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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 18.01.2000
Aktenzeichen: 1 U 1429/96
Rechtsgebiete: BGB, ZVG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 839
BGB § 276
ZVG § 37
ZVG § 39
ZVG § 37 Nr. 1
ZVG § 39
ZVG § 43 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 100 Abs. 1
ZPO § 108 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 108
Leitsätze:

Zur Amtshaftung bei Pflichtverletzungen des Rechtspflegers in Zwangsversteigerungsverfahren

1. Bei der Terminsbestimmung und Bekanntmachung in Zwangsversteigerungsverfahren ist die Wirtschaftsart des Grundstücks ausreichend zu bezeichnen.

Diese Amtspflicht obliegt dem Rechtspfleger auch gegenüber den Meistbietenden.

2. Den Rechtspfleger trifft dann kein Verschuldensvorwurf, wenn er nach entsprechender Information und Auseinandersetzung mit den zu einem Problem vertretenen Rechtsmeinungen sich für eine - zwar unrichtige, aber - im Handlungszeitpunkt noch vertretbare Auffassung entschieden und diese seiner amtlichen Tätigkeit zu Grunde gelegt hat.


Geschäftsnummer: 1 U 1429/96 5 O 598/95 LG Koblenz

Verkündet: am 18. Januar 2000

Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

OBERLANDESGERICHT KOBLENZ

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

in dem Rechtsstreit

wegen Amtshaftung des Rechtspflegers im Zwangsversteigerungsverfahren.

Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kaessner, den Richter am Oberlandesgericht Stein und den Richter am Landgericht Dr. Schäfer auf die mündliche Verhandlung vom 7. Dezember 1999 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerinnen gegen das am 22. August 1996 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz wird zurückgewiesen.

Die Klägerinnen haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerinnen können die Vollstreckung wegen der von ihnen zu tragenden außergerichtlichen Kosten des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 14.500 DM abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Sicherheitsleistung kann jeweils auch durch schriftliche, selbstschuldnerische und unwiderrufliche Bürgschaft einer öffentlichen Sparkasse oder Bank mit dem Sitz in der Bundesrepublik Deutschland erbracht werden.

Tatbestand:

Die Klägerinnen verlangen von dem beklagten Land Schadensersatz aus Amtspflichtverletzung; weil sich durch fehlerhafte Terminsbestimmung eines Rechtspflegers ihr Eigentumserwerb an einem Gewerbegrundstück verzögert habe.

Die Klägerinnen haben in einem vor dem Amtsgericht Trier durchgeführten Zwangsversteigerungsverfahren (AG Az.: 23 K 182/92) das Eigentum an dem im Grundbuch von Bl. 4441 eingetragenen Grundstück Flur 49, Nr. 6, Gebäude- und Freifläche, erworben. Auf dem bebauten Anwesen befanden sich ein Wohnhaus, eine Tankstelle mit Büro- und Verkaufsraum, eine Pkw-Waschhalle und ein Werkstattgebäude.

Nachdem der frühere Eigentümer H (Schuldner) in Zahlungsschwierigkeiten geriet, ordnete der zuständige Rechtspfleger des Amtsgerichts, der Zeuge M, auf Antrag der Kreissparkasse (Gläubigerin) am 14. Dezember 1992 (Bl. 3 der Beiakte AG Trier 23 K 182/92) die Zwangsversteigerung des Grundstücks an. Termin zur Zwangsversteigerung wurde auf den 19. Januar 1994 anberaumt (Bl. 133, 134, 139 der Beiakte).

In der amtlichen Bekanntmachung des Versteigerungstermins im Staatsanzeiger Nr. 42 für Rheinland-Pfalz vom 15. November 1993 (Seite 1218) bezeichnete der Rechtspfleger die Liegenschaft als "Gebäude- und Freifläche, Straße 94".

Die durch einen Rechtsanwalt vertretenen Klägerinnen blieben im Versteigerungstermin mit einem Bargebot von 300.000 DM Meistbietende. Nachdem sie der Gläubigerin, die auf einen höheren Versteigerungserlös gerechnet hatte, eine Zuzahlung von 25.000 DM über dem Meistgebot zugesagt hatten, erhielten sie im Verkündungstermin vom 2. Februar 1994 den Zuschlag (Bl. 156-157 d. BA).

