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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 10.01.2001
Aktenzeichen: 1 U 1557/98
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1939
BGB § 2303 Abs. 2
BGB § 2303 Abs. 1
BGB § 1931 Abs. 1
BGB § 1931 Abs. 3
BGB § 1371 Abs. 2
BGB § 1371 Abs. 1
BGB § 2332 Abs. 1 1. Alt.
BGB § 1937
BGB § 2229 Abs. 4
BGB § 2087 Abs. 2
BGB § 2313
BGB § 2332 Abs. 1
ZPO § 301 Abs. 1
ZPO § 288
ZPO § 138 Abs. 3
ZPO § 532
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
Leitsatz:

Zur Verjährung des Pflichtteilsanspruchs und der Auslegung eines Schriftstücks als Testament mit Erbeinsetzung.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 1 U 1557/98 3 O 398/95 LG Bad Kreuznach

Verkündet am 10. Januar 2001

Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

wegen Erbschaftsansprüchen

hier: Pflichtteil.

Der 1.Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kaessner, den Richter am Oberlandesgericht Dr.Giese und den Richter am Oberlandesgericht Dr.Itzel auf die mündliche Verhandlung vom 15. November 2000

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Teilurteil der Einzelrichterin der 3.Zivilkammer des Landgerichts Bad Kreuznach wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Klägerin, Witwe des 1983 verstorbenen Sch, macht gegen die Beklagten ihren gesetzlichen Pflichtteilsanspruch am Nachlass ihres Ehemannes geltend.

Dieser hat, bevor er sich zwischen dem 1. und 2. März 1983 auf dem Kuhberg in B das Leben nahm, seiner Mutter - A, inzwischen verstorben und von der Beklagten zu 1) (seiner Schwester) beerbt - einen am 1. März 1983 datierten und am folgenden Tage von ihr empfangenen Brief mit folgendem Inhalt gesandt:

"Mein letzter Wille

Mein Sohn R soll meine Uhr und meinen Ring bekommen und mein Auto.

Meine Mutter, Frau A, soll meine Lebensversicherung erhalten und davon

1. meine Feuerbestattung bezahlen,

2. meiner Tochter M 10.000 DM geben,

3. meiner Tochter S 10.000 DM geben.

Sch

Liebe Mama,

verzeih mir bitte alles, was ich Dir angetan habe. Ich hatte Dich immer sehr lieb.

Dein Bernd"

Dieses Schreiben (Original Bl.4 der Nachlassakten des Amtsgerichts 7 IV 134/83), welches die Adressatin am 14. März 1983 beim Nachlassgericht als Testament zum Zwecke der Eröffnung der Verfügung von Todes wegen einreichte, hat der Rechtspfleger des Nachlassgerichts im Anschluss an den Eröffnungstermin ausweislich seiner Verfügung vom 16. März 1983 (Bl.5 R d. vorgenannten Akten) den von der Antragstellerin als gesetzliche Erben benannten Beteiligten "Ehefrau Sch geb. M, Tochter M O geb. Sch, Sohn R Sch und Tochter S Sch" formlos übersandt. Die Klägerin bestreitet, eine Abschrift des Testamentes erhalten zu haben.

Ebenso streitig ist, ob die Klägerin von dem Testament zuvor oder anlässlich einer Familienzusammenkunft am Nachmittag des 2. März 1983 in ihrem Hause Kenntnis erhalten hat.

Außer den im Testament aufgeführten Vermögensgegenständen gehört zum Nachlass des Erblassers ein 2/3-Erbanteil an einem Hausgrundstück seiner Großmutter in Falkensee bei B (seinerzeit DDR), welcher nach der Wiedervereinigung Deutschlands (1990) zu einem Kaufpreis von 550.000 DM veräußert worden ist (vgl. Testamentseröffnungsantrag vom 14. 3. 1983 sowie Kopie einer begl. Abschrift des Erbscheins des Amtsgerichts Berlin-Charlottenburg vom 3. Dezember 1968, Bl.7 d. Nachlassakte 7 VI 550/92 AG B.

