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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 03.03.2005
Aktenzeichen: 1 Ss 43/05
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 4
Sofern sich aus den Umständen nicht ausnahmesweise ergibt, dass es dem Vertragspartner auf die Zahlungsfähigkeit gerade im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ankommt, bezieht sich in Fällten hinausgeschobener Fälligkeit die stillschweigende Erklärung des Schuldners, zur Vertragserfüllung willens und nach seiner Erwartung auch in der Lage zu sein, erst auf den Fälligkeitstermin. Es kommt dann darauf an, mit selcher Sicherheit er den Geldeingang erwarten kann. Die bloße Hoffnung auf einen Geldzufluss reicht zwar nicht aus. Anders kann es aber sein, wenn sich die Erwartung auf Angaben des mit überlegenem Sachwissen augestatteten Vertragspartners stützt, der den Schuldner in der betreffenden Angelegenheit beraten hat.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ BESCHLUSS

Geschäftsnummer: 1 Ss 43/05

In der Strafsache

wegen Betrugs

hier: Revision des Angeklagten

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht von Tzschoppe, den Richter am Oberlandesgericht Summa und die Richterin am Oberlandesgericht Hardt am 3. März 2005 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 8. kleinen Strafkammer des Landgerichts Koblenz vom 16. Dezember 2004 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Koblenz zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten wegen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten.

Seine dagegen eingelegte Berufung hat die Strafkammer als unbegründet verworfen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Angeklagten. Er beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und rügt die Verletzung materiellen Rechts.

II.

Das Rechtsmittel hat einen zumindest vorläufigen Erfolg.

1.

Nach den Feststellungen der Strafkammer betrieb der Angeklagte seit 1994 eine kleine Bauunternehmung, in der außer ihm regelmäßig nur ein Mitarbeiter beschäftigt war. Auch nach Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. Oktober 2001 mangels einer die Verfahrenskosten deckenden Masse betrieb er die Bauunternehmung bis Sommer 2003 weiter. Da sie schlecht lief, suchte er im Frühjahr 2003 nach einer zusätzlichen Einnahmequelle. Er nahm Kontakt zur H..... & C......... GmbH in K... auf, um dort eine Softeismaschine zu erwerben und künftig an Wochenenden auf Flohmärkten Eis zu verkaufen. Am 23. April 2003 "besprach er die Vor- und Nachteile des Kaufs einer Eismaschine" (UA S. 7) mit deren Geschäftsführer H...... Nachdem der Angeklagte von diesem erfahren hatte, dass eine gebrauchte Eismaschine 10.000 - 12.000 € kosten sollte und selbst unter optimalen Bedingungen nur 200 - 250 € an einem Wochenende zu verdienen seien, nahm er von seinen Kaufplänen Abstand. Stattdessen unterzeichnete er eine als "Auftragsbestätigung" bezeichnete Vereinbarung, nach der die gebrauchte Softeismaschine "leihweise für maximal 2 Monate" gegen "monatliche Leihgebühr (von) Euro 250,- + MwSt." zur Verfügung gestellt und "die monatliche Leihgebühr beim Kauf der Softeismaschine angerechnet" werden sollte (UA S. 7). Außerdem kaufte er Eispulver im Wert von rund 300 € auf Lieferschein. Maschine und Eispulver nahm er am selben Tag entgegen. In der Folgezeit blieb er den Mietzins für zwei Monate und den Kaufpreis des Eispulvers schuldig. Beides war ihm am 9. Juli 2003 in Rechnung gestellt worden. Die Eismaschine holten Monteure der H..... & C......... GmbH im Juli 2003 bei dem Angeklagten ab, nachdem er zuvor mehrfach vergebens zur Rückgabe aufgefordert worden war.

Die Strafkammer ist der Auffassung, dass der Angeklagte "über seine Zahlungsfähigkeit getäuscht, einen entsprechenden Irrtum bei dem Zeugen erregt und (diesen) dadurch zur Übergabe der Eismaschine und des Eispulvers veranlasst" hat (UA S. 12). In den Feststellungen hat sie dazu folgendes ausgeführt (UA S. 8):

"Bei der Unterzeichnung der Auftragsbestätigung und der Entgegennahme des Eispulvers verschwieg der Angeklagte dem Zeugen H....., dass er in der Vergangenheit bereits seine Vermögenslosigkeit an Eides Statt versichert hatte (Anm.: im August und Oktober 2000) und dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse abgelehnt worden war. Der Angeklagte war sich ... im Klaren darüber, dass er, sollten sich seine Umsatzerwartungen nicht erfüllen, zur Entrichtung des Mietzinses und zur Bezahlung des Eispulvers nicht in der Lage sein würde. In der Folgezeit zahlte der Angeklagte, dessen Gewinnerwartungen bei dem Verkauf von Softeis sich nicht erfüllt hatten, weder den vereinbarten Mietzins noch das ... Eispulver."

