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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 07.08.2002
Aktenzeichen: 1 U 1515/01
Rechtsgebiete: ZPO, StrEG


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1 a.F.
ZPO § 270 Abs. 3
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
StrEG § 13 Abs. 1
1. Steht im Verfahren über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) fest, dass der ablehnende Bescheid im Betragsverfahren dem zustellungsberechtigten Anwalt des Antragstellers zugegangen ist, dieser das Schreiben als zugestellt ansieht, dann ist die Nichtrücksendung des Empfangsbekenntnisses durch den Anwalt unschädlich.

Der Zeitpunkt des Zustellung kann in diesem Fall dann anhand weiterer Umstände und Tatsachen (u.a. Abvermerke in der Verfügung) festgestellt werden.

2. Zur Nutzungsausfallentschädigung (Porsche) bei einem Geschäftsführer, dem vertraglich ein Dienstwagen zusteht.


Oberlandesgericht Koblenz IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 1 U 1515/01

Verkündet am: 7. August 2002

In dem Rechtsstreit

wegen: Entschädigung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG).

Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Krämer, die Richterin am Oberlandesgericht Semmelrogge und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Itzel auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juli 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 16. August 2001 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

I. Der Kläger verlangt von dem beklagten Land Entschädigung für die entgangene Nutzungsmöglichkeit eines Pkw Porsche 911 Carrera (S), nachdem dieses Fahrzeug in der Zeit vom 15. Dezember 1998 bis zum 31. März 1999 im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen fahrlässiger Tötung und unerlaubten Entfernens vom Unfallort nach einem schweren Verkehrsunfall beschlagnahmt worden war sowie Ersatz für Rechtsanwaltskosten (insgesamt im Berufungsverfahren noch ein Betrag in Höhe von 10.272,47 Euro nebst Zinsen).

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass dem Kläger weder aus abgetretenem noch aus eigenem Recht die begehrte Entschädigung für erlittenen Nutzungsausfall zustünde.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers.

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren im Wesentlichen darüber, ob die Ausschluss-, Klagefrist (§ 13 Abs. 1 StrEG) gewahrt wurde und ob dem Kläger materiell ein eigener erstattungsfähiger Nutzungsausfallschaden entstanden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze mit den weiter zu den Akten gereichten Unterlagen sowie auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (S. 2 bis 5; Bl. 73-76 d.A.) verwiesen.

Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO (a.F.) abgesehen.

II. Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Diesem steht der geltend gemachte Anspruch nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) nicht zu.

1. Zum einen ist der Kläger mit seinen Ansprüchen gemäß § 13 Abs. 1 StrEG ausgeschlossen. Sein Prozessbevollmächtigter, dessen Verhalten ihm zugerechnet wird (vergl. § 85 ZPO, D. Meyer, Strafrechtsentschädigung und Auslagenerstattung, 4. Aufl., § 13 Rn. 9), hat die dreimonatige Ausschlussfrist ohne rechtzeitige Klageerhebung verstreichen lassen.

a) Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass dem Prozessbevollmächtigten des Klägers der entscheidende Bescheid des Generalstaatsanwalts Koblenz vom 8. Juni 2000 unter übersenden eines Empfangsbekenntnisses zugestellt wurde, dieser dieses Schreiben zum Zwecke der Zustellung entgegengenommen hat (vgl. zuletzt Schriftsatz des Klägers vom 17. Juli 2002, 2. Seite, 2. Abs., Bl. 168 d.A.). Weiterhin ist unstreitig, dass das übersandte Empfangsbekenntnis nicht zurückgereicht wurde.

Da die Zustellung des Bescheids als solche im hier vorliegenden Fall nicht im Streit der Parteien liegt, die Zustellung vom Kläger gerade zugestanden wurde und der Senat weiterhin von dieser auch überzeugt ist, kann er hier den Zeitpunkt der Zustellung auch ohne die Urkunde (Empfangsbekenntnis) bestimmen.

b) Maßgebliche Anhaltspunkte für den Zeitpunkt der Zustellung ergeben sich aus der vorgelegten und unstreitig gebliebenen Verfügung der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz vom 6. Juni 2000 mit den entsprechenden, jeweils mit Paraphen versehenen Erledigungs- und Abgangsvermerken (Bl. 147 d.A.). Hiernach wurde der Entwurf des Bescheids des Generalstaatsanwalts von diesem am 8. Juni 2000 zur Kenntnis genommen und abgezeichnet, sodann am 9. Juni 2000 gefertigt und am 13. Juni 2000 mit Empfangsbekenntnis dem Verfahrensbevollmächtigten des Klägers übersandt.

