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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 14.11.2000
Aktenzeichen: (1) 4420 BL - III - 83/00
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 121 I
Leitsatz:

Eine "Anrechnung" bereits vollzogener Untersuchungshaft kann nur dann erfolgen, wenn es sich dabei um Haft "wegen derselben Tat" handelte. Bei neuen Tatvorwürfen und einer Erweiterung des bestehenden (oder Erlass eines neuen) Haftbefehls handelt es sich um "dieselbe Tat" erst von dem Zeitpunkt an, ab dem wegen des neuen Tatvorwurfs, der bisher noch keine Untersuchungshaft zur Folge hatte, erstmals die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls vorlagen (gegen OLG Koblenz, 2. Strafsenat, Beschluss vom 20.10.2000 - BL - III - 44/00); das wird jedenfalls im Regelfall (spätestens) der Tag des Erlasses des erweiterten oder neuen Haftbefehls sein.


Geschäftsnummer: (1) 4420 BL - III - 83/00 2090 Js 22498/00 StA Koblenz

In dem Ermittlungsverfahren

gegen

1. F. C.,

- Verteidiger: Rechtsanwalt P. G. -

2. S. B.,

- Verteidiger: Rechtsanwalt Dr. H. M. -

3. M. B.,

- Verteidiger: Rechtsanwalt S. Z. -

4. S. O.,

- Verteidiger: Rechtsanwalt F.J. K. -

5. E. T.,

- Verteidiger: Rechtsanwalt A. S. -

und einen anderen

wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen

hier: Haftprüfung gemäß §§ 121, 122 StPO

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht von Tzschoppe, den Richter am Oberlandesgericht Summa und den Richter am Landgericht Hardt

am 14. November 2000 beschlossen:

Tenor:

1. Eine Entscheidung des Senats bezüglich der Beschuldigten B., O. und T. ergeht nicht.

2. Die Fortdauer der Untersuchungshaft wird für die Beschuldigten C. und B. angeordnet.

3. Der nächste Haftprüfungstermin vor dem Senat für diese Beschuldigten findet erforderlichenfalls am 14. Februar 2001 statt.

4. Bis zu diesem Zeitpunkt werden die weiteren Haftentscheidungen dem Gericht übertragen, das nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständig ist.

Gründe:

I.

Den Beschuldigten wird gemäß erweitertem Haftbefehl des Amtsgerichts Koblenz vom 24. Oktober 2000 bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zur Last gelegt.

C. und B. sollen in Verfolgung einer vorangegangenen Bandenabsprache aller Beschuldigten mit dem Mitbeschuldigten M. und weiteren gesondert verfolgten Bandenmitgliedern aus Tschechien am 28. April 2000 von zwei Kurieren in Koblenz mindestens 3 kg Heroin übernommen haben. In der Folgezeit sollen alle Beschuldigte und weitere Bandenmitglieder in Deutschland das Rauschgift bis auf einen Rest von 39 g gewinnbringend vertrieben haben. Dieser Restbestand wurde - verkaufsfertig abgepackt in 201 Einzelportionen - am 6. Mai 2000 im Besitz des M. sichergestellt.

Am 5. Mai 2000 sollten die tschechischen Kuriere weitere 3.951,7 g Heroin für die Beschuldigten und M. anliefern. Bei der Einreise nach Deutschland wurde das Rauschgift von Zollbeamten im PKW der Kuriere entdeckt. Die festgenommenen Kuriere erklärten sich bereit, die geplante Übergabe unter Aufsicht der Ermittlungsbehörden vorzunehmen, wobei allerdings ein Ersatzstoff Verwendung fand. Gemäß Absprache mit M. und den Lieferanten sollen die Beschuldigten C. und B. am 5. Mai 2000 um 20.10 Uhr am verabredeten Übernahmeort in M. erschienen sein, wo beide nach Erhalt des vermeintlichen Heroins festgenommen wurden.

