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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 29.03.2001
Aktenzeichen: 1 AR 15/01 Str.
Rechtsgebiete: BRAGO


Vorschriften:

BRAGO § 99
BRAGO § 83 I Nr. 3
BRAGO § 83 II Nr. 3
BRAGO § 97 I 3
Leitsatz:

Zur Üblichkeit von Verteidigerbemühungen für einen nicht auf freiem Fuß befindlichen Angeklagten (gegen OLG Hamm NStZ-RR 2001, 95; 2000, 318).


Geschäftsnummer: 1 AR 15/01 Str. 8002 Js 1353/00 StA Trier

In der Strafsache

wegen Diebstahls u.a.

hier: Antrag auf Bewilligung einer Pauschvergütung gemäß § 99 BRAGO

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht von Tzschoppe, den Richter am Oberlandesgericht Völpel und die Richterin am Oberlandesgericht Hardt am 29. März 2001 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Rechtsanwalts Sch., ihm für seine Tätigkeit als bestellter Verteidiger des Angeklagten M. in dem Verfahren vor dem Schöffengericht bei dem Amtsgericht Trier eine Pauschvergütung zu bewilligen, wird als unbegründet zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Antragsteller war nach kurzzeitiger vorheriger Tätigkeit als Wahlverteidiger am 14. April 2000 zum Verteidiger des am 11. März 2000 in Untersuchungshaft genommenen Angeklagten bestellt worden. Im mündlichen Haftprüfungstermin vom 19. Mai 2000, an dem Rechtsanwalt Sch. teilnahm, wurde der gegen den Angeklagten ergangene Haftbefehl außer Vollzug gesetzt. Wegen Nichterfüllung von Auflagen musste der Haftbefehl später wieder in Vollzug gesetzt werden.

In der Anklageschrift vom 12. August 2000 wurden dem Angeklagten zwei Diebstähle, die er bereits am Tage seiner Festnahme geständig eingeräumt hatte, die Verabredung zu einem Verbrechen des schweren Raubes sowie ein Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz und ein weiterer gegen das Telekomunikationsgesetz zur Last gelegt. Der Antragsteller hat den Angeklagten in der von vornherein auf nur einen Tag anberaumten Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht am 4. September 2000 vertreten, die - obwohl keine Zeugen geladen worden waren - mit Rücksicht darauf, dass sie sich gegen fünf Angeklagte richtete, fünf Stunden und 10 Minuten gedauert hat. Der Angeklagte wurde - dem Antrag der Staatsanwaltschaft entsprechend - wegen Diebstahls in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und 11 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Wegen der angeklagten Tat der Verabredung zu einem Verbrechen erfolgte Freispruch. Hinsichtlich der übrigen Taten war in der Hauptverhandlung Einstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO erfolgt. Das Urteil wurde am Tag seiner Verkündung rechtskräftig.

Rechtsanwalt Sch. beantragt eine Pauschvergütung in Höhe von 1.500 DM. Die Gebühren nach den §§ 83, 84, 97 BRAGO betragen 750 DM.

II.

Der Antrag ist unbegründet.

Dass das Verfahren in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht schwierig gewesen wäre, wird von dem Antragsteller selbst nicht dargetan. Es war auch nicht besonders umfangreich.

Durch das Rechtspflegerentlastungsgesetz 1993 wurde die Strafgewalt des Amtsgerichts erhöht mit der vom Gesetzgeber gewollten Folge, dass vermehrt auch Verfahren, die eine ganz- oder mehrtägige Hauptverhandlung in Anspruch nehmen, in die Zuständigkeit des Schöffengerichts fallen. Der daraus resultierenden Verlängerung der durchschnittlichen Verhandlungsdauer wurde 1994 durch die Erhöhung der Rahmengebühren der §§ 83 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 3 BRAGO und damit auch der Gebühr nach § 97 BRAGO um etwa 40 % Rechnung getragen (siehe Riedel-Sußbauer-Fraunholz, § 99 BRAGO Rdnr. 6).

Deshalb sind nach der ständigen Rechtsprechung des Senats die Voraussetzungen des § 99 Abs. 1 BRAGO bei einem Verfahren mit einer ein- bis dreitägigen Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht in aller Regel nicht erfüllt (Senatsbeschluss vom 29. November 1999 - 1 AR 86/99 Str.). Besondere Umstände, die vorliegend ausnahmsweise eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, sind nicht gegeben. Hinsichtlich der Taten, wegen denen der Angeklagte verurteilt worden ist, war er bereits vor der Bestellung des Antragstellers als Verteidiger geständig. Zum Nachweis der Verabredung zum Verbrechen waren keine Zeugen geladen worden und die Staatsanwaltschaft hatte insoweit Freispruch beantragt.

Auch die Tätigkeit des Antragstellers im Vorverfahren war nicht besonders umfangreich. Der Aktenumfang von rund 850 den Angeklagten betreffenden Seiten lag noch nicht außerhalb des beim Schöffengericht üblichen Umfangs. Soweit sich der Verteidiger auf drei Gespräche mit dem Angeklagten in der Justizvollzugsanstalt und seine Tätigkeit anlässlich einer mündlichen Haftprüfung beruft, liegt auch dies nicht außerhalb der üblichen Verteidigerbemühungen für einen nicht auf freiem Fuß befindlichen Angeklagten. Dem Mehraufwand bei in Haft befindlichen Angeklagten wird bereits durch die Erhöhung der Mindestbeträge der §§ 83, 84 BRAGO auf das Fünffache gemäß § 97 Abs. 1 Satz 3 BRAGO Rechnung getragen. Die großzügige Auslegung des § 99 Abs. 1 BRAGO durch das Oberlandesgericht Hamm (NStZ-RR 2001, 95; 2000, 318) teilt der Senat nicht.

Ende der Entscheidung

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