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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 12.07.2006
Aktenzeichen: 1 U 1322/05
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB §§ 705 f.
BGB § 730
ZPO § 530
ZPO § 531
ZPO § 543 Abs. 2
Zu den Voraussetzungen, nach denen eine BGB-Gesellschaft beim Bau eines Mehrfamilienwohnhauses mit der "Durchsetzungssperre" hinsichtlich einzelner, isolierter Ansprüche der Gesellschafter anzunehmen ist.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 1 U 1322/05

Verkündet am 12.07.2006

in dem Rechtsstreit

wegen: Rückforderungsanspruchs.

Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. Itzel als Einzelrichter auf die mündliche Verhandlung vom 21. Juni 2006

für Recht erkannt: Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 5. August 2005 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 15. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz abgeändert und die Klage wird als zur Zeit unbegründet abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des gesamten Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten über den von dem Kläger geltend gemachten Rückübertragungsanspruch (2/12 Erbanteil, Grundstücks-Miteigentumsanteil), nachdem die Beklagte ihren vertraglich übernommenen Zahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen sein soll. Auf diesem Grundstück und einem weiteren von dem Vater des Klägers erworbenen baute die Beklagte ein Mehrfamilienwohnhaus, wobei der Vater des Klägers maßgeblich die Bauarbeiten leitete und überwachte.

Als sich die Kosten der Bebauung des Grundstücks wesentlich gegenüber der ursprünglichen Planung erhöhten, teilte die Beklagte das Bauobjekt in Eigentumswohnungen auf. Mit notariellem Vertrag vom 15. Dezember 1995 verkaufte die Beklagte an die Mutter des Klägers eine der Eigentumswohnungen zu einem Kaufpreis in Höhe von 400.000,00 DM. Zusätzlich schlossen sie am gleichen Tag eine Vereinbarung mit folgendem Wortlaut:

"Zu dem Kaufpreis der Eigentumswohnung 1. Obergeschoss links, Parzelle 128, Notar M..., D..., vom 15. Dezember 1995 wird vereinbart, dass der Kaufpreis von 400.000,00 DM nach den tatsächlichen Baukosten entweder nach unten oder nach oben nachverhandelt wird."

Mit notariellem Vertrag vom 15. August 1997 kaufte der Kläger ebenfalls eine Eigentumswohnung von der Beklagten zu einem Kaufpreis in Höhe von wiederum 400.000,00 DM. Der Kläger schloss sich der Zusatzvereinbarung vom 15. Dezember 1995 zwischen seiner Mutter und der Beklagten an (15. August 1997).

Die Beklagte leistete keine Zahlungen auf den Kaufpreis für den 2/12 Erbanteil. Die vereinbarten Zinsen zahlte sie zunächst in vollem Umfang, später dann nur noch zur Hälfte. Gegen den geltend gemachten Rückübertragungsanspruch durch den Kläger wendet die Beklagte vor allem ein, dass sie einen zur Aufrechnung gestellten Restkaufpreis wegen der höheren Baukosten gegenüber dem Kläger habe, mithin die Forderung aus dem Kaufvertrag hinsichtlich des Erbanteils erloschen sei.

Das Landgericht hat der Klage auf Rückübertragung stattgegeben und dies im Wesentlichen damit begründet, dass die Rückabwicklung vor der Erklärung über die Aufrechnung geltend gemacht worden sei, mithin eine Aufrechnungslage nicht mehr bestanden habe.

Hiergegen wendet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie unter Intensivierung des bisherigen Vorbringens vor allem weiter vorträgt:

Die Aufrechnung sei unverzüglich nach der Erklärung des Rücktritts durch den Kläger von ihr (Beklagten)geltend gemacht worden (§ 352 BGB) und damit wirksam und zu berücksichtigen. Darüber hinaus sei der geltend gemachte Anspruch wegen des Bestehens einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (Erwerb, Fertigstellung des Mehrfamilienwohnhauses) nicht als isolierter Anspruch gegen sie durchsetzbar. Hierzu verweist sie auf den Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers in dem Zivilrechtsstreit 1 O 572/04 - Landgericht Koblenz - vom 2. Februar 2005 (Bl. 328 GA).

Sie beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage kostenpflichtig und vorläufig vollstreckbar abzuweisen (Bl. 208, 321, 360 GA).

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen (Bl. 224, 321, 360 GA).