Auf die Beschwerde des Schuldners hat das Landgericht Trier mit Beschluss vom 16. Mai 1994 (Az. 4 T 15/94, Bl. 198-202 d. BA) den Zuschlagsbeschluss aufgehoben, weil das als Wohnhaus mit Tankstelle und Werkstatt gemischt genutzte Versteigerungsobjekt bei der Terminsankündigung im Staatsanzeiger als "Gebäude- und Freifläche" und damit nicht ausreichend konkret bezeichnet worden sei (§§ 37 Nr. 1, 39 Abs. 1 ZVG). Zur Begründung hat das Gericht auf die Rechtsprechung des OLG Hamm (RPfl 1991, 71; 1992, 122), der sich auch die überwiegende Ansicht im Schrifttum angeschlossen habe, Bezug genommen. Die von den Klägerinnen gegen den Beschluss eingelegte weitere sofortige Beschwerde zum Oberlandesgericht Koblenz blieb ohne Erfolg (Beschluss vom 23. Juni 1994 - 4 W 333/94, Bl. 213-215 d. BA).

Nach erneuter Anberaumung eines Zwangsversteigerungstermins auf den 7. Dezember 1994 blieben die Klägerinnen wiederum Meistbietende und erhielten den Zuschlag für das Anwesen bei einem Bargebot von 315.000 DM (Bl. 305-305 d. BA).

Die Klägerinnen verlangen nunmehr Schadensersatz dafür, dass ihnen wegen der vom Landgericht und Oberlandesgericht beanstandeten Terminsbekanntmachung des Rechtspflegers der im Februar 1994 erteilte Zuschlag wieder entzogen worden sei und sie das Grundstück im Dezember 1994 zu ungünstigeren Konditionen neu hätten ersteigern und finanzieren müssen.

Das Beklagte Land hat die mit Schreiben vom 5. April 1995 (Bl. 16-18 GA) geltend gemachte Forderung der Klägerinnen am 16. Juni 1995 (Bl. 19-20 GA) abgelehnt.

Die Klägerinnen haben vorgetragen:

Das Beklagte Land haftet Ihnen gegenüber aus Amtspflichtverletzung (§ 839 BGB, Art. 34 GG), weil ihnen wegen des Formfehlers des Rechtspflegers bei der amtlichen Bekanntmachung des Versteigerungstermins der im Februar 1994 erteilte Zuschlag wieder entzogen worden sei. Der Rechtspfleger habe die ihnen gegenüber als Meistbietenden obliegende Amtspflicht verletzt, sie bei der Abwicklung der Zwangsversteigerung nicht zu schädigen. Der Fehler, der zur Wiederholung der Zwangsversteigerung geführt habe, sei von dem Rechtspfleger fahrlässig verschuldet. Dieser habe nicht beachtet, dass nach herrschender Meinung im Anschluss an die Rechtsprechung des OLG Hamm (RPfl 1991, 71; 1992, 122) Gewerbegrundstücke und gemischt-gewerbliche Objekte in der amtlichen Terminsbekanntmachung aussagekräftig unter Angabe von deren konkreter Wirtschaftsart bezeichnet werden müssten (§§ 37, 39 ZVG). Durch den amtspflichtwidrig verschuldeten Entzug des am 2. Februar 1994 erteilten Zuschlags hätten sie bei der erneuten Zwangsversteigerung einen um 15.000 DM höheren Preis für das Versteigerungsobjekt zahlen müssen. Als Schaden seien ihnen weiterhin die Zinsnachteile daraus zu ersetzen, dass sie die für Februar 1994 in Aussicht gestellten günstigen öffentlichen Kreditmittel nicht hätten in Anspruch nehmen können. Wegen des dem Rechtspfleger anzulastenden späteren Grundstückserwerbs im Dezember 1994 hätten sie das Gewerbegrundstück zu ungünstigeren Konditionen finanzieren müssen. Auf die Berechnung des auf Bl. 14-15 GA und Bl. 73-95 GA wird Bezug genommen.

