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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 25.10.2006
Aktenzeichen: 1 U 1250/05.Baul
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 57
BauGB § 58
BauGB § 194
Der Wert eines Einwurfgrundstücks wird durch den ursprünglich unbekannten, im Laufe des Umlegungsverfahrens dann bekannt gewordenen und später gutachterlich ausgeräumten Altlastenverdacht nicht gemindert.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 1 U 1250/05.Baul

Verkündet am 25.10.2006

in dem Baulandverfahren

betreffend das Umlegungsverfahren "I...-A...", I...,

wegen: Wertfestsetzung (Einwurfsgrundstück).

Der Senat für Baulandsachen des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. Itzel als Vorsitzenden, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Beuscher und den Richter am Oberlandesgericht Rüll auf die mündliche Verhandlung vom 27. September 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Antragstellers gegen das am 25. Juli 2005 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer - Kammer für Baulandsachen - des Landgerichts Koblenz wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Berufungsführer zu tragen.

Die Beteiligten zu 3. und 4. tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Der antragstellende Umlegungsausschuss der Stadt Ingelheim wendet sich gegen einen Widerspruchsbescheid des Beteiligten zu 4., durch den ein den Beteiligten zu 2. (Antragsgegner) betreffender geänderter Auszug aus dem Umlegungsplan (vom 29. Februar 2000) aufgehoben wurde. Durch diese Änderung des Umlegungsplanes sollte der Beteiligte zu 2. durch Reduzierung des Einwurfswertes seines Grundstücks mit den Kosten für Bodenuntersuchungen und Sanierungsmaßnahmen belastet werden, nachdem hinsichtlich seines Grundstücks zwischenzeitlich ein "Altlastenverdacht" bestand.

Hiergegen erhob der Beteiligte zu 2. Widerspruch, was dann zu der im vorliegenden Verfahren angegriffenen Entscheidung (Widerspruchsbescheid) des Beteiligten zu 4. führte.

Das Landgericht (Baulandkammer) hat den Antrag des Umlegungsausschusses auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass der Einwurfswert nach dem zwischenzeitlich auch ausgeräumten Altlastenverdacht nicht zu reduzieren sei. Der Beteiligte zu 2. sei weder mit Bodenuntersuchungs- noch mit Sanierungskosten zu belasten.

Hiergegen richtet sich die eingeschränkte Berufung des Antragstellers, die er unter Bezugnahme auf das bisherige Vorbringen vor allem damit begründet, dass der im maßgeblichen Zeitpunkt bestehende Altlastenverdacht durch Reduzierung des Einwurfswertes in Höhe von 20.000,00 DM zu berücksichtigen sei. Der im Laufe des Umlegungsverfahrens auftauchende Altlastenverdacht hinsichtlich des Einwurfsgrundstückes des Beteiligten zu 2. sei wertmäßig zu berücksichtigen. Diese Wertminderung sei auch durch die eingeholten Gutachten nicht ausgeräumt, da dort ein "eingeschränkter" Bodenaustausch empfohlen werde. Es sei von einer altlastenverdachtsbedingten Wertminderung des Einwurfsgrundstücks in Höhe von mindestens 20.000,00 DM hier auszugehen.

Von dieser allein noch strittigen Wertminderung ausgehend beantragt der Berufungsführer auf Grundlage der nicht im Streit stehenden Einwurfs- und Zuteilungsgrundstücke,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Widerspruch des Beteiligten R... S... mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass für das Einwurfsgrundstück Nr. 112/5 ein Einwurfswert von 131.040,00 DM (66.999,69 EUR) festgesetzt wird, mithin nach Zuteilung des Grundstücks Nr. 394 an den Eigentümer noch 17.480,00 DM (8.937,38 EUR) zu zahlen sind.

Der Berufungsgegner beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er begründet dies unter Intensivierung seines erstinstanzlichen Vorbringens vor allem damit, dass zum einen bereits aus Rechtsgründen der ursprüngliche Umlegungsplan nicht geändert werden durfte, mithin die Änderung des Umlegungsplans vom 29. Februar 2000 unzulässig gewesen sei. Weiterhin sei wegen der gutachterlichen Feststellung einer nicht gegebenen relevanten Bodenbelastung, der Ausräumung des Altlastenverdachtes hinsichtlich des Einwurfsgrundstücks eine Reduzierung bei der Wertfestsetzung nicht zulässig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze mit den weiter zu den Akten gereichten Unterlagen, auf den Inhalt der vorgelegten Verwaltungs-, Umlegungsakte sowie auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (S. 2 - 9, Bl. 110 - 117 GA) verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung des Umlegungsausschusses der Stadt I... hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu Recht zurückgewiesen. Eine Herabsetzung des Wertes für das Einwurfsgrundstück des Klägers ist im vorliegenden Fall nach Ausräumung des "Altlastenverdachtes" nicht möglich. Der Beteiligte zu 4. hat demnach zu Recht den geänderten Auszug aus dem Umlegungsplan vom 29. Februar 2000 aufgehoben.

