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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 05.12.2001
Aktenzeichen: 1 U 2046/98
Rechtsgebiete: VOB/B, BGB, VOB/A, ZPO


Vorschriften:

VOB/B § 2 Nr. 6 Abs. 2
VOB/B § 2 Nr. 6
VOB/B § 2 Nrn. 3, 5
VOB/B § 16
VOB/B § 4 S. 1
VOB/B § 1 Nr. 3
VOB/B § 1 Nr. 4 S. 1
VOB/B § 25 Nr. 3
VOB/B § 8 Abs. 3 Nr. 2
BGB § 632
VOB/A § 28
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 1 U 2046/98

Verkündet am 5. Dezember 2001

in dem Rechtsstreit

wegen Werklohnforderung.

Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Krämer, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Giese und die Richterin am Oberlandesgericht Semmelrogge auf die mündliche Verhandlung vom 24. Oktober 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 9. November 1998 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 13.500 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Parteien können die Sicherheit auch durch unbedingte, unbefristete, unwiderrufliche und selbstschuldnerische Bürgschaft einer Bank oder Sparkasse mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland erbringen.

Tatbestand:

Mit ihrer Klage auf Zahlung restlichen Werklohns wendet sich die Klägerin gegen die von der Beklagten vorgenommene Kürzung von Einheitspreisen für Nachträge im Rahmen eines zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrages zur Instandsetzung der W..........brücke im Abschnitt I.............. Grundlage des von der Klägerin nach erfolgter Ausschreibung vorgelegten Angebots von 3.478.476,33 DM war ein kalkulierter Mittellohn von 64,50 DM. Mittellöhne in dieser Größenordnung hatte die Klägerin bereits vorher ihren Angeboten an die Beklagte im Hinblick auf andere Bauvorhaben zu Grunde gelegt.

Das genaue Ausmaß der notwendigen Arbeiten zur Instandsetzung der Brücke ließ sich zum Teil erst nach Freilegung von verdeckten Teilen im Inneren feststellen. Die Beklagte hatte bei der Erstellung des Leistungsverzeichnisses ein Ingenieurbüro eingeschaltet, das das Brückenbauwerk im Vorfeld der Ausschreibung soweit möglich von außen untersucht hatte. Die Ausschreibung sah zum Zwecke der Instandsetzung u.a. den Einbau von Gleitlagern vor. Erst nach dem Öffnen der Lagerkonstruktionen stellte die Beklagte fest, dass die Fläche der Lagerkonstruktionen der Rollenlager kleiner war als die Fläche, die für die Gleitlager benötigt wurde.

Bei der Angebotseröffnung am 23. Mai 1990 ergab sich, dass die Klägerin um ca. 21 % unter dem Angebotspreis des nächstgünstigeren Bieters lag. In der Niederschrift über eine am 2. Juli 1990 bei der Beklagten durchgeführten Aufklärungsverhandlung, heißt es:

"11. Auf Grund des großen Unterschiedes in der Endangebotssumme von rund 25 % zum nächst folgenden Angebot in der Reihenfolge der Mindestbieter erklärt Herr H. In der Kalkulation zur Bildung der Einheitspreise fehlen unter anderen betriebsbezogene Personalkosten in Höhe von mindestens 700.000,-- DM (netto). Sämtliche Einheitspreise, insbesondere für die Kunststoff arbeiten, einschließlich Abdichtung der Fahrbahn, Korrosionsschutzarbeiten und Verkehrssicherungsmaßnahmen sind daher nicht kostendeckend.

Herr H... sagte zu, die geforderten Nachweise und Unterlagen umgehend vorzulegen, damit das Angebot zur Instandsetzung der W........brücke vollständig vorliegt."

In einem Schreiben an die Beklagte vom 5.7.1990 führte die Klägerin aus:

"Wie in dem Aufklärungsgespräch am 2.7.1990 in ihrem Hause bereits mitgeteilt, wurde bei der Erstellung der Urkalkulation die Umlage für den Polier und den Bauleiter aus Versehen nicht berücksichtigt. Wir behalten uns vor, bei zusätzlichen Leistungen, auch Massen über 110 %, diese Kosten geltend zu machen."