Die Klägerinnen haben beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, an sie als Gesamtgläubiger 105.963,30 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Land hat vorgetragen:

Es bestreite Ansprüche aus Amtspflichtverletzung dem Grund und der Höhe nach. Die unzureichende Bezeichnung der Wirtschaftsart des versteigerten Grundstücks in der öffentlichen Terminsbekanntmachung habe keine Amtspflichten verletzt, die der Rechtspfleger gegenüber den Klägerinnen zu wahren hätte. Diese seien als Meistbietende im Zwangsversteigerungsverfahren - anders als Schuldner und Gläubiger - außenstehende Dritte, denen gegenüber keine drittbezogenen Amtspflichten (§ 839 BGB) bestünden. Mit Erteilung des Zuschlags im Februar 1994 hätten die Klägerinnen noch keine gesicherte Rechtsposition erlangt, deren Entzug Schadensersatzansprüche nach § 839 BGB begründen könnte. Der Zuschlag habe auch im Rechtsmittelverfahren wieder aufgehoben werden können.

Selbst wenn man in der auf die Zuschlagsbeschwerde des Schuldners gerügten Terminsbekanntmachung eine Amtspflichtverletzung (§ 839 BGB) zum, Nachteil der Klägerinnen sähe, träfe den Rechtspfleger kein Verschuldensvorwurf. Im Zeitpunkt der Terminsbekanntmachung (November 1993) habe noch keine gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung zur Bezeichnung von Gewerbegrundstücken in der Zwangsversteigerung (§§ 37, 39 bestanden. Der Rechtspfleger habe sich nach der Entscheidung des OLG Oldenburg (RPfl 1980, 75) richten dürfen, wonach die Bezeichnung des Versteigerungsobjekts als "Gebäude- und Freifläche" genüge.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 22. August 1996 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die mangelhafte Bezeichnung des gemischt-gewerblich genutzten Grundstücks in der amtlichen Terminsbekanntmachung im Staatsanzeiger zwar eine schuldhafte Amtspflichtverletzung darstelle. Der Rechtspfleger habe sich an den Entscheidungen des OLG Hamm (RPfl 1991, 71; 1992, 122) orientieren müssen. Ein Amtshaftungsanspruch gegen das beklagte Land scheitere aber daran, dass die Klägerinnen als meistbietende im Zwangsversteigerungsverfahren nicht zu dem von § 839 BGB geschützten Personenkreis ("Dritte") gehörten. Im Übrigen sei der geltend gemachte Zinsschaden auch nicht hinreichend dargetan.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerinnen, mit der sie lediglich ihr erstinstanzliches Zahlungsbegehren wegen des Zinsschadens in Höhe von 90.963,30 DM weiterverfolgen. Den Anspruch wegen des Mehraufwands für den Erwerb des Grundstücks bei dem zweiten Versteigerungstermin (15.000 DM) haben sie fallen gelassen.

Die Klägerinnen ergänzen und vertiefen ihre erstinstanzlichen Rechtsausführungen, insbesondere dazu, dass sie als Meistbietende im Zwangsversteigerungsverfahren geschützte "Dritte" im Sinne des § 839 BGB seien. Ferner beanstanden sie die Ausführungen des Landgerichts zu dem geltend gemachten Zinsschaden.

Die Klägerinnen beantragen,

in teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils das beklagte Land zu verurteilen, an sie als Gesamtgläubiger 90.963, 30 DM zu zahlen:

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es ergänzt seine Ausführungen zum Amtshaftungstatbestand (§ 839 BGB). Nach seinem Vortrag soll der zuständige Rechtspfleger vor der amtlichen Bekanntmachung des Versteigerungstermins im November 1993 die Frage der richtigen Bezeichnung von Gewerbegrundstücken gemäß §§ 37, 39 ZVG geprüft haben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat durch Vernehmung des Zeugen M Beweis erhoben gemäß dem Beweisbeschluss vom 9. November 1999 (Bl. 201-202 GA). wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 7. Dezember 1999 (Bl. 206-208 GA) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerinnen ist unbegründet.

Zwar ist entgegen der Ansicht des Landgerichts der Formfehler bei der amtlichen Bekanntmachung der Zwangsversteigerung, der zur Versagung des Zuschlags vom Februar 1994 führte, als Amtspflichtverletzung zum Nachteil der Klägerinnen zu werten.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Senat scheitert ein Amtshaftungsanspruch gegen das beklagte Land (§ 839 BGB, 34 GG) jedoch daran, dass der zuständige Rechtspfleger die gewählte Grundstücksbezeichnung (§§ 37, 39 ZVG) sorgfältig geprüft und aus vertretbaren Rechtsgründen für ausreichend halten durfte; er hat seine Amtspflicht zur richtigen Rechtsanwendung daher nicht fahrlässig (§ 276 BGB) verletzt.