Unabhängig von den im Verfahren aufgeworfenen mehr formal-rechtlichen Fragen (u.a. Bekanntgabe des geänderten Umlegungsplanes vom 26. November 1991 gegenüber der Rechtsvorgängerin des Antragsgegners, Änderungsmöglichkeiten des Umlegungsplans nach § 70 Abs. 2 oder § 73 BauGB) leidet der geänderte, den Beteiligten zu 2. (Antragsgegner) betreffende Umlegungsplan vom 29. Februar 2000 an einem materiell-rechtlichen Fehler, was dann zutreffenderweise zu dessen Aufhebung geführt hat.

Im vorliegenden Fall mit seinen sachlichen Besonderheiten können weder die Kosten für Bodenuntersuchungen noch gegebenenfalls anfallende Sanierungskosten nach dem inzwischen ausgeräumten Altlastenverdacht zum Nachteil des Antragsgegners in die Wertfestsetzung für das Einwurfsgrundstück einfließen. Die Berücksichtigung dieser Kosten zum Nachteil des Antragsgegners scheidet im hier vorliegenden Fall aus Rechtsgründen aus; eine Reduzierung des Einwurfswertes bzw. eine Verrechnung der oben genannten Kosten mit/ gegen den Einwurfswert findet nicht statt.

1. Im Umlegungsverfahren findet sich die gesetzliche Grundlage für die Wertermittlung insbesondere in den §§ 57, 58, 194 BauGB. Wertermittlungsstichtag ist der Zeitpunkt des Umlegungsbeschlusses, wobei grundsätzlich auf dessen Bekanntgabe abgestellt wird (vgl. nur Dieterich, Baulandumlegung, 5. Aufl., Rdnr. 232 a).

Der hier entscheidende Umlegungsbeschluss wurde Anfang April 1986 bekannt gemacht. Damit bleiben zunächst einmal grundsätzlich alle Änderungen der Wertverhältnisse der Folgezeit außer Betracht. Da erst im Jahr 1990 der Beteiligten zu 3. bekannt wurde, dass auf einer Teilfläche des Einwurfsgrundstückes in der Zeit von 1959 bis 1964 eine Mischanlage für Teer für Straßenbau betrieben worden war, scheidet dieser Umstand ("Altlastenverdacht") vom Grundsatz her bei der Bewertung der Grundstücksflächen unter Berücksichtigung des oben genannten Wertermittlungsstichtages aus, da damals gerade diese Art der Grundstücksnutzung (noch) nicht bekannt war, mithin sich auch nicht auf die Beurteilung des Verkehrswertes für diese Grundstücksfläche in diesem Zeitpunkt auswirken konnte (so wohl für die steuerliche Bewertung von Grundstücken in diesen Situationen BFH, DB 1998,1844 - 1847).

2. Mit den insoweit überzeugenden Ausführungen des Berufungsführers geht aber auch der Senat davon aus, dass bei objektivem Vorliegen von besonderen Beschaffenheiten und tatsächlichen Eigenschaften des Grundstücks (vgl. § 5 Abs. 5 WertV) im Wertermittlungszeitpunkt diese - wertmäßig - selbst dann zu berücksichtigen sind, wenn das Vorhandensein erst im Rahmen des Umlegungsverfahrens, bekannt, ermittelt und spezifiziert wird. So kann durchaus eine im Zeitpunkt der Bekanntmachung des Umlegungsbeschlusses noch nicht ersichtliche Kontaminierung einer Einwurfsfläche wertmindernd berücksichtigt werden, wenn sich diese Verunreinigung erst im Laufe des Umlegungsverfahrens herausstellt (vgl. zur Gesamtproblematik Kleiber, Simon, Weyers, Verkehrswertermittlung von Grundstücken, 4. Aufl., Rdnr. 119 ff. zu § 5 WertV). Das Umlegungsverfahren dient gerade auch dazu, den Wert der jeweiligen Grundstücksflächen zu ermitteln und festzulegen.