Am 6. November 1992 stellte die Klägerin beim Amtsgericht - Nachlassgericht - B einen Erbscheinantrag, der sie zu 1/2-Anteil neben ihren drei Kindern (zu je 1/6-Anteil) und bezüglich des Grundbesitzes in der ehemaligen DDR zu 1/4-Anteil als Erbin nach ihrem Ehemann ausweisen sollte. Das Nachlassgericht wies den Antrag mit Beschluss vom 26. Juni 1993 und das angerufene Beschwerdegericht - Landgericht B - die Beschwerde mit Beschluss vom 25. Januar 1994 mit der Begründung zurück, dass keine gesetzliche, sondern testamentarische Erbfolge eingetreten sei (Bl.45 a f und 58 f BA 7 VI 550/92 AG B).

Mit der vorliegenden Klage, die sie auf ihren vermeintlichen gesetzlichen Pflichtteilsanspruch an dem Erlös des oben genannten Hausgrundstückes stützt (1/4 von 366.666,66 DM) verlangt die Klägerin von den Beklagten gesamtschuldnerisch die Zahlung von 91.666,66 DM.

Die Klägerin hat (zuletzt) beim Landgericht beantragt,

die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an sie 91.666,66 DM nebst 4 % Zinsen aus 10.000 DM seit dem 15. Mai 1995 und 4 % Zinsen seit dem 27. September 1995 aus 81.666,66 DM zu zahlen.

Die Beklagte zu 1) hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Einrede der Verjährung erhoben und sich im Wesentlichen unter Beweisantritt darauf berufen, dass die Klägerin bereits am 2. März 1983 Kenntnis von dem Testament ihres Ehemannes erhalten habe, spätestens jedenfalls nach Übersendung der Abschrift des Testamentes durch das Nachlassgericht im März 1983.

Das Landgericht hat die Klage, soweit sie sich gegen die Beklagte zu 1) richtet, durch Teilurteil vom 29. Juli 1998 (Bl.318 - 330 GA) nach Beweisaufnahme abgewiesen, weil der behauptete Pflichtteilsanspruch nach dem Beweisergebnis verjährt sei (§ 2332 BGB). Hinsichtlich des anwaltlich nicht vertretenen Beklagten zu 2) sah sich das Landgericht, da die Klägerin insoweit auch keinen Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils gestellt hatte, an einer Entscheidung gehindert.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, die unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens hilfsweise geltend macht, Erbin kraft gesetzlicher Erbfolge geworden zu ein (Bl.343 f und 385 f GA).

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an sie (Klägerin) 45.833,33 DM nebst 4 % Zinsen aus 10.000 DM seit dem 15. Mai 1995 und 4 g Zinsen aus 35.833,33 DM seit 27. September 1995 zu zahlen,

hilfsweise:

Das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 29. Juni 1998 abzuändern und die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an sie (Klägerin) 91.666,66 DM nebst 4 % Zinsen aus 10.000 DM seit dem 15. Mai 1995 und 4 % Zinsen aus 81.866,66 DM seit dem 27. September 1995 zu zahlen.

Die Beklagte zu 1) (im Folgenden: Beklagte) beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch sie hält an ihrem bisherigen Vorbringen fest und ergänzt dieses (Bl.369 f GA).

Von einer weiteren Sachdarstellung wird abgesehen (§ 543 Abs.1 ZPO).

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.

Das Landgericht hat die Klage nach eingehender Beweisaufnahme und Beweiswürdigung mit zutreffenden Gründen zu Recht abgewiesen. Der Senat nimmt auf diese Entscheidungsgründe Bezug und macht sie sich zur Vermeidung von Wiederholungen zu eigen.

