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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 22.10.2008
Aktenzeichen: 9 U 75/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 280
BGB § 254
BGB § 823
1. Der Reitlehrer ist einem minderjährigen und unerfahrenen Reiter gegenüber verpflichtet, dessen Können abzuschätzen und ihn vor den für einen unerfahrenen Reiter mit einem Ausritt verbundenen erheblichen Gefahren zu bewahren.

2. Aufgabe des Reitlehrers ist es dabei, den Reiter nicht in für einen unerfahrenen Reiter schwer beherrschbare Situation zu bringen.


Oberlandesgericht Karlsruhe 9. Zivilsenat in Freiburg Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 9 U 75/07

Verkündet am 22. Oktober 2008

In dem Rechtsstreit

wegen Feststellung und Schmerzensgeld

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 08. Oktober 2008 durch Richter am Oberlandesgericht Dr. Ungewitter als Einzelrichter

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 17.4.2007 hinsichtlich Ziffer 1 abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von € 12 000 zu zahlen.

2. Ziffer 5 des Tenors der angefochtenen Entscheidung entfällt.

3. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

4. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

5. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.

6. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Streitgegenständlich sind Ansprüche aus einem Unfall, den die damals dreizehnjährige Klägerin beim Ausreiten mit einem Pferd der Beklagten erlitten hat. Auf die tatsächlichen Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung wird Bezug genommen. Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen statt gegeben.

Hiergegen richten sich die rechzeitig eingelegten Berufungen der Klägerin und der Beklagten.

Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Berufung vor, dass das vom Landgericht ausgeworfene Schmerzensgeld in Anbetracht der im Einzelnen in der Berufungsbegründung dargestellten erlittenen Schäden unzureichend sei.

Die Beklagte rügt, dass das Landgericht entgegen höchstrichterlicher Rechtsprechung die Beweislastumkehr des § 834 BGB im Rahmen der Schadensmitverursachung nicht berücksichtigt habe. Die Beweiswürdigung sei mangelhaft. Die gesundheitlichen Folgen des von der Beklagten bestrittenen Vorgangs seien entgegen den Feststellungen des Landgerichts streitig gewesen.

Die Klägerin stellt den Antrag,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes, im Ermessen des Gerichts stehendes Schmerzensgeld zu bezahlen,

2. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin hält ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens € 10 000 für angemessen.

Die Beklagte stellt den Antrag,

1. unter teilweiser Abänderung des am 17.04.2007 verkündeten Urteils des LG Konstanz - 6 O 164/06 - die Klage insgesamt abzuweisen.

2. die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die Berufung der Klägerin für unzulässig, da sie nicht beschwert sei. Die Klägerin verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung gegen die Angriffe der Beklagten und wiederholt und vertieft hierbei ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der (minderjährigen) Klägerin, die als Zeugin im Termin vom 14.03.2008 gehört worden ist. Außerdem hat es ein schriftliches Sachverständigengutachten des Sachverständigen C. R. eingeholt, welches dieser im Termin vom 08.10.2008 erläutert hat.

Wegen des Beweisergebnisses wird auf die Niederschriften der Vernehmungen sowie das schriftliche Gutachten verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Nur die Berufung der Klägerin hat Erfolg, weil das vom Landgericht ausgeworfene Schmerzensgeld im Hinblick auf die weiteren eingetretenen Schadensfolgen nunmehr zu niedrig bemessen erscheint. Demgegenüber hat die Berufung der Beklagten keinen Erfolg, weil sie für den streitgegenständlichen Unfall nach § 833 Satz 1 BGB einzustehen hat und der Mitverursachungsbeitrag der Klägerin hinter dem gravierenden Verschulden der Beklagten zurücktritt.

