Die Klägerin hat nicht hinreichend dargetan, dass sie durch Angaben in Bezug auf den Darlehensvertrag, die sich die Beklagte zurechnen lassen müsste, falsch informiert wurde. Ihre Vorwürfe beziehen sich auf die Vermittlung der Fondsbeteiligung, für die die Beklagte aber nicht verantwortlich ist. Eine solche Verantwortlichkeit ergibt sich nicht bereits daraus, dass sie in Abstimmung mit der Vertriebsfirma die Finanzierung der Fondsanteile übernommen hatte. Weder Umstände einer Prospekthaftung noch eine besondere Vertrauensstellung der Beklagten gegenüber der Klägerin sind dargetan. Der Darlehensvertrag selbst, bei dem die Beklagte die Verantwortung trägt, wurde ersichtlich korrekt abgewickelt.

Die Nebenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713, 546 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Entscheidung nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung abweicht.

Ende der Entscheidung

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