Auch das Berufungsvorbringen führt - jedenfalls im Ergebnis - zu keiner abweichenden Beurteilung. Soweit die Klägerin nach Klarstellung ihres Begehrens (vgl. S.1 ihres Schriftsatzes vom 7. Juni 1999, Bl.385 GA) mit dem Hauptantrag ihren gesetzlichen Pflichtteil auf den 2/3-Anteil an dem streitgegenständlichen Hausgrundstück verlangt, scheitert die Klage an der bei Anhängigmachung der Klage am 7. März 1995 bereits eingetretenen Verjährung des Pflichtteilsrechtes (§§ 2303, 2332 BGB). Soweit sie mit ihrem Hilfsantrag die Herausgabe des Erbschaftsbesitzes an dem Veräußerungserlös des Hauses "in Höhe des ihr zustehenden gesetzlichen Erbteils von 1/2 am Nachlass des Ehemannes" (jedoch beschränkt auf "einen Teilbetrag des ihr zustehenden Erbes") anstrebt, ist das Zahlungsbegehren deshalb unbegründet, weil ihr Ehemann durch das privatschriftliche Testament vom 1. März 1983 das gesetzliche Erbrecht § 1931 BGB) ausgeschlossen und andere Personen als die Klägerin als Erben bestimmt hat (§§ 1937, 2064 f BGB), worüber sich - soweit das streitgegenständliche in der früheren DDR gelegene Grundstück betroffen ist - der aufgrund der besonderen Gesetzeslage nach dem Einigungsvertrag am 11. März 1994 vom Amtsgericht B erteilte gemeinschaftliche Erbschein verhält (Bl.68 d.BA 7 VI 550/92 AG Bad Kreuznach).

Diese Rechtslage würde selbst dann gelten, wenn man der Auffassung des Nachlassgerichtes im Beschluss vom 26. Juni 1993 und der Beschwerdekammer im Beschluss vom 25. Januar 1994 nicht folgen sondern die streitgegenständliche letztwillige Verfügung als bloße Vermächtnisanordnung nach § 1939 BGB ansehen würde, weil diese zugleich als Ausschließung der gesetzlichen Erbfolge der Ehegattin verstanden werden müsste § 1938 BGB).

Das angefochtene Urteil begegnet auch keinen verfahrensrechtlichen Bedenken. Wie sich aus der (vorstehend zusammengefassten) materiellen Rechtslage ergibt, war die Klage zur Endentscheidung reif. Soweit sich der geltend gemachte Pflichtteilsanspruch gegen die Beklagte als Gesamtschuldnerin richtet, hatte deshalb das Landgericht nach § 301 Abs.1 ZPO über die Klage durch Endurteil (Teilurteil) zu befinden. Ein Teilurteil ist auch zulässig gegen einen von mehreren Gesamtschuldnern (Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, ZPO, 56. Aufl., Rdz.15 zu § 301).

II.

Die Klägerin hat ihren Ehemann nicht beerbt. Sie hatte indes gegen die beklagten Erben (bzw. Ersatzerben) einen bis zu der wirksam erhobener Einrede der Verjährung durchsetzbaren Pflichtteilsanspruch.

Anspruchsgrundlage für das Hauptbegehren der Klägerin ist §§ 2303 Abs.2 i.V.m. Abs.1 und i.V.m. §§ 1931 Abs.1 und 3 und 1371 Abs.2 BGB. Da der Ehemann der Klägerin diese durch wirksame, insbesondere im testierfähigen Zustand errichtete Verfügung von Todes wegen (Testament vom 1. März 1983) von jeder Erbfolge ausgeschlossen hat (§§ 1938, 2303 Abs.2 Satz 2 BGB), ist ihr nur der obligatorische Anspruch gegen die Erben auf Auszahlung des Pflichtteils verblieben. Dieser bestand im vorliegenden Fall lediglich in Höhe des für nicht erbrechtlich bedachte Ehegatten geltenden sog. kleinen Pflichtteils, d.h. der nicht durch Zugewinnausgleich gemäß §§ 1931 Abs.3, 1371 Abs.1 BGB erhöhten Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils (§§ 2303 Abs.2 Satz 1 und 2, Abs.1 Satz 2, 1371 Abs.2, 1931 BGB). Dieser (reine) Pflichtteilsanspruch ist gemäß § 2332 Abs.1 1.Alt.BGB verjährt, weil die Klägerin ihn nicht innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist gerichtlich geltend gemacht hat (§ 209 BGB).

Entgegen der Berufungsbegründung hat es das Landgericht auch nicht versäumt, über etwaige Zugewinnausgleichsansprüche der Klägerin nach § 1371 Abs.2 BGB zu befinden. Denn die Frage des Zugewinns ist nicht Streitgegenstand des vorliegenden Prozesses. Nach dem Begehren der Klägerin braucht hier nicht entschieden zu werden, ob sie noch mit Erfolg neben dem Pflichtteilsanspruch nach güterrechtlichen Vorschriften (§ 1373 f BGB) Ausgleich eines etwaigen Zugewinns fordern kann, wobei für den selbständigen Anspruch auf Zugewinnausgleich (vgl. BGH NJW 1983, 388) ebenfalls die Frage der Verjährung von Bedeutung sein dürfte (vgl. BGH NJW 1984, 2935).

