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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 25.01.2000
Aktenzeichen: U 5/99 BSch
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 847 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
ZPO § 546 Abs. 2

Entscheidung wurde am 28.06.2004 korrigiert: Orientierungssatz in die richtige Reihenfolge gesetzt
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE Im Namen des Volkes Urteil

U 5 / 99 BSch 11 C 374 / 99

Verkündet am: 25. Januar 2000

Busch als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In Sachen

1.

2.

- Kläger / Berufungskläger

Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt

gegen

- Beklagter / Berufungsbeklagter

Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte

wegen Schmerzensgeld

hat das Oberlandesgericht - Schiffahrtsobergericht - Karlsruhe im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO (Ende des Schriftsatzrechtes: 10. Januar 2000) durch Präsident des Oberlandesgerichts Dr. Münchbach Richter am Obberlandesgericht Dr. Kürschne Richter am Oberlandesgericht Lotz für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts - Schifffahrtsgericht - Konstanz vom 05. August 1999 - 11 C 374/99 - wird zurückgewiesen.

II. Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Der Wert der Beschwer der Kläger beträgt DM 10.000,00.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE (abgekürzt und ohne Tatbestand gemäß § 543 Abs. 1 ZPO)

Die Berufung der Kläger ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

1. Mit zutreffenden Gründen, die der Senat teilt und die durch das Berufungsvorbringen der Kläger nicht entkräftet werden, hat das Schiffahrtsgericht den geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch nicht zuerkannt.

a) Die Kläger sind die volljährigen Kinder und Alleinerben ihrer am 10.08.1996 verstorbenen Mutter. Am Abend dieses Tages befand sich die Mutter der Kläger an Bord der Motoryacht mit dem Kennzeichen ... (Typ Sealine 23; Innenborder, Motorleistung 112 PS, zulässige Personenanzahl: 7), dessen Schiffseigner und Schiffsführer der Beklagte war. Auf dem Boot befanden sich insgesamt fünf Personen auf der Rückfahrt vom Seenachtsfest in K. in Richtung Heimathafen H. am . Gegen Ende des Seenachtsfestes und danach war ein heftiger Sturm aufgekommen. Die Mutter der Kläger saß auf der Steuerbordseite am Bug des Bootes und hielt sich an der Reeling fest. Der Beklagte nahm bei dem stürmischen Wetter und der Dunkelheit zu spät einen Holzdalben, an dem das Seezeichen "31" befestigt ist, wahr und stieß mit dem Boot gegen den Dalben. Dadurch stürzte die Mutter der Kläger, die keine Schwimmweste trug, über Bord gegen den Dalben und anschließend ins Wasser. Infolge des Aufpralls gegen den Dalben erlitt sie Frakturen an den Oberschenkeln und an den Rippen sowie schwere Prellungen. Sofort eingeleitete Suchmaßnahmen blieben erfolglos. Am darauf folgenden Tag wurde im Seebereich vor Fischbach die Leiche aufgefunden und geborgen.

Das Amtsgericht - Schiffahrtsgericht - verhängte durch rechtskräftigen Strafbefehl vom 02.01.1997 gegen den Beklagten wegen fahrlässiger Tötung eine Geldstrafe in Höhe von 100 Tagessätzen zu jeweils DM 140,00, insgesamt DM 14.000,00 (beigezogene Akten 8 Cs 1078/96).

b) Gemäß § 847 Abs. 1 BGB kann im Falle der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit sowie im Falle der Freiheitsentziehung der Verletzte auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld verlangen. Das Leben ist in § 847 Abs. 1 BGB nicht genannt. Der Eintritt des Todes als solcher führt also nicht zu einem Schmerzensgeldanspruch (OLG Karlsruhe r + s 1998, 376 = OLGR 1997, 20). Dies bedeutet, daß nur in Fällen, in denen der Verletzte noch wenigstens eine gewisse Zeit lebte, ein dann auf die Erben übergangsfähiger Schmerzensgeldanspruch entstehen kann, bei dem beispielsweise die Todesangst und die Erkenntnis einer deutlich abgekürzten Lebenserwartung Bemessungsfaktoren darstellen können (vgl. Wussow/Kürschner Unfallhaftpflichtrecht 14. Aufl. TZ 1836; OLG Karlsruhe OLGR 1997, 22, 23f). Entscheidend dafür, ob ein Schmerzensgeldanspruch entsteht, ist der Zeitraum zwischen Verletzung und Eintritt des Todes (vgl. hierzu anschaulich BGH NZV 1998, 370: Die Eltern des Klägers haben unterschiedlich lange - 30 Minuten bzw. 10 Tage - einen Verkehrsunfall überlebt, bis sie an ihren schweren Verletzungen verstarben; zu weiteren Einzelfällen vgl. Jaeger, Schmerzensgeldbemessung bei Zerstörung der Persönlichkeit und bei alsbaldigem Tod, MDR 1998, 450; vgl. ferner Huber, Schmerzensgeld ohne Schmerzen bei nur kurzzeitigem Überleben der Verletzung im Koma - eine sachlich gerechtfertigte Transferierung von Vermögenswerten an die Erben NZV 1998, 345). Ein Anspruch auf Schmerzensgeld ist zu verneinen,