Mit diesem Ablauf steht auch die eigene Fristeintragung in dem dem Verfahrensbevollmächtigten des Klägers zugestellten Beschlussexemplar (Anlage K13 zur Klageschrift) in Übereinstimmung ("14.9.00 Klage").

Diese notierte Frist stellt zur Überzeugung des Senats auch nicht lediglich eine Vorfrist hinsichtlich des Fristablaufs zur Klageerhebung dar. Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 10. Mai 2002 vorträgt, dass es in der Kanzlei des Verteidigers des Klägers üblich war und ist, großzügige Vorfristen zu notieren, so kann dies unter Berücksichtigung der oben genannten Verfügung mit den Erledigungsvermerken und dem unstreitigen Abgang des Bescheids bis zum 13. Juni 2000 nicht überzeugen. Der Kläger hat auch weder vorgetragen, wann genau er diesen Bescheid erhalten hat noch das entsprechende ausgefüllte EB vorgelegt.

Indizien kann auch noch die notierte Frist auf dem Zustellungsexemplar des hier angefochtenen Urteils ("Berufung 24.09.01" - Bl. 92 d.A.; Anlage zur Berufungsschrift v. 4. September 2001) herangezogen werden. Hiernach werden in dem Büro des erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers keineswegs stets "großzügige Vorfristen" notiert, sondern es wird ganz konkret der Fristablauf mit der jeweils erforderlichen prozessualen Erklärung (Berufung bzw. Klage - Anlage K13) festgelegt.

Nach allem geht der Senat von einer wirksamen Zustellung in dem hier durch Besonderheiten geprägten Einzelfall (u.a. zugestandene Zustellung durch den Kläger, Fristeintragung im Zustellungsexemplar) auch ohne Rücksendung des ausgefüllten Empfangsbekenntnisses aus und er ist auch aufgrund der oben niedergelegten Tatsachen davon überzeugt (§ 286 ZPO), dass diese Zustellung bis zum 14. Juni 2000 erfolgt ist.

c) Der Kläger hat dann zwar die Klage am 11. September 2000 - vor Fristablauf - rechtzeitig anhängig gemacht, jedoch ist dies ohne Einzahlung des entsprechenden Gerichtskostenvorschusses erfolgt, so dass eine Zustellung - zunächst - nicht bewirkt werden konnte. Die Einzahlung wurde bei ihm mit Schreiben vom 15. September 2000 angemahnt. Eingezahlt wurden die Gerichtskosten dann tatsächlich erst am 8. November 2000, d.h. etwa sieben Wochen nach der Zahlungsaufforderung. Unter Beachtung von § 270 Abs. 3 ZPO ist die Zustellung der Klage aufgrund eigenen Verhaltens des Klägers bzw. dessen Prozessbevollmächtigten zu spät erfolgt (vgl. nur BGHZ 69, 361, 364, OLG Koblenz, OLGR 1999 S. 498, Meyer a.a.O. § 13 Rdnr. 7); die Ausschluss- und Klagefrist des § 13 Abs. 1 StrEG ist nicht gewahrt. Der Kläger ist mit dem geltend gemachten Anspruch ausgeschlossen.

2. Aber auch materiell stehen dem Kläger Entschädigungsansprüche nicht zu. Zwar ist das Zivilgericht an den Grundausspruch der Strafgerichte hinsichtlich der Entschädigungspflicht gebunden. Diese besagt aber nur, dass der Kläger nach Maßgabe des StrEG wegen der Beschlagnahme des Pkw Porsche zu entschädigen ist. Ob dann dem Kläger tatsächlich ein Anspruch auf Nutzungsausfallsentschädigung zusteht, ist Gegenstand des vorliegenden Zivilverfahrens (siehe Meyer a.a.O., Vorbem. vor §§ 10 - 13 Rdnr. 5 ff, § 13 Rn. 13 a).

a) Einen abgetretenen Nutzungsausfallentschädigungsanspruch der Firma Leasing GmbH kann er im vorliegenden Verfahren nicht geltend machen.

Zum einen besteht ein derartiger Anspruch nach dem StrEG nicht zugunsten der GmbH. Zum anderen wäre ein derartiger - einmal als gegeben unterstellter - Anspruch nicht abtretbar (§ 13 Abs. 2 StrEG). Und darüber hinaus müsste ein entsprechender Anspruch - zumindest für die GmbH - konkret berechnet und nachgewiesen werden, was bislang nicht erfolgt ist.