Der Hilfsantrag der Klägerin ist unbegründet, weil sie ihr Ehemann enterbt hat.

Im Einzelnen:

1.

Der Ehemann der Klägerin hat wirksam gemäß § 1937 BGB mit der Testamentserrichtung vom 1. März 1983 die gesetzliche Erbfolge ausgeschlossen und seinen Sohn R wie auch seine Mutter A, die Rechtsvorgängerin seiner Schwester, der Beklagten, als Erben bestimmt. Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsauffassung des Nachlassrichters im Beschluss vom 26. Juni 1993, der Beschwerdekammer im Beschluss vom 25. Januar 1994 und des Landgerichts im angefochtenen Urteil an. Er teilt indessen nicht die entgegenstehenden Rechtsausführungen der Berufung (S.12 f - Bl.354 f GA).

Zunächst bestehen keine durchgreifenden Bedenken, dass jenes als "mein letzter Wille" überschriebene Schriftstück vom 1. März 1983 als rechtswirksames Testament zu werten. Es ist vom Ehemann der Klägerin handschriftlich verfasst, mit Datum versehen und von ihm unterschrieben. Es bestehen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Testierunfähigkeit des Erblassers. Nach § 2229 Abs.4 BGB ist nur derjenige an der wirksamen Testamentserrichtung gehindert, der wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Dafür fehlt es auch bei Unterstellung der Richtigkeit der Behauptungen der Klägerin an stichhaltigen Indizien.

Es mag zwar sein, dass der Erblasser zur Zeit des Selbstmordes schwer zuckerkrank war und - wie bestritten - täglich größere Alkoholmengen zu sich nahm. Ob und in welchem Umfang er allerdings bei Abfassung des Testamentes alkoholisiert war, steht nicht fest und lässt sich auch nicht durch das Beweisangebot der Klägerin - Vorlage des Obduktionsberichtes der Kriminalpolizei Bad Kreuznach - feststellen. Denn der wahre Zeitpunkt der Errichtung des Testamentes ist nicht bekannt; selbst wenn man von der Richtigkeit des Datums des 1. März 1983 ausgeht, lässt sich - nachdem der Erblasser erst am 2. März 1983 um 13.45 Uhr tot aufgefunden worden war und die Obduktion erst danach veranlasst werden konnte - nicht genau sagen, wieviel Stünden zwischen der Testamentserrichtung vom 1. März 1983 (nachts ?) tags ?) und der Obduktion vergangen sind. Außerdem ergeben auch das keine Unregelmäßigkeiten erkennen lassende Schriftbild und der vernünftig - logisch - erscheinende Inhalt des Testamentes keinen Hinweis auf eine Geistes- oder Bewusstseinsstörung, ebensowenig wie der Umstand, dass die letztwillige Verfügung möglicherweise schon von der Selbstmordabsicht getragen war.

Das Testament stellt eine Erbeinsetzung dar. Zwar bedarf es, weil es in keiner Zeile das Wort "erben bzw. vererben" enthält, vielmehr auf die Zuwendung einzelner Gegenstände an verschiedene Personen beschränkt ist, der Auslegung. Die in Fällen derartiger Art in Betracht kommende Vorschrift des § 2087 Abs.2 BGB greift hier aber nicht ein.

