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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 26.04.2006
Aktenzeichen: 1 U 1026/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 426
Ein Ausgleichsanspruch gegen den Mitgesellschafter einer BGB-Gesellschaft nach § 426 BGB besteht nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen. Im Regelfall kann ein Gesellschafter, der von einem Gesellschaftsgläubiger erfolrgreich auf Erfüllung in Anspruch genommen wird, bis zur Liquidation zwar von der Gesellschaft, nicht aber von den Mitgesellschaftern Ausgleich verlangen. Eine Ausnahme ist auf Grund der Erwägung, dass das Risiko einer Inanspruchnahme durch einen Gesellschaftsgläubiger grundsätzlich jeden Gesellschafter in gleicher Weise trifft und seine Realisierung biem einen oder anderen Gesellschafter häufig auf Zufall beruht, dann zuzulassen, wenn der vom Gesellschaftsgläubiger gegen den zahlenden Gesellschafter geltend gemachte Anspruch zu Recht bestand, eine Erstattung aus dem Gesamthandsvermögen aber nicht möglich ist.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 1 U 1026/04

Verkündet am 26. April 2006 in dem Rechtsstreit Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Trueson und die Richter am Oberlandesgericht Dr. Itzel und Rüll auf die mündliche Verhandlung vom 22. März 2006 für Recht erkannt:

Tenor: Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 15. Juli 2004 abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten, die den Streithelfern entstanden sind.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe geleistet wird. Gründe: I.

Auf der Grundlage einer Vereinbarung vom 12. Mai 1999 (Bl. 35 GA) bildeten die Parteien mit ihren Architekturbüros eine Projektgemeinschaft für den Bereich "Städtebauliches Umfeld ICE-Bahnhof M...". Die "Projektgemeinschaft M..." war von der im Auftrag der Stadt M... handelnden D...-AG im Rahmen eines "Generalplaner-Vertrags über Planungsleistungen " mit Planungs- und Vergabeaufgaben für die Stahl/Glaskonstruktion der Überdachung des zentralen Omnibusbahnhofs befasst. Die Projektgemeinschaft erteilte der Firma R... & Partner GmbH, L..., einen Unterauftrag für die Tragwerksplanung (Bl. 60 ff GA) und dem Ingenieurbüro J... R..., M..., einen Unterauftrag für Architektenleistungen im Rahmen der Planung und Vergabe (Bl. 52 ff GA).

Die Überdachung des Omnibusbahnhofes sollte mit einem punktgehaltenen Verglasungssystem erfolgen. Den Zuschlag erhielt die Firma L.... Eine Bieterin hatte ein Nebenangebot eingereicht, in welchem sie zu einem um 100.000,-- DM niedrigeren Preis anbot, die Glaselemente nicht mit Punkthaltern zu befestigen, sondern sie auf Stahlprofilen zu lagern.

