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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 14.07.2005
Aktenzeichen: 1 Ss 189/05
Rechtsgebiete: StVG, FeV


Vorschriften:

StVG § 3
StVG § 24 a Abs. 2
StVG § 25
FeV § 46
1. Bei einer Verurteilung wegen einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 24 a Abs. 2 StVG nach Cannabiskonsum gehört zu den notwendigen tatrichterlichen Feststellungen auch die Mitteilung der THC-Konzentration im Blut des Betroffenen.

2. Es liegt kein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 3 GG vor, wenn ein Fehlverhalten im Straßenverkehr sowohl in einem Straf- oder Bußgeldverfahren geahndet wird als auch die in §§ 3 StVG, 46 FeV normierten verwaltungsrechtlichen Konsequenzen hat.

3. Ist dem Betroffenen wegen der Tat, die auch Gegenstand des Bußgeldverfahrens ist, die Fahrerlaubnis im Verwaltungswege entzogen wordn und wurde ihm nach MPU und Nachschulung die Fahrerlaubnis wiedererteilt, so ist dies ein Umstand, der - auch unter dem Gesichtspunkt des Übermaßverbots - bei der Rechtsfolgenbemessung Berücksichtigung finden muss und die Frage aufwirft, ob es des Fahrverbots als "eindringliches Erziehungsmittel" und "Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme" noch bedarf.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ BESCHLUSS

Geschäftsnummer: 1 Ss 189/05

In der Bußgeldsache

wegen Führens eines KFZ unter der Wirkung eines Rauschmittels

hat der 1. Strafsenat - Senat für Bußgeldsachen - des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Richter am Oberlandesgericht Summa am 14. Juli 2005 beschlossen:

Tenor:

Auf Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Sinzig vom 22. März 2005 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Sinzig zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen "ordnungswidrigen Führens eines Kraftfahrzeuges unter Einfluß von Cannabis/THC" zu einer Geldbuße von 250 € sowie einem einmonatigen Fahrverbot verurteilt und festgestellt:

"Der Betroffene befuhr am 20.12.2003 gegen 2.45 Uhr mit seinem Pkw Marke VW mit dem amtlichen Kennzeichen ... den A.........weg in S....., während er unter dem Einfluss des Rauschmittels Cannabis/Tetrahydrocannabinol stand."

Weiter heißt es in den Urteilsgründen:

"Dies steht fest auf Grund der Einlassung des Betroffenen sowie auf Grund des in der Hauptverhandlung erörterten Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin der ...-Universität M.... vom 29.03.2004. Dem Betroffenen wurde um 3.25 Uhr am Tattag Blut entnommen; die Untersuchung auf den Gehalt an Tetrahydrocannabinol sowie die Stoffwechselprodukte Hydroxy-THC und THC-Carbonsäure weisen nach den Ausführungen des Gutachters Professor Dr. U.... auf eine zeitnahe Aufnahme von Cannabis hin. Dies deckt sich mit der Einlassung des Betroffenen, dass er zeitnah zum Tatzeitpunkt um 2.45 Uhr Cannabis geraucht habe. Daraufhin wurde auf die Einvernahme des Zeugen PK K..... verzichtet.

Nach alledem hat der Betroffene sich einer Verkehrsordnungswidrigkeit gem. § 24 a Abs. 2, 3, 25 StVG schuldig gemacht. Der Betroffene stand zum Tatzeitpunkt unter Wirkeinfluss von Cannabis. Dies war für den Betroffenen auch zumindest erkennbar."

II.

Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat mit der Sachrüge Erfolg, weil die Feststellungen lückenhaft sind und deshalb den Schuldspruch nicht tragen.

Dem am 1. August 1998 in Kraft getretenen § 24a Abs. 2 StVG, der für Betäubungsmittel wie Cannabis scheinbar eine Nullwertgrenze normiert, lag die Annahme zugrunde, daß eine medizinisch-technisch im Blut nachweisbare Wirkstoffmenge einer näher bezeichneten berauschenden Substanz auch generell geeignet ist, die Leistungsfähigkeit eines Verkehrsteilnehmers erheblich zu beeinträchtigen. Diese damals zutreffende Annahme ist durch Fortschritte in der Analysetechnik überholt. Heute sind auch Wirkstoffmengen nachweisbar, deren Auswirkungen auf die Fahrtüchtigkeit nicht meßbar sind. Deshalb kann nicht mehr jeder Nachweis von THC im Blut eines Verkehrsteilnehmers für eine Verurteilung nach § 24 a Abs. 2 StVG ausreichen. Festgestellt werden muß vielmehr eine Konzentration, die es entsprechend dem Charakter der Vorschrift als eines abstrakten Gefährdungsdelikts als möglich erscheinen läßt, daß der untersuchte Kraftfahrzeugführer am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl seine Fahrtüchtigkeit eingeschränkt war (BVerfG NJW 05, 349; NZV 05, 270 auf Verfassungsbeschwerde gegen den Beschl. des OLG Zweibrücken v. 13.11.2003 -1 Ss 215/03 < in Juris >, das von einer "echten" Nullwertgrenze ausging ).

In der Wissenschaft besteht Einigkeit darüber, daß jedenfalls bei THC-Konzentrationen < 1 ng/ml (und ohne das Hinzutreten weiterer berauschender Substanzen infolge Mischkonsums) Auswirkungen auf die Fahrtüchtigkeit nicht zu erwarten sind (BVerfG a.a.O. m.w.N.) Zwar tritt ein solcher Wert in der Regel auf, wenn die Blutprobe - anders als hier - viele Stunden nach dem letzten Cannabiskonsum entnommen wird. Es ist allerdings auch möglich, daß er die Folge eines geringfügigen (Mit-)Konsums zeitnah zur Blutentnahme ist.

Vor diesem Hintergrund gehört bei einer Verurteilung wegen einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 24a Abs. 2 StVG nach Cannabiskonsum zu den notwendigen tatrichterlichen Feststellungen auch die Mitteilung der THC-Konzentration im Blut des Betroffenen. Daran fehlt es hier.

III.

Für die erneute Hauptverhandlung und Entscheidung wird auf folgendes hingewiesen:

1.

Die Schuldform ist in den Tenor aufzunehmen.

2.

In den Urteilsgründen ist eine Handlung (positives Tun oder Unterlassen) zu schildern, die unter dieobjektiven und subjektiven Merkmale eines Bußgeldtatbestandes subsumiert werden kann. Notwendig ist eine in sich geschlossene täterbezogene Darstellung des Tatgeschehens, die nicht durch in den Urteilsgründen verstreute tatsächliche Feststellungen ersetzt werden kann.

3.

Es liegt zwar kein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 3 GG vor, wenn ein Fehlverhalten im Straßenverkehr sowohl in einem Straf- oder Bußgeldverfahren geahndet wird als auch die in §§ 3 StVG, 46 FeV normierten verwaltungsrechtlichen Konsequenzen hat. Ist dem Betroffenen allerdings - wie er im Rechtsbeschwerdeverfahren vorträgt - wegen der Tat vom 20. Dezember 2003 die Fahrerlaubnis im Verwaltungswege entzogen worden und wurde ihm nach MPU und Nachschulung die Fahrerlaubnis wiedererteilt, so ist dies ein Umstand, der - auch unter dem Gesichtspunkt des Übermaßverbots - bei der Rechtsfolgenbemessung Berücksichtigung finden muß und die Frage aufwirft, ob es des Fahrverbot als "eindringliches Erziehungsmittel" und "Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme"(BGH NJW 97, 3252) noch bedarf.

Ende der Entscheidung

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