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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 18.08.2000
Aktenzeichen: 1 Ss 181/00
Rechtsgebiete: StVG


Vorschriften:

StVG § 25 I
Leitsatz:

Die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf einer BAB um 65 km/h indiziert im allgemeinen eine vorsätzliche Handlung.

vgl. BayObLG DAR 00, 170 = NZV 00, 215=NJW 00, 888 = VRs 98, 294


Geschäftsnummer: 1 Ss 181/00 8012 Js 4541/00 4 OWi StA Trier

OBERLANDESGERICHT KOBLENZ Beschluss

In der Bußgeldsache

gegen

- Verteidiger: Rechtsanwalt

wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit

hat der 1. Strafsenat - Senat für Bußgeldsachen - des Oberlandesgerichts Koblenz durch die Richter am Oberlandesgericht Völpel und Summa und den Richter am Landgericht Hardt am 18. August 2000 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Daun vom 19. Mai 2000 wird als offensichtlich unbegründet verworfen mit der Maßgabe, dass der Betroffene wegen einer vorsätzlichen Ordnungswidrigkeit verurteilt wird.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen ( §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO).

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften zu einer Geldbuße von 400 DM verurteilt und gegen ihn ein einmonatiges Fahrverbot verhängt.

Das Urteil stellt dazu fest, dass der Betroffene, ein praktizierender Nervenarzt, am Sonntag, dem 12. September 1999 auf der BAB A 1 die dort durch Verkehrszeichen 274 für eine Strecke von 11 km angeordnete zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h unter Berücksichtigung eines 5 %igen Toleranzabzugs von der vorgenommenen Messung um 65 km/h überschritten hat.

Hiergegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde. Er beantragt Aufhebung des angefochtenen Urteils und rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

II.

Das gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthafte Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

Die gegen den Schuldspruch gerichtete Rechtsbeschwerde deckt weder mit der Verfahrensrüge noch mit der Sachrüge einen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen auf.

Mit Recht hat der Bußgeldrichter das Vorliegen eines die Geschwindigkeitsüberschreitung rechtfertigenden Notstands (§ 16 OWiG) und eines auf diesen Rechtfertigungsgrund bezogenen vermeidbaren Verbotsirrtums des Betroffenen (§ 11 Abs. 2 OWiG) verneint (vgl. BayObLG DAR 2000, 170 = NZV 2000, 215 = NJW 2000, 888 = VRS 98, 294).

Die erhobene Aufklärungsrüge ist bereits, wie die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme zutreffend ausgeführt hat, wegen unzureichender Begründung (§§ 79 Abs. 3 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) unzulässig.

Die rechtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils lässt lediglich einen Rechtsfehler zugunsten des Betroffenen erkennen. Die Annahme von Fahrlässigkeit bei Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit beruht auf einer unvollständigen Würdigung der festgestellten Tatsachen. Diese lassen nur den Schluss zu, dass der Betroffene vorsätzlich gehandelt hat.

Er bestreitet nicht, die die zulässige Höchstgeschwindigkeit beschränkenden Verkehrszeichen erkannt zu haben. Er beruft sich vielmehr zu seiner Verteidigung auf die Wahrnehmung von Berufspflichten. Er habe nach Besuch einer Patientin wieder schnellstmöglich in seine Bonner Arztpraxis zurückfahren müssen, um dort seinen ärztlichen Bereitschaftsdienst wahrnehmen zu können. Die in der Rechtsbeschwerdebegründung aufgestellte Behauptung des Betroffenen, er habe die Geschwindigkeitsbeschränkung nur für die rechte und nicht für die von ihm benutzte linke Fahrspur für verbindlich gehalten, ist, da sie in den Urteilsfeststellungen keine Stütze findet, im Rechtsbeschwerdeverfahren unbeachtlich.

Das Bewusstsein des Betroffenen, die angeordnete zulässige Höchstgeschwindigkeit zu überschreiten, ergibt sich über seine Einlassung hinaus auch aus der Höhe der gefahrenen Geschwindigkeit. Eine Überschreitung um mehr als 40 km/h außerorts indiziert nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. nur DAR 99, 227 m.w.N.) vorsätzliches Handeln des Kraftfahrers. Vorliegend ist der Betroffene sogar um mindestens 65 km/h zu schnell gefahren. Die Annahme von bloßer Fahrlässigkeit im angefochtenen Urteil geht damit an den festgestellten Tatsachen vorbei.

Eine entsprechende Berichtigung des die Schuldform betreffenden Rechtsfehlers in der Rechtsbeschwerdeinstanz beinhaltet, da die Rechtsfolge der Ordnungswidrigkeit unverändert bleibt, keinen Verstoß gegen das Schlechterstellungsverbot gemäß §§ 79 Abs. 3 OWiG, 331 Abs. 1 StPO.

Die Korrektur des Schuldspruchs führt auch nicht zu einer Verletzung der Hinweispflicht gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 265 Abs. 1 StPO, da nicht ersichtlich ist, dass der Betroffene beim Vorwurf vorsätzlichen Handelns sich anders als geschehen verteidigt hätte.

III.

Der Rechtsfolgenausspruch ist rechtsfehlerfrei. Mit Recht hat der Bußgeldrichter auch die Voraussetzungen für die Verhängung eines Fahrverbots gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BKatV und Nr. 5.3.6 BKat angenommen. Die grobe Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrers liegt nicht nur in der Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung begründet, sondern ergibt sich auch aus der vorsätzlichen Verwirklichung des Bußgeldtatbestandes. Eine "notstandsähnliche" Situation, die nach obergerichtlicher Rechtsprechung den Handlungsunwert soweit mindern kann, dass die Voraussetzung für die Verhängung eines Fahrverbots entfällt (vgl. BayObLG a.a.0.), hat nach den Urteilsfeststellungen nicht vorgelegen. Darauf hat bereits der Bußgeldrichter in der Begründung seines Urteils zutreffend hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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