Nach § 2087 Abs.1 ist eine letztwillige Verfügung dann als Erbeinsetzung anzusehen, wenn ein Erblasser "sein Vermögen oder einen Bruchteil seines Vermögens" dem Bedachten auch ohne Bezeichnung als Erbe zugewendet hat. Nach Abs.2 dieser Vorschrift gilt "im Zweifel." bei Zuwendung nur einzelner Gegenstände das Gegenteil. Vorliegend hat nun zwar der Ehemann der Klägerin über seine Uhr, seinen Ring und sein Auto (Bedachter sein Sohn R sowie über Ansprüche aus einer - vermeintlich ihm zustehenden auszahlungsfähigen - Lebensversicherung (Bedachte und mit Zahlungsverpflichtungen Beschwerte: seine Mutter) verfügt, während der 2/3-Anteil an dem Haus in Falkensee unerwähnt bleibt. Gleichwohl lässt bei sachgerechter Betrachtung die Auslegung des Testamentes nicht die Annahme zu, dass der Erblasser lediglich Vermächtnisanordnungen im Sinne von §§ 2147 ff BGB hat treffen wollen. Es liegt nach den Umständen vielmehr nahe, dass der Erblasser seinem Anteil an dem damals (1983) in der DDR gelegenen Hausgrundstück, wie die Beschwerdekammer richtig erkannt hat, "keinen Gebrauchswert oder verfügbaren Verkehrswert" für die im Testament Bedachten beigemessen hat, sofern er überhaupt (noch) an jenen 1967 von seiner Großmutter ererbten Grundstücksanteil gedacht hat. Hierfür spricht auch die Äußerung der insoweit vom Senat in der mündlichen Verhandlung befragten Klägerin, wonach der Familie zwar der Hausanteil als Erbmasse ihres Ehemannes bekannt war, man jedoch wegen der politischen Verhältnisse nicht an eine Zugriffsmöglichkeit dachte, vielmehr vergeblich einen Lastenausgleichsanspruch anstrebte, der vom zuständigen Amt der BRD jedoch mangels förmlicher Enteignung durch die DDR-Behörden versagt worden sein soll.

Fehlt es der Klägerin somit an entgegenstehenden Erkenntnissen, ist bei der geschilderten Sachlage und bei Berücksichtigung der politischen Verhältnisse im Jahre 1983, die keinerlei Anzeichen für eine überhaupt nur mögliche, geschweige denn baldige Wiedervereinigung Deutschlands zutage treten ließen, davon auszugehen, dass der Ehemann der Klägerin mit seiner letztwilligen Verfügung angenommen haben dürfte, über sein gesamtes (wesentliches) Vermögen verfügt und dabei seinen Sohn R und seine Mutter vornehmlich bedacht zu haben. Dies reicht nach § 2087 BGB für die Annahme einer Erbeinsetzung aus (vgl. BGH DNotZ 1972, 500 und BayObLG FamRZ 1992, 862).

Im Übrigen hat die Klägerin bislang, d.h. bis zur Berufungsbegründung, selbst die Auffassung vertreten, "nicht Erbin geworden" zu sein (vgl. Klageschrift sowie Schreiben an den Beklagten zu 2) vom 9. Februar 1995 - Bl.5 GA). Jedenfalls scheint sie zu dieser Überzeugung durch den Beschluss des Landgerichts B vom 25. Januar 1994 gelangt zu sein, was auch daraus zu entnehmen ist, dass sie von der unter den Voraussetzungen des § 27 FGG möglichen weiteren Beschwerde zum OLG Zweibrücken keinen Gebrauch gemacht hat.

2.

War die Klägerin somit von der Erbfolge ausgeschlossen, hätte sie, um an dem Falkenseer Nachlasswert teilhaben zu können, ihren Pflichtteilsanspruch nach § 2303 BGB innerhalb von 3 Jahren von dem Zeitpunkt an realisieren müssen, in welchem sie von dem Eintritt des Erbfalls und von der sie beeinträchtigenden Verfügung vom 1. März 1983 Kenntnis erlangt hatte (§ 2332 Abs.1 1.Alt. BGB). Das hat sie nicht getan.

Jedenfalls hat die Beklagte, deren Verjährungseinrede ein Leistungsverweigerungsrecht und damit ihre Beweisbelastetheit bewirkt, durch die Aussagen der vom Landgericht vernommenen Zeugen in Verbindung mit den unstreitigen Tatsachen und in den Akten befindlichen Urkunden den Beweis dafür erbracht, dass die Klägerin das Testament vom 1. März 1983 und ihre darin enthaltene Enterbung schon bei dem Familientreffen vom 2. März 1983 und allerspätestens seit - mangels zwingender entgegenstehender Anhaltspunkte anzunehmenden - Zugang der Abschrift des Testamentes durch am 21. März 1983 ausgeführte Übersendungsverfügung des Rechtspflegers des Nachlassgerichtes Bad Kreuznach vom 16. März 1983 hatte.

a)

Dieser im angefochtenen Urteil ausführlich begründeten Überzeugung des Landgerichts tritt der Senat bei, ohne dass es einer Wiederholung der Zeugenvernehmungen bedürfte.

