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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 26.03.2001
Aktenzeichen: 1 Ss 237/00
Rechtsgebiete: OWiG


Vorschriften:

OWiG § 72
OWiG § 79 I 1 Nr. 5
OWiG § 79 I 2
Leitsatz:

1. Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde auf Antrag kommt gemäß § 79 Abs. 1 Satz 2 OWiG nur bei im Bußgeldverfahren ergangenen Urteilen, nicht aber bei Beschlüssen nach § 72 OWiG in Betracht.

2.Die Rechtsbeschwerde Ist nicht nur im Falle des Widerspruchs gegen das Beschlussverfahren ( § 79 Abs.1 Satz 1 Nr.5 OWiG) zulässig, sondern auch, wenn dieses Verfahren unzulässig war, weil das Amtsgericht dem Beschwerdeführer nicht oder nicht ordnungsgemäß Gelegenheit zum Widerspruch gegeben oder die Hinweispflicht nach § 72 Abs. 1 Satz 2 OWiG nur unzulänglich erfüllt hat.


Geschäftsnummer: 1 Ss 237/00 2040 Js 29186/00 - 34 OWi StA Koblenz

In der Bußgeldsache

gegen

S. B.,

- Verteidiger: Rechtsanwalt W. H. -

wegen Lenkzeitenüberschreitung

hat der 1. Strafsenat - Senat für Bußgeldsachen - des Oberlandesgerichts Koblenz durch die Richterin am Oberlandesgericht Hardt

am 26. März 2001 beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Koblenz vom 8. August 2000 wird als unzulässig verworfen.

Der Betroffene hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe:

I.

Mit Bußgeldbescheid vom 2. Mai 2000 setzte die Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord in Koblenz gegen den Betroffenen wegen fahrlässigen Verstoßes gegen Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 2 FPersG und § 9 Nr. 3 d FPersV (Lenkzeitenüberschreitung) eine Geldbuße von 360 DM fest. Auf den form- und fristgerecht eingelegten Einspruch des Betroffenen, der Geschäftsführer eines Transport- und Speditionsunternehmens ist, teilte das Amtsgericht Koblenz dem Verteidiger des Betroffenen in einem diesem förmlich zugestellten Schreiben mit, dass es beabsichtige, gemäß § 72 OWiG im schriftlichen Verfahren durch Beschluss zu entscheiden, wenn nicht innerhalb von zwei Wochen Widerspruch gegen diese Verfahrensweise eingelegt werde. Nachdem ein Widerspruch nicht eingegangen war, hat das Amtsgericht Koblenz den Betroffenen durch Beschluss vom 8. August 2000 dem Bußgeldbescheid entsprechend verurteilt.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde. Er beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und rügt die Verletzung formellen Rechts.

II.

Das Rechtsmittel, über das der Senat gemäß § 80 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 OWiG in der Besetzung mit einem Richter entscheidet, ist nicht statthaft.

Gegen einen Beschluss nach § 72 OWiG, in dem lediglich eine Geldbuße bis zu 500 DM verhängt worden ist, ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn der Betroffene dem Beschlussverfahren widersprochen hatte (§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 OWiG). Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde auf Antrag kommt gemäß § 79 Abs. 1 Satz 2 OWiG nur bei im Bußgeldverfahren ergangenen Urteilen, nicht aber bei Beschlüssen nach § 72 OWiG in Betracht (BGHSt 32, 394, 396; Senge, in KK-OWiG, 2. Aufl. § 72 Rdnr. 77).

Nach allgemeiner Ansicht ist die Rechtsbeschwerde allerdings nicht nur im Falle des Widerspruchs gegen das Beschlussverfahren zulässig, sondern auch, wenn dieses Verfahren unzulässig war, weil das Amtsgericht dem Beschwerdeführer nicht oder nicht ordnungsgemäß Gelegenheit zum Widerspruch gegeben oder die Hinweispflicht nach § 72 Abs. 1 Satz 2 OWiG nur unzulänglich erfüllt hat (BGHSt 24, 15, 25 f; 24, 293, 295 f; 25, 252, 254 f). Das Rechtsbeschwerdevorbringen beanstandet nicht, dass eine der vorgenannten gesetzlichen Voraussetzungen des Beschlussverfahrens nicht vorgelegen hätte. Der Senat hat dies auch nicht von Amts wegen zu untersuchen. Die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde ist vielmehr nur anhand der Tatsachen zu prüfen, in denen der Beschwerdeführer den Verstoß gegen die Zulässigkeit des Beschlussverfahrens erblickt (BGHSt 23, 298, 299 f; OLG Rostock NStZ 1993, 597; OLG Köln VRS 88, 460; OLG Düsseldorf VRS 97, 259).

Der Beschwerdeführer rügt, dass in der schriftlichen Entscheidung Beweismittel verwertet worden seien, über deren Vorhandensein er keine Kenntnis gehabt habe. Die angefochtene Entscheidung werde auch auf die Angaben des Zeugen Pätzel vom 25. April 2000 gestützt, über die weder im Anhörungsverfahren noch im Bußgeldbescheid informiert worden sei. Sein Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt. Deshalb habe er keine hinreichende Gelegenzeit zur Einlegung des Widerspruchs gehabt.

Ob auch Gesetzesverletzungen, die vom Gericht in einem den gesetzlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 72 Abs. 1 OWiG genügenden Beschlussverfahren begangen werden, das lediglich zur Festsetzung einer Geldbuße bis 500 DM führt, im Rahmen des § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 OWiG mit der Rechtsbeschwerde gerügt werden können, ist strittig (dafür z.B. OLG Braunschweig VRS 38, 141; OLG Hamm VRS 58, 46; 61, 449; BayObLG VRS 42, 221; 61, 375; dagegen Senge, in KK-OWiG, § 72 Rdnr. 21, 75; BGHSt 32, 394, 400 bei Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot, wenn vorher kein Hinweis auf dieses erfolgt ist). Die Frage bedarf hier keiner Entscheidung.

Es ist anerkannt, dass an die Darstellung der Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 OWiG dieselben Anforderungen zu stellen sind wie an die Darstellung eines Verfahrensfehlers (BGHSt 23, 298; OLG Rostock NStZ 93, 597; OLG Köln DAR 90, 32; NZW 89, 401). Diesen Anforderungen genügt das Rügevorbringen nicht. Der Beschwerdeführer hätte zwingend mitteilen müssen, welche Beweismittel in dem Bußgeldbescheid angegeben worden sind. Hätte er dies getan, wäre ihm nicht verborgen geblieben, dass dort auch "Einlassungen des Fahrers P. vom 22.3. und 27.4.2000" (gemeint ist offensichtlich der 25.4.2000) genannt sind.

Da das Rügevorbringen nicht den Formerfordernissen der §§ 79 Abs. 3, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entspricht, ist die Rechtsbeschwerde nicht statthaft.

Kosten: §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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