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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 18.01.2001
Aktenzeichen: Ns 1/00
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 316

Entscheidung wurde am 28.06.2004 korrigiert: Orientierungssatz in die richtige Reihenfolge gesetzt
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE Im Namen des Volkes Urteil

Ns 1/00 50 Js 16129/99

In der Strafsache

wegen Trunkenheit im Verkehr

hat das Oberlandesgericht Karlsruhe - Schifffahrtsobergericht - Strafsenat - in der Sitzung vom 18. Januar 2001, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Bauer als Vorsitzender

Richter am Oberlandesgericht Münkel Richter am Oberlandesgericht Schmidt-Weihrich als beisitzende Richter

Oberstaatsanwalt Staatsanwalt als Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft

Rechtsanwalt als Verteidiger

Justizsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts - Schiffahrtsgericht - Konstanz vom 7. März 2000 wird mit der Maßgabe kostenpflichtig als unbegründet verworfen, dass die Höhe des einzelnen Tagessatzes 40,-- DM beträgt.

Gründe:

I.

Die nach dem Geschäftsverteilungsplan für Schifffahrtssachen zuständige Strafrichterin des Amtsgerichts Konstanz verurteilte den Angeklagten mit Urteil vom 7. März 2000 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 55,-- DM. Hiergegen hat der Angeklagte mit dem Ziel eines Freispruchs Berufung eingelegt. Für die Verhandlung und Entscheidung hierüber ist gem. § 11 des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Binnenschifffahrtssachen (BSchVerfG) das Schifffahrtsobergericht - Strafsenat - des Oberlandesgerichts Karlsruhe zuständig. Die Zuständigkeit des Amtsgerichts als Schifffahrtsgericht (§§ 1, 4 BSchVerfG) ergab sich daraus, dass der Schwerpunkt der dem Angeklagten zur Last gelegten Straftat in der Verletzung schifffahrtspolizeilicher Vorschriften liegt (§ 2 Abs. 3 a BSchVerfG). Artikel 6.01 Abs. 2 der Verordnung über die Schifffahrt auf dem Bodensee (BodenseeSchO) bestimmt, dass ein Fahrzeug nicht führen darf, wer infolge körperlicher oder geistiger Mängel oder des Genusses alkoholischer Getränke oder aus anderen Gründen in der sicheren Führung eines Fahrzeugs behindert ist. Eine nach § 316 StGB strafbare Trunkenheit im (Schiffs-) Verkehr auf dem Bodensee stellt daher zugleich eine Verletzung schifffahrtspolizeilicher Vorschriften dar.

Das Rechtsmittel hat lediglich hinsichtlich der Höhe des einzelnen Tagessatzes einen geringfügigen Erfolg

II.

Der nicht vorbestrafte Angeklagte wurde am in geboren und wuchs in der ehemaligen DDR auf, wo er zum Textilkaufmann ausgebildet wurde und anschließend in diesem Beruf arbeitete. Im Jahre 1961 übersiedelte er in die Bundesrepublik, wo er zunächst als Vertreter für Elektroartikel und später als Pförtner arbeitete. Seit einer Tumoroperation am Mittelohr im Dezember 1996 ist er ohne Bezüge beurlaubt. Er lebt von Ersparnissen und der Unterstützung seiner zweiten Ehefrau (die erste war 1990 verstorben), die er Anfang 1998 geheiratet hat und 3.500 DM Rente im Monat bezieht. Die Eheleute müssen monatlich 900 DM Kaltmiete bezahlen. Unterhaltspflichten gegenüber Kindern bestehen nicht.

Im Sommer 1998 verwirklichte sich der Angeklagte einen Kindheitstraum und kaufte zusammen mit seiner Ehefrau ein im Jahre 1992 gebautes Sportmotorboot Typ Chris Craft, das auf dem Bodensee unter dem Kennzeichen registriert war. Am 10. Mai 1999 erwarb er das Bodenseeschifferpatent und am 1. Juni 1999 den Sportbootführerschein Binnen.

III.