1. Eine Amtspflichtverletzung des Rechtspflegers hat das Landgericht zu Recht bejaht. Aufgrund des rechtskräftigen Beschlusses des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 23. Juni 1994 (Bl. 213-215 BA) steht für das vorliegende Amtshaftungsverfahren fest, dass der Rechtspfleger bei der Terminsbestimmung im Zwangsversteigerungsverfahren seine Amtspflicht, die Wirtschaftsart des versteigerten Grundstücks (§§ 37 Nr. 1, 39 Abs. 1, 43 Abs. 1 ZVG) ausreichend zu bezeichnen, verletzt hat. Bei der vorliegenden gemischt-gewerblichen Nutzung hätte schlagwortartig kenntlich gemacht werden müssen, dass es sich um ein Wohngebäude nebst Tankstelle, Werkstattgebäude und anderen Nebenräumen handelte (so auch OLG Hamm, RPfl 1991, 71; 1992, 122; 1997, 226; OLG Karlsruhe OLGZ 1990, 346; Zeller/Stöber, ZVG, 16. Aufl. § 37 Rdn. 2.2; Muth in Dassler/Schiffbauer/Gerhardt/Muth, ZVG, 12. Aufl., § 37 Rdn. 8 Fn. 10).

2. Entgegen der Ansicht des Landgerichts bestand die dem Rechtspfleger obliegende und hier verletzte Amtspflicht zur ordnungsgemäßen Bekanntmachung der Zwangsversteigerung (§§ 37 Nr. 1, 43 Abs. l Satz 1, 83 Nr. 7 ZVG) auch den Klägerinnen gegenüber. Diese sind als Meistbietende geschützte "Dritte" im Sinne des Amtshaftungstatbestands (§ 839 BGB).

Die Pflicht zur ordnungsgemäßen öffentlichen Bekanntmachung (§ 39 ZVG) dient zwar in erster Linie den Vollstreckungsgläubigern und den betroffenen Grundeigentümern, in deren Interesse zahlreiche Bietinteressenten angesprochen werden sollen, um einen hohen Versteigerungserlös für das Zwangsversteigerungsobjekt zu erzielen. Außerdem sollen diejenigen, deren Rechte von der Versteigerung berührt werden, durch die vorgenannte Information angehalten werden, ihre Rechte wahrzunehmen.

Aber auch die Klägerinnen, die als Meistbietende den Zuschlag erhalten haben, zählen zum geschützten Personenkreis (§ 839 BGB). Ihnen gegenüber hat der Rechtspfleger die Amtspflicht, Verfahrensfehler zu vermeiden, die dazu führen, dass ihnen der erteilte Zuschlag nachträglich wieder entzogen wird und sie daraus wirtschaftliche Nachteile erleiden (vgl. BGH MDR 7987, 298, 299; ferner BGH NJW 1991, 2759).

Die Klägerinnen hatten mit dem am 2. Februar 1994 erteilten Zuschlag, der auf die Beschwerde des Schuldners wieder aufgehoben wurde, eine durch § 839 BGB geschützte Anwartschaft auf Erwerb des streitgegenständlichen Gewerbegrundstücks erlangt, die ihnen nur unter bestimmten Voraussetzungen (§§ 81, 83, 85, 85a, ZVG) wieder entzogen werden konnte (vgl. BGH MDR 1958, 491).

Unerheblich ist der Einwand des beklagten Landes, dass es selbst bei ordnungsgemäßer Durchführung des Zwangsversteigerungsverfahrens auch aus anderen Gründen (§§ 29, 30, 30a ff, 75, 33 ZVG) zur Versagung des Zuschlags kommen kann, ohne dass eine schuldhafte Amtspflichtverletzung vorliegt (vgl. RG JW 1934, 2842, 2844). Ein solcher Grund für eine Zuschlagsversagung, der wie etwa die Verfahrenseinstellung auf Bewilligung des Gläubigers (§§ 30, 33 ZVG) dem Versteigerungsgericht nicht als Verschulden anzulasten wäre, lag unstreitig vor.

