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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 10.07.2001
Aktenzeichen: 1 U 1692/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 543 Abs. 1 a.F.
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 249
BGB § 252
BGB § 254
Das Wasser zur Beregnung von landwirtschaftlich angebautem Gemüse (Blumenkohl) liefernde Versorgungsunternehmen ist verpflichtet, das Beregnungswasser auch frei von Farb- und Trübstoffen zur Verfügung zu stellen.

Die durch das Beregnungswasser (Farb-, Trübstoffe) bedingte Rot-, Braunfärbung des (weißen) Blumenkohls stellt eine Eigentumsverletzung dar, für die das Versorgungsunternehmen ersatzpflichtig ist.


Oberlandesgericht Koblenz IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 1 U 1692/01

Verkündet am: 10. Juli 2002

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatzes (Lieferung von Beregnungswasser).

Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Krämer und die Richter am Oberlandesgericht Dr. Giese und Dr. Itzel auf die mündliche Verhandlung vom 12. Juni 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Anschlussberufung des Klägers wird das am 15. Juni 2001 verkündete Urteil des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des Landgerichts Mainz abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 24.626 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 15. August 1996 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des gesamten Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

I. Der Kläger verlangt von der Beklagten, die Beregnungswasser für landwirtschaftliche Zwecke zur Verfügung stellt, Ersatz für Schäden an seinem Blumenkohl, der nach Bewässerung Ende Mai/Anfang Juni 1996 bräunlich verfärbt war.

Dieser Blumenkohl sei nicht bzw. nur weit unter Marktwert veräußerbar gewesen.

Die Parteien streiten im Wesentlichen darüber, woher die bräunlichen Rückstände herrühren (Ackerboden des Klägers, Rohrleitungs-, Sedimentrückstände bei der Beklagten).

Die Beklagte ist der Auffassung, dass das unstreitig hygienisch einwandfreie Wasser - selbst mit Trübstoffen belastet - ordnungsgemäß für Beregnungszwecke sei und ihre Haftung nicht begründen könne.

Das Landgericht hat nach umfangreicher Beweisaufnahme (Sachverständigengutachten, zahlreiche Zeugen) die Beklagte weitgehend antragsgemäß verurteilt und dies im Wesentlichen damit begründet, dass die rötlichen, bräunlichen Farbstoffe aus den Brunnenanlagen der Beklagten herrührten, wo die Sedimente durch das mehrfache Anlaufen der Pumpen aufgewirbelt und so in das Leitungsnetz, das Beregnungswasser und damit auf den Blumenkohl des Klägers gelangt seien.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie unter Intensivierung ihres erstinstanzlichen Vertrages Klageabweisung begehrt.

Mit der Anschlussberufung beantragt der Kläger eine weitergehende Verurteilung der Beklagten (weitere 1.118,75 DM).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze mit den weiter zu den Akten gereichten Unterlagen sowie auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (S. 2-5; Bl. 288-291 d.A.) verwiesen.

Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO (a.F.) abgesehen.

II. Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Auf die Anschlussberufung des Klägers ist die Beklagte zu Schadensersatz auf der Grundlage der Feststellungen und Berechnungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. agr. Dr. R zu verurteilen (24.626 DM).

Dem Kläger steht dieser Schadensersatzanspruch gemäß §§ 823 Abs. 1, 249, 252 BGB zu.

Es kann damit die Beantwortung der Frage offenbleiben, ob hier ein Wasserlieferungsvertrag zugunsten oder mit Schutzwirkung Dritter (Kläger) gegeben ist, dem Kläger mithin vertragliche Rechte zustehen oder auch ob möglicherweise ein Fall der Drittschadensliquidation vorliegt.

Die Beklagte haftet wegen Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht aus Delikt.

Sie hat mit Trübstoffen, bräunlich-rötlichen Sedimentstoffen versehenes Wasser gerade zu Beregnungszwecken zur Verfügung gestellt und so auch für sie vorhersehbar das optische Erscheinungsbild des Blumenkohls des Klägers erheblich beeinträchtigt, diesem mithin einen Eigentumsschaden zugefügt (vgl. Palandt-Thomas, § 823 Rdnr. 58 ff.).

1. Zunächst geht der Senat in Übereinstimmung mit der angefochtenen Entscheidung auf Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme davon aus, dass die festgestellten Rückstände und Verfärbungen nicht von Bodenmaterial aus den Äckern des Klägers herrühren.

Gleiches gilt für (Rost-)Rückstände aus den Rohrleitungen; diese waren zu Beginn der Beregnungssaison gespült worden.