Unter Bezugnahme auf das bisherige Vorbringen begründet er diesen Antrag vor allem damit, dass die Aufrechnung nicht rechtzeitig erklärt worden sei und vor allem auch die zur Aufrechnung gestellten Ansprüche der Beklagten nicht bestünden, da ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung eines höheren als des notariell vereinbarten Kaufpreises für die Eigentumswohnung nicht bestehe. Weiterhin macht er geltend, dass eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts zwischen ihm und der Beklagten sowie gegebenenfalls weiteren Personen nicht bestünde, es sich um einen normalen Kauf einer Eigentumswohnung gehandelt habe und darüber hinaus selbst bei Bestehen einer BGB-Gesellschaft der vorliegend geltend gemachte Anspruch auf Rückübertragung nicht von der "Durchsetzungssperre" erfasst sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze mit den weiter zu den Akten gereichten Unterlagen sowie auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (S. 2 - 4; Bl. 151 - 153 GA) verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache ganz überwiegend Erfolg. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Rückübertragung des 2/12 Erbanteils am Nachlass des am 3. Mai 1978 A... P... H... K... gegenüber der Beklagten zumindest zur Zeit nicht zu.

Zur Überzeugung des Senats - Einzelrichter - (§ 286 ZPO) steht dem geltend gemachten Rückübertragungsanspruch im vorliegenden Fall mit seinen Besonderheiten die "Durchsetzungssperre" nach § 730 BGB entgegen.

1. Zumindest ab dem Zeitpunkt des Auftretens von Finanzierungsproblemen, der wohl massiven Erhöhung der Baukosten für das geplante Projekt haben die Beklagte, der Kläger, der Vater des Klägers sowie die Schwester der Beklagten eine BGB-Gesellschaft (Innengesellschaft) mit dem Ziel der Fortsetzung, der Realisierung des Bauprojektes zumindest durch schlüssiges Verhalten gegründet und hierzu, zur Realisierung des sich in einer problematischen Lage befindlichen Vorhabens (Fertigstellung des Objektes), unterschiedliche Beiträge aufgrund der getroffenen Vereinbarung geleistet (vgl. zur Problematik "Innengesellschaft", "Vertragsschluss", "Förderungspflichten" u.a. OLG Koblenz NJW-RR 2004, 668, MK-Ulmer, § 705, Rdnr. 25 ff., Palandt-Sprau, § 705, Rdnr. 10 ff., 33 ff. - jeweils m.w.z.N.). Dieses gemeinsame Ziel (zumindest Fertigstellung des sich in einer problematischen finanziellen Lage befindlichen Bauprojektes - Mehrfamilienwohnhaus) ergibt sich für den Senat mit der ausreichenden Klar- und Sicherheit aus dem schriftsätzlichen Vorbringen der Parteien und den vorgelegten weiteren Unterlagen. So führt der Kläger selbst aus (Schriftsatz vom 7. Juli 2005, S. 6), dass ohne seine Beiträge das Bauvorhaben hätte abgebrochen werden müssen. Dass die oben genannten, an der Gesellschaft beteiligten Personen an der Fertigstellung des Gesamtbauwerkes interessiert und wirtschaftlich beteiligt waren, ergibt sich auch aus der Vereinbarung vom 15. Dezember 1995 (Bl. 86 GA). Hieraus wird ersichtlich, dass die Gesamtbaukosten für die Bemessung der von den einzelnen Gesellschaftern zu leistenden Beiträge durchaus eine Rolle spielen sollten, wobei dieser handschriftlichen Erklärung zweifelsfrei ein rechtsgeschäftlicher Erklärungswille beizumessen ist. Weiterhin kann aus den mit Schriftsatz des Klägers vom 10. März 2006 vorgelegten notariellen Vergleichsvorschlägen gleichfalls abgeleitet werden, dass hinsichtlich der Erstellung, Fertigstellung und des Betriebs des Mehrfamilienhauses bis zu einer abschließenden Klärung und einer Auseinandersetzung eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts gegründet worden war und fortbestehen sollte (S. 8 sowie S. 12; Bl. 274, 278 GA). Damit hatten die Beteiligten, mithin auch der Kläger und die Beklagte das gemeinsame Ziel der Errichtung, Fertigstellung des Mehrfamilienwohnhauses und leisteten hierzu auch (unterschiedlich hohe) Beiträge, die sich wiederum an den Gesamterstellungskosten des Objektes orientieren sollten. Für den Senat liegt damit zumindest ab 1995/ 1997 zwischen den genannten vier Personen eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts im Sinne von § 705 f. BGB vor, deren Auseinandersetzung im Sinne von § 730 BGB noch nicht abgeschlossen ist.

Da insoweit für das Vorliegen einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts im obigen Sinne im vorliegenden Falle ausreichend von beiden Parteien vorgetragen wurde, kann letztlich dahinstehen, dass der Kläger des vorliegenden Verfahrens als Beklagter in dem Verfahren 8 O 123/05 - Landgericht Koblenz mehrfach sich gerade auf die beabsichtigte gemeinsame Zweckerreichung mit entsprechend geleisteten Beiträgen zur Realisierung dieses Ziels berufen hat (Schriftsatz vom 27. April 2005, S. 3 f., 6 sowie Schriftsatz vom 4. Juli 2005, S. 2 "Der gemeinsame Zweck war die Errichtung einer Familienwohnstatt für beide Familien!").