Nach Vorlage der die Glaskonstruktion betreffenden Statik stellte sich heraus, dass das Befestigungssystem verstärkt werden musste. Hierfür war ein Zusatzauftrag über 85.754,04 DM erforderlich. Auf ein Schreiben der Verbandsgemeindeverwaltung M... an die Projektgemeinschaft vom 14. April 2002 (Bl. 7 GA) erklärte die Projektgemeinschaft durch den Beklagten mit Schreiben vom 23. April 2002 (Bl. 9 GA) die grundsätzliche Bereitschaft, als Generalplaner die Verantwortung zu übernehmen. Nachdem die Haftpflichtversicherung des Beklagten mit Schreiben vom 10. April 2003 (Bl. 64 GA) eine Einstandspflicht unter dem Gesichtspunkt der Sowiesokosten abgelehnt hatte, forderte die Verbandsgemeindeverwaltung M... mit Schreiben vom 30. Mai 2003 (Bl. 10 GA) von den Klägern den Ersatz des Mehraufwandes. Die Kläger haben behauptet, der Beklagte sei im Innenverhältnis für den von der Stadt M... geltend gemachten Schaden allein verantwortlich. Da die Stadt M... eine andere Befestigungskonstruktion gewählt hätte, wenn ihr die Mehrkosten von vornherein bekannt gewesen wären, handele es sich auch nicht um Sowiesokosten. Die Kläger haben beantragt, den Beklagten zu verurteilen, sie von der Inanspruchnahme durch die Stadt M... auf Grund mangelhafter Planung der Stahl-/Glaskonstruktion als Überdachung des ZOB in Höhe von 43.845,34 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.05.2003 freizustellen. Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und hierzu vorgetragen, die vorgesehenen Glashalter seien grundsätzlich ausreichend gewesen. Nicht ausreichend dimensioniert sei die Stahlkonstruktion gewesen, die in den Verantwortungsbereich des Tragwerksplaners falle. Nach Durchführung einer Beweisaufnahme - Vernehmung des früheren Bürgermeisters der Stadt M... - hat das Landgericht die Klage bis auf einen Teil der Nebenforderung zugesprochen. Das Landgericht ging von einem bestehenden Schadensersatzanspruch der Stadt M... aus. Es handele sich nicht um Sowiesokosten, weil die Stadt in Kenntnis der entstehenden Mehrkosten eine andere Befestigungsmöglichkeit für die Glaselemente gewählt hätte. Im Innenverhältnis sei der Beklagte allein verantwortlich, weil die Parteien in ihrer Vereinbarung die Projekte möglichst als Ganzes dem einen oder dem anderen Büro zugeordnet hätten. Die Überdachung des zentralen Omnibusbahnhofes sei dabei in den Verantwortungsbereich des Beklagten gefallen. Mit seiner Berufung verfolgt der Beklagte das Klageabweisungsbegehren weiter.

Er macht geltend, unter dem Gesichtspunkt des gesellschaftsrechtlichen Treueverhältnisses fehle es an einem Rechtsschutzbedürfnis. Die Gesellschaft befinde sich im Abwicklungsstadium, so dass gesellschaftsvertragliche Ansprüche nicht mehr gesondert geltend gemacht werden könnten. Im Innenverhältnis sei eine hälftige Haftungsquote zwischen den Parteien vereinbart. Ein eventuelles Verschulden müsse nach dem Maßstab des § 708 BGB beurteilt werden. Zudem sei ein Verschulden schon deshalb zu verneinen, weil für ihn, den Beklagten, das spezielle Tragwerksproblem im Bereich der Übertragung der Verformungslasten nicht erkennbar gewesen sei; dieses habe nicht einmal der von den Parteien beauftragte Statiker gesehen. Schließlich sei eine Haftung auch der Höhe nach nicht gegeben. Die Kläger beantragen, die Berufung zurückzuweisen und weisen darauf hin, dass sie ihren Sitz in M... haben. Sie seien daher entscheidend darauf angewiesen, von privaten und öffentlichen Auftraggebern in M... und Umgebung mit Projekten beauftragt zu werden. Dabei sei der noch schwebende Regressanspruch der Stadt M... geschäftsschädigend. Unter dem Gesichtspunkt der Treuepflicht müsse der Beklagte als Verantwortlicher die Angelegenheit bereinigen. Die beiden Streithelfer schließen sich dem Antrag des Beklagten an. Sie halten die auf einen Innenausgleich gerichtete Klage für unvereinbar mit der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht und daher für rechtsmissbräuchlich; weiter weisen sie auf die sich aus §§ 730, 738 BGB ergebende Durchsetzungssperre hin. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die tatbestandlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 131 ff GA) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten hat auch in der Sache Erfolg.

Ein Anspruch der Kläger gegen den Beklagten, sie von einer Verbindlichkeit gegenüber der Stadt M... in Höhe von 43.845,34 € nebst Zinsen freizustellen, besteht nicht. Ein derartiger Anspruch ergibt sich hier nicht aus § 426 Abs. 1 BGB.