Nachdem die Kuriere danach ihren Kontaktpersonen in Tschechien glaubhaft vorspiegeln konnten, die angekündigten Übernehmer des Heroins seien nicht gekommen, soll M. die Beschuldigten B., T. und O. nach M. gesandt haben, um das Heroin in Empfang zu nehmen. Diese wurden nach Kontaktaufnahme mit den Kurieren ebenfalls am 5. Mai 2000 festgenommen.

Allen Beschuldigten wurde gemäß dem ursprünglichen Haftbefehl des Amtsgerichts Koblenz vom 6. Mai 2000 zunächst nur die Tat vom 5. Mai 2000 (Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in einem Fall) zur Last gelegt. Aufgrund dieses Haftbefehls befinden sie sich seit dem 6. Mai 2000 in Untersuchungshaft.

Zur Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe war die Untersuchungshaft gegen den Beschuldigten T. unterbrochen in der Zeit vom 20. Juni bis 26. Juli 2000. In Bezug auf den Beschuldigten B. erfolgte mit Wirkung ab dem 26. September 2000 ebenfalls eine Unterbrechung der Untersuchungshaft zur Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe von 100 Tagen. Die zugrundeliegende Geldstrafe wurde am 4. Oktober 2000 vollständig gezahlt.

II.

Eine Entscheidung des Senats nach den §§ 121, 122 StPO ist hinsichtlich der Beschuldigten B., O. und T. nicht veranlasst.

Nach § 121 Abs. 1 und 2 StPO ist eine die Haftfortdauer anordnende Entscheidung des Oberlandesgerichts erforderlich, wenn die Untersuchungshaft "wegen derselben Tat" über sechs Monate hinaus vollzogen werden soll und noch kein auf Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehende Maßregel lautendes Urteil ergangen ist. Vorliegend ist auch bei Anwendung des "erweiterten Tatbegriffes" (siehe dazu Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 121 Rdnr. 12, m.w.N.; OLG Hamm, StV 98, 555 m.w.N.) festzustellen, dass die Voraussetzungen für eine Haftprüfung nach den §§ 121, 122 StPO derzeit nicht vorliegen, obwohl gegen die Beschuldigten B. und O. seit dem 6. Mai 2000 ununterbrochen die Untersuchungshaft vollzogen wird und auch für T. im Hinblick auf § 122 Abs. 6 StPO eine einheitliche Entscheidung in Betracht käme.

Dem Haftbefehl vom 6. Mai 2000 lag eine konkret bezeichnete Tathandlung nach den §§ 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, 25 Abs. 2 StGB (Handeltreiben mit rund 4 kg Heroin am 5. Mai 2000 in M.) zugrunde. Diese Handlung definiert die Tat im Sinne des § 121 Abs. 1 StPO, wegen der (zunächst) die Untersuchungshaft vollzogen wurde. Zwar bestand damals schon der Verdacht, die Beschuldigten seien in weitaus größeren Umfang in maßgeblicher Weise am Betäubungsmittelhandel beteiligt gewesen. Für eine Konkretisierung weiterer Einzeltaten gemäß § 114 Abs. 2 Nr. 2 StPO, insbesondere einer Beteiligung an der Tat vom 28. April 2000, fehlten allerdings die Beweise.

Bei der im erweiterten Haftbefehl vom 24. Oktober 2000 beschriebenen Tat vom 28. April 2000 handelt es sich um einen für die Beschuldigten B., O. und T. neuen Tatvorwurf, der erst durch Ermittlungshandlungen zeitlich nach Erlass des ursprünglichen Haftbefehls im Sinne eines dringenden Tatverdachts konkretisiert werden konnte. Diese Beschuldigten befinden sich jetzt wegen einer neuen Tat im Sinne des § 121 Abs. 1 StPO in Untersuchungshaft, die sowohl die bereits bei Erlass des ursprünglichen Haftbefehls bekannte Tat vom 5. Mai 2000 als auch ihre danach bekannt gewordene Beteiligung an der Tat vom 28. April 2000 umfasst (vgl. Eb. Schmidt, NJW 68, 2209, 2212), und zwar von dem Zeitpunkt an, in dem wegen des neuen Vorwurfs, der Gegenstand des erweiterten Haftbefehls ist, die Voraussetzungen für dessen Erlass vorgelegen haben (Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.0.; OLG Hamm a.a.0.; Senatsbeschlüsse vom 25. September 1999 und 6. April 2000 - (1) 4420 BL - III - 127/99 - und vom 29. Mai 2000 - (1) -4420 BL - III - 23/00 -).