Mit Schreiben vom 7.8.1990 legte die Klägerin der Beklagten ein Alternativangebot für zwei Stück Rollenlager anstelle von Gleitlagern vor und fügte in der Anlage eine Berechnung zur "Ermittlung der Umlage Bauleiter/Polier" bei, die mit einem Prozentsatz von 22,1 % schloss. Das Angebot für die Rollenlager berücksichtigte diese Umlage. Außerdem bat die Klägerin die Beklagte, ihr Angebot wegen offenbarem Missverhältnis zwischen Preis und Leistung auszuscheiden.

Mit Schreiben vom 10.8.1990 erteilte die Klägerin der Beklagten den Zuschlag für die Instandsetzungsarbeiten auf der Grundlage des ursprünglichen Angebots.

Mit Schreiben vom 5.11.1990 legte die Klägerin der Beklagten ihre Urkalkulation vor, die auch die Berechnungen der Lohnkosten enthielt. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Aufstellungen Bl. 152-156 GA.

Mit Schreiben vom 22.11.1990 stimmte die Beklagte grundsätzlich dem Nachtragsangebot der Klägerin zum Einbau der Rollenlager zu und lehnte gleichzeitig eine Erhöhung der Umlage auf 22,1 % ab.

Am 7.7.1994 unterzeichnete die Beklagte einen Nachtragsvertrag Nr. 1, der die Erbringung zusätzlicher Leistungen "zur ordnungsgemäßen Instandsetzung der Gesamtmaßnahme" mit einer Auftragssumme von 642.929,61 DM vorsah. Dies hatte zur Folge, dass verschiedene Positionen des ursprünglichen Vertrages entfielen. Die Klägerin wies darauf hin, dass sie sich hinsichtlich des Nachtragsvertrags die Geltendmachung einer Umlage von 22,1 % vorbehalte.

In der Schlussrechnung vom 30.9.1996 berücksichtigte die Klägerin die Erhöhung der Umlage um 22,1 %. Nachdem die Beklagte diese Beträge wieder gekürzt hatte, verlangte die Klägerin eine Berücksichtigung der Umlage jedenfalls hinsichtlich der Nachträge und errechnete eine zusätzliche Forderung in Höhe von 134.604,06 DM. Sie verlangt außerdem eine Berücksichtigung der berechneten Lohnmehrkosten gemäß der vertraglich vereinbarten Lohngleitklausel.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe in ihrer ursprünglichen Kalkulation die nicht gedeckten Kosten für Polier- und Bauleiter vergessen. Da es nicht darauf ankommen könne, ob der Bieter die Ausführung zu nicht kostendeckenden Preisen wirtschaftlich aushalte, habe die Beklagte ihr Angebot ausscheiden müssen. Sie sei jedenfalls nicht berechtigt, für die Nachträge unangemessen niedrige Preise anzusetzen. Eine genaue Bezifferung im Hinblick auf die Lohngleitklausel sei noch nicht möglich. Sie, die Klägerin, nehme Bankkredit in einer die Klageforderung übersteigenden Höhe in Anspruch, für den sie 10 % Zinsen zahlen müsse.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 134.604,06 DM nebst 10 % Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr auf den Klagebetrag gemäß vorstehender Ziffer 1, die Lohnmehrkosten gemäß der vertraglich vereinbarten Lohngleitklausel zusätzlich zu erstatten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass eine Erhöhung der Umlage für die Nachträge nicht möglich sei, weil nach § 2 Nr. 6 Abs. 2 VOB/B die Preisermittlungsgrundlagen des ursprünglichen Vertrages gelten würden.

Das Landgericht hat dem Zahlungsantrag stattgegeben und die Feststellungsklage abgewiesen. Zur Begründung wird ausgeführt, die Beklagte könne die Klägerin für die Nachtragsleistungen nicht an den ursprünglichen Preisen festhalten, da Nachtragsleistungen regelmäßig Folge einer ungenügenden oder nicht ausgereiften Planung seien. Der Feststellungsantrag sei unbegründet, weil ein Feststellungsinteresse nicht erkennbar sei.