Am Vormittag des 4. Juli 1999 befand sich der Angeklagte auf seinem vorbezeichneten Sportmotorboot, das er am Anlegesteg des Zeugen S. in Ludwigshafen/Bodensee festgemacht hatte. In der Zeit von etwa 11.00 Uhr bis 18.00 Uhr, spätestens aber bis 20.00 Uhr, nahm er auf dem Boot Weißwein (mit 11 Vol. %) - pur oder zu Schorle verdünnt - in einer nicht mehr feststellbaren Menge zu sich. Obwohl er infolge dieses Alkoholgenusses mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,34 Promille nicht mehr fahrtauglich war und dies bei kritischer Selbstprüfung hätte erkennen können, fuhr er zwischen 19.00 Uhr und 20.00 Uhr mit seinem Motorboot von Ludwigshafen auf die andere Seite des Überlinger Sees nach Wallhausen, wo er an einer Bootstankstelle vom Zeugen B. Treibstoff übernahm und sich nach einer Örtlichkeit erkundigte, wo der Fäkalientank des Bootes entleert werden könnte. Nachdem ihm eine entsprechende Stelle genannt worden war, überquerte er sodann abermals den See, um in Überlingen das Seeufer abzusuchen. Mit an Bord waren seine Ehefrau sowie seine Bekannte M., denen er beim zweimaligen, jeweils etwa 15-20 Minuten dauernden Überqueren des Sees auf gerader Strecke zeitweise das Steuer - allerdings nicht ohne sie zu überwachen und anzuweisen - überlassen hatte. Da die Suche nach einer Entleerungsstelle am Überlinger Seeufer nicht den gewünschten Erfolg brachte, legte der Angeklagte schließlich etwa 150 Meter östlich der Hafeneinfahrt zum Osthafen an und ließ M., die sich näher erkundigen sollte, an Land. Nachdem diese kurz darauf wieder an Bord gekommen war, gelang es dem Angeklagten wegen eines Motorschadens nicht mehr, das Boot zu starten, so dass dieses schließlich in einen Schilfstreifen im Uferbereich abtrieb und nicht mehr manövrierfähig war. Daraufhin alarmierte der Angeklagte gegen 21.20 Uhr per Mobiltelefon die Wasserschutzpolizei, die gegen 21.40 Uhr vor Ort eintraf und das Motorboot aus dem Schilf zog. Da dem Zeugen POK Z starker Atemalkoholgeruch beim Angeklagten auffiel, führte er mit diesem gegen 22.05 Uhr einen Atemalkoholtest durch. Nachdem das Gerät einen Atemalkoholwert von 1,58 Promille angezeigt hatte, wurde dem Angeklagten um 23.59 Uhr im Krankenhaus Überlingen eine Blutprobe entnommen. Deren Untersuchung ergab einen mittleren Blutalkoholgehalt von 1,15 Promille.

IV.

Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen beruhen auf den insoweit glaubhaften Angaben des Angeklagten und der Verlesung der Auskünfte über ihn aus dem Bundeszentral- und Verkehrszentralregister.

Zur Sache hat sich der Angeklagte entsprechend den Feststellungen eingelassen, soweit es die Fahrt mit dem Motorboot einschließlich der Havarie betrifft. Nachdem die Einlassung des Angeklagten hierzu im wesentlichen mit den Angaben der Zeugin M. - und bezüglich der Geschehensabschnitte, an denen sie beteiligt waren - denen der Zeugen S., B. und POK Z übereinstimmte, konnte ihr auch insoweit gefolgt werden.

Abweichend von den Feststellungen hat der Angeklagte angegeben, im Verlauf des Tages keinesfalls Alkohol in einer Menge getrunken zu haben, die zu einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,34 Promille bei Fahrtantritt (zwischen 19.00 und 20.00 Uhr) geführt haben könnte. Um die Mittagszeit (ab etwa 11.00 Uhr) habe er lediglich vielleicht zwei Becher Weißweinschorle (insgesamt ungefähr 0,4 Liter), und im Laufe des Nachmittags bis ca. 18.00 Uhr dann noch etwa eine halbe Flasche Weißwein (mit Wasser verdünnt) zu sich genommen. Die bei ihm festgestellte Blutalkoholkonzentration von 1,15 Promille zum Zeitpunkt der Blutentnahme um 23.59 Uhr sei vielmehr darauf zurückzuführen, dass er, nach dem sein Boot am Überlinger Seeufer manövrierunfähig in den Schilfstreifen geraten sei, aus Verärgerung bis zum Eintreffen der Polizei nach und nach insgesamt eine ganze Flasche Weißwein (0,75 Liter) getrunken habe. Die Zeugin M. hat einen Nachtrunk des Angeklagten nach Eintritt der Havarie bestätigt.