Die zutreffende Beweiswürdigung des Landgerichts wird insbesondere von der glaubhaften Aussage des Zeugen B getragen, die auch nicht durch die teilweise entgegenstehenden Bekundungen der Zeugin E, schon gar nicht der Zeugen O und O (Bl.281 - 290 GA), entwertet werden, zumal die letztgenannten beiden Zeugen (frühere Eheleute) sich gegenseitig der Lüge bezichtigen. Der Senat nimmt, um Wiederholungen zu vermeiden, vollinhaltlich auf die erstinstanzlichen Würdigungen der Zeugenaussagen Bezug.

Maßgebend bleiben die im Wesentlichen übereinstimmenden oder zuletzt erläuterten Aussagen des Zeugen B vom 14. Juli 1995 (Bl.31 f GA) und vom 1. Juli i7 (Bl. 278 f GA). Danach ist jedenfalls davon auszugehen, dass die Klägerin, wenn nicht sogar durch ihre Schwiegermutter unmittelbar nach Erhalt des Briefes des Erblassers, auf jeden Fall anlässlich der zum Teil streitigen Familienzusammenkunft am Nachmittag des 2. März 1983 das streitige Schriftstück (Testament) zu Gesicht bekommen und mit dem Satz "muss das sein, wollt ihr jetzt schon erben ?" kommentiert hat. Dies gilt auch vor dem Hintergrund der sich widersprechenden zwei Darstellungen der Klägerin über den Ablauf des Nachmittages und steht im Einklang mit dem Verhalten der Klägerin zwischen 1983 und 1992 (Erbscheinsantrag).

Selbst wenn man den Aussagen des Zeugen B nicht folgen oder ein non liquet annehmen wollte, erscheint nach Überzeugung des Senats die Behauptung der Klägerin, sie sei erst im von ihr 1992 angestrengten Erbscheinsverfahren bzw. durch die mit Verfügung vom 11. Dezember 1992 erfolgte (nochmalige) Übersendung einer Kopie des Testamentes (Bl.8 BA) über die Existenz der letztwilligen Verfügung unterrichtet worden, angesichts der gerichtlichen Verfügung vom 16. März 1983 nicht nachvollziehbar. Es trifft nicht zu, dass die Verfügung des Rechtspflegers vom 16. März 1983 "beglaubigte Abschrift des Testaments formlos übersenden an a) gesetzliche Erben (Bl.1 d.A.)" ausweislich des Abvermerkes nicht ausgeführt worden sei. Im Gegenteil, der Verfügungspunkt "1. a)" wurde - ebenfalls wie die Übersendung an das Grundbuchamt (1. b) - am 21. März 1983 abverfügt und mit einer Paraphe versehen (Bl.5 R d.A. 7 IV 134/83 AG B ). Bei dieser Sachlage kommt es nicht einmal darauf an, ob die aus den Zeugenaussagen gewonnene Annahme des Landgerichts, auch die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1) (Schwiegermutter) habe sowohl ihr, der Klägerin, als auch deren Kindern S, M und R jeweils eine Kopie des Testamentes zugesandt, vertretbar ist oder nicht.

Alles in allem wäre es schlichtweg lebensfremd anzunehmen, dass eine Witwe, die sich neben gemeinsamen Kindern für die gesetzliche Erbin und Zugewinnausgleichsberechtigte nach ihrem verstorbenen Ehemann hält, fast 10 Jahre lang keinerlei Anstalten trifft, ihr Erbrecht zu realisieren, einen Erbschein zu erlangen oder auf andere Weise sich mit den Miterben über den Nachlass, z.B. des Falkenseer Grundstücksanteils, zu verständigen.

b)

