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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 12.12.2007
Aktenzeichen: 1 U 180/07
Rechtsgebiete: BGB, GG


Vorschriften:

BGB § 254
BGB § 839
GG Art. 34
Die Auskunft eines Bediensteten der Baubehörde an einen Architekten, in einem Bebauungsplangebiet könne gebaut werden, bildet in der Regel keine ausreichende Verlässlichkeitsgrundlage für nachfolgende Investitionen.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 1 U 180/07

Verkündet am 12. Dezember 2007

In dem Rechtsstreit

Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Itzel, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Dr. Cloeren und die Richterin am Amtsgericht Stadler auf die mündliche Verhandlung vom 17.10.2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 9. Januar 2007 verkündete Grundurteil des Einzelrichters der 11. Zivilkammer des Landgerichts Trier abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leiststet.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen einer fehlerhaften Auskunft in Anspruch.

Am 21. September 1971 beschloss der Gemeinderat der Gemeinde F... einen Bebauungsplan mit den Teilgebieten "Auf dem W..." und "In der A...". Die Bezirksregierung Trier genehmigte in der Folgezeit unter dem 29. Februar 1972 lediglich das Teilgebiet "Auf dem W...".

Gegen Ende der 90er Jahre setzte sich die Klägerin mit der Beklagten in Verbindung, weil die gesamte Fläche im Bebauungsplangebiet in ihrer Verfügungsbefugnis stand und sie diese vermarkten wollte.

Anlässlich eines Gesprächs des Architekten der Klägerin, des Zeugen S..., mit dem Sachbearbeiter der Beklagten, K..., wurde Einsicht in den Bebauungsplan genommen; zwischen den Parteien umstritten ist welche Bebauungsplanausfertigung vorlag.

Die Klägerin begann in der Folgezeit mit der Planung der Versorgungseinrichtungen auch für das Baugebiet "In der A...". Erst im Dezember 1999 bemerkten die Beteiligten, dass für dieses Teilgebiet mangels Genehmigung durch die Bezirksregierung T... ein wirksamer Bebauungsplan nicht vorlag.

Am 22. März 2001 wurde für das Teilgebiet "In der A..." ein Bebauungsplan genehmigt.

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin Ersatz der Planungskosten, die unter Zugrundelegung des unwirksamen Bebauungsplans angefallen sind. Diese nunmehr nutzlosen Aufwendungen habe sie im Vertrauen auf die Auskunft des Bediensteten K... getätigt, der unter Bezugnahme auf den Bebauungsplan erklärt habe, hier dürfe gebaut werden.

Ein Hinweis auf die Nichtgenehmigung des Bebauungsplans sei aus den vom Sachbearbeiter K... vorgelegten Planunterlagen nicht erkennbar gewesen. Dem Architekten seien Planzeichnungen mit Textfestsetzungen vorgelegt worden und dabei sei seitens des Sachbearbeiters erklärt worden, dies sei der maßgebliche Bebauungsplan.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 34.168,95 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.09.2003 zu zahlen,

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen:

Ein Bediensteter der Verbandsgemeinde habe nie erklärt, der Bebauungsplan sei genehmigt.

Davon abgesehen habe sich der Architekt der Klägerin auch mit der Genehmigung des Bebauungsplans befassen müssen. Dies sei seine Aufgabe gewesen und deshalb stehe der Klägerin eine anderweitige Ersatzmöglichkeit zu. Im Übrigen stelle dieser Umstand auch ein der Klägerin zuzurechnendes Mitverschulden dar, welches so weit gehe, dass es einen Schadensersatzanspruch ausschließe.

Die Klägerin habe zudem keinen Durchführungsvertrag mit der Gemeinde über die Baumaßnahmen geschlossen gehabt; sie habe Aufträge vergeben, ohne einen verbindlichen Erschließungsvertrag mit der Ortsgemeinde F....

Darüber hinaus sei der Schadensersatzanspruch verjährt.

Das Landgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme (Zeugeneinvernahme) mit seinem Grundurteil vom 9. Januar 2007 die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Zur Begründung führt das Gericht aus, der Sachbearbeiter der Beklagten, der Zeuge K..., habe bei der Klägerin den Eindruck erweckt, der Bebauungsplan "In der A..." sei genehmigt. Die Beklagte sei allein für diesen Irrtum verantwortlich, den Plan für wirksam gehalten zu haben.