Beruht ein Versagungsgrund für den Zuschlag wie hier auf einem Verstoß des Rechtspflegers gegen die das Verfahren ordnen den Vorschriften (§§ 37, 39 ZVG), so gebührt dem Meistbietenden, in dessen verfahrensrechtlich gesicherten Rechtskreis durch den Verstoß eingegriffen wurde, grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch nach § 839 BGB (vgl. RGZ 129, 23, 25; 154, 397).

3. Ein Amtshaftungsanspruch der Klägerinnen ist hier jedoch zu verneinen, weil dem Rechtspfleger an dem Formfehler der öffentlichen Terminsbekanntmachung, der zur Versagung des Zuschlags und zur erneuten Zwangsversteigerung des streitgegenständlichen Grundstücks geführt hat, kein Verschulden trifft.

Zutreffend ist allerdings der Ansatz, dass der mit Zwangsversteigerungssachen befasste Rechtspfleger über diejenigen Rechtskenntnisse verfügen muss, die zur Führung seines Amtes erforderlich sind (vgl. OLG Köln VersR 1197, 970, 971). Doch begründet nicht jede fehlerhafte Rechtsauslegung einen Fahrlässigkeitsvorwurf (§ 276 BGB). Dass der Rechtspfleger hier das versteigerte Grundstück in der amtlichen Bekanntmachung des Versteigerungstermins lediglich als "Gebäude- und Freifläche" bezeichnet hat ist ihm nicht als schuldhaft falsche Rechtsanwendung vorzuwerfen (vgl. BGHZ 130, 332 ff).

a) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Senat, hat der als Zeuge vernommene Rechtspfleger vor der Terminsbekanntmachung im Staatsanzeiger Rheinland-Pfalz vom 15. November 1993 die hierfür maßgebliche Rechtslage geprüft und sich mit vertretbaren Gründen dafür entschieden, das Versteigerungsobjekt lediglich als "Gebäude- und Freifläche zu bezeichnen.

Der Zeuge, der seit 1988 Zwangsversteigerungssachen bearbeitet hat im Einzelnen bekundet, dass er die streitgegenständliche Rechtsfrage nicht speziell im Hinblick auf das konkrete Zwangsversteigerungsverfahren (AG Trier Az.: 23 K 182/92) geprüft habe. Ihm sei jedoch vor der in Rede stehen den Zwangsversteigerung bekannt gewesen, dass es in der Frage der konkreten Bezeichnung von Gewerbegrundstücken (nach §§ 37 Nr. 1, 39 Abs. 1 ZVG) unterschiedliche Auffassungen gab und er habe sich bei seiner Praxis darauf eingestellt.

Er habe sich an einer älteren Auffassung in der Rechtsprechung (OLG Oldenburg) orientiert, wonach die Veröffentlichung des Zwangsversteigerungstermins keinen werbenden Charakter habe, sondern der verwechslungsfreien Bezeichnung des Grundstücks diene und zum anderen die Personen ansprechen solle, die Ansprüche anzumelden hätten. Als Anfang der 1990-er Jahre eine neue Rechtsprechung, wie sie vom OLG Hamm vertreten werde, ins Blickfeld gelangt sei, habe er mit Trierer Rechtspflegerkollegen, die ebenfalls in Zwangsversteigerungssachen tätig seien darüber gesprochen. Man sei zu dem Ergebnis gelangt, dass die ältere Auffassung vorzugswürdig sei. Dies sei vor allem deshalb, weil das Versteigerungsgericht, welches ins Spannungsfeld zwischen Gläubigerinteressen und Schuldnerschutz stehe, das Versteigerungsobjekt möglichst nach objektiven Kriterien bezeichnen solle. Ein Klammerzusatz hinsichtlich der konkreten Wirtschaftsart, wie er vom OLG Hamm gefordert werde, enthalte oft eine - nach Ansicht des Zeugen - untunliche subjektive Wertung.

Der Senat hat keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit dieser Zeugenaussage. Bei der Bewertung der Motivlage des Zeugen war natürlich zu berücksichtigen, dass es bei der Aussage um eine mögliche Nachlässigkeit bei seiner Amtsführung ging, die insbesondere im Fall grober Fahrlässigkeit (Art. 34 Satz 2 GG) zu Regressansprüchen seines Dienstherrn führen könnte. Anzeichen für eine Falschaussage sind jedoch nicht erkennbar. Der Zeuge hat Angaben nur soweit gemacht, als er aus der Erinnerung dazu noch in der Lage war. Erinnerungslücken hat er ohne weiteres eingeräumt.