Mit ihrer Berufung erstrebt die Beklagte eine Klageabweisung in vollem Umfang, während die Klägerin mit ihrer Anschlussberufung die Verurteilung zur Zahlung eines weiteren Betrages von 11.510,02 DM (Erstattung im Hinblick auf die Lohngleitklausel) begehrt.

Die Beklagte nimmt Bezug auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und behauptet ergänzend, sie habe den Eindruck gehabt, die Klägerin habe bewusst zu niedrig kalkuliert, um der Region ins Geschäft zu kommen. Als sie die Höhe der Differenz zum nächsten Angebot erkannt habe, habe sie versucht, über die Erhöhung der Umlage eine höhere Vergütung zu erreichen. Die Klägerin sei verpflichtet gewesen, vor dem Zuschlag alle Unterlagen zu übermitteln, aus denen der angebliche Kalkulationsirrtum ersichtlich sei. Eine Aufforderung hierzu ergebe sich aus der Niederschrift über die Aufklärungsverhandlung vom 2.7.1990.

Zur Ausscheidung des Angebots der Klägerin sei sie, die Beklagte, nicht verpflichtet gewesen, weil dieses Angebot noch tragfähig sein konnte. Sie habe einen Irrtum der Klägerin weder veranlasst noch treffe sie ein vorwerfbares Verhalten bei der Planung. Die Nachtragsleistungen seien sämtlich unvorhergesehene Leistungserweiterungen gewesen.

Wegen der Einzelheiten des klägerischen Vorbringens wird auf die Aufstellung Bl. 142 und das zu den Akten gereichte Schreiben des Straßen- und Verkehrsamtes B.. K........ vom 3.5.1999 (Bl. 143, 144) Bezug genommen. Ein Ausnahmefall, in dem das Festhalten an der Regel des § 2 Nr. 6 VOB/B treuwidrig wäre, liege nicht vor. Im Übrigen habe die Straßenverwaltung Rheinland-Pfalz bereits am 17.7.1990 entschieden, dass der Klägerin der Zuschlag zu erteilen sei. Schließlich habe das Landgericht verfahrensfehlerhaft den von der Klägerin behaupteten Kalkulationsirrtum unterstellt.

Die Beklagte beantragt,

in Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Wege der Anschlussberufung beantragt sie,

die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 11.510,02 DM nebst Zinsen in Höhe von 1 % über dem Lombardsatz der Deutschen Bundesbank seit dem 7. Januar 1998 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe bei der Aufklärungsverhandlung das Bestehen eines Kalkulationsirrtums nicht in Frage gestellt und auch keine zusätzlichen Nachweise gefordert. Soweit sie, die Klägerin, bereits früher zu einem ähnlichen Mittellohn Angebote abgegeben habe, seien diese Kalkulationen nicht vergleichbar, weil je nach Objekt und auch je nach Kalkulator die sogenannten unproduktiven Kosten über einen prozentualen Aufschlag auf die einzelnen Kalkulationsgruppen, etwa Material- oder Fremdleistung, umgelegt würden. Durch das Schreiben vom 7.8.1990 und die Vorlage der Urkalkulation habe sie im Übrigen den Kalkulationsirrtum nachgewiesen.

Eine Geltung von § 2 Nr. 6 VOB/B hinsichtlich des Einbaus der Rollenlager komme schon deshalb nicht in Betracht, weil der Beklagten das Angebot für die Rollenlager noch vor dem Zuschlag bekannt gewesen sei. Die übrigen Positionen des Nachtragsvertrages seien selbständige Arbeiten, die mit dem Ursprungsauftrag nichts zu tun gehabt hätten. Im Übrigen zeige die spätere Erweiterung des Auftrags, dass die Planung nicht entsprechend sorgfältig vorbereitet gewesen sei. Dies ergebe sich auch aus ihrem Alternativvorschlag hinsichtlich der Rollenlager, den sie ohne weitergehende Untersuchung der Baustelle gemacht habe.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist begründet. Die Anschlussberufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung der um 22,1 % erhöhten Einheitspreise und auf Erstattung der entsprechenden auf Grund der Lohngleitklausel berechneten Lohnmehrkosten aus §§ 16 VOB/B, 632 BGB.