Allerdings kommt es für die Berechnung der Verjährungsfrist bei der vorliegend gestalteten Sachlage nicht allein auf die nach § 2332 BGB maßgebliche Kenntnis vom Eintritt des Erbfalls an, weil es vorliegend um Pflichtteilsansprüche aus dem Erlösanteil an einem in der früheren DDR belegenen Grundstück geht, welches dem Vermögensgesetz unterliegt. In solchen Fällen beginnt, wie das Landgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat, nach herrschender Rechtsprechung unter entsprechender Anwendung des § 2313 BGB der Lauf der Verjährungsfrist frühestens mit dem Inkrafttreten des Vermögensgesetzes vom 29. September 1990, das ist der Tag der Wiedervereinigung: 3. Oktober 1990 (vgl. BGH NJW 1993, 2176; OLG Koblenz in DtZ 1993, 253 und Pressler, DtZ 1993, 229). Die hiervon abweichende weitergehende von der Klägerin zitierte Rechtsansicht, derzufolge es für die Verjährung von Ansprüchen nach dem Vermögensgesetz (immer unterstellt, dass es sich vorliegend tatsächlich um von der DDR enteignetes Grundvermögen handeln sollte), pauschal auf den Zeitpunkt ankomme, in dem der Anspruch nach dem Vermögensgesetz rechtskräftig beschieden sei (Casimir in Deutsche Zeitschrift 1993, 234, 236), ist nach der Gesetzeslage nicht vertretbar (OLG Düsseldorf NJW-RR 1998, 1157).

Damit war die Verjährungsfrist im vorliegenden Fall jedenfalls mit Ablauf des 2. Oktober 1993 verstrichen. Infolgedessen vermochte die Klage vom 7. März 1995 die Verjährungsfrist des § 2332 BGB nicht mehr zu unterbrechen.

c)

Ebenso ohne Erfolg wendet die Klägerin ein, sie habe von der ihr Erbrecht beeinträchtigenden letztwilligen Verfügung ihres Ehemannes erst mit der Entscheidung des Nachlassgerichts vom 26. Juni 1993 Kenntnis erlangt, so dass der Lauf der 3-jährigen Verjährungsfrist erst dann begonnen haben könne. Dieser Ansicht ist insbesondere im Hinblick auf die grundlegende Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25. Januar 1995 (NJW 1995, 1157) selbst bei Berücksichtigung der Äußerung des um eine vom Anwalt der Klägerin, Streitverkündeten Dr.R Stellungnahme gebetenen Notars H vom 30. November 1992 (Bl.359 GA) nicht zu folgen.

Es ist zwar grundsätzlich richtig, dass ein Pflichtteilsberechtigter sich seiner erbrechtlichen Beeinträchtigung bewusst sein muss, wenn er zur Abwendung einer Verjährung Pflichtteilsansprüche geltend macht. Mithin bedurfte es im vorliegenden Fall des von den Beklagten zu führenden Nachweises, dass die Klägerin mehr als 3 Jahre vor Verjährungsbeginn wenigstens im Groben ihre Enterbung gekannt hat. Diesen Nachweis erachtet der Senat mit dem Landgericht für erbracht.

Die infrage gestellte Kenntnis im Sinne von § 2332 Abs.1 BGB setzt lediglich voraus, dass der Pflichtteilsberechtigte den wesentlichen Inhalt der beeinträchtigenden Verfügung erkannt hat. Dazu ist eine in die Einzelheiten gehende Prüfung der Verfügung und eine fehlerfreie Bestimmung ihrer rechtlichen Natur nicht erforderlich (BGH NJW 1995, 1157 m.w.N.). Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Vorstellungen des Pflichtteilsberechtigten über den beim Erbfall vorhandenen Nachlass und seinen Wert zutreffen (BGH FamRZ 1977, 128, 129 f und a.a.O.). Freilich genügt es nicht, dass der Pflichtteilsberechtigte nur von der Tatsache, dass überhaupt eine testamentarische Verfügung besteht, weiß und evtl. aus dem Verhalten der sonst Beteiligten schließen kann, dass das Testament möglicherweise einen ihn beeinträchtigenden Inhalt hat (RGRK-Johannsen, Rdz.7 zu § 2332). Nicht erforderlich ist es dagegen, dass er die Verfügung in allen Einzelheiten selbständig geprüft und ihre juristische Natur zutreffend bestimmt hat, ebenso wenig wie die unrichtige Auslegung einer letztwilligen Verfügung - im vorliegenden Fall also etwa als bloße Vermächtnisanordnung - den Fristbeginn nicht hindert (Staudinger-Olshausen, BGB, 13.Bearb. 1998, Rdz.15 zu § 2332 m.w.N.). Gleichfalls unerheblich ist es für den Fristbeginn, dass der Pflichtteilsberechtigte den Umfang seiner Benachteiligung nicht voll erfasst hat. Denn es ist seine Sache, sobald er die beeinträchtigende Verfügung kennt, sich rechtzeitig innerhalb der Verjährungsfrist über die für die Pflichtteilsfrage in Betracht kommenden Verhältnisse, insbesondere über Bestand und Wert des Nachlasses zu unterrichten (Staudinger-Olshausen a.a.O., Rdz.17 unter Hinweis auf RGZ 104, 195 f und w.N.).

