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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 18.01.2005
Aktenzeichen: 1 Ss 379/04
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 349
1. Die volle strafrechtliche Verantwortlichkeit eines Täters ist sowohl nach dem Gesetz als auch in der strafgerichtlichen Praxis die Regel. Dies gilt auch für den weitaus überwiegenden Teil der Ladendiebe.

2. Pathologisches Stehlen wird durch fehlende oder erheblich herabgesetzte Impulskontrolle charakterisiert: Die Betroffenen entwenden spontan und quasi zwanghaft Gegenstände, die nicht zum persönlichen Gebrauch bestimmt sind auch auch nicht der Bereicherung etwa durch Veräußerung dienen. Davon kann keine Rede sein, wenn ein Täter planvoll und zielgerichtet Kleidungsstücke entwendet, weil sie ihm gefallen.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ BESCHLUSS

1 Ss 379/04

In der Strafsache

wegen Diebstahls

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht von Tzschoppe, den Richter am Oberlandesgericht Summa und die Richterin am Oberlandesgericht Hardt am 18. Januar 2005 gemäß § 349 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil der 7. kleinen Strafkammer des Landgerichts Koblenz vom 28. September 2004 wird auf ihre Kosten (§ 473 Abs. 1 StPO) als unbegründet verworfen. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.

Ergänzend zu den zutreffenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft im Verwerfungsantrag vom 29. Dezember 2004 ist anzumerken:

Die volle strafrechtliche Verantwortlichkeit eines Täters ist sowohl nach dem Gesetz als auch in der strafgerichtlichen Praxis die Regel. Dies gilt auch für den weitaus überwiegenden Teil der Ladendiebe. Von dieser Regel abzuweichen bestand hier keine Veranlassung.

1.

Die von dem Sachverständigen Dr. B....... bei der heute 37 Jahre alten Angeklagten diagnostizierte dependente (abhängige, asthenische) Persönlichkeitsstörung (siehe ICD-10 F60.7 und DSM-IV 301.6) äußert sich in einem tiefgreifenden und überstarken Bedürfnis, versorgt zu werden, das zu unterwürfigem und anklammerndem Verhalten und Trennungsängsten führt. Unter dieser Störung leidende Menschen überlassen die Verantwortung für wichtige Bereiche des eigenen Lebens anderen, ordnen eigene Bedürfnisse unter die der Personen (hier der Eltern), zu denen eine Abhängigkeit besteht, und sind deren Wünschen gegenüber außergewöhnlich nachgiebig.

Vor diesem Hintergrund wäre eine mögliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit zu diskutieren gewesen, wenn die Angeklagte fremdnützige Straftaten im Auftrag, auf Wunsch oder im Interesse ihrer Eltern begangen hätte. Dies ist aber nach den tatrichterlichen Feststellungen, die bei einer Sachrüge die alleinige Prüfungsgrundlage sind, auszuschließen.

2.

Unabhängig von der in Fachkreisen heftig umstrittenen Frage, ob pathologisches Stehlen (Stehlsucht, Kleptomanie, siehe ICD-10 F63.2) eine eigenständige Persönlichkeitsstörung oder "nur" ein Symptom für eine tiefgreifende psychische Beeinträchtigung ist, besteht Einigkeit darüber, daß diese Devianz durch fehlende oder erheblich herabgesetzte Impulskontrolle charakterisiert wird: Die Betroffenen entwenden spontan und quasi zwanghaft Gegenstände, die nicht zum persönlichen Gebrauch bestimmt sind und auch nicht der Bereicherung etwa durch Veräußerung dienen. Dieses Verhalten ist meist mit wachsender innerer Spannung vor der Handlung und einem Gefühl von Befriedigung während und sofort nach der Tat verbunden.

Demgegenüber hatte die Angeklagte nach den tatrichterlichen Feststellungen in erster Linie geplant und zielgerichtet ihr gefallende hochwertige Kleidungsstücke entwendet.

Ende der Entscheidung

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