Glaubhaft und nachvollziehbar erscheint insbesondere die Angabe, dass der Zeuge die streitgegenständliche Rechtsfrage nicht aus Anlass des konkreten Einzelfalls geprüft habe, sondern dass er sich sich damit im Jahre 1992/93 anhand der ihm zugänglichen Veröffentlichungen befasst und sich in seiner weiteren Versteigerungspraxis daran orientiert habe. Bei einem Rechtspfleger, der in vielen Zwangsversteigerungsverfahren öffentliche Terminsbekanntmachungen vorzunehmen hat, kann nicht erwartet werden und wäre es aus Gründen der Arbeitsökonomie, auch nicht vertretbar, in jedem Einzelfall die Rechtsfrage der "richtigen" Grundstücksbezeichnung (§§ 37, 39 ZVG) aufs Neue zu prüfen. Es genügt, dass er sich mit dem Rechtsproblem gründlich befasst und sich - wie bekundet - über die fortlaufende Entwicklung von Rechtsprechung und Literatur auf diesem Gebiet auf dem Laufenden gehalten hat.

b) Nach den vorgenannten glaubhaften Bekundungen des Zeugen M ist ihm kein Fahrlässigkeitsvorwurf zu machen (§ 276 BGB), dass er das streitgegenständliche Grundstück in der öffentlichen Terminsbekanntmachung (§§ 37 Nr. 1, 39 ZVG) lediglich als "Gebäude- und Freifläche" bezeichnet hat.

Der Rechtspfleger hat sich bei der Bezeichnung des Versteigerungsobjekts nicht über eine eindeutige, entgegenstehende Rechtsprechung hinweggesetzt. Der im Zeitpunkt der beanstandeten Terminsbekanntmachung (November 1993) veröffentlichten Rechtsprechung des OLG Hamm (RPfl 1991, 71; 1992, 122) stand eine ältere Entscheidung des OLG Oldenburg entgegen (RPfl 1980, 75), die sich mit beachtlichen Gründen (vgl. Demharter RPfl 1997, 227, 228, Anmerkung zu OLG Hamm RPfl 1997, 226 f.) dafür ausgesprochen hatte, dass eine Bezeichnung als "Gebäude- und Freifläche" genüge. Auch in der neueren Rechtsprechung ist die Diskussion darüber, ob die konkrete Angabe der Wirtschaftsart für die Bezeichnung von Gewerbegrundstücken gemäß § 37 Nr. 1 ZVG erforderlich ist, noch längst, nicht abgeschlossen (vgl. etwa LG Ellwangen, RPfl 1996, 361; offen gelassen bei OLG Düsseldorf RPfl 1997, 225, 226).

Dass sich im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Terminsbekanntmachung (November 1993) die überwiegende Literatur zum Zwangsversteigerungsgesetz (vgl. u.a. Zeller/Stöber, ZVG, Aufl., § 37 Rn. 2.1; Muth in Dassler/Schiffhauer/Gerhardt/Muth, ZVG, 12. Aufl., § 37 Rn. 8 Fn. 10) der Rechtsprechung des OLG Hamm angeschlossen hatte, besagt noch nichts darüber, dass die von dem Rechtspfleger vertretene Ansicht nicht mehr vertretbar und daher schuldhaft fehlerhaft war. Ihm ist vielmehr keine fahrlässig unrichtige Rechtsauslegung vorzuwerfen, da er sich in Kenntnis der abweichenden Rechtsansichten mit vertretbaren Sachargumenten für die Auslegung des OLG Oldenburg entschieden hat, wonach auch Gewerbeliegenschaften als "Gebäude- und Freifläche" genügend bezeichnet sind (§§ 37 Nr. 1 ZVG, 39 ZVG).