Der Senat bleibt auch in Kenntnis der abweichenden Auffassung des 2. Strafsenats des Oberlandesgerichts Koblenz (Beschluss vom 20.10.2000 - (2) 4420 BL - III - 44/00) dabei, dass eine "Anrechnung" bereits vollzogener Untersuchungshaft nur dann in Betracht kommt, wenn es sich dabei um Haft "wegen derselben Tat" handelte. Die in einem Teil der älteren oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung unternommenen Versuche, den Tatbegriff des § 121 Abs. 1 StPO in einer sich vom Gesetzeswortlaut deutlich entfernenden Weise auszuweiten, sind, soweit ersichtlich, allein von dem Bemühen getragen, Manipulationsmöglichkeiten der Staatsanwaltschaft durch objektiv willkürliche Verfahrensaufspaltung oder "Reservehaltung" von Tatvorwürfen zu verhindern. Diesem Anliegen trägt auch die Senatsrechtsprechung - die übrigens, wenn auch nicht immer mit ganz einheitlicher Begründung, bereits seit Jahrzehnten besteht (vgl. nur OLG Koblenz MDR 82, 953; OLGSt § 122 S. 11 f. = 2 HEs 63/77) - Rechnung. Denn nach Auffassung des Senats kommt es für die Fristberechnung nach § 121 Abs. 1 in Fällen neuer Tatvorwürfe und einer Erweiterung des bestehenden (oder Erlass eines neuen) Haftbefehls auf den Zeitpunkt an, ab dem wegen des neuen Tatvorwurfs, dessentwegen bisher noch keine Untersuchungshaft vollzogen worden ist, erstmals die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls gemäß §§ 112, 112 a StPO vorlagen. Dies wird in aller Regel der Tag des Erlasses des erweiterten oder neuen Haftbefehls sein (vgl. Senat, Beschluss vom 25.8.00 - (1) 4420 BL - III - 69/00 -), es sei denn, die Staatsanwaltschaft hat es unterlassen, die mögliche Erweiterung bzw. den Neuerlass des Haftbefehls unverzüglich herbeizuführen. Denn dann ist für den Fristbeginn auf den Tag abzustellen, an dem dies hätte geschehen können (Senat, Beschluss vom 25.8.00). Dies entspricht nicht nur der bisherigen Senatsrechtsprechung (siehe schon Beschluss vom 4.8.1977), sondern auch der jedenfalls heute überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum (OLG Celle NStZ 87, 571, 572 a.E.: "Zu derselben Tat im Sinne des § 121 I StPO gehören ... alle Taten eines Beschuldigten von dem Zeitpunkt an, in dem sie bekannt geworden sind und daher in den Haftbefehl hätten aufgenommen werden können"; OLG Frankfurt StV 90, 269, 270 a.E., das ebenfalls entscheidend darauf abstellt, ab wann der neue Tatverdacht sich so verdichtet hatte, dass er in den Haftbefehl hätte aufgenommen werden können; im Ergebnis auch OLG Thüringen StV 99, 329, 330, das für entscheidend hält, ob eine Erweiterung des ersten Haftbefehls um die neuen Tatvorwürfe "sachgerecht" ist [was das Vorliegen dringenden Tatverdachts zwingend voraussetzt; OLG Karlsruhe, Justiz 84, 307, 308, das verlangt, "dass die weitere Tat tatsächlich in den Haftbefehl hätte aufgenommen werden können, dass also dringender Tatverdacht auch hinsichtlich dieser Tat vorliegt"; OLG Düsseldorf MDR 87, 1048, das bei neu bekannt gewordenen Taten "dieselbe Tat" erst ab dem Zeitpunkt bejaht, von dem an diese in den bestehenden Haftbefehl hätten aufgenommen werden können; OLG Hamburg StV 89, 489, wonach es "für die Fristberechnung gemäß § 121 I darauf ankommt, dass es sich bei den neuen Taten um solche handelt, "die bei Erlass des Haftbefehls bekannt gewesen sind und daher in ihn hätten aufgenommen werden können"; OLG Düsseldorf VRS 88, 222 und StV 96, 553 [mit