2. Mit dem Landgericht ist der Senat der Überzeugung (§ 286 ZPO), dass als einzige Ursache für die Trübstoffe in dem Beregnungswasser die Brunnenanlagen der Beklagten verbleiben. Der Sachverständige Prof. Dr. K hat in seinem Gutachten vom 23. Juli 1999 u.a. folgendes ausgeführt (S. 6; Bl. 164 d.A.):

"... demgegenüber fördern die Brunnen EB 1 und EB 3 ihr Wasser aus ausgedehnten Bereichen von rötlichem Fein-Mittel- und Grobsand.

Insbesondere beim Anfahren der Wasserförderung können aus diesen Bereichen feine und feinste Bestandteile rötlicher Farbe mitgerissen werden und unter Umständen mit dem Beregnungswasser auf den landwirtschaftlichen Flächen verteilt werden. ...

Damit besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass durch diese Betriebsart rötliche Trübstoffe mit dem Wasser mitgerissen wurden. ...

Die insbesondere im Brunnen EB 1 und EB 3 eingesetzte Betriebsweise des fortwährenden An- und Abfahrens der Pumpe führt zu starker Trübstoffführung des geförderten Wassers. ...

Da die Verfärbung auf dem Blumenkohl nach Angabe des Sachverständigen Sch und einiger Zeugen und insbesondere die Verfärbung des Wassers beim Zeugen B eine rotbraune Färbung hatte, muss davon ausgegangen werden, dass diese Verfärbung durch ausgeschwemmte Trübstoffe aus den Brunnen EB 1 und/oder EB 3 herrührt"

Zusammenfassend führt der Sachverständige in S. 7 (Bl. 165 d.A.) seines Gutachtens aus:

"Das Wasser der Brunnen EB 1 und EB 3 enthält mit großer Wahrscheinlichkeit, bevorzugt beim wiederholten Anfahren der Wasserförderung, rötliche Trübstoffe, die in Abhängigkeit von den Betriebsbedingungen zum Teil mit dem Wasser verregnet werden und sich zum Teil in dem Zwischenbehälter und den Rohrleitungen ablagern."

Der Zeuge H hat in der Sitzung vom 3. Dezember 1999 (Bl. 208 d.A.) zu diesem Fragenkomplex wie folgt bekundet:

"Im fraglichen Zeitpunkt wurde der Brunnen 1 kurzfristig zugeschaltet, um die erforderliche Wassermenge im Zwischenbehälter konstant zu halten. Ob dabei Trübstoffe in stärkerem Maße verwirbelt worden sind, als dies sonst der Fall ist, vermag ich nicht zu sagen."

Wegen Ausschlusses anderweitiger möglicher und denkbarer Ursachen rühren demnach die den Schaden bei dem Kläger verursachten Rückstände, Trübstoffe aus dem Verantwortungsbereich der Beklagten her. Diese war nicht nur verpflichtet, ausreichend Wasser, hygienisch einwandfrei, mit dem erforderlichen Druck zur Verfügung zu stellen, sondern sie war auch verpflichtet, das zur Beregnung gelieferte Wasser so aufzubereiten, dass Farbbeeinträchtigungen an Gemüse und den sonstigen Feldfrüchten auf den beregneten Flächen, damit Schädigungen des Eigentums nicht entstehen können. Das gelieferte Wasser war gerade für Beregnungszwecke bestimmt und dem Kläger hierfür zur Verfügung gestellt worden. Insoweit hat die Beklagte eine besondere Gefahrenquelle für den Kläger eröffnet. Diese mußte sie unter Kontrolle halten und hierdurch bedingte Schädigungen ausschließen (Verkehrssicherungspflicht).

Dass auch (nur) optische Beeinträchtigungen von Früchten und Gemüse deren Wert und Veräußerbarkeit massiv beeinträchtigen können, ist allgemein bekannt.

Dass hier Unzumutbares von der Beklagten gefordert würde, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Die Beklagte hat ihre Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich des mit rötlich-bräunlichen Trübstoffen versetzten gelieferten Beregnungswassers verletzt und ist dem Kläger ersatzpflichtig.

3. Die Höhe des Schadens ist wohl inzwischen zwischen den Parteien unstreitig (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 11. Dezember 2001, S. 1, 2; Bl. 308 f. d.A.); diese steht nach dem Gutachten Dr. F auch für den Senat fest (§ 287 ZPO).

Dem Kläger ist vorliegend auch kein Mitverschulden i. S. von § 254 BGB zuzurechnen, da ein entsprechender Sachverhalt (z.B. trotz erkannter Verschmutzungen Durchführung weiterer Beregnungen) weder konkret vorgetragen noch sonst ersichtlich ist.

Auf die Anschlussberufung ist die Beklagte entsprechend zur Zahlung von 24.626 DM nebst 4 % Verzugszinsen zu verurteilen.

Die Berufung der Beklagten hat nach allem keinen Erfolg und ist zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1; die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 24.626 DM festgesetzt; in dieser Höhe ist die Beklagte durch dieses Urteil beschwert.

Ende der Entscheidung

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