Wenn aber nun derartige (im Verfahren erst auftauchende) Erkenntnisse hinsichtlich bereits im Wertermittlungsstichtag vorliegender objektiver grundstücksbezogener Gegebenheiten (Altlasten) berücksichtigt werden können und müssen, dann muss im vorliegenden Fall der nachträglichen Ausräumung des entsprechend geäußerten Altlastenverdachts auch dieser Umstand entsprechend für die Wertfestsetzung mit berücksichtigt werden. Hiernach gilt dann, dass dieser Altlastenverdacht nach den entsprechenden fachkundigen Abklärungen und Untersuchungen ausgeräumt wurde und lediglich noch empfohlen wurde, für bestimmte Flächen (Spielflächen und Hausgärten) in geringem Umfang einen Bodenaustausch vorzunehmen. Danach ist das Vorliegen einer "Altlast", einer relevanten Bodenverunreinigung mit den entsprechenden Folgen für die Wertbemessung zur Überzeugung des Senats (§ 286 ZPO) ausgeschlossen. Auch die verbleibende oben genannte Empfehlung - ohne entsprechende tatsächlich festgestellte Grundlage (Bodenbelastung) - führt aus Rechtsgründen nicht zu einer Reduzierung des Einwurfswertes, da ein derartiger geringfügiger, auf bestimmte Flächen beschränkter Bodenaustausch für die Verkehrswertermittlung in dem gewöhnlichen Geschäftsverkehr keine Rolle spielt, zumal es auch völlig offen ist, ob auf diesem Grundstücksteil überhaupt entsprechende Spielflächen oder Hausgärten vorgesehen sind, angelegt und realisiert werden sollen.

Bei dieser die gesamten besonderen Umstände des vorliegenden Falls berücksichtigenden Bewertung hat der Senat auch durchaus gesehen, dass die Rechtsvorgängerin des Antragsgegners ausweislich der Niederschrift über die Erörterung am 4. September 1990 die Zuteilung gerade dieser zunächst in Altlastenverdacht stehenden Teilfläche beantragte, was aber von dem Antragsteller abgelehnt wurde. In Fällen eines gegebenen Altlastenverdachts empfiehlt sich wohl zur Vermeidung von Auseinandersetzungen über die jeweilige Bewertung die Zuteilung des neuen Grundstücks an alter Stelle; hierdurch können Streitigkeiten - wie im vorliegenden Fall - wohl ausgeschlossen werden (vgl. Dieterich, a.a.O., Rdnr. 232 r).

3. Nach allem scheidet auch für den Senat eine Berücksichtigung der angefallenen Bodenuntersuchungskosten, deren Ersatz der Antragsteller im Berufungsverfahren zu Recht nicht weiter verfolgt, wie auch von Sanierungskosten (für gutachterlich nicht nachgewiesene Bodenverunreinigungen) aus (zur Bemessung der Minderung bei tatsächlich gegebener Bodenkontaminierung vgl. OLG München, OLGRMünchen 2000, 90 f.).

Der Wert der eingeworfenen Teilfläche ist durch den ursprünglich unbekannten, im Laufe des Umlegungsverfahrens dann bekannt gewordenen und später gutachterlich ausgeräumten Altlastenverdacht nicht gemindert. Die Berücksichtigung entsprechender Kosten für die Sanierung in dem geänderten Umlegungsplan vom 29. Februar 2000 war rechtlich unzulässig.

Damit hat der Beteiligte zu 4. diesen Plan zu Recht durch den Widerspruchsbescheid aufgehoben. Das Landgericht hat zutreffenderweise den Antrag auf gerichtliche Entscheidung durch den Beteiligten zu 1. durch die angefochtene Entscheidung zurückgewiesen. Damit bleibt auch die Berufung des Antragstellers in der Sache ohne Erfolg und ist zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO, §§ 221 Abs. 1, 228 BauGB; die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO, § 221 Abs. 1 BauGB.

Die Revision gegen dieses Urteil ist nicht zuzulassen, da die in § 543 Abs. 2 ZPO, § 221 Abs. 1 BauGB genannten Gründe nicht gegeben sind. Es handelt sich um eine Entscheidung im und für den vorliegenden Einzelfall, der tatsächliche Besonderheiten aufweist (zunächst nicht bekannter, später dann ausgeräumter Altlastenverdacht).

Der Wert des Berufungsverfahrens wird unter Berücksichtigung des eingeschränkten Antrags des Berufungsführers auf 10.226,00 EUR (entspricht 20.000,00 DM) festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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