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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 30.05.2001
Aktenzeichen: 1 Ss 145/01
Rechtsgebiete: OWiG


Vorschriften:

OWiG § 74 II
OWiG § 73 II
Leitsatz:

Zur Darstellungslast des Betroffenen im Rahmen einer wg. Verletzung rechtlichen Gehörs erhobene Verfahrensrüge, wenn der Betroffene einerseits (erfolglos) Entbindung vom persönlichen Erscheinen beantragt, andererseits aber in umfangreichen schriftsätzlichen Ausführungen vor der Hauptverhandlung mangelhafte Aufklärung gerügt und eine Vielzahl von Aufklärungsmaßnahmen eingefordert hat.


1 Ss 145/01 2040 Js 37195/00 -3 OWi StA Koblenz

In der Bußgeldsache

wegen Verstoßes gegen die Straßenverkehrs-Ordnung

hier: Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde

hat der 1. Strafsenat - Senat für Bußgeldsachen - des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Richter am Oberlandesgericht Völpel am 30. Mai 2001 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Betroffenen, seine Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Mayen vom 20. März 2001 zuzulassen, wird als unbegründet verworfen.

Die Rechtsbeschwerde gilt damit als zurückgenommen (§ 80 Abs. 4 S. 4 OWiG).

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens fallen dem Betroffenen zur Last (§§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 S. 1 StPO).

Gründe:

1.

Zur Fortbildung des Rechts ist die Nachprüfung des ergangenen Verwerfungsurteils nach § 74 Abs. 2 OWiG nicht geboten (§ 80 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 4 S. 3 OWiG).

2.

Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs als weiterer Zulassungsgrund (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG) ist nicht in zulässiger Weise erhoben. Sie muss schon im Zulassungsverfahren den an die Begründung einer Verfahrensrüge gestellten Anforderungen gemäß §§ 80 Abs. 3 S. 3 OWiG, 344 Abs. 2 S. 2 StPO entsprechen (Göhler, OWiG, § 80 Rdn. 16 i). Die zu der behaupteten Rechtsverletzung vorgebrachten Tatsachen müssen so vollständig dargestellt werden, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein aufgrund der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Rechtsfehler vorliegt.

Vorliegend sieht der Betroffene seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs dadurch beeinträchtigt, dass der Bußgeldrichter ihn entgegen § 73 Abs. 2 OWiG nicht von seiner Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden und deswegen seinen Einspruch ohne Verhandlung zur Sache verworfen habe. Nach der genannten Vorschrift entbindet das Gericht den Betroffenen auf seinen Antrag von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung, wenn er sich zur Sache geäußert oder erklärt hat, dass er sich in der Verhandlung nicht zur Sache äußern werde und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich ist.

Hierzu hat der Betroffene in der Begründung seines Zulassungsantrags zwar vorgebracht, vor der Hauptverhandlung erklärt zu haben, seine Eigenschaft als Führer des Tatfahrzeugs nicht zu bestreiten und im Übrigen sich in der Hauptverhandlung zur Sache nicht äußern zu wollen. Das reicht jedoch zur Begründung nicht aus. Es bedarf weiter der Darlegung, dass der Bußgeldrichter von der Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung keinen Beitrag zur Aufklärung wesentlicher Gesichtpunkte des Sachverhalts erwarten durfte. Demgemäß wäre neben dem im Bußgeldbescheid erhobenen Tatvorwurf die konkrete Beweislage im Einzelnen vorzutragen gewesen (OLG Köln VRS 97, 187, 189; Göhler a.a.O., § 74 Rdn. 48 c).

Daran fehlt es vorliegend. Mitgeteilt wird lediglich die Existenz eines Videobandes und eines Sachverständigengutachtens. Welchen Inhalt diese Beweismittel haben sollen, bleibt offen. Gleichzeitig geht der Betroffene aber von einer gänzlich unzureichenden Sachaufklärung aus. So trägt er u.a. den Wortlaut eines Beweisantrags mit Datum vom 17. April 2000 vor, den er in der Hauptverhandlung zu stellen beabsichtigte und in dem die Auffassung vertreten wird, der Bußgeldbescheid sei "aufgrund mangelhafter Aufklärung" rechtswidrig. Es werden weiter sieben Alternativen des Geschehensablaufs unter Beweis gestellt, nach denen den Betroffenen an der Verkürzung des Abstands zu dem vorausfahrenden Fahrzeug kein Verschulden treffe. Als Beweismittel werden die Einholung eines Sachverständigengutachten, Augenscheinseinnahme der Videosequenz, Inaugenscheinnahme der Messstelle und die Vernehmung eines Polizeibeamten als Zeugen angeboten. Sieht der Betroffene selbst trotz der vorliegenden Beweismittel für die Hauptverhandlung grundlegenden und vollumfänglichen Aufklärungsbedarf voraus, ist ohne eingehende Darstellung der gesamten Beweissituation nicht ersichtlich, aus welchem Grund der Bußgeldrichter die Möglichkeit eines Aufklärungsbeitrags des Betroffenen von vornherein ausschließen musste.

Die behauptete fehlerhafte Anwendung der Vorschrift des § 73 Abs. 2 OWiG ergibt sich daher aus der vorgelegten Begründung des Zulassungsantrags nicht.

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist durch die Nichtentbindung von der Erscheinenspflicht gewahrt. Zwar beträgt die im Bußgeldbescheid festgesetzte Geldbuße nur 100 DM. Dazu steht jedoch eine Anreise des Betroffenen von seinem Wohnsitz in M. zum Gerichtsort Mayen schon deswegen nicht außer Verhältnis, weil ihm als Berufskraftfahrer ein besonderes Interesse zuzusprechen ist, durch seine Mitwirkung an der Hauptverhandlung die über die Zahlung der Geldbuße hinaus drohenden, in der Summe mit anderen künftig möglicherweise arbeitsplatzgefährdenden Strafpunkte (hier: 3 Punkte) abzuwenden.

Nach alledem ist der Zulassungsantrag des Betroffenen als unbegründet zu verwerfen.

Ende der Entscheidung

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