Der Architekt der Klägerin, der Zeuge S..., habe keine Veranlassung gehabt, sich mit der Randleiste zu befassen, weil die Aussage des Zeugen K... eindeutig gewesen sei. Es liege mithin keine Pflichtverletzung des Architekten der Klägerin vor und deshalb auch kein Mitverschulden.

Schließlich könne sich die Beklagte nicht auf die Verjährung berufen, denn diese sei durch die laufenden Verhandlungen zwischen den Parteien gehemmt worden.

Mit ihrer gegen dieses Urteil gerichteten Berufung macht die Beklagte unter Vertiefung ihres bisherigen Vortrags im Wesentlichen geltend, die Aussage ihres Bediensteten "sie können hier bauen" besitze keinen konkreten Aussagewert.

Der Architekt der Klägerin sei darüber hinaus selbst ein Fachmann gewesen und deshalb ebenso zur Überprüfung des Bebauungsplans verpflichtet gewesen wie ihr Sachbearbeiter.

Es gebe auch keinen Ansatz für die Behauptung der Klägerin, der Plan sei dem Architekten ohne die Verfahrensleiste vorgelegt worden.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens weist die Klägerin darauf hin, der Bedienstete der Beklagten habe eine eindeutige Erklärung zur Bebaubarkeit des Baugebietes abgegeben. Der dem Architekten vorgelegte Plan habe keinen Genehmigungsvermerk der Bezirksregierung enthalten, sondern lediglich die Bezugnahme anlässlich der Neuveröffentlichung des Planes. Im Übrigen habe es keinen Anlass zur Prüfung der Verfahrensleiste gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten und zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze und Unterlagen verwiesen sowie auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 173-175 GA; S. 2-4 UA).

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Abänderung des Grundurteils des Landgerichts Trier und zur Abweisung der Klage.

Der Klägerin steht ein Amtshaftungsanspruch gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG nicht zu.

1. Zutreffend geht das Landgericht allerdings davon aus, dass aus dem Erklärungsverhalten des Zeugen K... gegenüber dem Zeugen S... die Aussage entnommen werden durfte, für das Plangebiet "In der A..." liege ein wirksamer Bebauungsplan vor.

Dies stellte eine falsche Auskunft dar; der Bebauungsplan war für diesen fraglichen Bereich gerade nicht genehmigt worden.

2. Grundsätzlich ist jeder Amtsträger verpflichtet, Auskünfte richtig, klar, vollständig und unmissverständlich zu erteilen. Dies gilt auch in Bausachen, in denen der Empfänger die Auskunft vielfach zur Grundlage von Vermögensdispositionen zu machen gedenkt.

Allerdings kommt es bei der Haftung wegen falscher Auskünfte darauf an, ob das nach Erhalt der Auskunft entfaltete Vertrauen schutzwürdig ist. Es ist deshalb zunächst festzustellen, ob die konkrete Auskunft überhaupt geeignet war, eine Vertrauens-/Verlässlichkeitsgrundlage für Investitionen zu bilden. Dabei sind als Gesichtspunkte, die einen Vertrauensschutz ausschließen können, nicht nur objektive Umstände, sondern auch subjektive Kenntnisse und sich aufdrängende Erkenntnismöglichkeiten des Empfängers der Auskunft zu sehen.

Diese Prüfung ist nicht erst bei der Frage des mitwirkenden Verschuldens im Sinne des § 254 BGB anzusetzen, sondern bereits bei der Prüfung der objektiven Reichweite des den Betroffenen durch das Amtshaftungsrecht gewährten Vermögensschutzes (vgl. BGH, Urteil vom 11. April 2002, BGH-Report 2002, 626 ff).

3. Gemessen an diesen Grundsätzen stellte die Auskunft des Bediensteten der Beklagten keine ausreichende Vertrauensgrundlage für finanzielle Dispositionen der Klägerin dar.

3.1. Es kann vorliegend offen bleiben, welche Bebauungsplanurkunde anlässlich der Besprechung zwischen den Zeugen K... und S... vorgelegen hat:

Entweder lag die Originalplanurkunde vor, deren Genehmigungsleiste ausgefüllt war oder - ebenfalls denkbar - eine Planurkunde im Entwurfsstadium, d.h. ohne ausgefüllte Genehmigungsleiste oder es handelte sich lediglich um einen Auszug aus dem Bebauungsplan in Kopie, auf dem nur der Ausfertigungsvermerk erkennbar war wie er mit Schriftsatz der Klägerin vom 27. April 2006 (Bl. 104 GA) vorgelegt worden ist.