insoweit zustimmender Anmerkung Schlothauer, wonach eine "Anrechnung" bereits vollzogener Untersuchungshaft voraussetzt, dass "die Taten, die dem neuen Haftbefehl zugrundeliegen, den Strafverfolgungsbehörden bekannt waren und einen dringenden Tatverdacht begründeten, so dass sie in den ursprünglichen Haftbefehl hätten aufgenommen werden können ... Werden dagegen erst nach dem Erlass des ursprünglichen Haftbefehls im Laufe des Ermittlungsverfahrens neue Tatsachen bekannt, die den dringenden Tatverdacht wegen neuer Taten begründen, so kann die Untersuchungshaft ohne Rücksicht auf ihre bisherige Dauer aufgrund eines wegen dieser Taten erlassenen Haftbefehls bis zur Grenze der sich hieraus abzuleitenden Frist des § 121 I StPO vollzogen werden; dies gilt zumindest dann, wenn der neue Haftbefehl nach Entstehen des dringenden Tatverdachts unverzüglich erlassen worden ist"; OLG Brandenburg StV 97, 537, nach dem es darauf ankommt, "ob die (neuen) Vorwürfe in einen Haftbefehl hätten aufgenommen werden können, unabhängig davon, ob es sich um dasselbe oder verschiedene Verfahren handelt ... Dabei kommt es zur Erreichung des Normzwecks nicht darauf an, ob und wann die Staatsanwaltschaft den dringenden Tatverdacht bejaht hat, sondern wann sie ihn hätte bejahen können"; OLG Zweibrücken StV 98, 556, 557: Entscheidend für dieselbe Tat im Sinne von § 121 StPO, ob die neuen Vorwürfe in den bereits bestehenden Haftbefehl "hätten aufgenommen werden können, und zwar unabhängig davon, ob es sich um dasselbe oder verschiedene Verfahren handelt", maßgeblich sei demnach, "ob und wann hinsichtlich dieser Tat dringender Tatverdacht bestand"; ebenso OLG Bremen StV 98, 140, 141: von dem Zeitpunkt an "dieselbe Tat", in dem die neuen Vorwürfe "bekannt geworden sind und daher, einen Haftgrund unterstellt, in einen Haftbefehl hätten aufgenommen werden können"; OLG Hamm StV 98, 555: "Derselben Tat ... sind alle Straftaten des Beschuldigten von dem Zeitpunkt an zuzurechnen, in dem sie angesichts des zu bejahenden dringenden Tatverdachts bekannt gewesen sind und daher ... in einen Haftbefehl hätten aufgenommen werden können, ... auch wenn wegen der Taten mehrere Ermittlungsverfahren anhängig sind"; OLG Karlsruhe StV 00, 513: "Für die Annahme derselben Tat im Sinne des § 121 StPO kommt es ... darauf an, ob die gegen einen Beschuldigten erhobenen Vorwürfe in einem Haftbefehl hätten aufgenommen werden können", ob also "der diesbezügliche Tatverdacht ... soweit gediehen war, dass dieser durch Erweiterung des bereits bestehenden und vollzogenen Haftbefehls in die Haftgrundlage mit hätte einbezogen werden können"). Die demgegenüber vom 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz (Beschluss vom 20.10.2000 - [2 4420 BL - III - 44/00 -) geäußerte Kritik, durch die vom Senat (mit den Vorzitierten und nahezu der gesamten Kommentarliteratur, vgl. die Nachweise bei Schlothauer a.a.0.) vertretene Auffassung werde der Beschuldigte "des besonderen Schutzes des § 121 Abs. 1 StPO geradezu beraubt", trifft nicht zu. Der Schutz des § 121 Abs. 1 StPO wird dem dringend Tatverdächtigen nicht unbeschränkt zuteil; er wird bereits durch das Gesetz selbst eingeschränkt, und zwar eben durch das Tatbestandsmerkmal "wegen derselben Tat". Eine Rechtsauffassung, die dieses Merkmal beachtet, kann mithin den Beschuldigten nicht eines Schutzes berauben, den es ohne diese Einschränkung nicht gibt.