wenn die Körperverletzung nach den Umständen des Falles gegenüber dem alsbald eintretenden Tod keine abgrenzbare immaterielle Beeinträchtigung darstellt, die aus Billigkeitsgesichtspunkten einen Ausgleich in Geld erforderlich macht (vgl. dazu OLG Karlsruhe r + s 1998, 376; BGH a.a.O.). Aus der jüngeren Rechtsprechung zur Bemessung eines mehr als bloß symbolischen Schmerzensgeldes bei schuldhafter Verursachung schwerster Gehirnschädigungen (BGH VersR 1993, 327 unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung NJW 1982, 2123) lassen sich keine Argumente für eine Entschädigung des Eintritts des Todes gewinnen. Dem mit dem Unfalltod einhergehenden Verlust der Persönlichkeit kommt keine eigenständige Bedeutung zu, weil das Leben zu Ende ist. In dem Fall der andauernden schweren Hirnschädigung hingegen hat der Verlust der Persönlichkeit eigenständige Bedeutung, weil das Opfer mit dieser Beeinträchtigung weiter lebt.

c) Der Senat ist - ebenso wie das Schiffahrtsgericht - davon überzeugt, daß die Mutter der Kläger unmittelbar, nachdem sie infolge der Kollision des Motorbootes mit dem Dalben von Bord geschleudert wurde und Verletzungen durch den Anprall gegen den Dalben erlitt, im Wasser verstorben ist. In einem an den Kläger Ziffer 2 gerichteten Schreiben vom 10.09.1996 (I, 47) führt Prof. Dr. L., Chefarzt des Pathologischen Institutes des Städt. Krankenhauses (Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität ), aus:

"... wir berichteten Ihnen heute über das Ergebnis der inneren Leichenschau Ihrer am 10.08.1996 verstorbenen Mutter, Frau B.

Die bei der inneren Leichenschau erhobenen Befunde sprechen für das Vorliegen eines sogenannten Badetodes. Hierbei tritt ein plötzlicher Herzkreislaufstillstand auf, so daß Zeichen des eigentlichen Ertrinkens nicht gefunden werden können. Zusätzlich lagen Frakturen an den Oberschenkeln und den Rippen vor, welche im Rahmen des Sturzes auf den Dalben aufgetreten sein dürften. Schwerwiegendere vorbestehende Organerkrankungen, welche den Tod erklären könnten, wurden nicht gefunden. Die Diagnose eines Badetodes findet auch ihre Bestätigung in den Angaben der Polizei, wonach trotz sofortigen, nach dem Unfall eingeleiteten Suchmaßnahmen, Ihre Mutter nicht aufgefunden werden konnte. ..."

Wie das Schiffahrtsgericht zutreffend ausführt, bedeutet dies, daß zwischen der dem Stürzen gegen den Dalben den dadurch ausgelösten Verletzungen und dem "Badetod" durch plötzlichen Herz-Kreislaufstillstand nach dem Eintritt ins Wasser allenfalls ein Zwischenraum von Sekunden oder gar nur Sekundenbruchteilen lag. Den ihn obliegenden Beweis für eine längere Leidenszeit ihrer Mutter vermochten die Kläger nicht zu erbringen. Jeder Sterbevorgang nimmt grundsätzlich einige Sekunden/Minuten in Anspruch, so daß von einer dem Tod vorangegangenen selbständigen Körperverletzung im Sinne des § 847 BGB nicht ausgegangen werden kann (vgl. KG VersR 1997, 327). Damit liegt eine immaterielle Beeinträchtigung vor, die angesichts der Kürze der Zeit nicht faßbar ist. Ein Schmerzensgeldanspruch ist daher im vorliegenden Falle - ebenso wie in vergleichbaren Fällen (KG a.a.O.; LG Nürnberg r + s 1994, 418; OLG Nürnberg VersR 1994, 1083) - nicht entstanden.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Gemäß § 546 Abs. 2 ZPO war der Wert der Beschwer festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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