Die Klägerin bleibt auch für den Nachtragsauftrag an den in ihrem Angebot für den Hauptvertrag kalkulierten Mittellohn von 64,50 DM gebunden und kann nicht nachträglich eine Erhöhung von 22,1 % für die Kosten des Poliers und des Bauleiters vornehmen. Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch aus culpa in contrahendo auf Zahlung des mit der Klage geltend gemachten Betrages. Das Festhalten der Beklagten an den ursprünglichen Preisermittlungsgrundlagen für die Nachträge stellt schließlich keine unzulässige Rechtsausübung dar.

I.

Für die Nachtragsleistungen gelten die Grundlagen der Preisermittlung für den Hauptvertrag, also auch der dort zu Grunde gelegte Mittellohn. Entgegen der Auffassung der Klägerin stellen die Nachträge keine neuen, selbständigen Aufträge dar, die mit dem Ursprungsauftrag nichts zu tun hatten. Zwar ist der Auftragnehmer bei selbständigen Zusatzaufträgen, für die keine Ausführungspflicht nach § 4 S. 1 VOB/B besteht, berechtigt, eine angemessene Vergütung - auch im Wege einer Neuberechnung - zu verlangen (Ingenstau/Korbion, VOB, 14. Aufl., § 2 Nr. 6 Rnr. 278; Kapellmann/Schiffers, Vergütung, Nachträge und Behinderungsfolgen beim Bauvertrag, Bd. 1, 4. Aufl., Rnr. 842). Um solche selbständigen Zusatzaufträge handelt es sich bei den Nachträgen nicht. Die Beklagte hat durch Vorlage einer Aufstellung und ihrer Erläuterung (Bl. 142-145 GA) und durch die Vorlage der Begründung zum Nachtragsvertrag (Anlage B II) im Einzelnen die Nachtragsleistungen und ihre Notwendigkeit für die Durchführung der Brückensanierung erläutert. Durch die allgemeine Behauptung, es handele sich bei den Nachträgen um Leistungen, die mit dem Auftrag der Klägerin nichts zu tun hätten, hat diese das detaillierte Vorbringen der Beklagten nicht substantiiert bestritten. Im Einzelnen sind folgende Gesichtspunkte maßgebend:

1. Der Einbau der Rollenlager anstelle der im Hauptvertrag vorgesehenen Gleitlager wurde erst im Nachtragsvertrag in Auftrag gegeben. Die Frage, ob dies eine Änderung des Bauentwurfs i.S. des § 2 Nr. 5 VOB/B, mit der der Auftragnehmer nach § 1 Nr. 3 VOB/B rechnen musste, oder eine i.S. des § 1 Nr. 4 S. 1 VOB/B erforderliche zusätzliche Leistung nach § 2 Nr. 6 VOB/B ist, kann offen bleiben (zu der Abgrenzung bei Änderungen der Planung insbesondere zur "Leistung anstatt": Kapellmann/Schiffers, a.a.O., Rnr. 813; Ingenstau/Korbion, a.a.O., § 2 Nr. 5 Rnr. 232). In beiden Fällen gelten, soweit möglich, die Preisbestandteile der ursprünglichen Vereinbarung für die Vergütung der Zusatzleistung (Heiermann/ Riedl/Rusam, Handkommentar zur VOB, 9. Aufl., B § 2 Rnr. 138; Vygen, Bauvertragsrecht nach VOB und BGB, Rnr. 807, 818; Kapellmann/Schiffers a.a.O., Rnr. 818, 841; Ingenstau/Korbion, a.a.O., § 2 Nr. 5 Rnr. 248, 2 Nr. 6 Rnr. 277). Im Streit sind vorliegend lediglich die Lohnkosten, bei denen zwischen Hauptauftrag und Nachtrag keine Unterschiede bestehen.