Ein Ausgleichsanspruch gegen einen Mitgesellschafter besteht nur in umgrenzten Ausnahmefällen. Im Regelfall kann ein Gesellschafter, der von einem Gesellschaftsgläubiger erfolgreich auf Erfüllung in Anspruch genommen wird, bis zur Liquidation zwar von der Gesellschaft, nicht aber von den Mitgesellschaftern Ausgleich verlangen. Das folgt aus der Vorschrift des § 707 BGB, wonach Gesellschafter nicht zur Erhöhung ihrer Beiträge verpflichtet werden können; sie geht dem in § 426 Abs. 1 BGB vorgesehenen, zwischen den Gesellschaftern als (echten) Gesamtschuldnern grundsätzlich eingreifenden Ausgleichsanspruch vor (vgl. MK-Ulmer, 4. Aufl., § 714 BGB Rn. 56 m.w.N.). Ausgehend von der Überlegung, dass das Risiko einer Inanspruchnahme durch einen Gesellschaftsgläubiger grundsätzlich jeden Gesellschafter in gleicher Weise trifft und seine Realisierung beim einen oder anderen Gesellschafter häufig auf Zufall beruht, ist eine Ausnahme von diesem Grundsatz dann zuzulassen, wenn der vom Gesellschaftsgläubiger gegen den zahlenden Gesellschafter geltend gemachte Anspruch zu Recht bestand, eine Erstattung aus dem Gesamthandsvermögen aber nicht möglich ist (vgl. MK-Ulmer, 4. Aufl., § 705 BGB Rn. 217 m.w.N.).

Diese engen Voraussetzungen liegen nicht vor. Es fehlt bereits an einer unmittelbaren Inanspruchnahme der Kläger durch die Stadt M.... Dem Schreiben der Verbandsgemeindeverwaltung M... vom 30. Mai 2003 (Bl. 10 GA) lässt sich eine unmittelbare Inanspruchnahme der Kläger nicht entnehmen. Zwar meldet die Verbandsgemeindeverwaltung in diesem Schreiben Schadensersatzansprüche an. Dies erfolgt jedoch ausdrücklich mit der Bitte, "gegenüber der Versicherung und Ihrem Partner darauf hinzuwirken, dass die Zusammenhänge richtig dargestellt werden". Dies bedeutet, dass die Stadt M... von der Projektgemeinschaft, beziehungsweise deren Haftpflichtversicherung, nicht aber von den Klägern unmittelbar Schadensersatz verlangt. Demzufolge haben die Kläger an die Stadt M... auch keine Zahlung geleistet, die unter den genannten engen Voraussetzungen Grundlage eines Ausgleichsanspruchs nach § 426 Abs. 1 BGB sein könnte.