Gemessen an diesen Grundsätzen ist es ohne Belang, wenn die rechtlich beratene Klägerin, die Richtigkeit ihrer Behauptungen unterstellt, das Testament ihres Ehemannes infolge eines Tatsachen- oder Rechtsirrtums inhaltlich falsch gewertet und fälschlicherweise davon ausgegangen sein sollte, es entfalte für sie keine beeinträchtigende Wirkung. Es kommt auch nicht entscheidend darauf an, dass der Erblasser im Testament weder die Klägerin noch den Falkenseer Grundstücksanteil erwähnt hat. Wie das Testament auszulegen ist, haben in Übereinstimmung mit dem erkennenden Senat sowohl das Nachlassgericht als auch das Beschwerdegericht als auch das Landgericht im angefochtenen Urteil zum Ausdruck gebracht. Dass der die Klägerin im Erbscheinsverfahren vertretende Rechtsanwalt Dr. diese Auffassung, dass das streitige Testament nicht nur Vermächtnisanordnungen, sondern eine Erbeinsetzung enthalte, jedenfalls nicht für abwegig oder unvertretbar gehalten hat, ergibt sich im Übrigen gerade aus seiner - andernfalls überflüssigen - Bitte um Rechtsauskunft gegenüber dem Notar H.

Im Übrigen kann, wie in der obigen Beweiswürdigung ausgeführt, der Klägerin aber auch nicht abgenommen werden, dass sie von dem "Abschiedsbrief" erst im November 1992 durch das Nachlassgericht Kenntnis erhalten und erst in der Folgezeit ihre Enterbung bewusst erfasst hat. Es sprechen vielmehr alle oben erörterten Anzeichen dafür, dass die Klägerin 9 Jahre lang deshalb keinen Erbscheinsantrag zu stellen sich veranlasst gesehen hat, weil sie sich sehr wohl zutreffenderweise nicht als Erbin - eben auch nicht als gesetzliche Erbin - gesehen und den Umstand, dass ihr Ehemann das sie nicht einmal erwähnende Testament als Abschiedsbrief nicht an sie als Ehefrau, sondern an ihre Schwiegermutter, seine Mutter, gerichtet hat, in der zutreffenden Parallelwertung in der Laiensphäre als "Enterbung" eingeordnet hatte.

Schließlich ist auch an dieser Stelle darauf zu verweisen, dass es der Klägerin unbenommen geblieben wäre, gegen die angeblich unhaltbare Rechtsauffassung des Nachlassgerichts und der Beschwerdekammer durch weitere Beschwerde zum Oberlandesgericht vorzugehen.

III.

Das Landgericht hat nach alledem die Klage zu Recht als unbegründet erachtet. Auch die neuen rechtlichen Gesichtspunkte der Berufungsbegründung vermögen, sofern man sie überhaupt gemäß §§ 288, 138 Abs.3, 532 ZPO für prozessual zulässig hält, an dem Ergebnis nichts zu ändern. Die Berufung der Klägerin ist daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs.1 ZPO zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 713 ZPO.

Der Wert des Berufungsgegenstandes wird - im Hinblick auf die ausdrückliche Beschränkung des Berufungsangriffs (S.2 und 5 der Berufungsschrift) - auf 45.833,33 DM festgesetzt. Die Klägerin ist in gleicher Höhe beschwert.

Ende der Entscheidung

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