3.2. In jedem Fall oblag es dem Architekten der Klägerin, sich von der Genehmigung und damit der Wirksamkeit des Bebauungsplans zu überzeugen. Als Fachkundiger durfte er sich nicht nur auf die zudem pauschale Aussage des Zeugen K... verlassen, im Plangebiet könne man bauen, sondern er hatte zu prüfen, ob der vorgelegte Plan diese Aussage des Zeugen K... auch rechtfertigte. Dieser Erkenntnismöglichkeit, die evident vorlag, hat sich der Architekt der Klägerin geradezu verschlossen.

Der Zeuge S... war aufgrund seiner Berufsqualifikation und der von ihm auch konkret ausgeübten Architektentätigkeit in besonderer Weise fach- und sachkundig.

Ein Architekt weiß, dass die Bebaubarkeit eines Grundstücks in der Regel von einem Bebauungsplan abhängt und er nur bauen darf, wenn dieser Bebauungsplan, der die baulichen Festsetzungen enthält, auch rechtsverbindlich geworden ist.

Ob diese Rechtsverbindlichkeit eines Bebauungsplans - formal - eingetreten ist, lässt sich anhand der sog. Verfahrensleiste in der Bebauungsplanurkunde feststellen. Beide Zeugen haben vor dem Landgericht bekundet, Bebauungsplanurkunden enthielten solche Verfahrensleisten (Bl. 158 GA Zeuge K...; Bl. 161 GA Zeuge S...). Die Aufnahme einer solchen Leiste mit in die Planurkunde erfolgt gerade unter dem Aspekt, damit der Einsichtnehmende sich schnell und zuverlässig einen Überblick über den Stand des Planverfahrens verschaffen und insbesondere feststellen kann, ob der Plan bereits die notwendigen Genehmigungen erhalten hat.

Lag der Besprechung zwischen den Zeugen eine vollständige Planurkunde zugrunde, so war es dem Zeugen S... auf einfachem Wege möglich, einen Blick auf die Verfahrensleiste zu werfen.

Als Architekt hatte der Zeuge S... auch die entsprechende Befähigung zumindest anhand der Planurkunde zu erkennen, ob die notwendigen Gültigkeitsvermerke bzw. Genehmigungsvermerke enthalten waren.

Hätte er die Verfahrensleiste in Blick genommen, so hätte er - sollte die Verfahrensleiste korrekt ausgefüllt gewesen sein - ohne weiteres die fehlende Genehmigung der Bezirksregierung für das Teilgebiet "In der A..." erkennen können.

Sollte die Verfahrensleiste keine Eintragungen aufgewiesen haben, so hätte dies erst Recht Anlass für eine Nachfrage sein müssen.

Anlass zu weiterer Nachfrage hätte aber auch die bloße Vorlage einer auszugsweisen Kopie lediglich mit Ausfertigungsvermerk sein müssen. Ohne den gesamten Bebauungsplan mit seinen zeichnerischen und textlichen Festsetzungen in Blick zu nehmen, konnte der Architekt der Klägerin bereits nicht erkennen, was dort gebaut werden durfte. Dann lag es aber auch nahe und drängte sich auf, die Vorlage der gesamten Planurkunde zu verlangen, mit der Folge der offenbaren Erkenntnismöglichkeit des Genehmigungsdefizits.

Diese Prüfungspflicht betraf den Architekten vorliegend umso mehr, als es um ein größeres Projekt der Klägerin ging. Es handelte sich nicht lediglich um die Bebauung eines einzelnen Grundstückes, sondern das gesamte Plangebiet sollte durch die Klägerin erschlossen und anschließend vermarktet werden. Bei Investitionen dieser Größenordnung versteht es sich von selbst, dass ein fachkundiger Berater der Klägerin sich nicht nur auf eine pauschale Aussage eines Bediensteten verlässt, sondern sich von den formalen Grundlagen der Bebaubarkeit der einzelnen Grundstücke bzw. des Baugebietes überzeugt.

Die alleinige Auskunft des Bediensteten durfte deshalb im vorliegenden Fall für die Klägerin keine ausreichende Verlässlichkeitsgrundlage für die auf sie gestützten umfangreichen Investitionen bilden.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen; die Entscheidung beruht unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf einer Würdigung im Einzelfall.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 34.169 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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