Abgesehen davon steht der Stadt M... selbst dann, wenn man einen der Projektgemeinschaft zurechenbaren Planungsfehler unterstellt, kein Schadensersatzanspruch in der angemeldeten Höhe zu. Die bisherige Schadensberechnung der Stadt M... ist unvollständig. Für den Fall einer Haftung der Projektgemeinschaft wäre die Stadt M... so zu stellen, wie sie stehen würde, wenn sie richtig beraten worden wäre. Bei richtiger Beratung hätte die Projektgemeinschaft vor der Vergabeentscheidung die Stadt M... darauf hinweisen müssen, dass die eigentlich geplante Konstruktion der Überdachung des Omnibusbahnhofes zu Mehrkosten in Höhe von etwa 85.000,-- DM führt, weil das Befestigungssystem verstärkt werden muss. Die Stadt M... hat außergerichtlich vorgetragen, dass sie nach einer derartigen Beratung dann nicht mehr bereit gewesen wäre, die Mehrkosten zu tragen. Vielmehr hätte sie das Vergabeverfahren vor dem Hintergrund des um 100.000,-- DM niedrigeren Nebenangebots mit einem Befestigungssystem aus Stahlprofilen abgebrochen und ein solches Befestigungssystem neu ausgeschrieben. In die Schadensberechnung ist demnach der zusätzliche Aufwand einzustellen, den eine neue Ausschreibung des Dachsystems verursacht hätte. Weiter ist in den Vermögensvergleich einzubeziehen der - abhängig vom Ausschreibungsergebnis - um etwa 185.000,-- DM geringere Aufwand, um dann auch ein geringwertigeres, den ursprünglichen Anforderungen an die Licht- und Sichtdurchlässigkeit nicht entsprechendes Dachsystem zu erhalten. Einem geringeren Beschaffungsaufwand - allerdings noch erhöht um die Kosten einer neuen Ausschreibung und einer eventuell erforderlichen Umplanung - hätte auch eine geringwertigere Gegenleistung gegenüber gestanden. Soweit die Kläger in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 5. April 2006 erstmals behaupten und unter Beweis stellen, eine Dachkonstruktion entsprechend dem Nebenangebot (also Befestigungen der Glaselemente mit Stahlprofilen) hätte den gleichen wirtschaftlichen Wert gehabt, war die mündliche Verhandlung nicht wieder zu eröffnen. Die Behauptung ist ersichtlich ins Blaue hinein aufgestellt. Denn es ist davon auszugehen, dass die Stadt M... sich ihrer Verpflichtung, mit steuerfinanzierten Haushaltsmitteln wirtschaftlich umzugehen, bewusst ist. Wenn sich die Stadt M... dann aber bereit findet, 100.000,-- DM mehr für ein punktgelagertes Dachsystem auszugeben, ist dies aus Sicht der Stadt M... nur dann gerechtfertigt, wenn sie hierfür auch einen höheren Gegenwert erhält.

Damit führt der hier vorzunehmende Gesamtvermögensvergleich zu dem Ergebnis, dass ein ersatzfähiger Schaden der Stadt M... bislang nicht erkennbar ist. Der Einwand des Haftpflichtversicherers des Beklagten, bei dem behaupteten Schaden handele es sich um Sowiesokosten, ist letztlich berechtigt.

Schließlich ist die weitere Voraussetzung, dass ein Ausgleich aus dem Gesellschaftsvermögen nicht möglich ist, weder ausreichend dargelegt, noch sonst ersichtlich. Vielmehr ist zwischen den Parteien unstreitig, dass beide Gesellschafter der Projektgemeinschaft gegen Risiken der hier streitigen Art haftpflichtversichert sind. Jedenfalls ist die Haftpflichtversicherung des Beklagten auch bereit, für Haftungsfälle der Projektgemeinschaft einzutreten, wie das Schreiben der G... A... Versicherung AG vom 10. April 2003 an die Verbandsgemeindeverwaltung M... (Bl. 64 GA) zeigt. Mit dem Regulierungsanspruch gegen seine Haftpflichtversicherung (§§ 149, 150 VVG) hat der Beklagte der Gesellschaft eine Vermögensposition zur Verfügung gestellt, die einen Ausgleich aus dem Gesellschaftsvermögen im Falle einer Inanspruchnahme der Kläger ermöglichen würde.

Ein Anspruch der Kläger auf die begehrte Freistellung ergibt sich schließlich nicht aus dem gesellschaftsrechtlichen Treueverhältnis. Es ist bereits zweifelhaft, ob die Treuepflicht überhaupt Ansprüche der Mitgesellschafter untereinander begründen kann. Denn inhaltlich begründet die Treuepflicht lediglich eine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Belange der Mitgesellschafter bei der Verfolgung eigener Interessen, sie gebietet dagegen nicht, die Interessen der Mitgesellschafter zu fördern und deren persönliche Ziele zu unterstützen (vgl. MK-Ulmer, 4. Aufl., § 705 BGB Rn. 229). Demzufolge gebietet es die Treuepflicht nicht, einen - wie dargestellt - nicht gerechtfertigten Anspruch der Stadt M... auszugleichen, um so die Wettbewerbschancen der Mitgesellschafter bei eigenen, gesellschaftsfremden Tätigkeiten zu erhöhen.

III.

Die Kosten- und Vollstreckbarkeitsentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 101, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 43.845,-- €.

Ende der Entscheidung

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