Zur Berufung der Beklagten:

1. Die Klägerin hat den Unfallhergang, soweit es um die Vorgänge nach dem Anhalten des Pferdes geht, in ihrer zweitinstanzlichen Vernehmung präzisiert. Der erkennende Einzelrichter ist wie auch das Landgericht der Überzeugung, dass die Klägerin trotz des erkennbaren Eigeninteresses am Ausgang des Verfahrens umfassend und - auch zu ihren Lasten gehend schonungslos - wahrheitsgemäß ausgesagt hat. Hiernach ist das von ihr gerittene Pony grundlos bei einem Ausritt im Wald durchgegangen. Es gelang der Klägerin mit Mühe, das Pony zum Halten zu bringen. Die Klägerin stieg links ab und hielt das Pferd mit der linken Hand am Zügel fest, ohne den Zügel um die Hand zu wickeln. Das Pferd war dennoch verstört und wollte sich losreißen und wegrennen. Die Klägerin hat überzeugend berichtet, sie habe Angst gehabt, dass das Pferd auf die Straße renne. Sie habe deshalb das Pferd zusätzlich mit der rechten Hand am Steigbügel gehalten, um es vom Weglaufen abzuhalten. Sie sei dann vom Pferd über eine gewisse Strecke weggeschleift worden. Dabei habe ihr das Pferd mit einem der Hinterfüße ins Gesicht getreten.

Damit hat sich die typische, von einem Pferd ausgehende Tiergefahr zulasten der Klägerin realisiert.

2. Das Landgericht hat festgestellt, dass der Privilegierungstatbestand nach § 833 Satz 2 BGB von vornherein ausscheide, weil die Pferdehaltung überwiegend privaten Zwecken gedient habe. Hiergegen wendet sich die Beklagte nicht. Anhaltspunkte, die Zweifel an dieser Feststellung rechtfertigen könnten, sind nicht gegeben.

3. Allerdings kommt vorliegend grundsätzlich ein Mitverursachungsbeitrag der Klägerin als Tieraufseherin für den streitgegenständlichen Vorfall in Betracht. Dies hat der Senat in dem Beschluss vom 10.09.2007 im Einzelnen ausgeführt.

(Anm: eingefügt aus dem Beschluss)Allerdings ist der Beklagten einzuräumen, dass vorliegend zu Lasten der Klägerin grundsätzlich eine Mithaftung des Tieraufsehers nach § 834 BGB in Betracht kommt. Der Vater der Klägerin hat nämlich erstinstanzlich bei der Partei Anhörung glaubwürdig berichtet, dass die Eltern keinen konkreten Vertrag mit der Beklagten gehabt hätten. Sie hätten J. in die Obhut der Beklagten gegeben in dem Vertrauen darauf, dass diese wisse, was man J. zumuten könne. Die Zeugin hat berichtet, dass sie bereits früher einmal ohne Begleitung der Beklagten und nur in Begleitung eines noch jüngeren Kindes im Gelände ausgeritten sei. Dies hätten die Eltern gewusst und auch erlaubt. Nachdem die Eltern der Klägerin der Beklagten für jede Reitstunde 15,- Euro gezahlt haben und mit einem Ausritt einverstanden waren, bei denen die Klägerin nicht von der Beklagten, sondern nur von einem noch jüngeren Mädchen begleitet wurde, durfte die Beklagte annehmen, dass die Klägerin mit Einverständnis ihrer gesetzlichen Vertreter auch ohne Beaufsichtigung durch die Beklagte im Gelände reiten dürfe und als Nebenpflicht die selbstständige Überwachung des Tieres übernehme. Wer ein gemietetes Pferd selbstständig ausreitet, ist in der Regel Tierhüter im Sinne von § 834 BGB (BGH NJW 1987, 949). Da die Beklagte während des Ausrittes keinerlei Einflussmöglichkeiten auf das Pferd haben konnte, ist das Verhalten der Parteien in dem Sinne zu werten, dass die Klägerin in dieser Zeit mit Billigung ihrer Eltern rechtsgeschäftlich die Obhut des Pferdes übernommen hat. Damit war sie Tieraufseherin im Sinne der genannten Bestimmung.