2. Die vorstehenden Ausführungen geltend entsprechend für die Entwässerungsarbeiten, die in dem Hauptvertrag bereits vorgesehen waren. Eine Änderung des Bauentwurfs erfolgte dahingehend, dass anstelle der zunächst vorgesehenen teilweisen Ergänzung und Instandsetzung der Entwässerungsleitung eine vollständige Erneuerung erfolgen sollte (Bl. 144, OZ 4.25 des Hauptvertrages, OZ N. 1.26 des Nachtragsvertrages). Auch wenn man berücksichtigt, dass die ursprünglich für einen späteren Auftrag vorgesehene komplette Erneuerung der Entwässerungsleitungen wegen fehlender Haushaltsmittel und wegen Auflagen der Wasserbehörden in den Nachtragsvertrag mit der Klägerin aufgenommen wurde, handelt es sich nicht um eine selbständige Zusatzleistung, die für den Auftrag nicht erforderlich war. Vielmehr liegt eine Planänderung vor, die entweder nach § 2 Nr. 5 VOB/B oder als erforderliche zusätzliche Leistung nach § 2 Nr. 6 VOB/B zu beurteilen ist. Die Erforderlichkeit i.S. des § 1 Nr. 4 S. 1 VOB/B ist zu bejahen, weil eine technische Abhängigkeit zu den im Hauptvertrag vorgesehenen Entwässerungsarbeiten besteht und auch keine wesentliche Umplanung des Gesamtvorhabens erfolgte (Kapellmann-Schiffers, a.a.O., Rnr. 839). Der auf die Erneuerung der Entwässerungsleitungen entfallende Betrag von 56.378,20 DM fällt gegenüber der ursprünglichen Vertragssumme von 3.478.476,33 DM nur wenig ins Gewicht.

3. Bei den Mehrkosten für den Fertigmörtel (Pos. 9.25 der Schlussrechnung. Bl. 28 GA) handelt es sich um Mehrkosten für 110 % der Massen des Hauptvertrages übersteigendes Material. Für diese Massenüberschreitung gelten ebenfalls die Preisermittlungsgrundlagen für den Ursprungsvertrag (Ingenstau/ Korbion, a.a.O., § 2 Nr. 3 Rnr. 185).

4. Hinsichtlich der übrigen Positionen der Schlussrechnung, die auf die Nachträge entfallen, hat die Beklagte die Erforderlichkeit i.S. des § 4 S. 1 VOB/B im Einzelnen dargelegt. Die Klägerin ist dem nicht substantiiert entgegen getreten.

II.

Die Bindung der Klägerin an die Preisgrundlagen des ursprünglichen Angebots ist nicht durch eine wirksame Anfechtung entfallen. Zum einen hat die Klägerin keine Anfechtung erklärt, sondern lediglich gebeten, ihr Angebot nach § 25 Nr. 3 VOB/B auszuscheiden. Überdies berechtigt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat sich anschließt, auch ein von dem Auftraggeber erkannter Kalkulationsirrtum nicht zur Anfechtung, weil die Notwendigkeit der Wertung einer Kenntnis des Auftraggebers als Tatbestandsmerkmal für die Anfechtung zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führte (BGH BauR 98, 1089 ff.; Daub/Piel/Soergel, VOB/A, 19.59; Waas, JUS 2001, 1421; Medicus, EWIR, 98, 871 f.; anderer Ansicht: Singer JZ 99, 342 ff.; Kindl, WM 99, 2198 ff.; Pawlowski, JZ 97. 741 ff.; wohl auch: OLG München, NJW-RR 90, 1406 für einen Irrtum über die Grundlagen eines gerichtlichen Vergleichs).

III.

Die geltend gemachte Forderung ergibt sich auch nicht aus einem Anspruch aus culpa in contrahendo.

1. Eine Pflicht, die Klägerin auf einen Kalkulationsirrtum hinzuweisen, traf die Beklagte nicht. Die Preisdifferenz zum nächsten Anbieter war bereits Gegenstand der Erörterungen in der Aufklärungsverhandlung vom 2.7.1990. Die Klägerin selbst teilte der Beklagten in diesem Zusammenhang mit, sie habe falsch kalkuliert.