Damit scheidet ein Anspruch des Klägers aus abgetretenem Recht eindeutig aus.

b) Auch soweit der Kläger einen Anspruch auf Entschädigung für den Entzug seiner Nutzungsmöglichkeiten des Porsche mit dem Kennzeichen S im Berufungsverfahren geltend macht, bleibt sein Begehren ohne Erfolg.

aa) Es bestehen bereits ganz erhebliche Bedenken gegen einen durchgängigen, gerade auch für die Beschlagnahmedauer vorhandenen Nutzungswillen des Klägers hinsichtlich des Porsche 911 Carrera.

Unstreitig hat der Kläger diesen Pkw im Herbst/Winter 1998 - bis zur Beschlagnahme am 15. Dezember 1998 - über drei Monate nicht genutzt und bewegt. Dass sich an diesem Zustand, dem Willen, diesen Pkw Porsche nicht zu nutzen, etwas geändert hätte und aus welchen Gründen, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich. Bei fehlendem Nutzungswillen hinsichtlich des Pkw Porsche ist selbstverständlich eine Entschädigung dem Kläger nicht zu gewähren (Palandt-Heinrichs, Vorbem. v. § 249, Rdnr. 22).

bb) Aber auch aus dem eigenen Vortrag des Klägers und der von ihm vorgelegten Unterlagen folgt der Ausschluss eines Entschädigungsanspruchs (entgangene Nutzungsmöglichkeit).

Nach § 7 des von dem Kläger selbst vorgelegten Dienstvertrages zwischen der Firma Leasing GmbH, Stuttgart, und ihm als Geschäftsführer hatte die GmbH ihm einen Dienstwagen zur Verfügung zu stellen, den er auch für Privatfahrten nutzen konnte (Bl. 36 d.A.).

Zunächst stand dem Kläger wohl der später beschlagnahmte Porsche insoweit als Dienstwagen zur Verfügung, wobei er diesen drei Monate lang bis zum 15.12.1998 - unstreitig - nicht nutzte und sich wohl anderweitig behalf. Nachdem die ihm vertraglich eingeräumte Nutzungsmöglichkeit dieses Porsche durch Beschlagnahme am 15. Dezember 1998 - ohne seine Verursachung oder ein Verschulden - entfallen war, verblieb es bei dem schuldrechtlichen Anspruch des Klägers gegen seinen Arbeitgeber nach § 7 Abs. 2 des geschlossenen Vertrages. Er hatte zur Überzeugung des Senats einen Anspruch gegen seinen Dienstherrn auf Stellung eines Dienstfahrzeuges. Insoweit ist ihm wegen dieser vertraglichen Absprache mit der GmbH kein Schaden hinsichtlich der fehlenden Nutzungsmöglichkeit des beschlagnahmten Porsche entstanden, denn er hatte gerade einen Anspruch auf Zurverfügungstellung eines - anderen - Dienstwagens. Ob und gegebenenfalls aus welchen Gründen er diesen Anspruch nicht geltend gemacht hat, er möglicherweise statt dessen einen für ihn entgeltpflichtigen Leihwagen angemietet hat, ist weder dargetan noch sonst für den Senat ersichtlich. Es muss dabei verbleiben, dass dieser bestehende Anspruch auf Stellung eines (für ihn kostenlosen) Dienstwagens einen Nutzungsausfallschaden des Klägers völlig ausschließt (vergl. auch Palandt a.a.O. - m.w.Nachw.).

Demnach ist der Kläger mit seinem geltend gemachten Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung sowohl formell als auch materiell ausgeschlossen.

c) Ersatz für Kosten einer notwendigen anwaltlichen Tätigkeit (Grundverfahren) stehen dem Kläger auch wegen Fehlens eines materiellen Entschädigungsanspruchs nicht zu.

3. Nach allem hat das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung ist in der Sache ohne Erfolg und damit zurückzuweisen.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Diese Entscheidung weicht weder von anderen Entscheidungen der Obergerichte ab. Noch ist eine Revision zur Fortbildung des Rechts erforderlich. Die Frage des Zustellungszeitpunktes ist wegen der im vorliegenden Fall gegebenen Besonderheiten nicht allgemein klärungsbedürftig. Die Bindungswirkung an die strafgerichtliche Grundentscheidung ist ausreichend geklärt; diese Rechtsprechung hat sowohl die Kammer wie auch der Senat beachtet.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 10.272 Euro festgesetzt; in dieser Höhe ist der Kläger durch dieses Urteil beschwert.

Ende der Entscheidung

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