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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 18.12.2002
Aktenzeichen: 1 U 1100/02
Rechtsgebiete: BGB, GG, LandesstraßenG, StVG, StVO, ZPO


Vorschriften:

BGB § 839
GG Art. 34
LandesstraßenG § 48 Abs. 2
StVG § 1 Abs. 1
StVO § 24 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 543 Abs. 2 n.F.
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 1 U 1100/02

Verkündet am 18. Dezember 2002

In dem Rechtsstreit

wegen Amtshaftung

Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. Itzel und die Richterinnen am Oberlandesgericht Becht und Semmelrogge

auf die mündliche Verhandlung vom 27. November 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 24. Juni 2002 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 5.900 EUR abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten über eine Ersatzpflicht des beklagten Landes für einen Unfall, den der Kläger am 13. Juni 2001 erlitten hat.

Der Kläger hat behauptet, er habe an diesem Tag gegen 21.15 Uhr den neben der Bundesstraße .. gelegenen Geh- und Radweg zwischen K...-B........ und F..... in Richtung F..... mit Inline-Skates befahren. Der Weg sei zum Teil mit Blütenstaub von neben dem Weg stehenden Pappeln bedeckt gewesen. Er, der Kläger, habe unter dem Blütenstaub verborgene, nicht erkennbare Scherben überfahren. Hierbei habe sich eine Glasscherbe zwischen den Rädern der Inline-Skates verkeilt und zum Sturz geführt.

Er habe bei dem Unfall eine Kompressionsfraktur des BWK 12 mit Zerstörung der Bandscheibe BWK 11/12 erlitten und sei stationär und ambulant behandelt worden. Seine Bewegungsfähigkeit sei eingeschränkt und er leide noch immer an Schmerzen. Seinem Beruf als Bäckermeister könne er nicht mehr nachgehen, so dass voraussichtlich eine Umschulung erforderlich werde. Eine Bezifferung seines Verdienstausfallschaden sei derzeit noch nicht möglich. Durch den Unfall seinen auch seine Pläne zur Auswanderung in die USA zunichte gemacht worden.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das beklagte Land habe seiner Verkehrssicherungspflicht nicht genügt, weil es den Weg entweder häufiger hätte reinigen oder in der Zeit der Pappelblüte für den Verkehr hätte sperren müssen.

Er hat beantragt,

1. das beklagte Land zu verurteilen, an ihn ein in das Ermessen des Gerichtes gestelltes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 85.000 DM zuzüglich Prozesszinsen zu zahlen,

2. festzustellen, dass das beklagte Land ihm für alle Lohnausfall- und sonstigen materiellen und immateriellen Schäden hafte, welche ihm aufgrund des am 13. Juni 2001 auf dem Radweg zwischen K...-B........ und F..... erlittenen Unfalls entstanden sind und noch entstehen werden.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Land hat vorgetragen, der Geh- und Radweg werde dreimal wöchentlich durch die Straßenmeisterei beim langsamen Abfahren der B... mitkontrolliert, zuletzt am Morgen des Unfalltages. Erkennbare Gefahrenstellen würden sofort beseitigt. Außerdem werde der Weg viermal jährlich mit einer handgeführten Maschine gereinigt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liege nicht vor, weil der Überprüfungs- und Reinigungsturnus ausreichend sei. Zudem obliege dem Land lediglich die Verpflichtung, den Rad- und Gehweg in einem für Fußgänger und Radfahrer grundsätzlich gefahrenfreien Zustand zu erhalten. Der Kläger müsse das Risiko tragen, dass er sehenden Auges in eine mit Blütenstaub bedeckte Fläche hereingefahren sei.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der Berufung und vertritt die Auffassung, die Verkehrssicherungspflicht müsse sich an dem erhöhten Sicherheitsbedürfnis von Inline-Skatern ausrichten. Zumindest habe das beklagte Land seine Warnpflicht verletzt.

Der Kläger beantragt,

1. das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 24. Juni 2002 aufzuheben,

2. das beklagte Land zu verurteilen, an ihn ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 44.000 EUR zuzüglich Prozesszinsen zu zahlen,

3. festzustellen, dass das beklagte Land ihm für alle Lohnausfall- und sonstigen materiellen und immateriellen Schäden haftet, welche ihm aufgrund des am 13. Juni 2001 auf dem Radweg zwischen K...-B........ und F..... erlittenen Unfalls entstanden sind und noch entstehen werden.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Land vertritt die Auffassung, die Verkehrssicherungspflicht habe sich an dem Sicherheitsbedürfnis von Fußgängern und Radfahrern auszurichten, für die die Scherben keine Gefahr darstellten. Ein häufigeres Abschreiten aller Wege sei nicht zumutbar. Der Kläger müsse seine Fahrweise auf die Möglichkeit einrichten, dass sich Kleinteile auf dem Weg befinden könnten.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätzen nebst Anlagen und auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Der Kläger hat gegen das beklagte Land keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen einer Verletzung der in Rheinland-Pfalz hoheitlich ausgestalteten Verkehrssicherungspflicht aus § 839 BGB, Art. 34 GG, § 48 Abs. 2 Landesstraßengesetz.

Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass die zuständigen Bediensteten die ihnen obliegende Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt haben. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils Bezug und macht sich diese zu eigen.

Auch das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung. Der Senat teilt nicht die Auffassung des Klägers, dass an die Verkehrssicherungspflicht auf dem Geh- und Radweg strengere Anforderungen zu stellen seien, weil sie sich an dem erhöhten Sicherheitsbedürfnis von Inline-Skatern auszurichten habe. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Inline-Skater keine Kraftfahrzeuge im Sinne des § 1 Abs. 1 StVG sind, sondern als "ähnliche Fortbewegungsmittel" im Sinne des § 24 Abs. 1 StVO den Regeln für Fußgänger zu unterwerfen sind (BGH, BADK-Information 2002, 122). Der Senat hat bereits durch Urteil vom 10. Januar 2001 (NJW-RR 2001,1392) entschieden, dass der Straßenunterhaltspflichtige auf einem ausdrücklich für Fußgänger und Radfahrer eröffneten Weg nicht den besonderen Sicherheitsbedürfnissen von Inline-Skatern Rechnung tragen muss. Vielmehr dürfen die Inline-Skater keine bessere Bodenbeschaffenheit erwarten als die anderen zugelassenen Verkehrsteilnehmer (ebenso: OLG Celle, BADK-Information 1999,152). An dieser Auffassung hält der Senat fest. Der von dem Kläger vorgetragene Zustand des Weges stellte unstreitig für die Benutzung durch Fußgänger oder Radfahrer keine besondere Gefahr dar.

Eine abweichende rechtliche Beurteilung käme allenfalls dann in Betracht, wenn es sich bei dem streitgegenständlichen Weg um einen besonderen, für die Benutzung durch Inline-Skater bestimmten Weg gehandelt hätte. Dies ist jedoch nicht der Fall.

Unabhängig hiervon hat die Berufung auch deshalb keine Aussicht auf Erfolg, weil die Durchführung der vom Kläger für erforderlich gehaltenen Maßnahmen für das beklagte Land nicht zumutbar sind. Umfang und Intensität der Verkehrssicherungspflicht sowie die damit verbundenen Kontroll- und Überwachungspflichten finden ihre Grenze nämlich dort, wo der straßenverkehrssicherungspflichtigen Körperschaft ein Tätigenden nach objektiven Maßstäben nicht mehr zumutbar ist. Die notwendigen Aufwendungen und der erstrebte Erfolg müssen noch in einem angemessenen Verhältnis stehen. Maßgebend für die Beurteilung sind die Art und das Maß der von der Straße ausgehenden Gefahren, die finanzielle und Personal Leistungsfähigkeit der Körperschaft sowie das Vertrauen der Verkehrsteilnehmer, nicht von einer Gefahrenquelle überrascht zu werden (Kreml/Karger, Der Amtshaftungsprozess, Rdnr. 676 ff.).

Der vom Kläger als erforderlich angesehene Kontroll- und Reinigungsaufwand wäre für das beklagte Land vorliegend nicht mehr zumutbar. Die Gefahr bestand nach dem Vortrag des Klägers darin, dass die auf dem Weg liegenden Glasscheiben durch die Pappelblüten verdeckt und somit für die Benutzer des Weges nicht erkennbar waren. Eine wirkungsvolle Beseitigung dieser Gefahr wäre nur dann möglich gewesen, wenn die zuständigen Bediensteten während des Zeitraums der Pappelblüte den Geh- und Radweg fortlaufend, nahezu täglich gereinigt hätten. Der hiermit verbundene zusätzliche Personaleinsatz würde für das Land eine erhebliche Belastung darstellen. Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass die Benutzer durch den Zustand des Weges nicht überrascht wurden. Sie konnten nämlich ohne weiteres erkennen, dass der Weg zum teil mit Blütenstaub bedeckt war, unter dem sich auch andere Kleinteile befinden konnten. Nach diesem erkennbaren Risiko mussten die Benutzer des Weges ihr Verhalten ausrichten. Der Kläger hätte deshalb entweder mit einer so mäßigen Geschwindigkeit fahren müssen, dass ihm das Umfahren der von Blütenstaub bedeckten Flächen möglich war oder er hätte von der Benutzung des Weges während der Pappelblüte absehen müssen.

Das beklagte Land traf auch keine besondere Warnpflicht hinsichtlich des Zustands des Weges, weil die Gefahr, dass sich unter dem Blütenstaub andere Kleinteile wie Zweige und Scherben befinden konnten, ohne weiteres für jeden Benutzer erkennbar war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO (n.F.) nicht vorliegen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 49.000 EUR festgesetzt (44.000 EUR Leistungsantrag, 5.000 EUR Feststellungsantrag).

Ende der Entscheidung

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