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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 16.08.2001
Aktenzeichen: 1 Ss 214/01
Rechtsgebiete: StGB, WeinVO, WeinÜbVO, WeinG


Vorschriften:

StGB § 263
WeinVO § 16
WeinÜbVO § 1
WeinG § 19
WeinG § 2
1. Eine Täuschung des Käufers über die Verkehrsfähigkeit eines unzulässigerweise mit Saccharose gesüßten Qualitätsweins mit Prädikat kommt nicht in Betracht, wenn dem Wein aufgrund einer Qualitätsprüfung eine amtliche Prüfungsnummer zugeteilt worden ist.

2. Bei zugeteilter Prüfungsnummer bleibt aber eine Täuschung über die an einen Prädikatswein zu stellenden qualitativen Anforderungen und den Fortbestand des der Zuteilung zugrundeliegenden Prüfungsbescheids möglich (BGH ZLR 1987, 638, 642; vgl. auch OLG Koblenz, Urteil vom 12.3.98 - 1 Ss 205/97 -, ZLR 1998, 348).


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ Beschluss

Geschäftsnummer: 1 Ss 214/01

In der Strafsache

wegen Betrugs hier: Revision des Angeklagten

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht von Tzschoppe und die Richter am Oberlandesgericht Völpel und Summa

am 16. August 2001 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 1. kleinen Strafkammer des Landgerichts Trier vom 23. April 2001 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Von der Aufhebung ausgenommen sind die Feststellungen zur Stellung des Angeklagten im Winzerbetrieb J. W., wonach er diesen gemeinsam mit seiner Ehefrau führt und mit ihr auch für den Kellerbereich verantwortlich ist.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Trier zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten wegen vorschriftswidrigen Herstellens, Lagerns und Inverkehrbringens von Wein in drei Fällen, in Tateinheit mit versuchtem Betrug in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 20 DM.

Auf die Berufung des Angeklagten hat die kleine Strafkammer das erstinstanzliche Urteil dahingehend abgeändert, dass er unter Freispruch im übrigen nur wegen Betrugs zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 20 DM verurteilt wird. Den Betrug hat die Berufungskammer darin gesehen, dass der Angeklagte ca. 4000 Liter unzulässigerweise mit Saccharose gesüßten, als Auslese bezeichneten Wein an einen Weinkommissionär veräußerte, wobei er ihn sowohl bei der Probenentnahme und dem Abschluss des Kaufvertrags im November 1995 als auch beim Verladen des Weins am 1. Februar 1996 über dessen Verkehrsfähigkeit getäuscht habe.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Angeklagte mit der Revision. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts und beantragt, das Urteil aufzuheben.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat Erfolg. Die angefochtene Entscheidung ist aufzuheben, da die festgestellten Tatsachen nicht ausreichen, einen Schuldspruch wegen Betrugs gemäß § 263 Abs. 1 StGB zu begründen.

1)

Das Tatbestandsmerkmal des Vorspiegelns falscher oder der Unterdrückung wahrer Tatsachen erkennt die Kammer darin, dass der Angeklagte den Käufer des Weins über die Verkehrsfähigkeit des Produkts getäuscht habe. Diese verneint sie mit Hinweis auf die vom Angeklagten vorgenommene Süßung des Weins mit Saccharose. Dabei verkennt sie, dass die Verkehrsfähigkeit sich nicht nur nach der Beschaffenheit des Erzeugnisses richtet, sondern unabhängig davon auch durch Verwaltungsakt begründet werden kann.

Trotz der nach § 15 Nr. 3 WeinG, § 16 Abs. 1 und 2 der Weinverordnung - WeinVO - unzulässigen Süßung des in Rede stehenden Qualitätsweins mit Saccharose und des daraus folgenden Verkehrsverbots nach § 27 Abs. 1 S. 1 WeinG (zur Strafbarkeit der unzulässigen Süßung vgl. ausführlich OLG Koblenz, Urteil vom 12. März 1998 - 1 Ss 205/97 -, ZLR 1998, 348) wäre die Verkehrsfähigkeit des Weins erhalten geblieben, wenn ihm aufgrund einer Qualitätsprüfung für Qualitätsweine b.A. eine amtliche Prüfungsnummer zugeteilt worden wäre (§ 19 Abs. 1 WeinG). Gemäß §§ 27 Abs. 2 WeinG, 1 Abs. 3 HS 1 der Wein-Überwachungsverordnung - WeinÜbVO - hat dieser Zuteilungsakt zur Folge, dass abweichend von § 27 Abs. 1 WeinG auch vorschriftswidrig beschaffener Wein mit den dafür vorgeschriebenen und zugelassenen Angaben, die Gegenstand des Prüfungsverfahrens waren, in den Verkehr gebracht werden darf. Diese Tatbestandswirkung des amtlichen Prüfungsbescheids gilt auch dann, wenn der Qualitätswein die materiellen Voraussetzungen nach §§ 17 - 20 WeinG nicht erfüllt (OLG Koblenz a.a.O. mit Hinweis auf Koch, Weinrecht, "Qualitätsprüfung", 6.2.2.1). Sie greift nur in den beiden in § 1 Abs. 3 HS 2 WeinÜbVO bestimmten Ausnahmefällen nicht ein, die vorliegend jedoch nach den Urteilsfeststellungen nicht gegeben sind: Weder war das Erzeugnis von gesundheitlich bedenklicher Beschaffenheit, noch widersprachen Bezeichnung, sonstige Angaben oder Aufmachungen, soweit sie nicht Gegenstand des Prüfungsverfahrens waren, den geltenden Vorschriften.