Dass das Landgericht Trier und das Oberlandesgericht Koblenz den von dem Rechtspfleger gewählten Inhalt der amtlichen Terminsbekanntmachung im Beschwerdeverfahren gegen den Zuschlagsbeschluß vom 2. Februar 1994 nicht billigen würden, war für den Rechtspfleger so nicht vorhersehbar und kann ihm nicht zum Schuldvorwurf gereichen:

aa) Der Gesetzeswortlaut (§ 37 Nr. 1 ZVG) schrieb dem Rechtspfleger nicht vor, die Wirtschaftsart des zu versteigernden Grundstücks anzugeben. Der Normtext gibt keinen Aufschluss darüber, wie konkret ein gewerbliches Grundstück in der Ankündigung des Zwangsversteigerungsverfahrens bezeichnet werden muss (so auch OLG Hamm RPfl 1991, 714).

Auch die systematische Auslegung der §§ 37 ff. ZVG lässt keinen Schluss darauf zu, dass die vom Rechtspfleger gewählte Bezeichnung des streitgegenständlichen Wohn- und Gewerbegrundstücks als "Gebäude- und Freifläche" unrichtig sein musste.

Wenn der Gesetzgeber gewollt hätte, dass die konkrete Bezeichnung der Wirtschaftsart zum notwendigen Inhalt der Terminsbekanntmachung gehört, hätte es nahe gelegen, dies ausdrücklich im Gesetz zu regeln (vgl. §§ 37, 38 ZVG).

bb) Dem Rechtspfleger kann auch nicht als schuldhaft vorgeworfen werden, dass er den Schutzzweck der öffentlichen Bekanntmachung des Versteigerungstermins nach §§ 37 Nr. 1, 39, 43 Abs. 1 ZVG fahrlässig verkannt und anders bewertet habe als etwa die Rechtsprechung des OLG Hamm.

Das OLG Hamm (RPfl 1991, 71) leitet aus dem Gesetzeszweck und der Entstehungsgeschichte des Gesetzes (vgl. Denkschrift zum Entwurf des ZVG, Hahn/Mugdan, Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen 1897, 5. Band, Seite 43) ab, dass durch die amtliche Bekanntmachung u.a. möglichst viele Bieter angezogen werden sollen, die am Erwerb des Grundstücks interessiert seien. Der Werbezweck der Bekanntmachung, die insbesondere einen überregionalen Kreis von Personen ansprechen solle, könne nur erreicht werden, wenn die Nutzungsart eines gewerblichen oder gemischt-gewerblichen Objekts schlagwortartig angegeben werde. Bei Versteigerungen privater Wohnhäuser genüge dagegen die Angabe "Gebäude- und Freifläche" (OLG Hamm RPfl 1992, 122).

cc) Die vorgenannte Auslegung des Zwecks der öffentlichen Bekanntmachung (§§ 37, 39, 43 ZVG) des Versteigerungstermins bei Gewerbeobjekten mag überzeugend und nahe liegend sein. Nach Auffassung des Senats handelt es sich jedenfalls nicht um die einzig vertretbare Gesetzesauslegung (so auch Demharter RPfl 1997, 227, 28; LG Ellwangen RPfl 1996, 361 f.), so dass dem Rechtspfleger die Bezeichnung des Versteigerungsobjekts als "Gebäude- und Freifläche" nicht als fahrlässig falsche Rechtsanwendung vorgeworfen werden kann.

So kann man mit dem Rechtspfleger mit guten Gründen der Auffassung sein, dass es nicht Aufgabe des zur Neutralität verpflichteten Versteigerungsgerichts sei, werbende Aussagen über das versteigernde Objekt zu machen. Die denkbar neutralste Bezeichnung des Versteigerungsobjekts ist die vom Rechtspfleger aus dem Grundbuch übernommene Angabe, dass es sich um ein "Gebäude mit Freifläche" handelt.

Insbesondere bei herabgewirtschafteten oder weitgehend ruinierten Gewerbeobjekten, wie sie auch zur Zwangsversteigerung gelangen, mag eine solche farblose Bezeichnung der Nutzungsart durchaus angemessener sein als die vom Rechtspfleger abgelehnte schlagwortartige Bezeichnung etwa als "Hotelgebäude" oder als "Werkstatt", die den unzutreffenden Eindruck einer noch intakten Gewerbeliegenschaft erwecken könnte.