2. Der im vorliegenden Verfahren geltend gemachte Rückübertragungsanspruch unterfällt auch zur Überzeugung des Senats als Einzelanspruchs eines Gesellschafters, hier des Klägers, der Durchsetzungssperre nach § 730 BGB. Zum einen war die Übertragung des 2/12 Anteils des Erbes nach dem eigenen Vorbringen des Klägers (Schriftsatz vom 07.07.2005, S. 3; Bl. 128 GA) notwendig, um die Bebauung des Grundstücks mit dem Mehrfamilienwohnhaus durch die Beklagte zu sichern. Da - wie oben dargestellt - das gemeinsame Ziel der BGB-Gesellschaft ab 1995/ 1997 war, die Bebauung, Fertigstellung des Objektes zu sichern, kann nun der Kläger - zumindest bis zur Abwicklung der BGB-Gesellschaft - nicht die Rückabwicklung dieser Grundstücksübertragung verlangen, da er hierdurch seine "Förderungspflicht" als BGB-Gesellschafter verletzen würde (vgl. MK-Ulmer, a.a.O.). Bedenken hinsichtlich der Fälligkeit des Rückübertragungsanspruchs, des Vorliegens der Voraussetzungen für dessen Entstehen bestehen weiterhin dahingehend, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der ursprüngliche Anspruch auf Kaufpreiszahlung (für Erb-, Grundstücksanteil) durch die später getroffenen Absprachen hinsichtlich der Gesamt-Baukostenorientierten Beiträge (vgl. Vereinbarung vom 15. Dezember 1995) modifiziert wurde. Letzteres kann letztlich für die zu treffende Entscheidung dahingestellt bleiben.

Entscheidend ist, dass der Kläger bis zur abschließenden Auseinandersetzung der Gesellschaft nicht den Teil, Grundstücksteil wieder zurückverlangen kann, nachdem er selbst dessen Übertragung als für die Errichtung, Realisierung des Bauvorhabens zwingend erforderlich angesehen hat. Insoweit unterfällt der geltend gemachte Anspruch der Durchsetzungssperre und kann als Einzelanspruch ("isoliert") nicht gegen die Beklagte mit Erfolg geltend gemacht werden.

3. Auch unter Berücksichtigung der §§ 530, 531 ZPO kann der Senat im vorliegenden Fall die hier zu treffende Entscheidung auf weiteres Vorbringen der Parteien im Berufungsrechtszug stützen, da die gesellschaftsrechtlichen Bezüge und die "Durchsetzungssperre" hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs des Klägers in erster Instanz nicht in ausreichendem Maße erörtert und dargestellt wurden. Insoweit gebietet es gerade der Grundsatz des rechtlichen Gehörs, dass im Berufungsrechtszug diese Gesichtspunkte erörtert wurden und auch zum Gegenstand der zu treffenden Entscheidung gemacht werden.

Nach allem hat der Kläger zumindest zur Zeit keinen Anspruch auf Rückübertragung des 2/12 Erbanteils am Nachlass des am 3. Mai 1978 verstorbenen Anton Peter Heinrich Kuster; das Urteil des Landgerichts ist entsprechend abzuändern und die Klage als zur Zeit unbegründet abzuweisen.

Damit ist keine abschließende Entscheidung darüber getroffen, ob möglicherweise im Rahmen der Gesamtabwicklung der Gesellschaft der Grundstücksanteil letztlich wieder dem Kläger zukommen soll oder wie dieser wertmäßig zu berücksichtigen sein wird.

Die Revision gegen dieses Urteil ist nicht zuzulassen, da die in § 543 Abs. 2 ZPO genannten Gründe nicht gegeben sind. Es handelt sich um eine Entscheidung im und für den vorliegenden Einzelfall, wobei der Schwerpunkt auf der tatrichterlichen Beurteilung, Einschätzung und Bewertung der vorgetragenen und sonst ersichtlichen Fakten hinsichtlich der Gründung einer BGB-Gesellschaft unter Beteiligung des Klägers liegt.

Die Kostenentscheidung ergibt sich unter Berücksichtigung der unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bemessenden Anteile von Obsiegen und Unterliegen der Parteien hier aus § 92 Abs. 2 ZPO; die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Wert des Berufungsverfahrens wird in Übereinstimmung mit der Bemessung durch das Landgericht auf 40.086 EUR festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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