Nach feststehender Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der verletzte Tieraufseher gegenüber dem Vorwurf des Mitverschuldens nach § 254 BGB den Entlastungsbeweis entsprechend § 834 BGB zu erbringen (vgl. BGH NJW 1992, 2474; VersR 1972, 1047). Diesen Entlastungsbeweis hat die Klägerin vorliegend entgegen der Auffassung der Beklagten erfolgreich geführt. Das Landgericht hat, wie bereits dargestellt, festgestellt, dass das Pferd ohne sichtbaren Anlass durchgegangen sei. Ein fehlerhaftes Verhalten der Klägerin während des Reitvorgangs ist somit ausgeschlossen. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin nach Anhalten des Pferdes fehlerhaft gehandelt hätte, sind nicht ersichtlich. Aus der Schilderung der Zeugin über diese Vorgänge ergeben sich keine diesbezüglichen Hinweise. Das Landgericht hat der Zeugin, wie dargelegt, geglaubt und bindende Feststellungen getroffen. Die Beklagte trägt hierzu nichts vor. Auch derjenige, der sich in Folge vermuteten Verschuldens zu entlasten hat, ist nicht gehalten, sämtliche auch nur theoretisch denkbaren fehlerhaften Verhaltensweisen auszuräumen. Sonst würde aus der Haftung wegen vermuteten Verschuldens eine objektive (Gefährdungs-)Haftung.

Der Klägerin kann auch nicht ein Übernahmeverschulden vorgehalten werden. Nach den bindenden Feststellungen des Landgerichtes ist die Klägerin nämlich auf Vorschlag der Beklagten alleine ausgeritten. Unter diesen Voraussetzungen überzeugt die Überlegung des Landgerichts, wonach die zum Unfallzeitpunkt 13-jährige Klägerin in Bezug auf die Einschätzung ihres reiterischen Vermögens nicht "schlauer" sein musste als die Beklagte, die sich bei Pferden nach ihrer eigenen glaubhaften Darstellung auskennt. Das Landgericht hat überzeugend festgehalten, dass der Beklagten nicht einmal ein fahrlässiges Verhalten vorgehalten werden könne. Dasselbe gilt für die Klägerin.

Nach Einholung des Sachverständigengutachtens steht fest, dass die Klägerin sich in der konkreten Situation fehlerhaft verhalten hat. Der Sachverständige hat überzeugend dargelegt, dass ein Reiter in einer solchen Situation versuchen müsse, das Pferd zu beruhigen. Er solle mit ruhiger Stimme auf das Pferd einreden und versuchen, es mit einer Hand am Hals-Schulterbereich abzuklopfen, damit das Pferd zunächst die Aufmerksamkeit des Reiters wieder erlange. Gemeint ist: Damit der Reiter die Aufmerksamkeit des Pferdes erlangt. Der Reiter solle sich dabei immer im Kopf-Hals-Schulterbereich des Pferdes aufhalten. Der Reiter solle das Pferd beschäftigen und aktiv von der vorherigen Situation des Durchgehens ablenken und beruhigen. Dabei könne er das Pferd um sich herumkreisen lassen und versuchen, es rückwärts zu richten oder ganz aktiv zu führen. Zwecklos seien Versuche, das in Angst befindliche Pferd mit Körperkraft zurückzuhalten und damit das Weglaufen zu verhindern.

4. Dass die Klägerin nach § 828 Abs. 3 BGB für ihr Verhalten nicht einzustehen hätte, macht sie nicht geltend. Anhaltspunkte hierfür sind auch nicht ersichtlich.

5. Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist (§ 254 Abs. 1 BGB).

Der Mitverursachungsbeitrag, den die Klägerin für den streitgegenständlichen Unfall zu verantworten hat, tritt hinter das schuldhafte Verhalten der Beklagten zurück.