Das weitere Argument für die Rechtsansicht des Rechtspflegers, dass schon die öffentliche Ankündigung der Versteigerung eines Grundstücks mit "Gebäude- und Freifläche" (ohne Klammerzusatz betreffend die Wirtschaftsart) genügen kann, um Interessenten auf die Versteigerung eines Gewerbeobjekts aufmerksam zu machen, ist gleichfalls nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen. Denn die öffentliche Bekanntmachung der Grundstücksgröße und des festgesetzten Verkehrswerts lässt oft schon den Rückschluss auf eine gewerbliche Nutzung zu. In Zweifelsfällen ist es den am Erwerb von Gewerbeobjekten interessierten Personen ohne weiteres möglich, sich bei dem Versteigerungsgericht - auch telefonisch - über die Wirtschaftsart des zu versteigernden Objekts zu informieren. Zudem dürfte es in der Praxis kaum vorkommen, dass ein Bietinteressent ein gewerbliches Grundstück allein aufgrund der Veröffentlichung im Staatsanzeiger ersteigert, ohne darüber vorher Erkundigungen eingezogen zu haben.

dd) Die Klägerinnen können dem Rechtspfleger auch nicht als fahrlässig fehlerhafte Rechtsanwendung im Sinne der §§ 839, 276 BGB vorwerfen, dieser habe bei der Grundstücksbezeichnung in der amtlichen Terminsbekanntmachung nach § 37 Nr. 1 ZVG den "sichersten Weg" wählen müssen; danach hätte er bei der 3ezeichnung des Versteigerungsobjekts der weitreichenderen Auslegung des OLG Hamm folgen und das Anwesen ausdrücklich "Wohngebäude mit Tankstelle und Werkstatt" bezeichnen müssen. Dies ist kein zutreffender Maßstab für die Frage, ob den Rechtspfleger ein Verschulden bei der Rechtsanwendung trifft.

Zwar gilt für die Gestaltung des Zwangsversteigerungsverfahres wie für andere Zivilverfahren der Grundsatz, dass der Rechtspfleger ebenso wie der Richter tunlichst den für die "sicheren Weg" einzuschlagen hat, etwa wenn es um die Übermittlung von Schriftstücken geht (vgl. BVerfG 81, 130; OLG Düsseldorf NJW-RR 1992, 699). Für die Rechtsauslegung, die sich objektiv an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) und insbesondere an den Grundrechten (Art. 1 Abs. 3 GG) zu orientieren hat, gibt es jedoch keinen Meistbegünstigungsgrundsatz in dem genannten Sinne, dass sich der Rechtspfleger oder der Richter jeweils an die Auslegung zu halten hätten, die den Interessen der Verfahrensbeteiligten am weitestgehenden entgegenkommt. Vielmehr muss sich die Gesetzesauslegung nach Maßgabe der allgemein anerkannten Auslegungskriterien - unabhängig von den konkreten Interessen der Verfahrensbeteiligten - am objektiv richtigen Recht orientieren.

Dass der Rechtspfleger sich hier aufgrund seines vertretbaren Verständnisses, der Neutralitätspflicht des Versteigerungsgerichts nach entsprechender Rechtsprüfung dafür entschieden hat, das Versteigerungsobjekt lediglich als "Gebäude- und Freifläche" zu bezeichnen, kann ihm daher auch unter dem hier nicht einschlägigen Gesichtspunkt der "Pflicht zur Wahl des sicheren Wegs" keineswegs als schuldhafte Rechtsanwendung angelastet werden.

Nach alledem steht den Klägerinnen kein Anspruch auf Ersatz des geltend gemachten Zinsschadens nach Amtshaftungsrecht (§ 839 BGB, Art. 34 GG) zu.

Ebenso wenig können die Klägerinnen für den behaupteten Zinsnachteil Anspruch auf billige Entschädigung erheben. Der Umstand, dass den Klägerinnen der im Februar 1994 erteilte Zuschlag für das streitgegenständliche Gewerbegrundstück wegen der im Wege der Zuschlagsbeschwerde nicht gebilligten Art der öffentlichen Terminsbekanntmachung des Rechtspflegers wieder entzogen wurde, stellt keinen enteignungsgleichen Eingriff in das ihnen noch nicht gehörende Grundstückseigentum oder ihren noch nicht existenten, auf dem Grundstück zu gründenden Gewerbebetrieb dar.

Somit ist die Berufung der Klägerinnen gegen das angefochtene Urteil zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 108 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 90.963,30 DM festgesetzt. Dem entspricht auch die Beschwer der Klägerinnen.

Ende der Entscheidung

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