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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 15.06.2001
Aktenzeichen: 1 Ss 153/01
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 329 I
StPO § 329 III
Leitsatz:

1. Früheres Vorbringen, das im Verwerfungsurteil nach § 329 I 1 StPO bereits als ungenügende Entschuldigung gewertet worden ist, kann zur Begründung eines Wiedereinsetzungsantrags nur im Zusammenhang mit neuen Tatsachen herangezogen werden.

2. Neue Beweismittel für bereits gewürdigte Tatsachen reichen zur Begründung der Wiedereinsetzung nicht aus; sie müssen mit der Revision (Aufklärungsrüge) geltend gemacht werden.


1 Ws 507/01 und 1 Ss 153/01 3020 Js 127/00 - 2Ns StA Mainz

In der Strafsache

wegen Diebstahls mit Waffen

hier: Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung; Revision des Angeklagten gegen ein Verwerfungsurteil nach § 329 Abs. 1 S. 1 StPO

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht von Tzschoppe, den Richter am Oberlandesgericht Völpel und die Richterin am Oberlandesgericht Hardt am 15. Juni 2001 einstimmig beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss der 2. Strafkammer des Landgerichts Mainz vom 20. März 2001 wird als unbegründet verworfen.

2. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 2. Strafkammer des Landgerichts Mainz vom 13. Februar 2001 wird als offensichtlich unbegründet verworfen.

3. Die Kosten des Beschwerde- und Revisionsverfahrens fallen dem Angeklagten zur Last (§ 473 Abs. 1 S. 1 StPO).

Gründe:

I.

Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten wegen versuchten Diebstahls mit Waffen (§§ 242, 244 Abs. 1 Nr. 1 a, 22 StGB) zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 60 DM.

Auf die dagegen eingelegte Berufung des Angeklagten beraumte der Vorsitzende der Berufungskammer des Landgerichts Termin zur Hauptverhandlung an. Am Terminstag rief der Angeklagte nach Beginn der Verhandlung auf der Geschäftsstelle des Landgerichts an und teilte mit, dass er seit dem Vortag an Grippe erkrankt sei und deshalb den Termin nicht wahrnehmen könne.

Daraufhin hat das Landgericht die Berufung des Angeklagten gemäß § 329 Abs. 1 S. 1 StPO verworfen, da er trotz ordnungsgemäßer Ladung der Hauptverhandlung unentschuldigt ferngeblieben sei. Die telefonische Anzeige einer Grippe-Erkrankung hat die Kammer nicht als genügende Entschuldigung gelten lassen. Diese Mitteilung sei erst nach Beginn der Hauptverhandlung erfolgt. Der Angeklagte habe auch kein Attest vorgelegt oder sonst Angaben dazu gemacht, welchen Arzt er konsultiert habe. Feststellungen zur Schwere seiner Erkrankung habe die Kammer daher auch im Wege des Freibeweises nicht treffen können.

II.

Nachdem der Angeklagte am Tag nach der Hauptverhandlung, am 14. Februar 2001, eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu den Akten gereicht hatte, hat er noch vor Zustellung der ergangenen Entscheidung am 20. Februar 2001 über seinen Verteidiger am 19. Februar 2001 gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung ohne nähere Begründung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und gegen das Verwerfungsurteil Revision eingelegt, die er am 7. März 2001 ohne weitere Ausführungen mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet hat.

Den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat die Berufungskammer mangels ausreichender Glaubhaftmachung der behaupteten Grippeerkrankung als unzulässig verworfen.

Gegen diesen dem Verteidiger am 22. März 2001 zugestellten Beschluss richtet sich die am 29. März 2001 eingegangene sofortige Beschwerde des Angeklagten, mit der er nunmehr ein ärztliches Attest vom 23. März 2001 vorlegt, in dem bescheinigt wird, dass er vom 13. Februar bis 14. Februar 2001 erkrankt und nicht reisefähig gewesen sei.