Die Frist des § 121 Abs. 1 StPO begann daher von dem Zeitpunkt an zu laufen, in dem der Tatverdacht hinsichtlich des später bekannt gewordenen Tatvorwurfs so dringend geworden ist, dass der zweite Haftbefehl hätte erlassen oder der ursprüngliche Haftbefehl hätte ergänzt werden können.

Das war nach Aktenlage (frühestens) der 25. August 2000, der Tag des Auffindens der Briefe von O. und B. an T. in dessen Haftraum. Aufgrund dieser Kassiber und der den Ermittlungsbehörden seit dem 30. Juni 2000 zur Verfügung stehenden Verbindungsdaten der bei verschiedenen Bandenmitgliedern sichergestellten Mobiltelefone konnte den Beschuldigten B., O. und T. erstmals konkret die Beteiligung an der Tat vom 28. April 2000 zur Last gelegt werden. Das ergibt sich im Einzelnen aus den Vermerken der Staatsanwaltschaft vom 18. Oktober 2000 (Bl. 988 - 1006 d.A.) und vom 20. Oktober 2000 (Bl. 1049 - 1056 d.A.), auf die der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt.

Die Sechs-Monatsfrist für die "neue Tat" endet somit für diese Beschuldigten am 24. Februar 2001.

Bis zu diesem Zeitpunkt hat das nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständige Gericht die erforderlichen Haftentscheidungen zu treffen.

III.

Für C. ist die Sechs-Monatsfrist am 5. November 2000 und für B. (infolge der Unterbrechung der Untersuchungshaft vom 26. September 2000 bis zur Zahlung der Geldstrafe am 4. Oktober 2000) am 13. November 2000 abgelaufen. Schon aufgrund der Bekundungen der tschechischen Kuriere vom 5. Mai und 6. Mai 2000 war den Ermittlungsbehörden eine Beteiligung dieser Beschuldigten an der Tat vom 28. April 2000 bekannt, nachdem die Zeugen beide eindeutig als die Abnehmer der an diesem Tag angelieferten 3 kg Heroin wieder erkannt hatten. Dementsprechend hätte ihre Beteiligung an dieser Tat bereits bei Beantragung des Haftbefehls vom 6. Mai 2000 in die Haftgrundlage mit einbezogen werden können.

Der dringende Tatverdacht für die den Beschuldigten jeweils zur Last gelegten Taten ergibt sich aus dem im Vermerk der Staatsanwaltschaft vom 20. Oktober 2000 dargelegten wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen, dem Teilgeständnis des Beschuldigten C. und den Bekundungen der als Zeugen vernommenen Rauschgiftkuriere.

Es kann dahinstehen, ob der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr auch nach Auffinden der Kassiber noch weiter besteht.