Unstreitig hat die Beklagte der Klägerin Reitstunden erteilt. Die Klägerin durfte gegen ein Entgelt in Höhe von 15 € pro Ritt ein Pferd der Beklagten reiten. Die Beklagte hat bei ihrer zweitinstanzlichen Anhörung wahrheitsgemäß berichtet, dass auf dem Reitplatz das Pferd schon mal schneller gegangen sei. Dagegen sei das Pferd im Gelände nie durchgegangen. Sie habe mit der Klägerin also das Durchgehen im Gelände nicht geübt. Sie sei mit der Klägerin auch durchgegangen, wie man vom Pferd absteigt. Wie man sich verhalten solle, wenn ein Pferd "durchgeht", habe sie mit der Klägerin jedoch nicht speziell besprochen. Sie habe ihr jedoch gesagt, dass man den Zügel nicht um die Hände wickele, damit man nicht weggezogen werde im Falle eines Falles.

Der Sachverständige hat überzeugend ausgeführt, dass die Ausbildung des Reiters im Gelände umso erfolgreicher sein werde, je sicherer und erfahrener das dazu zur Verfügung gestellte Pferd sei. Ein noch wenig routinierter Reiter solle auch mit dem besten Pferd nie alleine im Gelände üben, sondern nur in Begleitung und unter der Aufsicht erfahrener Kameraden oder eines Ausbilders sein. Der Sachverständige hat bei seiner Anhörung erläutert, dass er der Akte entnommen habe, dass die Klägerin innerhalb von 2 Jahren insgesamt 6 Mal im Gelände gewesen sei. Dieser Anknüpfungspunkt ist zutreffend. Die Klägerin hat dies bereits erstinstanzlich mit dem Vorbehalt, es seien "ca" 6 Ausritte gewesen, berichtet, sie wisse es aber nicht mehr genau. Das Landgericht hat ihr umfassend geglaubt. Auch das nunmehr erkennende Gericht folgt den Angaben der Klägerin aus den bereits dargelegten Gründen. Das Landgericht ist im Tatbestand der angefochtenen Entscheidung von mindestens 10 Ausritten ausgegangen. Darauf, welche der Angaben exakt zutrifft, kommt es vorliegend nicht an, weil sich die Anzahl von Ausritten, die sich über einen langen Zeitraum erstreckt haben, regelmäßig nicht mehr exakt rekonstruieren lässt und die Differenzen für die Bewertung ohne Bedeutung sind. Der Sachverständige hat hieraus gefolgert, dass die Klägerin überhaupt keine Erfahrung im Gelände gehabt habe. Ein erfahrener Reiter reite pro Tag 1 Stunde und nehme zusätzlich praktischen wie theoretischen Unterricht. Diese Bewertung hat der Sachverständige auch auf Vorhalt durch die Beklagte aufrecht erhalten, dass es der Klägerin gelungen sei, das Pferd anzuhalten, nachdem es durchgegangen sei. Das Gericht hält den Sachverständigen für sachkundig. Seine Darlegungen sind überzeugend. Selbst wenn es einem Reiter, der infolge der geringen Anzahl von Ausritten ins Gelände als unerfahren zu bezeichnen ist, gelingt, das Pferd nach dessen Durchgehen zum Stillstand zu bringen, rechtfertigt dies nicht die Bewertung, es handle sich hierbei um einen erfahrenen Reiter. Der Sachverständige hat überzeugend ausgeführt, dass ein erfahrener Reiter in dieser Situation überhaupt nicht vom Pferd absteige, vielmehr mit dem Pferd im Schritt weiter reite. Unter diesen Umständen hätte die Beklagte der Klägerin das Pferd nicht zum Ausritt ins Gelände ohne erfahrene Begleitung überlassen dürfen. Als Reitlehrerin war sie der minderjährigen und unerfahrenen Klägerin gegenüber verpflichtet, deren Können abzuschätzen und sie vor den für einen unerfahrenen Reiter mit einem Ausritt verbundenen erheblichen Gefahren zu bewahren. Es liegt ein gravierender, schuldhaft begangener Fehler vor.