Die Erteilung einer Prüfungsnummer wird im angefochtenen Urteil nicht angesprochen. Aus dem Fehlen entsprechender Feststellungen kann nicht geschlossen werden, dass eine Zuteilung tatsächlich nicht erfolgt ist. Nach den Urteilsgründen trug der veräußerte Wein - rechtlich unbeanstandet - die Bezeichnung "Wintricher Großer Herrgott Riesling Auslese". Gemäß § 20 Abs. 1 WeinG darf inländischer Wein als Qualitätswein mit Prädikat i.V.m. dem Begriff Auslese nur bezeichnet werden, wenn ihm das Prädikat auf Antrag unter Zuteilung einer amtlichen Prüfungsnummer zuerkannt worden ist. Gemäß dieser gesetzlichen Vorgabe müsste auch der in Rede stehende Wein vor seiner Veräußerung eine solche amtliche Prüfungsnummer erhalten haben. Das bedarf der Aufklärung durch das Tatgericht.

Selbst wenn sich der Angeklagte eine Prüfungsnummer mit unrichtigen Angaben zur Süßung des Weins erschlichen hätte, bliebe die Tatbestandswirkung der Prüfungsnummer davon unberührt (OLG Koblenz a.a.O. mit Hinweis auf Koch a.a.O., "vorschriftswidrige Erzeugnisse" 3.6 und "Qualitätsprüfung" 6.2.2.1; vgl. auf Grundlage früheren Rechts auch BGH ZLR 1987, 638).

Mit Zuteilung einer Prüfungsnummer hätte der vom Angeklagten verkaufte Wein als gesetzeskonformes, verkehrsfähiges Produkt gegolten. Eine Erklärung des Angeklagten zur gegebenen Verkehrsfähigkeit seines Weins beinhaltete dann keine Vorspiegelung einer falschen oder Unterdrückung einer wahren Tatsache.

2)

Ungeachtet dessen bestünde die Möglichkeit anderer betrugsbegründender Täuschungshandlungen des Angeklagten.

a)

So ist nach den bislang getroffenen Feststellungen nicht auszuschließen, dass er dem Käufer (konkludent) vorgetäuscht hat, der ihm verkaufte und gelieferte Wein entspräche den qualitativen Anforderungen, die an eine Auslese zu stellen sind (vgl. BGH a.a.O., 642). Dabei käme es darauf an, ob sich der Abnehmer über diese Qualitätsmerkmale selber - und nicht über die in Wirklichkeit vorhandene Verkehrsfähigkeit des Weins - geirrt hat und dadurch bestimmt worden ist, den Wein zu kaufen oder als vertragsgerechte Erfüllung eines geschlossenen Kaufvertrages abzunehmen. Wesentlich wäre, ob der Weinkommissionär den Wein auch dann gekauft oder abgenommen hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass der Wein trotz (durch Prüfungsnummer bestätigter) Verkehrsfähigkeit nicht die Qualitätsmerkmale einer Auslese besessen hat (vgl. BGH a.a.O., 642).

b)

Wäre dem Wein eine amtliche Prüfungsnummer erteilt worden, läge nach dem im Urteil mitgeteilten Sachverhalt auch eine Täuschung über die Gefahr der Rücknahme der Prüfungsentscheidung durch die amtliche Prüfungsstelle nicht fern. Denn wer Wein verkauft oder liefert, dem unter Zuerkennung des Prädikats "Auslese" eine Prüfungsnummer erteilt worden ist, behauptet damit in aller Regel zugleich, dass der entsprechende Bescheid der Prüfstelle bei Bestand bleiben wird, also nicht der Gefahr einer Rücknahme ausgesetzt ist, welche die Verkehrsfähigkeit des Weins wieder beseitigen würde (BGH a.a.O., 642). Vorliegend wäre die Belastung einer erteilten Prüfungsnummer bei Verkauf und Lieferung des Weins mit dem Rücknahmegrund nach §§ 21 Abs. 1 Nr. 5 WeinG, 27 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Nr. 3 WeinVO in Erwägung zu ziehen. Danach kann die Entscheidung über die Erteilung der Prüfungsnummer zurückgenommen werden, wenn nachträglich ein Umstand bekannt wird, der der Erteilung der Prüfungsnummer entgegengestanden hätte oder der Antragsteller in seinem Prüfungsantrag unrichtige Angaben i.S.d. § 22 Abs. 1 S. 2 WeinVO i.V.m. Anlage 9 Abschnitt 1 - gemäß Nr. 5 u.a. zu Anteil und Ausmaß der Süßung - gemacht hat. Ob und inwieweit diese rechtlichen Rücknahmemöglichkeiten im Hinblick auf die - den zuständigen Behörden zum maßgeblichen Zeitpunkt auch schon weitgehend bekannte - unzulässige Süßung des Weins mit Saccharose eine tatsächliche Rücknahmegefahr begründeten, obläge der Beurteilung des Tatgerichts (vgl. BGH a.a.O., 643).

Nach alledem muss das Urteil mit den zugrundeliegenden Feststellungen im tenorierten Umfang aufgehoben und an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen werden (§§ 353 Abs. 1 und 2, 354 Abs. 2 StPO).

Von dem aufgezeigten Rechtsfehler unberührt sind die Feststellungen der Strafkammer zur Stellung des Angeklagten im Winzerbetrieb, wonach er diesen gemeinsam mit seiner Ehefrau führt und mit ihr auch für den Kellerbereich verantwortlich ist. Die ihnen zugrundeliegende richterliche Überzeugungsbildung ist nicht zu beanstanden. Die Würdigung der dazu erhobenen Beweise lässt keine Rechtsfehler erkennen. Die Feststellungen sind damit von der Aufhebung auszunehmen (§ 353 Abs. 2 StPO).

Ende der Entscheidung

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