Über die Vorstellungen des Vertragspartners wird in den Feststellungen nichts ausgeführt.

2.

Die Feststellungen zum Schuldspruch sind lückenhaft. Sie bilden deshalb keine tragfähige Grundlage für eine Verurteilung. Das Urteil legt nicht dar, worin der durch eine Täuschungshandlung des Angeklagten bewirkte Irrtum des Vertragspartners bestanden haben soll.

Das Landgericht hat den Fall so behandelt, als gehe es um einen der unproblematischen Fälle des Eingehungsbetrugs, wie er bei einem trotz gegenwärtiger Zahlungsunfähigkeit abgegebenen Versprechen alsbald zu erbringender Zahlung vorliegt (z.B. Zech-, Tank- oder Taxibetrug; vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl. § 263 Rdn. 19). Das ist nicht richtig, weil dabei nicht berücksichtigt wurde, dass der Fälligkeitstermin hinausgeschoben war. Sofern sich aus den Umständen nicht ausnahmsweise ergibt, dass es dem Vertragspartner auf die Zahlungsfähigkeit gerade im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ankommt (vgl. BGH StV 1984, 511), bezieht sich in solchen Fällen die stillschweigende Erklärung des Schuldners, zur Vertragserfüllung willens und nach seiner Erwartung auch in der Lage zu sein, erst auf den Fälligkeitstermin (BGHSt 15, 24; StV 1984, 511; StV 1985, 188; StV 1991, 419; Kühl, StGB, 24. Aufl. § 263 Rdn. 9; Tröndle/Fischer aaO; Cramer in: Schönke-Schröder, StGB, 26. Aufl. § 263 Rdn. 27; Tiedemann in: LK, StGB, 11. Aufl. § 263 Rdn. 38). Es kommt dann darauf an, mit welcher Sicherheit er den Geldeingang erwarten kann (BGH StV 1985, 188; Cramer aaO). Die bloße Hoffnung auf einen Geldzufluss reicht zwar nicht aus (BGH GA 65, 208; Cramer aaO m.w.N.). Anders kann es aber sein, wenn sich die Erwartung auf Angaben des mit überlegenem Sachwissen ausgestatteten Vertragspartners stützt, der den Schuldner in der betreffenden Angelegenheit beraten hat. Diese Besonderheit des Falles hat das Landgericht übergangen.

a) Das Landgericht hat keine Feststellungen darüber getroffen, ob der Vertragspartner erkennbar Wert darauf gelegt hat, dass der Angeklagte bereits bei Vertragsschluss in der Lage war, den Mietpreis für die gesamte Mietzeit und den Kaufpreis des Eispulvers zu bezahlen, und die Verträge nur unter der Bedingung abgeschlossen hat, dass der Angeklagte zur Mietzins- und Kaufpreiszahlung keine künftigen Erlöse aus dem Eisverkauf benötige (BGH StV 1984, 511). Nicht einmal aus den in der Beweiswürdigung mitgeteilten (nach st. Senatsrechtsprechung eigene Feststellungen der Strafkammer ohnehin nicht ersetzenden) Angaben des Zeugen H..... (UA S. 10)

"Bei den Verhandlungen habe der Angeklagte nur erwähnt, dass die Einnahmen aus dem Baugeschäft rückläufig seien. Deshalb wolle er versuchen, einen Zusatzverdienst zu erzielen. ... Er habe bei Abschluss der Vereinbarung und bei Übergabe des Eispulvers nicht gewusst, dass der Angeklagte vermögenslos sei."

ergibt sich solches. Dass der Zeuge H..... davon ausging, der Angeklagte könne Mietzins und Kaufpreis bei Vertragsschluss bezahlen und benötige hierzu nicht die erst noch zu erzielenden Erlöse aus dem Eisverkauf, erscheint aber auch äußerst unwahrscheinlich: Dagegen spricht schon, dass er den Mietzins weder im voraus, noch (auch nur) monatlich angefordert und auch nicht auf Zug-um-Zug-Erfüllung des Kaufvertrags bestanden, sondern durch Hinausschieben der Fälligkeitsdaten (die von der Strafkammer nicht einmal mitgeteilt werden) eine Kreditierung gewährt hat. Bei lebensnaher Sachverhaltsbetrachtung dürfte dem Zeugen H..... auch kaum entgangen sein, dass einem Bauunternehmer, der auf die Idee kommt, sich am Wochenende als Softeisverkäufer auf Flohmärkten zu versuchen, wirtschaftlich "das Wasser bis zum Hals stehen" muss und er die Verbindlichkeiten nur aus den Erlösen des neuen Geschäfts tilgen kann. Dies gilt umso mehr, als der Angeklagte soeben erst vom zunächst geplanten Kauf der Eismaschine angesichts der Kaufpreishöhe Abstand genommen hatte.