Trotz dieser Einlassung und der sie stützenden Bekundungen der Zeugin M. ist der Senat davon überzeugt, dass der Angeklagte nach Eintritt des Motorschadens am Überlinger Seeufer keinen Alkohol mehr zu sich genommen hat und die bei ihm durch Entnahme einer Blutprobe festgestellte Blutalkoholkonzentration ausschließlich auf den vor Fahrtantritt genossenen Wein - für ein Trinken während der Fahrt auf dem Bodensee haben sich keine Anhaltspunkte ergeben - zurückzuführen ist. Bei seiner noch am Abend des 4. Juli 1999 vor Durchführung der Blutentnahme erfolgten Beschuldigtenvernehmung hat der Angeklagte - dies haben er selbst und der als Zeuge gehörte Vernehmungsbeamte POK Z bestätigt - nach Belehrung über seine Rechte angegeben, nur in Ludwigshafen, nicht aber während der Fahrt Alkohol getrunken zu haben Wie der Zeuge POK Z weiter glaubhaft bekundet hat, verneinte der Angeklagte dabei die ihm ausdrücklich gestellte Frage, ob er nach dem Vorfall noch Alkohol aufgenommen habe. Auch die Zeugin M erwähnte - dies haben sie selbst und der Zeuge F. berichtet - bei ihrer am 6. Juli 1999 durchgeführte polizeilichen Zeugenvernehmung keinen Nachtrunk des Angeklagten. Der Zeuge POK Z hat in der Hauptverhandlung darüber hinaus eindrucksvoll geschildert, wie sich kurz nach dem 4. Juli 1999 für den Angeklagten telefonisch auf der Dienststelle ein Verteidiger meldete und behauptete, nicht sein Mandant sei am fraglichen Abend gefahren, sondern die Frauen hätten das Boot gesteuert; die daraufhin am 6. Juli 1999 durchgeführte Vernehmung des Zeugen B. habe ergeben, dass sich jedenfalls beim Ablegen an der Bootstankstelle der Angeklagte am Steuer befunden hatte. Am 12. Juli 1999 meldete sich dann - so der den Anruf entgegennehmende Zeuge J. - die Zeugin M. telefonisch bei der Wasserschutzpolizei und wollte als Ergänzung zu ihrer Zeugenaussage aufnehmen lassen, dass der Angeklagte gegen 21.30 Uhr aus lauter Zorn über den defekten Motor noch 1-2 Weinschorle getrunken habe. Wie der Zeuge Z. glaubhaft berichtet hat, führte er daraufhin am 16. Juli 1999 eine Nachtragsvernehmung dieser Zeugin durch, bei der sie nochmals angab, dass der Angeklagte, nachdem der Motor nicht mehr ansprang und sie am Ufer festlagen, aus lauter Zorn ca. 1-2 Plastikbecher mit Weinschorle - pur würde er den Wein nicht trinken - getrunken habe. Demgegenüber gab der Angeklagte, wie er auf Vorhalt bestätigt hat, in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht am 7. März 2000 an, Frau M. habe ihm nach dem Motorschaden zwei Weinschorle eingeschenkt, und anschließend habe er weiter Wein aus der Flasche - pur - getrunken, was die Zeugin M. beim Amtsgericht weitgehend bestätigte. In der Berufungshauptverhandlung vor dem Senat hat sich der Angeklagte zum Nachtrunk nunmehr dahingehend eingelassen, Frau M. habe ihm zunächst Wein in einen Pappbecher eingeschenkt: bis zum Eintreffen der Polizei habe er schließlich eine ganze Flasche Weißwein (0,75 Liter) pur getrunken. Auch die Zeugin M. hat jetzt angegeben, dem