Jedenfalls ist bei beiden Beschuldigten Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO) anzunehmen. Es ist zu erwarten, dass sie sich dem Strafverfahren entziehen werden, sobald sie sich auf freiem Fuß befinden. Sie haben im Falle ihrer Verurteilung schon im Hinblick auf den in § 30 a Abs. 1 BtMG vorgesehenen Strafrahmen mit einer empfindlichen Gesamtfreiheitsstrafe zu rechnen. Der davon ausgehende Fluchtanreiz wird verstärkt durch ihre persönlichen Verhältnisse. Beide sind berufs-, arbeits- und einkommenslos. Sie haben in Deutschland keine familiären Bindungen. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen verfügt die gesamte Tätergruppe über enge Verbindungen zu Betäubungsmittellieferanten in Tschechien und in der Schweiz. Es ist daher zu befürchten, dass sie im Falle ihrer Freilassung in diesem kriminellen Umfeld untertauchen oder sich ins Ausland absetzen werden.

Weniger einschneidende Maßnahmen als der Vollzug der Untersuchungshaft (§ 116 Abs. 1 StPO) sind unter diesen Umständen nicht geeignet, den Verfahrenssicherungszweck zu gewährleisten.

Ein Urteil konnte bisher wegen des besonderen Umfangs und der besonderen Schwierigkeit der Ermittlungen noch nicht ergehen. Dies rechtfertigt - auch unter Berücksichtigung des sich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ergebenden Freiheitsanspruchs eines noch nicht rechtskräftig Verurteilten - die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft gemäß § 121 Abs. 1 StPO.

Die im ursprünglichen Haftbefehl aufgeführte Tat und die von Anfang an mögliche Beteiligung der Beschuldigten an weiteren Taten waren nach deren Festnahme ebenso weiter aufzuklären wie ihre Einbindung in die international operierende Tätergruppe. Der Beschuldigte C. hat lediglich die Tat vom 5. Mai 2000 eingeräumt, während B. von Anfang an jegliche Tatbeteiligung abgestritten hat.

Den Ermittlungsbehörden stellte sich deshalb die Aufgabe, den Gesamtumfang des Handeltreibens und die Tatumstände im Einzelnen festzustellen. Hierzu war es erforderlich, die gewonnenen Erkenntnisse aus der durchgeführten Telefonüberwachungsmaßnahme und den umfangreichen Verbindungsdaten auszuwerten. Zudem war ein zur weiteren Aufklärung erforderliches Rechtshilfeersuchen an die tschechischen Behörden notwendig, welches erst nach erfolgreichem Abschluss der verdeckten tschechischen Ermittlungen Mitte Juni 2000 gestellt werden konnte und umgehend nach Eingang und Übersetzung der entsprechenden Nachricht aus Prag in die Wege geleitet wurde.

Zur genaueren Ermittlung der zwischen allen Beschuldigten bestehenden Verbindungen mussten außerdem eine Vielzahl von Zeugen vernommen und die in den Hafträumen der Beschuldigten O. und T. sichergestellten neun Kassiber ausgewertet werden.

Trotz der aufgezeigten erheblichen Schwierigkeiten und des besonderen Aufwandes sind die Ermittlungen ohne vermeidbare Verzögerungen und unter Beachtung des besonderen Beschleunigungsgebots in Haftsachen geführt worden.

Nach Mitteilung der Staatsanwaltschaft ist beabsichtigt, nach Ablauf einer angemessenen Einlassungsfrist für alle Verteidiger Ende November/Anfang Dezember 2000 Anklage zu erheben. Von einer zügigen Weiterführung und einem baldigen Abschluss des Verfahrens ist daher auszugehen.

Da im Hinblick auf die Schwere der Tatvorwürfe auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bedenkenfrei gewahrt ist, hat der Senat die Fortdauer der Untersuchungshaft für weitere drei Monate angeordnet.

Es ist beabsichtigt, gemäß § 122 Abs. 6 StPO über die (weitere) Fortdauer der Untersuchungshaft aller Beschuldigter einheitlich nach erneuter Vorlage der Akten zum nächsten Haftprüfungstermin am 14. Februar 2001 zu entscheiden, falls erforderlich.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 122 StPO.

Ende der Entscheidung

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