b) Zu einer Offenbarung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse - insbesondere seiner Zahlungsunfähigkeit - ist im Übrigen bei Abschluss eines Vertrages niemand ohne weiteres verpflichtet (BGH StV 1984, 511 m.w.N.; StV 1985, 188). Anderes gilt, wenn Umstände vorliegen, die - vom Schuldner erkannt - den Gläubiger, der bei ungesicherter Kreditgewährung immer ein gewisses Risiko eingeht, in Sicherheit wiegen (BGH aaO). Auch bei Anbahnung besonderer, auf einem gegenseitigen Vertrauensverhältnis beruhender Verbindungen oder bei bereits bestehendem Vertrauensverhältnis (wie etwa im Falle langjähriger Geschäftsbeziehungen) besteht eine Offenbarungspflicht für Tatsachen, die Zweifel an der künftigen Zahlungsfähigkeit des Schuldners begründen (BGH aaO; Tiedemann aaO Rdn. 65). Anhaltspunkte dafür bieten die bisherigen Feststellungen jedenfalls nicht.

c) Feststellungen fehlen auch, soweit die regelmäßig in der Eingehung vertraglicher Verpflichtungen mit Vereinbarung eines späteren Fälligkeitstermins liegende stillschweigende Erklärung des Schuldners, zur Vertragserfüllung willens und nach seiner begründeten Erwartung bei Fälligkeit auch in der Lage zu sein (BGH StV 1985, 188; BGHSt 15, 24; StV 1991, 419; Kühl, StGB, 24. Aufl. § 263 Rdn. 9; Tröndle/Fischer aaO; Tiedemann in: LK, StGB, 11. Aufl. § 263 Rdn. 38), in Betracht steht. Die Strafkammer hätte sich damit auseinandersetzen müssen, mit welcher Sicherheit (BGH StV 1985, 188; BGH GA 65, 208; Cramer aaO m.w.N.) der Angeklagte bei Abschluss der Verträge erwarten konnte, bei Fälligkeit Mietzins- und Kaufpreisschuld begleichen zu können. Neben der von ihm vorausgesehenen Entwicklung seiner sonstigen wirtschaftlichen Lage (vgl. BGH StV 1984, 511 zu 2.c.) kommt es darauf an, mit welcher Wahrscheinlichkeit er ausreichende Geldeingänge aus dem Eisverkauf erwarten konnte (BGH StV 1985, 188). In diesem Zusammenhang hätte auch näherer Darlegung bedurft, ob die Umsatzerwartungen des Angeklagten dem entsprachen, was ihm von dem mit überlegenem Sachwissen über die Umsatzchancen beim Softeisverkauf ausgestatteten Zeugen H..... erklärt worden war, oder ob sie höher lagen. Sollten die Erwartungen des Angeklagten den Angaben des Vertragspartners entsprochen haben und enttäuscht worden sein, so bliebe für eine Irrtumserregung jedenfalls dann kaum Raum, wenn der Zeuge H..... aufgrund der Gesamtumstände die sonstige wirtschaftliche Lage des Angeklagten zutreffend eingeschätzt hätte (s. dazu oben a). Dass Ende April und im Mai jahreszeitlich bedingt die von H..... apostrophierten "optimalen Bedingungen" für den Eisverkauf im Freien gerade nicht herrschten und die Einnahmeerwartungen deshalb reduziert werden mussten, konnte diesem nicht entgangen sein.

3.

Im Übrigen ist die Beweiswürdigung der Strafkammer lückenhaft. Die Einlassung des Angeklagten, der sich nach den Urteilsgründen darauf berufen hat, dass er die Eismaschine nach einer mit dem Zeugen H..... mündlich getroffenen Vereinbarung zunächst drei bis vier Wochen kostenlos habe ausprobieren sollen (UA S. 9), ist offensichtlich unvollständig wiedergegeben. Es bleibt offen, welche Erklärung der Angeklagte zu der von ihm unterzeichneten "Auftragsbestätigung" vom 23. April 2003 abgegeben hat, nach der die Maschine "leihweise für maximal 2 Monate" (eine ausdrückliche Angabe des Beginns der Mietzeit fehlt allerdings) gegen "Leihgebühr" überlassen wurde. Dass er sich hierzu nicht geäußert hat, ist kaum vorstellbar (es sei denn, er wäre entgegen der richterlichen Aufklärungspflicht nicht gefragt worden).

Ende der Entscheidung

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