Angeklagten mit der Bemerkung, er solle sich nicht aufregen, 2 oder 3 kleine Becher mit Wein, und zwar pur, eingeschenkt zu haben; möglicherweise habe er bis zum Eintreffen der Polizei noch mehr aus der Flasche, die zum Schluss leer gewesen sei, getrunken. Bei einer Gesamtwürdigung der verschiedenen Einlassungen des Angeklagten und Aussagen der Zeugin M. fällt zum einen auf, dass ein Nachtrunk überhaupt erst dann ins Spiel gebracht wurde, nachdem aufgrund der Vernehmung des Zeugen B. feststand, dass entgegen der zwischenzeitlich vorgebrachten Behauptung auch der Angeklagte - mutmaßlich stark alkoholisiert - am fraglichen Abend das Motorboot steuerte. Zum anderen steigerten sich im Verlauf der Vernehmungen die angeblich nachgetrunkenen Alkoholmengen von zunächst 1-2 Bechern Weinschorle (Nachtragsvernehmung M. ) bis auf insgesamt eine Flasche Weißwein (Berufungshauptverhandlung). Obwohl die Zeugin M. am 16. Juli 1999 ihre Erinnerung daran, dem Angeklagten (nur) etwa 1-2 Becher Weinschorle eingeschenkt zu haben, noch damit begründet hatte, dass er Wein pur nicht trinke, übernahm sie ab der erst rund 8 Monate später durchgeführten Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht die Einlassung des Angeklagten, er habe (auch) Wein pur nachgetrunken; in der Berufungshauptverhandlung war schließlich von Schorle nicht mehr die Rede. Eine plausible Erklärung für die sich ändernden und zudem mit zunehmendem zeitlichen Abstand zum Geschehen auch noch steigernden Nachtrunkangaben konnten weder der Angeklagte noch die Zeugin M., die zuletzt bekundete, jetzt nicht mehr zu wissen, ob der nachgetrunkene Wein nun mit Wasser verdünnt war oder nicht, abgeben. Für eine gesteigerte Glaubwürdigkeit der Zeugin M. spricht auch nicht der Umstand, dass ihr Verhältnis zum Angeklagten mittlerweile gespannt ist, weil sie erstmals im Zuge der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht erfahren hat, dass es sich bei der ihr vom Angeklagten als seine Schwester vorgestellten Person in Wirklichkeit um seine Ehefrau handelt. Es liegt nahe, dass die Zeugin M., die sich zu diesem Zeitpunkt bereits auf die Bestätigung eines Nachtrunks festgelegt hatte, diese Version schon um nicht zugeben zu müssen, früher falsche Angaben gemacht zu haben - unabhängig von ihrem jetzigen Verhältnis zum Angeklagten aufrechterhalten wollte. Nach alledem, insbesondere auch unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der Nachtrunkeinrede, ist der Senat davon überzeugt, dass diese lediglich ins Spiel gebracht wurde, um den Angeklagten hinsichtlich des Vorwurfs der Trunkenheit im Verkehr zu entlasten, in Wirklichkeit aber seine erste Einlassung bei der Polizei, keinen Alkohol nachgetrunken zu haben, zutrifft. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte damals alkoholbedingt nicht vernehmungstüchtig gewesen sein könnte, haben sich weder aus seiner Einlassung noch aus den Angaben des Zeugen POK Z und dem verlesenen ärztlichen Bericht über die Blutentnahme ergeben.

