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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 24.06.2004
Aktenzeichen: 9 W 35/04
Rechtsgebiete: ZPO, GVG


Vorschriften:

ZPO § 45 Abs. 1
ZPO § 348
GVG § 75
Über ein den Einzelrichter am Landgericht betreffendes Ablehnungsgesuch hat nicht die Zivilkammer als Kollegialgericht sondern der zur Vertretung berufene Einzelrichter zu entscheiden.
Oberlandesgericht Karlsruhe 9. Zivilsenat

Geschäftsnummer: 9 W 35/04

24. Juni 2004

Beschluss

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Kläger wird der Kammerbeschluss des Landgerichts Konstanz vom 19.03.2004 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung über das Ablehnungsgesuch an das Landgericht zurückverwiesen.

2. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

Auf die zulässige Beschwerde der Kläger ist der Beschluss des Landgerichts Konstanz vom 19.03.2004 aus Rechtsgründen, unabhängig von der Frage der Erfolgsaussicht des Ablehnungsgesuchs im Übrigen, aufzuheben. Über das den Einzelrichter betreffende Ablehnungsgesuch hatte nicht die Zivilkammer als Kollegialorgan, sondern der zur Vertretung berufene Einzelrichter zu entscheiden (so auch E. Schneider, Praxis der neuen ZPO, 2. Aufl., S. 28).

Wie der Senat mit Beschluss vom 23.06.2003 (9 W 43/03, OLGR 2003, 523) und vom 16.10.2003 (9 W 78/03) ausgeführt hat, hat in allen nicht der Zivilkammer gemäß § 348 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 ZPO zugewiesenen Sachen der originäre Einzelrichter als das erkennende Gericht zu entscheiden. Eine Vorlage der Sache an die Zivilkammer gemäß § 348 Abs. 3 Nr. 1 ZPO ist nicht erfolgt und hatte auch nicht zu erfolgen, da die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch gegen einen Richter im Regelfall - und so auch vorliegend - keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. (Vgl. Bundestags-Drucksache 14/4722 S. 73).

Dass § 45 Abs. 1 ZPO eine spezielle, die interne Zuständigkeitsregelung des § 348 ZPO verdrängende Zuständigkeitsvorschrift enthält, die eine generelle Zuständigkeit der Kammer als Kollegialorgan für Ablehnungsgesuche gegen den originären Einzelrichter am Landgericht begründet, lässt sich der Vorschrift nicht, jedenfalls nicht mit der für eine Zuständigkeitsregelung erforderlichen Klarheit, entnehmen.

Der Gesetzgeber hat bei der Reform der ZPO zwar die nach altem Recht die Zuständigkeit des Kollegialgerichts begründende Regelung des § 45 Abs. 1 1. Halbsatz ZPO a.F., wonach über das Ablehnungsgesuch das Gericht entscheidet, dem der Abgelehnte angehört, um die Formulierung ergänzt "ohne dessen Mitwirkung"; er hat jedoch nicht kenntlich gemacht, dass es sich dabei um mehr als eine klarstellende Ergänzung (BT-Drucksache a.a.O.) entsprechend der bisherigen gerichtlichen Praxis und den Erläuterungen in der Kommentarliteratur handelt. Es besteht deshalb kein Anhalt für die Annahme, der Gesetzgeber habe mit dieser Ergänzung die Entscheidungszuständigkeit für Ablehnungsgesuche abweichend von § 348 Abs. 1 ZPO regeln wollen.

Für diese Auslegung spricht auch, dass bei der Neuregelung des § 45 Abs. 2 ZPO das bis dahin geltende Prinzip, wonach über Ablehnungsgesuche gegen einen Richter beim Amtsgericht das Landgericht, mithin im Regelfall die Kammer, zu entscheiden hatte, dahin geändert wurde, dass nunmehr ein anderer Richter des Amtsgerichts anstelle eines Kollegialorgans darüber zu entscheiden hat. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber nicht davon ausgeht, dass die Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch wegen ihrer besonderen Natur grundsätzlich durch ein Kolligalorgan zu treffen ist. Dafür besteht auch kein Grund, da derartige Entscheidungen unabhängig vom Streitwert und den rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten des Rechtsstreits im Übrigen in der Regel in allen Instanzen ohne großen Aufwand zu treffen sind. Auch der Umstand, dass gegebenenfalls ein einziger Richterkollege statt eines Kollegiums dem abgelehnten Einzelrichter Befangenheit zu attestieren hat, führt zu keiner anderen Beurteilung, zumal durch das gegen einen das Ablehnungsgesuch zurückweisenden Beschluss gegebene Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde die Objektivität der Entscheidung und die Beachtung des Prinzips des gesetzlichen Richters zusätzlich gewährleistet ist.

Soweit die Kommentarliteratur überwiegend (Zöller/Vollkommer, 24. Aufl., Rdn. 2, Baumbach-Lauterbach/Hartmann, 62. Aufl., Rdn. 4, Musielak, 3. Aufl., Rdn. 2 jeweils zu § 45 ZPO; a. A. jedoch Egon Schneider, Praxis der neuen ZPO 2. Aufl. S. 28 und wohl auch Schwartze in Hannich/Meyer-Seitz ZPO-Reform 2002 Rdn. 4, 5 zu § 45 ZPO) die generelle Zuständigkeit des Kollegialgerichts für gegeben hält, verweist sie, ohne Begründung, auf die nunmehr überholte Rechtsprechung zu § 348 ZPO a.F., derzufolge nach dem Willen des Gesetzgebers die Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch von einem Kollegium getroffen werden solle (vgl. OLG Karlsruhe, OLGZ 1978, 256). Ein solcher Wille lässt sich jedenfalls angesichts der Neuregelungen der §§ 348 ZPO und 45 Abs. 2 Satz 1 ZPO dem Gesetz nicht entnehmen.

Von einer Kostenentscheidung ist abzusehen. Die Festsetzung des Gegenstandswertes der Beschwerde beruht auf § 3 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO zuzulassen. Die Frage, in welcher Besetzung das Landgericht im Falle des § 45 Abs. 1 ZPO über ein Befangenheitsgesuch gegen einen abgelehnten Einzelrichter zu entscheiden hat, ist im Hinblick auf den gesetzlichen Richter von grundsätzlicher Bedeutung. Überwiegend wird in der aktuellen Kommentarliteratur die Auffassung vertreten, der Spruchkörper habe zu entscheiden.

Die Rechtsbeschwerde wäre innerhalb der Beschwerdefrist von einem Monat durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt einzulegen.

Ende der Entscheidung

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