In der konkreten Schadenssituation verliert das fehlerhafte Verhalten der Klägerin demgegenüber an Gewicht. in eine Aufgabe der Beklagten wäre es gewesen, die Klägerin nicht für eine unerfahrene Reiterin schwer beherrschbare Situation zu bringen. Die Klägerin hat sich aus Angst, wie sie glaubwürdig berichtet hat, in der festgestellten Weise verhalten. Sie hat demnach aus Angst in einer Situation einen Fehler begangen, in die sie die Beklagte schuldhaft gebracht hat. Dies lässt ihren Verursachungsbeitrag gegenüber dem rechtswidrigen und erheblich schuldhaften Verhalten der Beklagten gänzlich zurücktreten.

6. Das Landgericht hat im Tatbestand nach § 314 ZPO bindend festgehalten, dass die Verletzungen der Klägerin unstreitig seien. Die Berichtigung des Tatbestandes wurde abgelehnt. Im übrigen sind die Schäden zur Überzeugung des Gerichts durch die erstinstanzlich vorgelegten ärztlichen Atteste und auch die Angaben der Eltern der Klägerin belegt.

7. Die vorgerichtlichen Anwaltskosten sind erstattungsfähig. Die Klägerin ist durch die Rückabtretung, die urkundlich nachgewiesen ist, aktiv legitimiert. Die Rechtschutzversicherung der Klägerin hat diese Kosten dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin bereits erstattet. Die Klägerin durfte in Anbetracht der komplexen Haftungssituation sofort nach dem Unfall einen Anwalt mit der Schadensregulierung beauftragen. Dass dieser Anwalt versucht hat, den Sachverhalt vorgerichtlich aufzuarbeiten und ggf. zu bereinigen, verstieß entgegen der Auffassung der Beklagten nicht gegen die Schadensminderungsobliegenheit des § 254 Abs. 2 BGB.

Zur Berufung der Klägerin:

8. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Klägerin durch die erstinstanzliche Entscheidung beschwert, weil ihr nicht das von ihr angegebene Schmerzensgeld von mindestens 10.000 € zuerkannt worden ist, sondern lediglich 8.000 €.

9. Für die Bemessung des angemessenen Schmerzensgeldes sind sämtliche Umstände des Schadensfalles einzubeziehen. Hierbei kommt es insbesondere auf die Unfallfolgen an, die das Landgericht in dem Tatbestand der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat. Hierauf wird Bezug genommen. Zweitinstanzlich hat sich infolge des weiteren Zeitablaufs und damit in beachtlicher Weise herausgestellt, dass die Klägerin endgültig ihr langjähriges Hobby des Querflötespielens infolge der dauerhaften Verletzung ihrer Oberlippe aufgeben muss. Das Gericht glaubt auch insoweit der Zeugin, die berichtet hat, dass sie für das Flöten keine ausreichende Oberlippenspannung hervorbringen könne. Bei der Vernehmung der Klägerin wurde die optische Beeinträchtigung der Lippe in Augenschein genommen. Dass die Klägerin hieran besonders leidet, wurde dadurch deutlich, dass die im übrigen insgesamt gefasste Klägerin bei Protokollierung dieses Sachverhalts trotz des erkennbaren Bemühens, sich zu "beherrschen", ins Weinen geriet und sich nur schwer beruhigt hat. Ersichtlich handelt es sich für die noch junge Klägerin um eine ernsthafte seelische Beeinträchtigung, die nicht etwa nur zu Zwecken eines höheren Schmerzensgeldes vorgespiegelt wurde. Diese weitergehenden Schadensfolgen rechtfertigen nunmehr ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 12.000 €.

10. Die Entscheidung beruht im übrigen auf den §§ 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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