Ausgehend von der festgestellten Blutalkoholkonzentration beim Angeklagten von 1,15 Promille zum Zeitpunkt der Blutentnahme um 23.59 Uhr - der das verlesene Blutalkoholgutachten des Instituts für Gerichtliche Medizin der Universität Tübingen vom 12. Juli 1999 zugrundeliegt - ergibt sich nach den überzeugenden Ausführungen des rechtsmedizinischen Sachverständigen Dr. N. vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Freiburg unter Zugrundelegung des günstigsten stündlichen Abbauwerts von 0,1 Promille und unter Verzicht auf eine Rückrechnung für die ersten zwei Stunden nach Trinkende - das zugunsten des Angeklagten auf 20.00 Uhr festgelegt wurde - für die Tatzeit (Beginn der Fahrt um 20.00 Uhr) eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,34 Promille.

Obwohl alkoholbedingte Ausfallerscheinungen des Angeklagten nicht festgestellt werden konnten, war dieser zur Überzeugung des Senats allein aufgrund der festgestellten Blutalkoholkonzentration nicht mehr in der Lage, das Motorboot sicher zu führen. Während alle Kraftfahrer im Straßenverkehr, zu denen auch Fahrer von Mofas zählen, nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGHSt 37, 89) mittlerweile ab einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille als absolut fahruntüchtig anzusehen sind, ist für den Bereich des Schiffverkehrs in der obergerichtlichen Rechtsprechung ein allgemeiner Grenzwert für absolute Fahruntüchtigkeit bisher nicht anerkannt. Vielmehr wurde absolute Fahruntüchtigkeit jedenfalls dann angenommen, wenn ein Schiffsführer zur Tatzeit mindestens 1,7 Promille (OLG Köln NJW 1990, 847), 1,92 Promille (OLG Schleswig SchlHA 1987, 107) oder 2,5 Promille (KG VRS 72, 111) Alkohol im Blut hatte. Allerdings hat das OLG Schleswig (a.a.O. S. 108) unter Hinweis darauf, dass die Aufmerksamkeit und Reaktionsfähigkeit des Schiffsführers jedenfalls derjenigen eines Mofafahrers entsprechen muss, eine Grenze für die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit eines Schiffsführers im Bereich des damals für Kraftfahrer noch geltenden Wertes von 1,3 Promille für naheliegend erachtet. Schon in der wissenschaftlichen rechtsmedizinischen Untersuchung von N und K (Blutalkohol 1974, 357, 379 f.) wurde kein Grund gesehen, einen alkoholisierten Schiffsführer aus medizinischer Sicht anders zu beurteilen als einen in gleicher Weise geschädigten Kraftfahrer. Zwar herrschen im - an vielen Orten ebenfalls dichten - Schiffsverkehr in der Regel deutlich geringere Geschwindigkeiten vor als im Straßenverkehr. Andererseits sind Schiffe schwerfällig zu navigieren und haben einen im Vergleich zur Geschwindigkeit großen "Bremsweg". Zudem werden an den Führer eines Wasserfahrzeugs durch sehr detaillierte und oft komplizierte Verhaltensmaßregeln der jeweils geltenden Schiffsverkehrsordnung hohe Anforderungen gestellt, ohne dass die Hilfsmittel der Orientierung in ihrer Eindeutigkeit und raschen Erfassbarkeit mit denen des Straßenverkehrs (Leitlinien, Ampeln, Geschwindigkeitsbegrenzungen) konkurrieren könnten. Darüber hinaus gibt es häufig schwer voraussehbare Veränderungen der Umstände, insbesondere durch wechselhafte Witterung und Strömungsverhältnisse. Erschwerend ist schließlich auch die sehr unterschiedliche Größe und Geschwindigkeit der dem Schiffsführer auf seiner Fahrt begegnenden Fahrzeuge. J und N (Blutalkohol 1975, 354, 358 f.) haben dementsprechend die Einführung eines Grenzwerts in der See- und Binnenschifffahrt von (höchstens) 1,3 Promille - entsprechend dem damals für den Kraftfahrer geltenden Grenzwert für die absolute Fahruntüchtigkeit - dringend empfohlen (kritisch hierzu Helmer und Peters, Blutalkohol 1976, 39, 42 f., die für den Betrieb von Wassersportfahrzeugen auf die im Vergleich zu größeren Schiffseinheiten im allgemeinen größere Manövrierfähigkeit und einfachere Handhabung hinweisen). Schließlich hat G (Blutalkohol 1987, 262, 266 ff.) ungeachtet des Fehlens eingehender und umfassender wissenschaftlicher Untersuchungen, wie sie der Feststellung der Fahrtauglichkeitsgrenze im Straßenverkehr vorausgegangen sind, insbesondere auch im Hinblick auf die zunehmende Verkehrsdichte einen absoluten Grenzwert auch für motorisierte Sportboote in Höhe von 1,3 Promille für notwendig erachtet.