III.

Weder die sofortige Beschwerde noch die Revision haben Erfolg.

1.

Die sofortige Beschwerde ist zwar zulässig (§§ 329 Abs. 3, 46 Abs. 3, 311 Abs. 2 StPO), jedoch unbegründet, da die Berufungskammer den Wiedereinsetzungsantrag im Ergebnis zu Recht als unzulässig verworfen hat.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung nach § 329 Abs. 3 StPO dient der nachträglichen Geltendmachung möglicher Entschuldigungsgründe, die dem Berufungsgericht nicht bekannt waren, als es das Rechtsmittel verwarf. Der Antrag kann somit nicht auf Umstände gestützt werden, die bereits im Verwerfungsurteil dahin gewürdigt worden sind, dass sie für eine Entschuldigung nicht ausreichen (KK-Ruß, StPO, § 329 Rdnr. 23 m.w.N.). Eventuelle Rechtsfehler bei dieser Würdigung können nur mit der Revision gerügt werden. Vorliegend beruft sich der Angeklagte in seiner Beschwerdebegründung nach wie vor auf die von der Berufungskammer als unzureichende Entschuldigung bewertete Grippeerkrankung.

Früheres Vorbringen kann zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags nur im Zusammenhang mit neuen, zusätzlich vorgetragenen Tatsachen herangezogen werden. Macht der Angeklagte den Entschuldigungsgrund der Erkrankung geltend, so kann er auch dann, wenn die Krankheit als solche dem Gericht bekannt gewesen und als nicht zur Entschuldigung ausreichend gewürdigt worden ist, neue Tatsachen vortragen, die geeignet sind, sein Befinden am Terminstag in einem anderen Licht erscheinen zu lassen (OLG Düsseldorf VRS 90, 184; Senatsbeschluss vom 7. Dezember 2000 - 1 Ws 719/00 -). Neue Tatsachen werden in der Beschwerdebegründung nicht behauptet. Neu sind lediglich die nach dem Hauptverhandlungstermin zu den Akten gereichte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und das mit der Beschwerdebegründung vorgelegte weitere ärztliche Attest. Neue Beweismittel für bereits gewürdigte Tatsachen reichen jedoch zur Begründung der Wiedereinsetzung nicht aus (LR-Gollwitzer, StPO, § 329 Rdnr. 119; OLG Düsseldorf NStZ 1992, 99, 100 m.w.N.). Sie müssen mit der Revision (Aufklärungsrüge) geltend gemacht werden (LR-Gollwitzer a.a.O.).

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist damit unzulässig.

2.

Die Revision des Angeklagten ist ebenfalls unbegründet.

Die erhobene Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und damit unzulässig (§ 344 Abs. 2 S. 2 StPO).

Die Sachrüge führt nur zur Prüfung ob Verfahrenshindernisse vorliegen (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, § 329 Rdnr. 49 m.w.N.). Solche sind vorliegend nicht ersichtlich.

Die Anwendung des § 329 Abs. 1 S. 1 StPO ist damit der revisionsrechtlichen Prüfung entzogen. Sie kann nur mit einer - hier nicht in zulässiger Weise erhobenen - Verfahrensrüge beanstandet werden (LR-Gollwitzer a.a.O. Rdnr. 99; Kleinknecht/Meyer-Goßner a.a.O. Rdnr. 48 m.w.N.).

Die Frage einer entsprechenden Auslegung der Sachrüge (vgl. LR-Gollwitzer a.a.O. Rdnr. 98) stellt sich vorliegend nicht, da diese, wie die erhobene Verfahrensrüge jeglichen Sachvortrags entbehrt.

Nachdem oben unter 1. über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtskräftig entschieden worden ist, ist die Revision des Angeklagten auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gemäß §§ 342 Abs. 2 S. 2, 349 Abs. 2 und 3 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

Ende der Entscheidung

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