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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 20.09.2000
Aktenzeichen: (2) 4420 BL - III - 19/00
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 121 I
Leitsatz:

Eine sachlich nicht gerechtfertigte Aussetzung der Hauptverhandlung, die zu einer Verfahrensverzögerung von viereinhalb Monaten führt, hat die Aufhebung des Haftbefehls zur Folge.


Geschäftsnummer: (2) 4420 BL - III - 19/00 2030 Js 29806/99 StA Koblenz

In der Strafsache

gegen

den Rechtsanwalt M.,

- Verteidiger: 1. Rechtsanwalt Dr. D., 2. Rechtsanwalt H. -

wegen Betrugs

hier: erneute Entscheidung nach § 122 StPO

hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Vonnahme sowie die Richter am Oberlandesgericht Pott und Henrich

am 20. September 2000 beschlossen:

Tenor:

Der Haftbefehl des Amtsgerichts Koblenz gegen den Angeklagten M. vom 22. September 1999 (30 Gs II 3100/99), erweitert und neu gefasst durch Beschluss des Amtsgerichts Koblenz vom 10. November 1999, wird aufgehoben.

Gründe:

Die im Haftfortdauerbeschluss des Senats vom 21. März 2000 dargelegten maßgeblichen Gründe für die Annahme des dringenden Tatverdachts und des Haftgrundes der Fluchtgefahr gelten unverändert fort. Umstände, die eine abweichende Beurteilung zugunsten des Angeklagten erfordern würden, haben sich seitdem nicht ergeben.

Gleichwohl ist der gegen den Angeklagten ergangene Haftbefehl - wenngleich aus völlig anderen als den von dem Verteidiger des Angeklagten (Schriftsatz vom 19. September 2000) angeführten Gründen - aufzuheben, da wichtige Gründe im Sinne des § 121 Abs. 1 StPO, die die Fortdauer der Untersuchungshaft rechtfertigen könnten, nicht mehr vorliegen.

Für die Annahme eines anderen wichtigen Grundes, der von seinem Gewicht her den in der Vorschrift namentlich genannten Gründen (besondere Schwierigkeit oder besonderer Umfang der Ermittlungen) gleichstehen muss (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 121 Rdnr. 19), kommt es entscheidend darauf an, ob die für die Strafverfolgung verantwortlichen Behörden und Gerichte ihrerseits alle zumutbaren Maßnahmen getroffen haben, das Verfahren so schnell wie möglich abzuschließen und ein Urteil herbeizuführen (Senat, NStZ 1997, 252 m.w.N.). Das in der Vorschrift zum Ausdruck kommende Gebot der Verfahrensbeschleunigung erfordert es auch, eine einmal begonnene Hauptverhandlung zügig und unter Vermeidung unnötiger Verzögerungen zum Abschluss zu bringen (OLG Karlsruhe, StV 2000, 91; OLG Frankfurt, NStZ 1988, 239). Eine sachlich nicht gerechtfertigte Aussetzung der Hauptverhandlung, die eine längere, mehrmonatige Verfahrensverzögerung nach sich zieht, kann deshalb kein die Haftfortdauer rechtfertigender wichtiger Grund im Sinne des § 121 Abs. 1 StPO sein (OLG Karlsruhe, OLG Frankfurt, a.a.0.; KG, StV 1993, 204; OLG Köln, MDR 1991, 662; OLG Bremen, StV 1986, 540).

So aber liegt der Fall hier. Die Strafkammer hat durch Beschluss vom 21. August 2000 das Verfahren gegen den Angeklagten M. von dem Verfahren gegen die Mitangeklagten Dr. Dr. M. und Dr. W. abgetrennt und die am 30. Mai 2000 begonnene Hauptverhandlung ausgesetzt. Die Aussetzung hat sie damit begründet, dass sie durch mehrere zur Zeit neben dem Ausgangsverfahren bei ihr anhängige Umfangsverfahren und Haftsachen daran gehindert werde, die Hauptverhandlung gegen den Angeklagten M. parallel zu den anderen anhängigen Verfahren fortzusetzen. Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 30. August 2000 (2 Ws 545/00) festgestellt hat, war die Aussetzung sachlich nicht gerechtfertigt. Durch sie wurde der Anspruch des Angeklagten auf eine zügige Durchführung des Verfahrens verletzt; wegen der Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidung vom 30. August 2000 Bezug genommen. Die Aussetzung hat eine mehrmonatige Verzögerung des Verfahrens zur Folge. Die Hauptverhandlung, die am 30. Mai 2000 begonnen hatte, muss vollständig wiederholt werden. Ausweislich des Vermerks der Vorsitzenden der 9. Strafkammer des Landgerichts Koblenz vom 5. September 2000 (Bd. XXIII, Bl. 5624 ff d.A.) hätte die neue Hauptverhandlung erst am 16. November 2000 beginnen können. Nach einer dem Senat am gestrigen Tag erteilten Auskunft soll der Beginn nunmehr allerdings bereits ab dem 17. Oktober 2000 möglich sein. Indes wäre selbst bei dieser Terminierung durch die fehlerhafte Aussetzungsentscheidung der Strafkammer vom 21. August 2000 eine Verzögerung von mindestens viereinhalb Monaten eingetreten. Eine Verzögerung von solchem Ausmaß ist mit dem Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen nicht mehr vereinbar (OLG Karlsruhe, OLG Frankfurt, a.a.0.) und hat die Aufhebung des Haftbefehls zur Folge.

Ende der Entscheidung

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