Jedenfalls für den Führer eines Motorsportboots auf dem Bodensee geht der Senat in Übereinstimmung mit den nachvollziehbaren Ausführungen des rechtsmedizinischen Sachverständigen Dr. N. davon aus, daß ab einer Blutalkoholkonzentration von 1,3 Promille absolute Fahruntüchtigkeit vorliegt. Eine solche ist dann gegeben, wenn die psychophysische Gesamtleistungsfähigkeit des Fahrzeugführers infolge seiner Alkoholisierung so stark herabgemindert ist, dass er den jeweiligen Anforderungen des Verkehrs nicht mehr durch rasches, angemessenes und zielbewußtes Handeln zu genügen vermag und insbesondere beim plötzlichen Auftreten schwieriger Verkehrslagen nicht mehr schnell und sicher genug reagieren kann (vgl. nur BGHSt 21, 157, 160 für den Kraftfahrer). Nach gesicherten Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft kommt es bereits bei Blutalkoholkonzentrationen von 0,5 bis 1,0 Promille zu deutlichen Minderungen der Aufmerksamkeit, des Konzentrationsvermögens und der Reaktionsfähigkeit, zu einer signifikanten Verschlechterung der Se schärfe und des räumlichen Sehens und außerdem zu einer erheblich gesteigerten Risikobereitschaft, was die tatsächlichen Leistungsminderungen noch weiter verschlechtert (vgl. Geppert a.a.O. S. 268). Wie der Sachverständige Dr. N. unter Zuhilfenahme der Bodensee-Bootsstatistik und der Bodensee-Schiffsstatistik nachvollziehbar ausgeführt hat, gab es auf dem Bodensee per 31. Dezember 1998 (einschließlich der kennzeichnungspflichtigen Segelboote, Ruder- und Tretboote, jeweils ohne Motor) insgesamt 55.907 Wasserfahrzeuge, davon 34.749 mit Verbrennungskraftmaschinen und 13.252 Segelboote ohne Motor. Im Zeitraum von 1980 bis 1996 hat die Gesamtanzahl der Motorboote auf dem Bodensee um rund 18 % und die der Segelboote ohne Motor um rund 43 % zugenommen. Insbesondere angesichts dieser Verkehrsdichte und den damit verbundenen, auch allgemein gestiegenen Anforderungen an die Konzentrations-, Reaktions- und Navigationsfähigkeit eines Wasserfahrzeugführers wird jedenfalls bei einem Sportmotorbootführer auf dem Bodensee die psychophysische Leistungsfähigkeit unter Alkoholeinfluß in gleicher Weise beeinträchtigt wie bei einem Kraftfahrer im Straßenverkehr. Da ein Motorboot auf Impulse zur Bewegungsänderung verzögert reagiert, muß rasch und frühzeitig agiert werden. Nicht anders als im Straßenverkehr sind auch beim Führen eines Motorbootes zahlreiche und komplizierte Handlungen, z.B. bei An- und Ablegemanövern in Häfen und an Landestellen erforderlich. Ferner muß ein Bootsführer in der Lage sein, rückwärts aus engen Liegeplätzen abzulegen, das Boot in engen Hafenteilen zu drehen, Festmacherleinen zu lösen und das Boot sicher festzumachen. Erhöhte Anforderungen ergeben sich zudem bei besonderen Wetter- und Sichtverhältnissen (Wind, Regen, Sturm, Nacht und Nebel) und/oder wenn reger Schiffsverkehr die Lage erschwert. Auf dem Bodensee, wo nicht nur reger Fahrgast-, Autofahr- und Sportbootverkehr (mit unterschiedlichsten Geschwindigkeiten und Schiffsgrößen) herrscht, sondern auch spezielle Verkehrsvorschriften gelten und zur Führung eines Fahrzeugs mit Maschinenantrieb, dessen Leistung 6 PS übersteigt, ein Schifferpatent erforderlich ist (siehe die Bestimmungen der Verordnung über die Schiffahrt auf dem Bodensee - BodenseeSchO), gilt dies in besonderem Maße. Im Hinblick hierauf hat der Senat keine Bedenken, den früher für Kraftfahrer geltenden Grenzwert von 1,3 Promille auf Führer von Sportmotorboten auf dem Bodensee zu übertragen.

Aufgrund seines im Tagesverlauf erfolgten Alkoholgenusses hätte der Angeklagte bei Einhaltung der erforderlichen Sorgfalt vor Fahrtantritt erkennen können, möglicherweise nicht mehr fahrtüchtig zu sein.

V.

Der Angeklagte hat sich somit wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1 und Abs. 2 StGB), von dem wegen der Verweisung auf § 315 StGB auch der gesamte Verkehr von Schiffen jeder Art, d.h. von Wasserfahrzeugen ohne Rücksicht auf ihre Größe, erfasst wird (vgl. nur Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 316 Rdnr. 3, § 315 Rdnr. 6 m.w.N.), strafbar gemacht.

VI.

Bei der Strafzumessung hat der Senat zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass die Blutalkoholkonzentration nur zu Beginn der Fahrt knapp über dem Grenzwert von 1,3 Promille lag, er bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist und die Tat bereits 18 Monate zurückliegt. Die Verhängung einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen war deshalb tat- und schuldangemessen. Im Hinblick auf die erst in der Berufungshauptverhandlung zu Tage getretenen monatlichen Mietzinsbelastungen konnte die Höhe des einzelnen Tagessatzes unter Berücksichtigung der festgestellten Lebensverhältnisse des Angeklagten (§ 40 Abs. 3 StGB) auf 40,-- DM reduziert werden.

VII.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO. Angesichts des nur geringfügigen Teilerfolgs der Berufung sah der Senat davon ab, von der Bestimmung des § 473 Abs. 4 StPO Gebrauch zu machen.

Ende der Entscheidung

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