2. Für die Frage eines Anspruchs aus culpa in contrahendo kann offen bleiben, ob die Klägerin Nachweise für den behaupteten Irrtum hätte anfordern und später das Angebot der Klägerin als unangemessen niedrig nach § 25 Nr. 3 VOB/B hätte ausscheiden müssen. Abgesehen davon, dass § 25 Nr. 3 VOB/B keine Schutzvorschrift zu Gunsten des Bieters ist (OLG Köln, BauR 95, 98 f.; OLG Hamm, BauR 92, 70), könnte ein Schadensersatzanspruch den Bieter lediglich so stellen, als sei er nicht an dem unangemessen niedrigen Angebot festgehalten worden. Dies kann zu einem Schadensersatzanspruch des Bieters aus culpa in contrahendo führen, wenn dieser nach dem Zuschlag die Ausführung des Auftrags ablehnt und der Auftraggeber deshalb Mehrkosten nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B geltend macht (Ingenstau/Korbion, a.a.O., § 25 Nr. 3 VOB/A, Rnr. 67; OLG Nürnberg, NJW-RR 98, 595 f.; OLG Köln, BauR 95, 98). Zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer ist nämlich durch die Ausschreibung ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis entstanden, das für beide Seiten Rücksichts- und Sorgfaltspflichten begründet (OLG Hamm, BauR 92, 70). Rechtsfolge dieses Schadensersatzanspruchs aus culpa in contrahendo kann es aber nicht sein, den Bieter so zu stellen, als sei ihm der Kalkulationsirrtum nicht unterlaufen.

3. Die gleiche Erwägung gilt für den Vorwurf der Klägerin, die Nachträge seien erforderlich gewesen, weil die Beklagte die Planung nicht sorgfältig vorbereitet habe. Auch wenn man dies unterstellt, wäre die Klägerin nur so zu stellen, als seien die Nachträge bereits Gegenstand des Hauptvertrages gewesen. Auch in diesem Fall wäre der Klägerin der behauptete Kalkulationsirrtum unterlaufen. Eine Korrektur der zu Grunde liegenden Preisermittlungsgrundlagen im Rahmen eines Anspruchs aus culpa in contrahendo scheidet aus (in diese Richtung wohl auch: Kleine-Möller/Merl/Delmeier, Handbuch des privaten Baurechts, 2. Aufl., § 10 Rnr. 430 für eine vorwerfbar falsche Mengenangabe).

IV.

Das Festhalten an den ursprünglichen Preisermittlungsgrundlagen für die Nachträge entsprechend den Regelungen des § 2 Nrn. 3, 5 und 6 VOB/B stellt keine unzulässige Rechtsausübung dar.

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt der Auftraggeber treuwidrig, wenn er ein Angebot annimmt, obwohl er einen Kalkulationsirrtum des Auftragnehmers positiv kennt und außerdem weiß, dass die Vertragsdurchführung für den Auftragnehmer schlechthin unzumutbar wäre. Gleichzustellen ist der positiven Kenntnis, wenn der Auftraggeber sich der Kenntnis treuwidrig entzieht, indem er naheliegende Rückfragen unterlässt. Dabei ist der Auftraggeber nicht gehalten, von sich aus zu klären, ob ein Kalkulationsfehler vorliegt oder nicht. Eine Pflicht zur Aufklärung kann allenfalls dann bestehen, wenn sich der Tatbestand des Kalkulationsirrtums mit seinen unzumutbaren Folgen für den Bieter aus dem Angebot des Bieters oder aus dem Vergleich zu den weiteren Angeboten oder aus den dem Auftraggeber bekannten sonstigen Umständen geradezu aufdrängt. Nur in einem solchen Ausnahmefall kann es nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gerechtfertigt sein, den Auftraggeber entgegen seinen eigenen Interessen als verpflichtet anzusehen, an der Aufklärung eines Kalkulationsfehlers des Bieters mitzuwirken (BGH, BauR 98, 1089 ff., 1092 f.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

a) Für die Frage der Kenntnis des Auftraggebers ist maßgebend der Zeitpunkt der, Zuschlagserteilung, also hier nach § 28 VOB/A die Zuschlagserklärung vom 10.8.1990. Auf die Frage, ob die Straßenverwaltung bereits vor Zugang des Schreibens der Klägerin vom 7.8.1990 beschlossen hatte, den Zuschlag an diese zu erteilen, kommt es deshalb nicht an. Am 10.8.1990 hatte die Beklagte keine positive Kenntnis vom Bestehen eines Kalkulationsirrtums auf Seiten der Klägerin. In der Aufklärungsverhandlung hatte der Vertreter der Klägerin dies lediglich ohne weitere Belege behauptet. Allein die Differenz des Angebots der Klägerin zum nächsten Bieter begründet keine Kenntnis der Beklagten von einem Kalkulationsirrtum, denn in der Praxis kommt es häufig vor, dass mit sogenannten Spekulationsangeboten gearbeitet wird (Ingenstau/Korbion, a.a.O., § 25 Nr. 3 VOB/A Rnr. 67). Hinzu kommt, dass die Klägerin unstreitig in der Vergangenheit ebenfalls Angebote abgegeben hatte, die eine Kalkulation eines Mittellohns von 64,50 DM enthielten. Danach hatte die Beklagte durchaus Anlass, der Behauptung der Klägerin, ihr sei ein Kalkulationsirrtum unterlaufen, zu misstrauen (BGH BauR 86, 334 f.). Durch die Vorlage eines Alternativangebots für die Rollenlager mit Schreiben vom 7.8.1990, das eine Erhöhung der Lohnkosten enthielt, hatte die Klägerin nicht überprüfbar nachgewiesen, dass ihr ursprüngliches Angebot falsch kalkuliert war. Das Gleiche gilt für die ebenfalls mit Schreiben vom 7.8.1990 vorgelegte "Anlage zur Ermittlung der Umlage Bauleiter/Polier" (Bl. 38 GA), die ohne Beziehung zum Ursprungsangebot für die Prüfung eines Kalkulationsirrtums unergiebig ist.

b) Die Beklagte hat sich der positiven Kenntnis von einem Kalkulationsirrtum auch nicht treuwidrig verschlossen, indem sie naheliegende Rückfragen unterließ. Insoweit spricht zwar einiges dafür, dass sich die Formulierung in der Niederschrift über die Aufklärungsverhandlung vom 2.7.1990 "Herr H sagte zu, die geforderten Nachweise und Unterlagen umgehend vorzulegen, damit das Angebot zur Instandsetzung der W........brücke vollständig vorliegt" nicht auf Nachweise hinsichtlich des Kalkulationsirrtums, sondern auf sonstige von der Beklagten geforderten Unterlagen bezog. Dies kann jedoch dahinstehen, denn die Beklagte war nicht verpflichtet, von der Klägerin ausdrücklich einen Nachweis des Kalkulationsirrtums zu fordern. Zum einen konnte die Klägerin ohnehin nicht erwarten, dass die Beklagte ohne Übermittlung der Kalkulationsunterlagen von einem Vorliegen des Kalkulationsfehlers ausgehen würde (in diesem Sinne auch: OLG Nürnberg, NJW-RR 1998, 1595 f.). Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin selbst mit Schreiben vom 7.8.1990 eine Berechnung zur Ermittlung der Umlage für Bauleiter und Polier vorlegte, also wohl selbst davon ausging, dass ein Nachweis ihres Irrtums erforderlich war. Man würde die aus dem vorvertraglichen Vertrauensverhältnis abzuleitenden Rücknahme- und Hinweispflichten der Beklagten überspannen, wenn man von ihr verlangte, in dieser Situation von der Klägerin die Vorlage weiterer aussagekräftiger Belege oder Nachweise zu fordern. Die Klägerin trägt selbst vor, dass allein der Mittellohn zur Beurteilung von Angeboten nicht aussagekräftig sei, weil die Zuschläge auf einzelne Kostengruppen, also im Grunde die gesamte Kalkulation, berücksichtigt werden müssten. Legt man dies zu Grunde, lag für die Klägerin auf der Hand, dass allein die Berechnung der Umlage für den Nachweis ihres Kalkulationsirrtums nicht ausreichte.

2. Auf die Frage, ob die Klägerin mit der Vorlage ihrer Urkalkulation am 5.11.1990 einen ausreichenden Nachweis für einen Kalkulationsirrtum erbracht hat, kommt es nicht an, denn die Bindung an die ursprünglichen Preisermittlungsgrundlagen auch für die Nachträge war grundsätzlich bereits im Zeitpunkt der Zuschlagserteilung eingetreten (Werner-Pastor, Der Bauvertrag, 9. Aufl., Rnr. 1169; Ganten/Jagenburg/Motzke, VOB/B, Rnr. 101; Vygen, a.a.O., Rnr. 807; Heiermann/Riedl/Rusam, a.a.O., Rnr. 138; Ingenstau/Korbion, a.a.O., § 2 Nr. 5, Rnr. 248).

Zwar wird teilweise die Auffassung vertreten, dass die Forderung nach zusätzlichen Leistungen die Bindung an die ursprünglichen Preisgrundlagen entfallen lasse, weil sie regelmäßig Folge einer nicht ausgereiften Planung sei (Kleine-Möller/Merl/Delmeier, a.a.O., Rnr. 602, einschränkend Rnr. 1039). Die generelle Aussage, alle auf der Grundlage von § 2 Nr. 3, Nr. 5 oder Nr. 6 VOB/B geforderten zusätzlichen Leistungen beruhten auf einer unzureichenden Planung des Auftraggebers hält der Senat in dieser Allgemeinheit allerdings für zu weitgehend. Bedenken bestehen insoweit, als auf diese Weise in der Praxis der Grundsatz der Bindung an die ursprünglichen Preisermittlungsgrundlagen weitgehend aufgegeben würde, obwohl der Auftragnehmer nach § 1 Nr. 3 VOB/B mit Änderungen des Bauentwurfs und nach § 1 Nr. 4 S. 1 mit der Anordnung zusätzlicher zur Ausführung erforderlicher Leistungen rechnen muss. Jedenfalls wird diese weitgehende Auffassung der Besonderheit des vorliegenden Falles nicht gerecht, die darin liegt, dass der genaue Umfang der Sanierungsarbeiten an dem Brückenbauwerk erst nach dem Freilegen innerer Teile bestimmt werden konnte. Legt man dies zu Grunde, könnte eine unzulässige Rechtsausübung allenfalls dann angenommen werden, wenn die Beklagte schuldhaft unvollständig oder ungenau geplant und dies zur Notwendigkeit der Nachträge geführt hätte (in diesem Sinne: Ingenstau/Korbion, a.a.O., § 2 Nr. 3 VOB/B, Rnr. 188). Lediglich in einem solchen Fall wäre eine Aufhebung der Bindung an die ursprünglichen Preisermittlungsgrundlagen ausnahmsweise gerechtfertigt, weil sich der Auftraggeber ansonsten durch sorgfaltswidriges Verhalten Vorteile verschaffen und einen Irrtum des Auftragnehmers ausnutzen könnte.

So liegt der Fall hier aber nicht. Die Beklagte hat im Einzelnen dargelegt, dass die Notwendigkeit für die Nachträge erst nach der Zuschlagserteilung aufgetreten sei. Die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Klägerin hat einen Planungsfehler der Beklagten konkret nur hinsichtlich des Nachtrags "Rollenlager" behauptet und dies damit begründet, dass sie, die Klägerin, diesen Alternativvorschlag schon in der Aufklärungsverhandlung ohne weitere Untersuchung der Baustelle gemacht habe. Allein die Tatsache, dass die Klägerin dieses Alternativangebot abgegeben hat, trägt den Vorwurf der mangelnden Sorgfalt durch die Beklagte nicht. Die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass erst nach dem Öffnen der Lagerkonstruktionen erkennbar gewesen sei, dass die Fläche der Lagerkonstruktionen der Rollenlager kleiner gewesen sei, als die entsprechende Fläche, die für die Gleitlager benötigt worden sei (Bl. 130 GA). Die Klägerin legt nicht dar, aus welchem Grund und auf welche Weise die Beklagte diese Feststellung vor dem Öffnen der Lagerkonstruktionen hätte treffen können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 160.000 DM festgesetzt. Dem entspricht die Beschwer der Klägerin.

Ende der Entscheidung

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